12.07.2022, 09:31
Ich muss gestehen, dass mich die ganzen Ausführungen etwas irritieren. Jeder weiß es irgendwie im Nachgang besser, das erinnert mich an die typisch deutsche "Tradition", dass es bei jeder WM mindestens 82 Mio. Bundestrainer gibt. Man hätte ganz das Gas und Öl abstellen sollen, ober doch lieber nur ein wenig, oder hier ein wenig mehr, man hätte mehr liefern müssen, vielleicht doch eine Flugverbotszone, gleich doch schwere oder halbtödliche Waffen von Anfang an, oder doch verhandeln sollen, man hat die Sanktionen falsch eingeschätzt, unzureichend oder doch richtig umgesetzt etc. pp. Das ist alles ein nachträgliches und irgendwo auch etwas unfaires Herumkritisieren, zumal wir alle sehr gut wissen, dass man demokratischen Gesellschaften eine Kriegsbeteiligung nicht einfach ohne längere Diskussionen und Erklärungen verkaufen kann, wenn überhaupt, und genügend Fehleinschätzungen werden auch immer noch dazu kommen.
Fakt ist ferner, dass sich alle - auch ich - in diesem Krieg schon öfters getäuscht hatten über manche Entwicklung. Und jeder Krieg bringt eben auch Friktionen, Unabwägbarkeiten und Überraschungen mit sich. Und hier müssen eben dann die Reaktionen angepasst werden, je nach Entwicklung.
Und genau genommen ist die Lage gar nicht so schlecht. Die Russen haben sich schon sehr verausgabt, haben hohe Verluste, das wird aus jeder Detailanalyse sichtbar, sie kämpfen sich noch vor, aber dieser Vorstoß schwächt sich derzeit immer mehr ab. D. h. auch wenn man kritisieren kann, dass viel ukrainisches Terrain verloren ging, sollte bedacht werden, dass die meisten Beobachter im Februar davon ausgingen, dass die Ukraine im Juli gar nicht mehr bestehen wird. Und jetzt wird schon kolportiert, dass die Ukrainer ggf. 2023 ein Übergewicht erlangen könnten. Wenn wir also die Russen in einen "war of attrition" hineinziehen wollen, wie hier auch angedacht wird, so sind wir auf einem recht guten Weg. Einerseits.
Andererseits wird es sicherlich manche kleinere Engpässe geben bei der Gasversorgung (wobei das natürlich auch dem Umstand der "Härte" des Winters geschuldet ist, wenn wir einigermaßen Glück haben, wird der Winter eher milde wie der letzte und wir kommen recht gut durch ohne etwas zu bemerken), aber eine schwere Krise mit 100 Mio. Frierenden sehe ich nicht. Die Deckungslücke liegt - wenn man Füllstände vor dem Winter und nach dem Winter ansieht und wenn man den Verbrauch, wobei die Menschen sicher auch mehr sparen werden, Revue passieren lässt und deckungsgleich übernimmt und wenn keine anderen Lieferungen eintreffen [also ziemlich viele "Wenn's"] - bei ca. 20%. Das ist relativ viel, immerhin ein Fünftel, aber davon geht Europa nicht unter. Das wäre auch, wie gesagt, eine "worst case"-Prognose, die die Informationslage von jetzt 1:1 übertragt (was eher unwahrscheinlich ist). Also bevor nun alle im Hühnerhaufenmodus durcheinander rennen: Ja, es kann Engpässe geben, und nein, wir werden davon recht wenig bemerken und Europa friert nicht ein. Sorgen mache ich mir eher wegen sozialer Folgen. Denn eines ist sicher: Die Preise werden steigen und ärmere und sozial schwächere Personen werden in finanzielle Nöte geraten.
Zu aktuellen Entwicklungen: Dass die Iraner die Russen beliefern, war schon mal im April durch den Äther gegeistert (damals ging es um Raketen), und anscheinend geht es nun um Drohnen...
Und noch ein anderes Thema (hatten wir auch schon), das uns viel mehr Sorgen bereiten sollte als ein kalter Keller...
Schneemann
Fakt ist ferner, dass sich alle - auch ich - in diesem Krieg schon öfters getäuscht hatten über manche Entwicklung. Und jeder Krieg bringt eben auch Friktionen, Unabwägbarkeiten und Überraschungen mit sich. Und hier müssen eben dann die Reaktionen angepasst werden, je nach Entwicklung.
Und genau genommen ist die Lage gar nicht so schlecht. Die Russen haben sich schon sehr verausgabt, haben hohe Verluste, das wird aus jeder Detailanalyse sichtbar, sie kämpfen sich noch vor, aber dieser Vorstoß schwächt sich derzeit immer mehr ab. D. h. auch wenn man kritisieren kann, dass viel ukrainisches Terrain verloren ging, sollte bedacht werden, dass die meisten Beobachter im Februar davon ausgingen, dass die Ukraine im Juli gar nicht mehr bestehen wird. Und jetzt wird schon kolportiert, dass die Ukrainer ggf. 2023 ein Übergewicht erlangen könnten. Wenn wir also die Russen in einen "war of attrition" hineinziehen wollen, wie hier auch angedacht wird, so sind wir auf einem recht guten Weg. Einerseits.
