01.03.2022, 04:41
Schneemann:
Welche Anteile da jetzt real im Einsatz sind ist eigentlich aktuell nicht beantwortbar. Das sind reine Phantasiezahlen, es könnten genau so gut 20% sein.
Und in diesem Kontext muss man eben die Kräfteverhältnisse beachten. Der Kräfteunterschied zwischen den USA und ihren Verbündeten und dem Irak war wesentlich größer als jetzt zwischen der Ukraine und Russland. Die Truppenstärke der USA lag bei etwa 300.000 Mann. Bei einer Annahme von 20% eingesetzten Truppen kommt man so auf 60.000 Mann "an der Front". Die Stärke der Russen lag entlang der Grenze bei um die 150.000 Mann. Und kurz vor Beginn der Invasion wurde mehrfach berichtet, dass ungefähr ein Drittel der Truppen jetzt vorgehen würde. Dass wären 50.000 Mann "an der Front".
Nun nimm noch die Verhältnisse in der Luft dazu, wieviel Kampfflugzeuge mit wie vielen Einsätzen pro Flugzeug pro Tag hier in den beiden jeweiligen Kriegen unterwegs waren / sind, und sofort relativiert sich das von dir gezeichnete Bild.
Kann sein, kann auch nicht sein. Es ist auch gut möglich, dass man den Gegner erstmal abtastet, erstmal feststellt wie der Westen reagiert, wie der Gegner reagiert, diesen erstmal austestet, und man benötigt ja ohnehin erstmal einige Zeit für SEAD / DEAD, da ein mechanisierter Vorstoß ohne ausreichende Luftnahunterstützung sinnfrei ist.
Deshalb ist es meine rein private Einschätzung, dass die russische Führung eben nicht mit einem Blitzkrieg gerechnet hat, sondern dass man den Krieg erstmal Stückchen für Stückchen eskalieren und entwickeln will. So vermeidet man auch zu extreme Reaktionen des Westens welche das Risiko einer größeren Eskalation mit sich bringen. Man eskaliert daher stückweise, gewöhnt dadurch alle an die Umstände und kann die Situation damit viel klarer definieren und dadurch kontrollieren. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen ob meine oder deine Einschätzung hier richtig waren.
Dir ist aber schon klar, dass die erste Schlacht um Grozny 2 Monate dauerte (und das obwohl man de facto nach belieben auf Zivilisten gefeuert hat), und dass auch die zweite Schlacht um Grozny von Anfang Dezember 1999 bis zum 02 Februar 2000 dauerte (und das obwohl man dabei dann noch krasser gegen Zivilisten vorging und die Stadt dabei im Endeffekt dem Erdboden gleichmachte). In beiden Fällen gelang es den Tschetschenen Grozny mehrere Wochen zu halten.
Obwohl die Kräfteverhältnisse komplett andere waren und die Russen ihre gesamten Streitkräfte auf die Stadt konzentrierten und dort derart reinschlugen, dass Grozny danach die am stärksten zerstörte Stadt weltweit war.
Die Ukrainer sind hier und heute nun militärisch viel stärker als es die Tschetschenen waren. Meine Aussage, dass man Kiew beispielsweise problemlos und in jedem Fall mehrere Wochen halten kann, und zwar ungeachtet der Umstände und der Vorgehensweise des Gegners ist daher keineswegs unrealistisch und gerade Grozny zeigt auf wie.
Ein großer konventioneller Krieg ist eigentlich immer wirr, wirkt immer unvollständig und CHAOS ist das elementarste Element jedes ernsthaften Krieges. Wir sind durch unsere übergelenkten, durchkontrollierten und von analytischer Befehlstaktik übersteuerten Klein-Klein Einsätze das Ausmaß des Chaos im Krieg halt nicht mehr gewöhnt. Die Komplexität und die Dynamik eines solchen Geschehens sind einfach zu groß und der Nebel des Krieges ist da wie eh und je. Hier und jetzt ist es zwar auch mein Eindruck, dass die Russen sich bisher zurückhalten und deutlich weniger zeigen und einsetzen als möglich wäre, die Gründe dafür aber können auch andere sein als die von dir (und anderen) hier vermuteten. Was der Grund für das aktuelle russische Verhalten ist, wird sich erst noch in den nächsten Tagen heraus stellen. Das könnte alles daher auch intentional sein.
Zitat:Nein hinsichtlich der Truppenstärke von 50% "im Einsatz" (wenn die Zahl stimmt).
Welche Anteile da jetzt real im Einsatz sind ist eigentlich aktuell nicht beantwortbar. Das sind reine Phantasiezahlen, es könnten genau so gut 20% sein.
Zitat:Im Irak etwa dürften am Vormarsch der USA nur ca. 20% der zusammengezogenen Verbände beteiligt gewesen sein.
