Moderne Festungsanlagen
#46
Zitat:Bei ausgeklügelten Festungen spielte früher auch (wo möglich) der Wasserbau eine wesentliche Rolle, die gezielte Überflutung bestimmter Gebiete könnte auch heute noch das Gegnerische Vordringen wesentlich erschweren.

Haben die Chinesen im Zweiten Weltkrieg im ganz großen Stil betrieben, mit katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung (ca 1 Millionen Tote Zivilisten aufwärts), und großem militärischen Erfolg. Ohne die von Chiang Kai Shek durchgeführten systematischen Überflutungen hätten die Japaner die Chinesen vermutlich vernichtend geschlagen und China erobert. So konnten die Chinesen ihre Armeen zurück nehmen und die drohende Einschließung durch die Japaner verhindern, später auch ihre Front stabiliseren. Der japanische Vormarsch blieb in den Flute monatelang stecken, auch tausende japanische Soldaten kamen dadurch direkt oder indirekt ums Leben.

Ein wirksames Mittel, wenn man es skrupellos und in ganz großem Stil einsetzt. Dazu bedarf es natürlich bestimmter Umweltbedingungen und landschaftlicher Besonderheiten.

Eine moderne Pioniertruppe und die heutigen technischen Möglichkeiten machen aber Sperrmechanismen aller Art vom zeitlichen Faktor her immer kürzer nützlich. Während gegen Syrien die Israelis mit Panzergräben noch erheblichen Erfolg hatten, nützten die israelischen Panzergräben und immensen Sandwälle am Suez-Kanal gegen die modernere ägyptische Armee bereits gar nichts mehr und wurden immens schnell überwunden.
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#47
Ganz so schlimm wie in China muss man es nun auch nicht treiben, die Zivilbevölkerung sollte sich wenigstens evakuieren können.
Einem gefluteten, eventuell von alters her bereits morastigem Landstreifen ist allerdings auch mit modernen Mitteln nicht leicht beizukommen, da derart aufgeschwemmter Untergrund selbst nach ablaufen des Wassers für geräumt Zeit schwer passierbar ist.

Das Versagen der Bar Lev Linie geht allerdings mehr auf die chronische Unterbesetzung denn auf die Befestigung an sich zurück, das krasseste Beispiel für derartige Vorgänge ist Fort Duaumont 1916.
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#48
Es gibt eine ganze Reihe von Panzerfahrzeugen, die aufgrund geringen Bodendrucks, Schwimmfähigkeit usw in einem solchen Terrain trotzdem operieren können. Beispielsweise der BV206s, womit deutsche Gebirgsjäger solche Überschwemmungsgebiete relativ leicht durchqueren können. Auch die Russen könnten mit ihren Schützenpanzern dank deren Schwimmfähigkeit und geringerem Gewicht in diesem Terrain relativ gut operieren. Marineinfanterie wie das USMC oder die südkoreanischen Marines aufgrund ihrer Ausrüstung noch leichter.

Die Italiener haben sogar mit den Lagunari eine wenig bekannte Infanterieeinheit in Regimentgröße, die sich auf im besonderen den Kampf in Sümpfen, Mangrovenwäldern, Überschwemmungsgebieten und entlang von Flüssen spezialisiert hat und weltweit einzigartige Fähigkeiten in dieser Beziehung hat.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.youtube.com/watch?v=8gcEiFfxTgM">http://www.youtube.com/watch?v=8gcEiFfxTgM</a><!-- m -->