Andererseits wird es sicherlich manche kleinere Engpässe geben bei der Gasversorgung (wobei das natürlich auch dem Umstand der "Härte" des Winters geschuldet ist, wenn wir einigermaßen Glück haben, wird der Winter eher milde wie der letzte und wir kommen recht gut durch ohne etwas zu bemerken), aber eine schwere Krise mit 100 Mio. Frierenden sehe ich nicht. Die Deckungslücke liegt - wenn man Füllstände vor dem Winter und nach dem Winter ansieht und wenn man den Verbrauch, wobei die Menschen sicher auch mehr sparen werden, Revue passieren lässt und deckungsgleich übernimmt und wenn keine anderen Lieferungen eintreffen [also ziemlich viele "Wenn's"] - bei ca. 20%. Das ist relativ viel, immerhin ein Fünftel, aber davon geht Europa nicht unter. Das wäre auch, wie gesagt, eine "worst case"-Prognose, die die Informationslage von jetzt 1:1 übertragt (was eher unwahrscheinlich ist). Also bevor nun alle im Hühnerhaufenmodus durcheinander rennen: Ja, es kann Engpässe geben, und nein, wir werden davon recht wenig bemerken und Europa friert nicht ein. Sorgen mache ich mir eher wegen sozialer Folgen. Denn eines ist sicher: Die Preise werden steigen und ärmere und sozial schwächere Personen werden in finanzielle Nöte geraten.
Zu aktuellen Entwicklungen: Dass die Iraner die Russen beliefern, war schon mal im April durch den Äther gegeistert (damals ging es um Raketen), und anscheinend geht es nun um Drohnen...
Zitat:Waffenhilfe für Moskauhttps://www.n-tv.de/politik/USA-Iran-wil...57274.html
USA: Iran will Russland mit Drohnen beliefern
Ob für Luftangriffe oder zur Aufklärung - Drohnen spielen im Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle. US-Informationen zufolge will der Iran nun Hunderte Drohnen an Moskau liefern. Auch die Ausbildung russischer Soldaten an den Luftfahrzeugen sei geplant. [...]
Die Vereinigten Staaten haben Hinweise, wonach der Iran Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen will. "Unsere Informationen zeigen, dass die iranische Regierung sich darauf vorbereitet, schnell mehrere Hundert unbemannte Luftfahrzeuge bereitzustellen, darunter auch solche, die Waffen transportieren können", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, in Washington. [...] Die USA beschuldigen den Iran seit Längerem, Drohnen an seine Verbündeten im Nahen Osten zu liefern, darunter die libanesische Hisbollah-Miliz, die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad und die Huthi-Rebellen im Jemen. Ende Mai zeigte das iranische Staatsfernsehen erstmals Aufnahmen einer unterirdischen Luftwaffenbasis des iranischen Militärs. Mehr als hundert "Kampf-, Aufklärungs- und Angriffsdrohnen" seien auf der Basis unter dem Sagros-Gebirge im Westen des Landes stationiert, hieß es.
Und noch ein anderes Thema (hatten wir auch schon), das uns viel mehr Sorgen bereiten sollte als ein kalter Keller...
Zitat:EU-Innenminister zu Kriegsfolgenhttps://www.tagesschau.de/ausland/europa...n-101.html
Waffenschmuggel ein Problem für viele Jahre
Der Krieg in der Ukraine schwemmt große Mengen illegaler Waffen auf den Markt. Für die EU-Innenminister ist das ein Problem, das wohl auf Jahrzehnte aktuell bleiben wird. Zudem müsse sich die EU auf mehr Flüchtlinge vorbereiten. [...]
Doch ging es diesmal nicht nur um den Umgang mit Kriegsflüchtlingen, sondern auch um Fragen der grenzüberschreitenden Kriminalität, wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson erklärte: "Ein Hauptthema war, wie wir uns schützen können gegen die Risiken und Gefahren, die als Folge des Krieges in der Ukraine auftreten." [...] Und, nicht weniger brisant, der Waffenhandel, sagt die amtierende Generaldirektorin der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Aija Kalnaja: "Ich denke, das ist ein sehr reales Risiko. Deshalb sind wir jetzt auch an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldau präsent. Wir glauben, dass dort die geschmuggelten Waffen hauptsächlich ankommen. Wir sind vorbereitet das zu stoppen."
Die amtierende Frontex-Chefin war als Expertin zu dem Innenministertreffen eingeladen. Die Grenzschutzagentur hat auch bereits erste Aktionen beim Waffenhandel festgestellt, wie der stellvertretende Exekutivdirektor Lars Gerdes bestätigt. Es seien schon seit längerem bestehende Schmuggelnetzwerke bekannt, die sich nun auf Waffen konzentrierten, zu denen es durch den Krieg in der Ukraine nahezu ungehinderten Zugang gibt: "Diese Waffen geraten dann möglicherweise auch in einen kriminellen Markt. Das haben wir nach den Balkankonflikten gesehen. Noch heute werden da Waffen gefunden, die eigentlich aus den Balkankonflikten stammen." Nun habe man es in der Ukraine mit moderneren und auch mehr Waffen zu tun als damals. Der illegale Handel mit ihnen werde für die nächsten Jahrzehnte Thema bleiben, sagt Gerdes: "Diese geschmuggelten Waffen werden dann dazu genutzt, um möglicherweise in Europa organisierte Kriminelle oder im schlimmsten Falle auch Terroristen zu versorgen."
Schneemann