25.03.2022, 22:35
Helios:
Russland so weit wie möglich zu schaden und seine Streitkräfte abzunutzen ist definitiv in unserem Interesse. Von daher ist der Jetzt-Zustand gar nicht so schlecht in Bezug auf diese Zielsetzung. Das ist halt eine diffizile und schwierige Sache, da genau das richtige Maß zu finden und nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu tun, denn wenn man nun diese historisch einzigartige Chance nicht nützen würde, oder nicht ausreichend nützen würde, dann wäre dies ganz genau so falsch.
Ich würde daher die Unterstützung der Ukraine durchaus so fortführen, würde sie aber klandestiner gestalten. Wir könnten dann sogar mehr Waffen liefern, solange dies nur nicht so dreist offen geschieht und nach außen hin die Form gewahrt wird. Den das wird hierzulande nicht so recht verstanden, dass den Russen die scheinbare Form wichtig ist, völlig ungeachtet der realen Begebenheiten. Das würde auch Russland innenpolitisch etwas stabilisieren, und trotzdem an der Sache nichts ändern. Den es kann auch nicht in unserem Interesse sein, dass die aktuelle Kleptokratie dort abgelöst wird, den das kleptokratische und offenkundig grenzenlos korrupte System Putin schwächt die russische Nation, welche unser Feind ist. Daher sollte es erhalten bleiben. Nichts wäre für uns schädlicher als eine hocheffektive russische Regierung aus Idealisten, den Russland hat im Prinzip alles im eigenen Land um innerhalb kurzer Zeit zu sehr großer militärischer Stärke aufzusteigen.
Von jedem Standpunkt aus ist das also eine sehr diffizile Sache deren ideales Endergebnis ein Erhalt des Systems Putin ist, aber zugleich eine drastische Schwächung Russlands auf allen Ebenen und eine Festlegung seiner dann extrem reduzierten militärischen Stärke in der Ukraine. Wir entledigen uns sozusagen des Feindes auf Kosten der Ukraine.
Eine solche Strategie darf man natürlich nie offen verfolgen oder auch nur offen ansprechen wenn man sie verfolgt, sondern immer das Gegenteil davon behaupten, von Frieden und Verständigung faseln und so tun als ob man den Krieg sofort beenden will. Stattdessen muss man ihn aber so heimlich wie möglich immer weiter schüren, aber auf dem richtigen Niveau, da ansonsten Russland als Problem nicht gelöst, sondern verschlimmert wird.
Nightwatch:
Meiner Ansicht nach ist das Hauptproblem hier nicht einmal Inkompetenz, sondern vor allem anderen die Korruption des russischen Staates die natürlich vorher schon bekannt war, aber deren Ausmaß in Bezug auf die russischen Streitkräfte offenkundig drastisch unterschätzt wurde, zumindest von mir. Vor diesem Krieg habe ich mir nicht vorstellen können, dass die russischen Streitkräfte durch reine Korruption derart herunter gewirtschaftet und kaputt gemacht worden sein könnten. Schlußendlich hat sich hier vieles als Potemkinsches Dorf heraus gestellt.
Von daher würde ich die Korruption hier als Faktor noch mal deutlich höher gewichten als die handwerkliche Inkompetenz - wobei man natürlich die Korruption auch als einen Aspekt von Inkompetenz bezeichnen könnte, aber ich will das für mich getrennt betrachtet sehen, weil das eine den ganzen russischen Staat durchzieht und anscheinend wie ein Krebsgeschwür die Streitkräfte zu Grunde gerichtet hat und ich die nachgewiesene militärische Inkompetenz in der Kriegsführung selbst eher als eine Folge dieser Korruption betrachte, also als ein Symptom des eigentlichen dahinter stehenden Problems.
Eine Kernaussage des zitierten Artikels ist, dass der klassische Kampfpanzer (MBT) eine militär-evolutionäre Sackgasse ist. Das liegt nicht allein an Drohnen oder modernen Panzerabwehrwaffen, sondern vor allem auch an der ganzen Konzeption des Fahrzeuges selbst und es ist auch nicht so dass Kampfpanzer an sich veraltet wären, oder nicht mehr brauchbar, sondern dass der MBT als Konzept veraltet ist und nicht mehr brauchbar: die zwingende Schlußfolgerung daraus ist für mich seit Jahren, dass man eine völlig neue Art von Kampfpanzer benötigt.
Schlußendlich weist der Artikel vor allem lediglich darauf hin, dass im Militär ganz allgemein zu viel Strukturextrapolierung betrieben wird. Das betrifft unsere Armeen übrigens ganz genau so. Man muss endlich anfangen die grundlegenden Prinzipien, Strukturen und Kampfmittel der Kriegsführung vollständig in Frage zu stellen, weil sie offenkundig den Notwendigkeiten und Anforderungen nicht mehr genügen. Dabei geht es nicht um Details wie die von dir angerissene Frage der Hardkill-Systeme, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung.