Entsprechende Einheiten können Überschwemmungsgebiete ohne jede Mühe durchqueren, als ob es flache Ebenen wären.
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#49
Es ist relativ simpel, gegen angreifende Amphibienfahrzeuge vorzugehen. Diese bewegen sich vergleichsweise langsam über eine völlig Deckungslose Ebene und sind eher schwach gepanzert, unter der Wasseroberfläche angebrachte Hindernisse können nur schlecht aufgeklärt oder zerstört werden – als Hindernisse reichen bereits Pfähle mit modifizierten Panzerabwehrminen.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass die alte Balken - oder Kettensperre heute noch jedem Schwimmpanzer Probleme machen würde, eine steile Böschung am Ufer würde wohl schon reichen – wenn die Ketten oder Räder nicht greifen können, ist es meines Wissens nach Essig mit der Steigfähigkeit.
Außerdem verkompliziert ein derartiges Sumpf/Überflutungsgebiet die Logistik enorm – selbst wenn man den Brückenkopf per Schwimmpanzer oder besonders geländegängigem Fahrzeug gebildet hat, muss noch immer eine Pontonbrücke, ein Knüppeldamm, eine Fährlinie, schlichtweg irgendeine „feste“ Verbindung zur Eigenen Seite geschaffen werden.
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#50
Rauch, massives Artilleriefeuer, Luftangriffe usw usf, und schon werden deine Stellungen "auf der anderen Seite des Wassers" ziemlich niedergehalten und dann von den amphibischen Einheiten eingenommen. Aber natürlich hast du recht, dass ein energisch verteidigtes Geländehinderniss (jeder Art) große Schwierigkeiten bereiten kann und die Kampfkraft des Verteidigers erheblich stärkt.

Weshalb es ja auch de facto nie Sinn macht, ein solches verteidigtes Geländehinderniss anzugreifen. Fast alle Einheiten einer modernen Armee können die "Geländefestung" schlicht und einfach umgehen. Wenn ein Flussabschnitt mit einem an ihm gelegenen Überschwemmungsgebiet beispielsweise energisch verteidigt wird, umgehe ich ihn einfach. Wird eine Stadt energisch verteidigt, schließe ich sie ein und umgehe sie einfach. Wird eine Festung energisch verteidigt, schließe ich sie ein und umgehe sie.

Durch die hohe Mobilität die ich heute habe, ad extremum durch die Luft, kann ich einen in "Festungen" aller Art festliegenden Feind ausmanövrieren. Womit die Festung in Bezug auf ihre Sperrfähigkeit wertlos wird. Dann kann ich sie in Ruhe belagern und zur Not "aushungern".

Bezüglich des Kampfes in Überschwemmungsgebieten, möchte ich zudem noch auf die Versorgung und Bewegung durch die Luft verweisen. Die Waffenwirkung des Verteidigers gegen Luft wie Bodenziele wird hingegen einfach wie eingangs beschrieben durch Feuer des Angreifers niedergehalten.

Keine der von mir beispielsweise hier gezeigten Festungen und Burgen in Afghanistan könnte einem Artillerieschlag mit 155mm Haubitzen standhalten. Geschweige denn einem massiven Luftangriff. Aber selbst massiv ausgebaute Höhlenfestungen, wie es sie in Afghanistan ja auch gab und gibt, die sowohl mit Artillerie als auch mit Luftschlägen nicht knackbar sind, beraube ich durch das Niederhalten mit selbigen ihrer Oberflächenwirkung, ich halte sie nieder. Der Feind überlebt zwar meinen Angriff im Inneren der Festung, aber er kann selbst nicht wirken und seine Waffen nahe der Oberfläche werden zerstört. Womit die Festung keine Außenwirkung mehr hat.

Mobilität und Feuerkraft negieren heute den Wert einer Festung im symetrischen Krieg bzw echten Krieg.

Festungen / Burgen spielen daher nur im assymetrischen Krieg bzw im Quasikrieg unterhalb des militärischen Horizontes eine Rolle. Gerade hier aber sind sie wiederum ein wertvolles Mittel.
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#51
Ich denke, die Tunnelsysteme des Vietcong haben den Amerikanern das Leben doch ganz schön schwer gemacht - wenn ich den Krieg nur durch eine Vernichtung des Gegners gewinnen kann, und sich dieser in seinen Stützpunkten hält, dann gewinne ich nicht. Bei asymetrischen Konflikten kommt dass einer Niederlage schon verdammt nahe.

Die Wirksamkeit niederhaltenden Feuers auf befestigte Systeme wird meiner Meinung nach in einigen Fällen überschätzt – schwerlich wird eine moderne Armee ein größeres Feuervolumen ins Ziel bringen als die Briten an der Somme und bei Ypern oder die Deutschen bei Cambrai.