Und in diesem Kontext muss man eben die Kräfteverhältnisse beachten. Der Kräfteunterschied zwischen den USA und ihren Verbündeten und dem Irak war wesentlich größer als jetzt zwischen der Ukraine und Russland. Die Truppenstärke der USA lag bei etwa 300.000 Mann. Bei einer Annahme von 20% eingesetzten Truppen kommt man so auf 60.000 Mann "an der Front". Die Stärke der Russen lag entlang der Grenze bei um die 150.000 Mann. Und kurz vor Beginn der Invasion wurde mehrfach berichtet, dass ungefähr ein Drittel der Truppen jetzt vorgehen würde. Dass wären 50.000 Mann "an der Front".
Nun nimm noch die Verhältnisse in der Luft dazu, wieviel Kampfflugzeuge mit wie vielen Einsätzen pro Flugzeug pro Tag hier in den beiden jeweiligen Kriegen unterwegs waren / sind, und sofort relativiert sich das von dir gezeichnete Bild.
Zitat:Sicher mag die US-Logistik nochmal eine andere Kategorie sein, aber ich habe das Gefühl, dass die Russen mit einem schnellen Blitzerfolg gerechnet haben und annahmen, man würde den "Rest" schon bald nachziehen können.
Kann sein, kann auch nicht sein. Es ist auch gut möglich, dass man den Gegner erstmal abtastet, erstmal feststellt wie der Westen reagiert, wie der Gegner reagiert, diesen erstmal austestet, und man benötigt ja ohnehin erstmal einige Zeit für SEAD / DEAD, da ein mechanisierter Vorstoß ohne ausreichende Luftnahunterstützung sinnfrei ist.
Deshalb ist es meine rein private Einschätzung, dass die russische Führung eben nicht mit einem Blitzkrieg gerechnet hat, sondern dass man den Krieg erstmal Stückchen für Stückchen eskalieren und entwickeln will. So vermeidet man auch zu extreme Reaktionen des Westens welche das Risiko einer größeren Eskalation mit sich bringen. Man eskaliert daher stückweise, gewöhnt dadurch alle an die Umstände und kann die Situation damit viel klarer definieren und dadurch kontrollieren. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen ob meine oder deine Einschätzung hier richtig waren.
Zitat:Vielleicht mehrere Wochen nicht unbedingt, das hinge auch von der Brutalität ab, mit der man vorgeht. ......Wenn die Russen in Kiew so wie in Grosny vorgegangen wären, gesetzt den Fall, sie wöllten und könnten es, würde sich die Stadt wohl nicht allzu lange halten - aber die Folgen wären absolut verheerend gewesen.
Dir ist aber schon klar, dass die erste Schlacht um Grozny 2 Monate dauerte (und das obwohl man de facto nach belieben auf Zivilisten gefeuert hat), und dass auch die zweite Schlacht um Grozny von Anfang Dezember 1999 bis zum 02 Februar 2000 dauerte (und das obwohl man dabei dann noch krasser gegen Zivilisten vorging und die Stadt dabei im Endeffekt dem Erdboden gleichmachte). In beiden Fällen gelang es den Tschetschenen Grozny mehrere Wochen zu halten.
Obwohl die Kräfteverhältnisse komplett andere waren und die Russen ihre gesamten Streitkräfte auf die Stadt konzentrierten und dort derart reinschlugen, dass Grozny danach die am stärksten zerstörte Stadt weltweit war.
Die Ukrainer sind hier und heute nun militärisch viel stärker als es die Tschetschenen waren. Meine Aussage, dass man Kiew beispielsweise problemlos und in jedem Fall mehrere Wochen halten kann, und zwar ungeachtet der Umstände und der Vorgehensweise des Gegners ist daher keineswegs unrealistisch und gerade Grozny zeigt auf wie.
Zitat:Insgesamt betrachtet läuft die Sache aber dennoch unausgegoren, ja beinahe wirr ab. Sicherlich, der Gegner ist auch da, aber der ganze Aufmarsch wirkt unvollständig, überhastet.
Ein großer konventioneller Krieg ist eigentlich immer wirr, wirkt immer unvollständig und CHAOS ist das elementarste Element jedes ernsthaften Krieges. Wir sind durch unsere übergelenkten, durchkontrollierten und von analytischer Befehlstaktik übersteuerten Klein-Klein Einsätze das Ausmaß des Chaos im Krieg halt nicht mehr gewöhnt. Die Komplexität und die Dynamik eines solchen Geschehens sind einfach zu groß und der Nebel des Krieges ist da wie eh und je. Hier und jetzt ist es zwar auch mein Eindruck, dass die Russen sich bisher zurückhalten und deutlich weniger zeigen und einsetzen als möglich wäre, die Gründe dafür aber können auch andere sein als die von dir (und anderen) hier vermuteten. Was der Grund für das aktuelle russische Verhalten ist, wird sich erst noch in den nächsten Tagen heraus stellen. Das könnte alles daher auch intentional sein.