Der eine Aspekt des Artikels beschäftigt sich also mit der Problematik der Strukturextrapolierung, der andere Aspekt ist die ganz grundsätzliche Natur des Krieges als eines Zweikampfs von unterschiedlichen menschlichen Willen. Da Krieg schlußendlich das Ziel hat den feindlichen Willen zu zerstören oder bis zu einem gewissen Punkt zu verändern, kann man in diesem Zweikampf des Willens den Krieg nicht aufs militärische beschränkt betrachten. Der moderne Krieg muss totaler geführt werden und auf viel mehr Ebenen gleichzeitig. Darin versagen die Russen zur Zeit - und wir ebenso - weil wir uns der wahren Natur des Krieges dahingehend verweigern, dass wir ihn in einer ritualisierten, durch Gesetze "gebändigten" und begrenzten Form führen wollen, welche schlußendlich immer noch ein Erbe der Kabinetts-Kriege ist. Wir wollen im Prinzip wieder auf diese hinaus. Das kann nicht funktionieren, weil die moderne vernetzte Gesellschaft einen ganzheitlicheren und totaleren Ansatz benötigt um den feindlichen Willen "zu brechen".
Wir beschränken dabei den Krieg zu sehr auf eine bloße Auseinandersetzung von Soldat vs Soldat und glauben, wir könnten mit unserer ritualisierten Kriegsführung gegen eine entgrenzte Kriegsführung bestehen. Nun erscheint die russische Kriegsführung weniger ritualisiert im Vergleich, aber das meine ich hiermit nicht. Schlußendlich dient alles dem Krieg was Einfluss auf den Willen nimmt (den von allen Seiten) und gerade darin sind wir gelinde gesagt noch unfähiger als die Russen. Die Manipulation des Willens (von alles und allem) auf jede nur denkbare Weise ist der Kern jedes Krieges seit jeher. Nur dass man heute ganz andere Mittel dazu hat, diese aber nicht ausreichend einsetzt.
Zitat:wenn du das Eskalationsniveau nicht weiter erhöhen willst, willst du dieses wieder senken? Einstellung der Waffenlieferungen, Einstellung der finanziellen Hilfen, Einstellung der Sanktionen? Ich will da keine Diskussion drüber führen, mich würde nur eine prägnante Zusammenfassung deiner Ansicht dazu interessieren.
Russland so weit wie möglich zu schaden und seine Streitkräfte abzunutzen ist definitiv in unserem Interesse. Von daher ist der Jetzt-Zustand gar nicht so schlecht in Bezug auf diese Zielsetzung. Das ist halt eine diffizile und schwierige Sache, da genau das richtige Maß zu finden und nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu tun, denn wenn man nun diese historisch einzigartige Chance nicht nützen würde, oder nicht ausreichend nützen würde, dann wäre dies ganz genau so falsch.
Ich würde daher die Unterstützung der Ukraine durchaus so fortführen, würde sie aber klandestiner gestalten. Wir könnten dann sogar mehr Waffen liefern, solange dies nur nicht so dreist offen geschieht und nach außen hin die Form gewahrt wird. Den das wird hierzulande nicht so recht verstanden, dass den Russen die scheinbare Form wichtig ist, völlig ungeachtet der realen Begebenheiten. Das würde auch Russland innenpolitisch etwas stabilisieren, und trotzdem an der Sache nichts ändern. Den es kann auch nicht in unserem Interesse sein, dass die aktuelle Kleptokratie dort abgelöst wird, den das kleptokratische und offenkundig grenzenlos korrupte System Putin schwächt die russische Nation, welche unser Feind ist. Daher sollte es erhalten bleiben. Nichts wäre für uns schädlicher als eine hocheffektive russische Regierung aus Idealisten, den Russland hat im Prinzip alles im eigenen Land um innerhalb kurzer Zeit zu sehr großer militärischer Stärke aufzusteigen.
Von jedem Standpunkt aus ist das also eine sehr diffizile Sache deren ideales Endergebnis ein Erhalt des Systems Putin ist, aber zugleich eine drastische Schwächung Russlands auf allen Ebenen und eine Festlegung seiner dann extrem reduzierten militärischen Stärke in der Ukraine. Wir entledigen uns sozusagen des Feindes auf Kosten der Ukraine.
Eine solche Strategie darf man natürlich nie offen verfolgen oder auch nur offen ansprechen wenn man sie verfolgt, sondern immer das Gegenteil davon behaupten, von Frieden und Verständigung faseln und so tun als ob man den Krieg sofort beenden will. Stattdessen muss man ihn aber so heimlich wie möglich immer weiter schüren, aber auf dem richtigen Niveau, da ansonsten Russland als Problem nicht gelöst, sondern verschlimmert wird.