Die Versorgung der eigenen Kräfte aus der Luft ist wiederum zwar theoretisch möglich, wird aber erst praktikabel, wenn die Befestigungen auf der anderen Seite des Hindernisses bereits dergestalt eingenommen wurden, dass ein Brückenkopf ansehnlicher Größe entstanden ist. Niemand wird ernsthaft versuchen, Munition per Hubschrauber in eine heiße Kampfzone von 50 Meter Durchmesser zu bringen.
Natürlich kann ein Hindernis auch umgangen werden, allerdings dauert das eine Weile, und ist zudem weder taktisch noch strategisch immer Möglich bzw. politisch auch gewollt.

Die Schwäche der Festungen in Afgahnistan erinnert mich frappierend an Dien Bien Phu – bei richtig geschützter Ausführung der Anlagen hätte das dortige Fort seinen Zweck immerhin erfüllen können, da die Vietminh ja den offenen Kampf angenommen hatten.
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#52
Hatte die Wehrmacht im 2. WK nicht ein Pionierbatallion das ein explosives Gasgemisch in Tunnel einleiten konnte und das Gemisch anschließend zündete?

Festungen und Burgen dienten eigentlich immer nur einem begrenzten Ziel, entweder eine natürliches Hindernis weiter zu befestigen und zu sperren oder mit relativ geringen eigenen Truppen einen überlegenen Gegner zu binden und den eigenen Verstärkungen Zeit zu geben und sich zu organisieren und dann den Gegner zu schlagen.

Nur die Franzosen haben mit der Maginotlinie versucht ihre ganze Grenze zu sperren.
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#53
Nelson:

Die Tunnelsysteme in Vietnam waren nur so weit und so lange ein Problem, wie man sie nicht gefunden hat, bzw solange sie und ihre Zugänge jeweils nicht bekannt waren. Sobald man ein Tunnelsystem aufgespürt hat, lässt sich eine solche "Höhlenfestung" relativ leicht ausschalten. Selbst bei Installation von Lüftungsanlagen und Sperren gegen Gase (beispielsweise durch mit Wasser geflutete Tauchschleusen ist das Tunnelsystem im Endeffekt in dem Moment wertlos, wo seine Existenz bekannt wird.

Moderne Sensoren können heute die Tunnel in der Erde aufspüren. Die Eingänge kann man zusperren, die Tunnel mit Kohlenmonoxid fluten usw usf Noch darüber hinaus haben reine Tunnelfestungen nur eine verbergende Wirkung, aber keine Oberflächenwirkung im Sinne einer Sperrwirkung bzw Stärkung der Kampfkraft des Verteidigers in einem Feuergefecht.

Zitat:Die Schwäche der Festungen in Afgahnistan erinnert mich frappierend an Dien Bien Phu

Dien Bien Phu lag in einem Tal, überhöht von Bergen rundherum von denen Artillerie der Vietnamesen die Festung klein schoß. Primär die Artillerie entschied hier den Kampf und machte die Festung unhaltbar. Und das vor vielen Jahrzehnten.

Die Höhlenfestungen in Afghanistan lagen demgegenüber viel besser, in den Bergen und eingegraben in den Fels und waren für die Taliban trotzdem nicht zu halten.

Festungen sind schon seit dem Zweiten Weltkrieg im konventionellen Krieg schlicht und einfach obsolet.

Zitat:Die Versorgung der eigenen Kräfte aus der Luft ist wiederum zwar theoretisch möglich, wird aber erst praktikabel, wenn die Befestigungen auf der anderen Seite des Hindernisses bereits dergestalt eingenommen wurden, dass ein Brückenkopf ansehnlicher Größe entstanden ist. Niemand wird ernsthaft versuchen, Munition per Hubschrauber in eine heiße Kampfzone von 50 Meter Durchmesser zu bringen.

Es gibt heute per GPS oder Markierung Zielsuchende Lastenfallschirme die man aus großer Höhe werfen kann. Du kannst heute Nachschub mit einem solchen Lastenfallschirm mit hoher Geschwindigkeit in eine Fläche von 10 x 10 m bringen. Das mal nur zu den heutigen Möglichkeiten der Luftversorgung.

Zitat:Die Wirksamkeit niederhaltenden Feuers auf befestigte Systeme wird meiner Meinung nach in einigen Fällen überschätzt – schwerlich wird eine moderne Armee ein größeres Feuervolumen ins Ziel bringen als die Briten an der Somme und bei Ypern oder die Deutschen bei Cambrai.

