11.10.2023, 09:12
@Philippe Gauchat
Man darf natürlich die Politik damit nicht generell in Schutz nehmen - manches wurde auch schlicht verschlafen, aus Kalkül ignoriert oder auf die lange Bank geschoben, weil es für die eigene Wählerklientel eben eine Zumutung sein könnte. Und dass die Demokratien manchmal sehr langsam reagieren, das ist sicherlich korrekt, aber das ist auch dem politischen System geschuldet, dem Kompromiss, der Rücksichtnahme - und auch manchmal der Angst oder der mangelnden Risikobereitschaft.
In einer Demokratie gibt es eben die Widersprüche, Verzögerungen und die "Kakophonie" des innenpolitischen Gegners, während hünenhafte und durchtrainierte Recken wie Kim oder Putin stets im glitzernden Sonnenschein stehen und ihrem Volk mit einem Winken den Marschbefehl in eine bessere Zukunft geben können. Dass das zwar dann sicher in der Entscheidungsfindung schneller geht, aber infolge der "Unfehlbarkeit" dieser "Führer" auch in historischer Regelmäßigkeit die größeren "Misthaufen" für ein Volk entstehen, ist natürlich die andere Seite der Medaille.
Übrigens hatte Roosevelt bis Pearl Harbor massivsten innenpolitischen Gegenwind. Nur mit viel Gehänge und Gewürge bekam er Cash-and-Carry-Klausel, Destroyers for Bases Agreement und später Lend-Lease Act durch den stark isolationistisch geprägten Kongress. Zwar war das faktisch auch schon die Aufgabe der Neutralität - man unterstützte ja mit Material eine Kriegspartei -, aber es war ihm anders nicht möglich irgendwie Großbritannien zu stützen. Von Florida bis Idaho wollten die Senatoren auch nichts großartig wissen vom Krieg in Europa oder in Asien, sondern sie hatten ihre Leute zu versorgen, die sich erst allmählich von der großen Depression der 1930er wieder erholt hatten. Hinzu kam, dass man im Ersten Weltkrieg zwar relativ überschaubare Verluste hatte, aber diese dennoch noch präsent waren - und man wollte nicht schon wieder US Boys für europäische oder asiatische Abenteuer opfern.
Leave me alone war die feste Devise der 1930er Jahre. Vor allem im mittleren Westen und um die großen Seen war der Widerstand hierbei groß. Und Roosevelt ist beinahe daran verzweifelt. Erst nach Pearl Harbor - und nachdem Hitler den USA am 11.12.1941 in völliger Fehleinschätzung der Lage (zur gleichen Zeit steckte die Wehrmacht bekanntlich vor Moskau im Schnee fest bzw. musste mit einer russischen Gegenoffensive fertig werden) den Krieg erklärt hatte -, d. h. als es gar nicht mehr anders ging, zogen die USA weitgehend innenpolitisch geschlossen in den Krieg.
Hierzu ganz interessant: https://www.jstor.org/stable/24910114
Schneemann
Zitat:Die Luftschlacht um England begann lt. Wikipedia am 10. Juli 1940.Das ist ein durchaus gewichtiger Punkt, den du da ansprichst. Leider ist es eben so, dass wir in einer recht schnelllebigen Zeit leben, wo "die Welt" an einem im Twitter- und Messenger-Stil vorbeijagt und wir uns wundern, warum manches in der Politik bzw. bei den Entscheidungsfindern so lange dauert. Genau genommen ist der Nachrichtenfluss deutlich schneller geworden - was es aber auch erleichtert, Falschnachrichten zu verbreiten -, inhaltlich substanzieller wurde es bzgl. der News dadurch aber nicht unbedingt.
Pearl Harbor war am 7. Dezember 1941.
D.h. Churchill und die Briten warteten 17 Monate darauf, dass ihnen die USA als Kriegspartei beistanden.
Solche Relationen muß man im Kopf haben, wenn man BK Scholz Zögerlichkeit vorwirft.
(Wobei mir natürlich nicht präsent ist, wie US- und UK-Presse über Roosevelt schrieb. Diskussionsbeiträge aus Internetforen sind wohl keine überliefert.)
Was Russland angeht, wird durch die Politik nicht kommuniziert, was die Kriegsziele sind.
Ich kritisiere das nicht negativ, sondern stelle es fest.
Man darf natürlich die Politik damit nicht generell in Schutz nehmen - manches wurde auch schlicht verschlafen, aus Kalkül ignoriert oder auf die lange Bank geschoben, weil es für die eigene Wählerklientel eben eine Zumutung sein könnte. Und dass die Demokratien manchmal sehr langsam reagieren, das ist sicherlich korrekt, aber das ist auch dem politischen System geschuldet, dem Kompromiss, der Rücksichtnahme - und auch manchmal der Angst oder der mangelnden Risikobereitschaft.
In einer Demokratie gibt es eben die Widersprüche, Verzögerungen und die "Kakophonie" des innenpolitischen Gegners, während hünenhafte und durchtrainierte Recken wie Kim oder Putin stets im glitzernden Sonnenschein stehen und ihrem Volk mit einem Winken den Marschbefehl in eine bessere Zukunft geben können. Dass das zwar dann sicher in der Entscheidungsfindung schneller geht, aber infolge der "Unfehlbarkeit" dieser "Führer" auch in historischer Regelmäßigkeit die größeren "Misthaufen" für ein Volk entstehen, ist natürlich die andere Seite der Medaille.
Übrigens hatte Roosevelt bis Pearl Harbor massivsten innenpolitischen Gegenwind. Nur mit viel Gehänge und Gewürge bekam er Cash-and-Carry-Klausel, Destroyers for Bases Agreement und später Lend-Lease Act durch den stark isolationistisch geprägten Kongress. Zwar war das faktisch auch schon die Aufgabe der Neutralität - man unterstützte ja mit Material eine Kriegspartei -, aber es war ihm anders nicht möglich irgendwie Großbritannien zu stützen. Von Florida bis Idaho wollten die Senatoren auch nichts großartig wissen vom Krieg in Europa oder in Asien, sondern sie hatten ihre Leute zu versorgen, die sich erst allmählich von der großen Depression der 1930er wieder erholt hatten. Hinzu kam, dass man im Ersten Weltkrieg zwar relativ überschaubare Verluste hatte, aber diese dennoch noch präsent waren - und man wollte nicht schon wieder US Boys für europäische oder asiatische Abenteuer opfern.
Leave me alone war die feste Devise der 1930er Jahre. Vor allem im mittleren Westen und um die großen Seen war der Widerstand hierbei groß. Und Roosevelt ist beinahe daran verzweifelt. Erst nach Pearl Harbor - und nachdem Hitler den USA am 11.12.1941 in völliger Fehleinschätzung der Lage (zur gleichen Zeit steckte die Wehrmacht bekanntlich vor Moskau im Schnee fest bzw. musste mit einer russischen Gegenoffensive fertig werden) den Krieg erklärt hatte -, d. h. als es gar nicht mehr anders ging, zogen die USA weitgehend innenpolitisch geschlossen in den Krieg.
Hierzu ganz interessant: https://www.jstor.org/stable/24910114
Schneemann