Nightwatch:
Zitat:Ansonsten ist über die erschreckende Inkompetenz der Russen hinaus bislang eigentlich nicht sehr viel mehr aus diesem Konflikt abzuleiten.
Meiner Ansicht nach ist das Hauptproblem hier nicht einmal Inkompetenz, sondern vor allem anderen die Korruption des russischen Staates die natürlich vorher schon bekannt war, aber deren Ausmaß in Bezug auf die russischen Streitkräfte offenkundig drastisch unterschätzt wurde, zumindest von mir. Vor diesem Krieg habe ich mir nicht vorstellen können, dass die russischen Streitkräfte durch reine Korruption derart herunter gewirtschaftet und kaputt gemacht worden sein könnten. Schlußendlich hat sich hier vieles als Potemkinsches Dorf heraus gestellt.
Von daher würde ich die Korruption hier als Faktor noch mal deutlich höher gewichten als die handwerkliche Inkompetenz - wobei man natürlich die Korruption auch als einen Aspekt von Inkompetenz bezeichnen könnte, aber ich will das für mich getrennt betrachtet sehen, weil das eine den ganzen russischen Staat durchzieht und anscheinend wie ein Krebsgeschwür die Streitkräfte zu Grunde gerichtet hat und ich die nachgewiesene militärische Inkompetenz in der Kriegsführung selbst eher als eine Folge dieser Korruption betrachte, also als ein Symptom des eigentlichen dahinter stehenden Problems.
Zitat:Interessanterweise zeichen sich in diesem Krieg gerade keine militärischen Paradigmenwechsel ab. Stattdessen bestätigen und verstärken sich bestehende Trends.
Eine Kernaussage des zitierten Artikels ist, dass der klassische Kampfpanzer (MBT) eine militär-evolutionäre Sackgasse ist. Das liegt nicht allein an Drohnen oder modernen Panzerabwehrwaffen, sondern vor allem auch an der ganzen Konzeption des Fahrzeuges selbst und es ist auch nicht so dass Kampfpanzer an sich veraltet wären, oder nicht mehr brauchbar, sondern dass der MBT als Konzept veraltet ist und nicht mehr brauchbar: die zwingende Schlußfolgerung daraus ist für mich seit Jahren, dass man eine völlig neue Art von Kampfpanzer benötigt.
Schlußendlich weist der Artikel vor allem lediglich darauf hin, dass im Militär ganz allgemein zu viel Strukturextrapolierung betrieben wird. Das betrifft unsere Armeen übrigens ganz genau so. Man muss endlich anfangen die grundlegenden Prinzipien, Strukturen und Kampfmittel der Kriegsführung vollständig in Frage zu stellen, weil sie offenkundig den Notwendigkeiten und Anforderungen nicht mehr genügen. Dabei geht es nicht um Details wie die von dir angerissene Frage der Hardkill-Systeme, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung.
Der eine Aspekt des Artikels beschäftigt sich also mit der Problematik der Strukturextrapolierung, der andere Aspekt ist die ganz grundsätzliche Natur des Krieges als eines Zweikampfs von unterschiedlichen menschlichen Willen. Da Krieg schlußendlich das Ziel hat den feindlichen Willen zu zerstören oder bis zu einem gewissen Punkt zu verändern, kann man in diesem Zweikampf des Willens den Krieg nicht aufs militärische beschränkt betrachten. Der moderne Krieg muss totaler geführt werden und auf viel mehr Ebenen gleichzeitig. Darin versagen die Russen zur Zeit - und wir ebenso - weil wir uns der wahren Natur des Krieges dahingehend verweigern, dass wir ihn in einer ritualisierten, durch Gesetze "gebändigten" und begrenzten Form führen wollen, welche schlußendlich immer noch ein Erbe der Kabinetts-Kriege ist. Wir wollen im Prinzip wieder auf diese hinaus. Das kann nicht funktionieren, weil die moderne vernetzte Gesellschaft einen ganzheitlicheren und totaleren Ansatz benötigt um den feindlichen Willen "zu brechen".
Wir beschränken dabei den Krieg zu sehr auf eine bloße Auseinandersetzung von Soldat vs Soldat und glauben, wir könnten mit unserer ritualisierten Kriegsführung gegen eine entgrenzte Kriegsführung bestehen. Nun erscheint die russische Kriegsführung weniger ritualisiert im Vergleich, aber das meine ich hiermit nicht. Schlußendlich dient alles dem Krieg was Einfluss auf den Willen nimmt (den von allen Seiten) und gerade darin sind wir gelinde gesagt noch unfähiger als die Russen. Die Manipulation des Willens (von alles und allem) auf jede nur denkbare Weise ist der Kern jedes Krieges seit jeher. Nur dass man heute ganz andere Mittel dazu hat, diese aber nicht ausreichend einsetzt.