Es geht nicht um das Feuervolumen, sondern um die Wirkung. Die Feuerkraft ist heute je Munitionseinheit wesentlich größer als im Ersten Weltkrieg. Eine moderne Armee würde jedes damalige Stellungs- und Festungssystem einfach zerfetzen und nachhaltig zerstören. NIcht die Zahl der Granaten ist hier entscheidend, sondern die Wirkung je Granate.

Du unterschätzt meiner Meinung nach die heutigen Möglichkeiten. Aber um mal dein Beispiel nochmals zu bemühen: an der Somme hat das Feuer der Briten solange es anhielt die Deutschen durchaus niedergehalten. Diese besetzten ihre (zerstörten) Stellungen erst wieder, als das Feuer endete. Und enden musste es, weil die britischen Truppen heran waren und die damalige geringe Präzision damit die eigenen Truppen gefährdete.

Dank der hohen Präzision moderner Waffen, insbesondere auch der Artillerie kann man deren Feuer heute viel näher an die eigenen Kräfte heran ziehen. Man kann die feindliche Stellung damite exakt treffen (die Wirkung wurde im WKI primär auch dadurch reduziert, dass direkte Treffer reine Zufallstreffer waren). Und man kann sie mehrfach hintereinander exakt treffen.

Dadurch kann man heute selbst mit Artillerie feindliche Stellungen völlig niederhalten. Noch mal abgesehen von der Wirkung moderner Granaten. Früher brauchte man hunderte von Schüssen um unregelmäßig mehrmals eine feindliche Stellung zu treffen. Heute trifft diese jeder einzelne Schuss.
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#54
Es ist völlig richtig, dass moderne Munition präziser ist. Auch würde ein modernes Geschoss gleichen Kalibers heute größeren Schaden anrichten. Dafür ist die Zahl der Rohre erheblich gesunken, die Anzahl schwerer Kaliber ist stark zurückgegangen und die Munitionsvorräte sind wesentlich niedriger, was wiederum mit den gesteigerten Kosten der Munition zusammenhängt. Das Fehlen schwerer Artillerie wird durch die Luftwaffe ausgeglichen, hier liegen die Kosten für Anschaffung, Unterhalt und (so sie denn speziell gegen Bunker wirken soll) Munition allerdings noch wesentlich höher als bei der Artillerie.
Preisfragen: Für eine Auseinandersetzung von welcher Dauer hält die Bundeswehr Munition vorrätig? Wie schnell kann diese Nachproduziert werden? Wie rasch funktioniert die Logistik hinein ins Kampfgebiet?

Dein Hinweis mit der besseren Koordination von Feuer und Bewegung ist buchstäblich treffend, die einzig formidable Gegenmaßnahme wurde bereits im Ersten Weltkrieg entwickelt: Bereits im feindlichen Feuer die Schutzräume verlassen. Keine schöne Sache, viele haben es nicht überlebt, aber laut Jünger hat es funktioniert. Außerdem solltest du vorher besser auch gleich die Artillerie des Gegners mit zerlegt haben, sonst gilt das gleiche für deine Angreifer.

Sicher ist ein Ziel heute sehr viel präziser zu treffen, allerdings ist das eine Frage der Aufklärung – und längst nicht jede heutige Armee verfügt über die entsprechende Technologie, unter der Erde großflächig angelegte Schutzräume aufzuklären - oder doch?

Die Effektivität moderner Lastenfallschirme war mir in diesem Maße nicht bewusst – wenn die so gut sind, warum nutzt die BW – wie hier
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.youtube.com/watch?v=VB5RNe2sQ1A">http://www.youtube.com/watch?v=VB5RNe2sQ1A</a><!-- m --> zu sehen,für ihre Fallschirmjäger dann noch Rundkappenfallschirme? Und kann man so einen formidablen Lastenfallschirm nicht auch recht einfach abschießen, zumal, wenn seine Ladung mehr aus Explosionsstoffen denn aus Fressalien besteht?

