Srebrenica-Massaker und die UN
#1
Zitat:Die Niederlande sind haftbar für die Deportation von 300 Männern beim Massaker von Srebrenica im Bosnien-Krieg. Das hat ein Gericht in Den Haag festgestellt. 1995 wurden insgesamt 8000 Muslime getötet.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/srebrenica-niederlande-tragen-mitschuld-fuer-tod-von-300-maennern-a-981311.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/s ... 81311.html</a><!-- m -->

Unter dem Aufhänger würde ich gerne ein paar Fragen stellen:

1. Hätte man eurer Meinung nach den Völkermord durch die UN und dereren Truppen verhindern können?

2. Warum haben sich die Niederländer zurückgezogen? War der Rückhalt durch die Nato/UN wirklich so gering?

Ergänzend zum 2. und 3.:
Das Thema ist ja nicht neu. Der Begriff "Dutchbat" ist ja seither mit dem Völkermord eng verbunden.
Es waren glaube ich 370 Soldaten vor Ort, deren Bewegungsfreiheit nach und nach eingeschränkt wurde und sie wurden zum Großteil sogar entwaffnet.
Ich kann nachvollziehen, dass die Soldaten keine Schuld trifft, da sie am unteren Ende der Kette sitzen.
Eine Sache die ich aber mich etwas bedenklich stimmt, ist der damalige Kommandant, der unter Todesangst seine Kooperation erklärt hat und sich nicht in den Weg der Serben gestellt hat.

3. Vll. mag die Frage etwas naiv sein, aber die serbische Armee hätte doch niemals niederländische Soldaten ohne Folgen töten können? Das wäre einer Kriegsgrund gewesen und es hätte den Untergang für die serbische Armee bedeutet. Im schlimmsten Falle wären nahezu unbewaffnete niederländische Luftlandetruppen von der serbischen Armee zusammengeschossen worden. Unvertretbar.
Das Verhalten des damaligen Kommandanten kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Zumindest nicht mit den mir bekannten Informationen.
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#2
Zu 1: Nein, da bei Widerstand durch die Niederländer diese zusammen geschossen worden wären und der Völkermord dann in jedem Fall erfolgt wäre

2: Weil sie der Überzeugung waren, dass die Serben das Feuer auf sie eröffnet hätten, wenn sie es nicht getan hätten. Die Frage des Rückhalts durch die NATO kann ich nicht beurteilen. Seitens der UN war der Rückhalt meiner Ansicht allerdings sehr gering. Die Entschlossenheit der Serben in dieser einen Situation vor Ort war aber anscheinend hoch (man erinnere an dieser Stelle auch an den Kosovo und die Bereitschaft Serbiens ernsthaft gegen die NATO Krieg zu führen trotz sicherer Niederlage).

3: Die serbische Armee hätte natürlich erhebliche Konsequenzen tragen müssen, hätte sie die Niederländer angegriffen und niedergemacht. Aber:

Bei einem entschlossenen militärischen Angriff der Serben hätten die Niederländer vermutlich ebenso kapitulieren müssen, es wäre also auf das gleiche heraus gelaufen - nur dass dann etliche niederländische Soldaten tot gewesen wären.

Ob ein solcher Angriff auf die Niederländer dann ein Kriegsgrund der NATO gegen Serbien gewesen wäre, kann ich nicht beurteilen. Man hätte dies so nutzen können, aber es wäre nicht zwingend der Fall gewesen.

Beschließend: Das Verhalten des Kommandeurs kann ich sehr gut nachvollziehen: er wollte nicht, dass seine Soldaten für das Geschehen dort sterben und selber wollte er ebenfalls nicht sterben. Zudem erfolgte die Sache (Entwaffnung etc) ja Salami-Scheibenartig, und ging nicht auf einen Schlag. Er hat daher gedacht, er könne Zeit gewinnen, sich da irgendwie durchlavieren bis Hilfe eintrifft usw usf Die Konsequenzen dieser Schwäche waren vermutlich für die Niederländischen Offiziere vor Ort so nicht absehbar.

Nachvollziehen kann ich es daher durchaus, aber natürlich nicht gut heißen. Es gibt entscheidende Stellen, da muss man einfach feststellen, dass man jetzt sterben muss und kann dann entschlossen handeln (da man dann ja von dem Zwang überleben zu wollen befreit ist).

Die Frage ist allerdings, ob die einfachen Soldaten da überhaupt mitgemacht hätten - meiner Meinung nach nein. Der Gros hätte nach den ersten Verlusten kapituliert und viele hätten sogar den Befehl verweigert.
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#3
Was hatten die Niederländer damals eigentlich an schweren Waffen vor Ort?
Hinterher jammert es sich immer leicht, aber das war einfach eine klassische damned if you do, damned if you dont Situation.
Hinterher jammert es sich immer leicht, aber die meisten Lagen sind halt wenn überhaupt tatsächlich nur aus der Rückschau klar und eindeutig
Den klaren Moment wo es geheißen hätte, Widerstand oder Völkermord gab es nicht.
Hätten sie gekämpft würde man wohl heute argumentieren, dass erst der unnötige und überzogene Widerstand das Massaker auslöste.
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#4
Wenn ich noch die Berichte von damals erinnere, ist der Einsatz damals an der Zweischlüsselpolitik gescheitert. Praktisch mußte jede Aktion der Soldaten durch den politischen Chef des Einsatzes genehmigt werden. Und da dieser nie etwas genehmigt hat, waren die Soldaten zur Tatenlosigkeit verdammt. Im Gegenteil, ein Zugführer, der mal bei einer Bedrohung durch die Serben seine Soldaten absitzen und gefechtsmäßig ausschwärmen hat lassen wurde sogar abgelöst.

Der Einsatz ist nicht am Militär sondern an der Politik gescheitert.
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#5
Ich wil hier nicht mit dem Zeigefinger im Nachhinein Leute schlecht reden.

Das hab ich auch mehrmals gelesen, dass man in "Scheibchen" entwaffnet wurde.

Die Moral und die Ausbildung scheint auch relativ schlecht gewesen zu sein und die Einschätzung von Quintus trifft es wohl sehr gut, dass die Soldaten schnell das Handtuch geworfen hätten.

Dennoch liest es sich bei vielen Berichten so, als wäre gar kein Widerstand vorhanden gewesen. Kein Herantasten und Austesten an die Grenzen. Auch von Seitens der UN nicht.

Irgendwie kann ich viele Handlungen im Kosovo-Konflikt bis heute nicht nachvollziehen. Sogar der Iraqkrieg 2003 erscheint mir subjektiv logischer als der Kosovo-Konflikt.

Was ich auch etwas schade finde, ist dass der Fall von der UN bzw. Nato nie ordentlich in der Öffentlichkeit aufgearbeitet wurde. Es gibt lediglich zivile Aufarbeitung von Außen und die bekommen oft nicht die Informationen, die sie bräuchten.

Zitat:Hätten sie gekämpft würde man wohl heute argumentieren, dass erst der unnötige und überzogene Widerstand das Massaker auslöste.

Bin zwar kein Fan von "Was wäre wenn?", aber ich könnte mir gut vorstellen, dass tote UN-Soldaten, sogar noch Niederländer, viel Aufmerksamkeit bekommen hätten und es vll. dadurch ein Umdenken hätte geben können.
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#6
Zitat:Onto
Irgendwie kann ich viele Handlungen im Kosovo-Konflikt bis heute nicht nachvollziehen. Sogar der Iraqkrieg 2003 erscheint mir subjektiv logischer als der Kosovo-Konflikt.

Ich denke das Eingreifen der NATO im Kosovo lässt sich gut im Zusammenhang mit Bosnien erklären. Im Bosnienkrieg hatte man das Geschehen jahrelang zugesehen unter anderem auch die Massenmorde in Sebrenica. Noch dazu kam es zu einer großen humanitären Katastrophe. 2,2 Mio. Menschen flohen oder wurden vertrieben. Erst als sich die NATO einschaltete, kam es dort zum Frieden. Die jahrelange Untätigkeit der NATO und das Versagen der UNO hatten nachher deutliche Spuren hinterlassen.

Als dann zwei Jahre danach auch der Krieg in Kosovo ausgebrochen war, sah man parallelen zum Bosnienkrieg. Nach jahrelangem Zusehen auch im Kosovo hatten sich schlussendlich die NATO-Länder doch für einen Eingriff entschieden. Um erstens einer erneuten humanitären Katastrophe zu verhindern und zweitens kann ich mir vorstellen, dass es eine Art Wiedergutmachung war für das zu lange Zögern in Bosnien und drittens damit in dieser Region endlich Frieden herrscht.

Ich möchte mir ehrlich gar nicht forstellen, was am Balkan noch alles passiert wäre, wenn die NATO nicht geholfen hätte. Daher sehe ich deinen Vergleich mit dem Einmarsch in den Irak 2003 als falsch. Es sind zwei von Grund auf völlig verschiedene Szenarien!
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#7
So war der Vergleich auch nicht gemeint. Ist mir völlig klar, dass das zwei paar Schuhe sind.

Ich meinte damit eher das Verhalten der Konfliktpartein. Bezogen auf die Zurückhaltung und die inkonsequente Linie.

Andere Kriege kann man rational teilweise aufarbeiten und selbst Fehlschläge und Fehlentscheidungen irgendwie erklären. Während der Konflikt auf dem Balkankonflikt in der Hinsicht viel schwieriger zu beleuchten ist.
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