Mittlerweile habt ihr mich überzeugt, dass Festungen keinen rechten Sinn mehr machen, doch da bliebe bei mir noch eine Anschlussfrage – wenn die Feuerkraft so groß ist, das sie befestigte Systeme – seien es jetzt Feldbefestigungen oder von langer Hand angelegte Festungen – mühelos zerstört, wie soll dann ein Bewegungskrieg zwischen technisch und zahlenmäßig halbwegs gleichwertigen Kräften funktionieren?
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#55
Nelson:

Die Bundeswehr benutzt so allerlei was keinen Sinn mehr macht oder inzwischen längst in viel besserer Form vorhanden wäre. Das ist nicht nur eine Kostenfrage, dass ist primär auch eine Folge des Strukturkonservatismus im Militär und der Betriebsblindheit und Strukturextrapolierung die daraus folgen.

Das die Artillerie der Bundeswehr (in Zukunft dann gerade mal noch 3 Bataillone mit eingeschränktem Bestand) nicht ausreichend ist, ist natürlich klar. Allgemein bin ich ein großer Vertreter von Artillerie im modernen Krieg und eine starke Armee zeichnet sich meiner Auffassung durch eine qualitativ und quantitativ höchstwertige Artillerie aus. Die deutsche Artillerie ist qualitativ hervorragend, ADLER II ist ein herausragend gutes System, die Panzerhaubitzen 2000 und MARS ebenfalls modern und geeignet. Quantitativ ist die Artillerie der Bundeswehr jedoch sehr schwach. Munitionsvorräter in größerer Stückzahl haben wir auch nicht. Außerdem fehlt es an ergänzenden Systemen für die beiden genannten, dass reicht von den fehlenden Mörsern bis hin zu gezogenen Geschützen.

Wenn du nun als Reaktion auf die Waffenwirkung die Schutzräume verlässt, dann hast du das Problem, dass deine Bewegung das Risiko für die Entdeckung deiner Truppen heute immens erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass du dann vernichtet wirst, steigt. Anbei: die Al Quaida hat in Afghanistan trotzdem genau dies getan, ihre Höhlenfestungen geräumt (nachdem die ersten Einschläge klar machten, dass das nicht zu halten ist) und sich dann abgesetzt. Erfolgreich. Im Ersten Weltkrieg konnte man die teilweise dann noch vorhandenen Stellungen wieder aufsuchen und in den Kratern und Trümmern weiter kämpfen. Heute geht so was meiner Meinung nach nur noch in größeren Städten, weil nur dort genug Deckung für die Raus- und Reinbewegung vorhanden ist.

Dein Konzept des vorübergehenden Ausweichens funktioniert also noch in Städten, wenn man diese als Festungen nutzen würde.

Zitat:Und kann man so einen formidablen Lastenfallschirm nicht auch recht einfach abschießen, zumal, wenn seine Ladung mehr aus Explosionsstoffen denn aus Fressalien besteht?

Selbstverständlich kann man ihn abschießen. Dann ist halt ein Lastenfallschirm weg, was nicht wirklich tragisch ist. Krieg ohne Verluste gibt es nicht und Krieg ohne erhebliche Verluste beim Material niemals. Umgekehrt verrät man damit seine Position und setzt sich einem Gegenschlag aus.

Zitat:doch da bliebe bei mir noch eine Anschlussfrage – wenn die Feuerkraft so groß ist, das sie befestigte Systeme – seien es jetzt Feldbefestigungen oder von langer Hand angelegte Festungen – mühelos zerstört, wie soll dann ein Bewegungskrieg zwischen technisch und zahlenmäßig halbwegs gleichwertigen Kräften funktionieren?

Die Antwort wird dich vielleicht überraschen: er funktioniert nicht. Weshalb es erst gar nicht zum Bewegungskrieg kommt, sondern die Armeen beider Seiten bleiben auf möglichst großem Abstand bleiben und zögern. Das heißt nun nicht, dass sich die Einheiten gar nicht bewegen würden, aber sie bewegen sich im eigenen Gebiet nur hin und her ohne Feindkontakt, mit möglichst großem Abstand zueinander und ohne auf den Feind zuzugehen. Das ist also kein Bewegungskrieg am Boden, sondern man wartet ab und schützt sich durch Distanz, Abstand und Stellungswechsel vor feindlichen Fernangriffen ohne selbst offensiv zu werden, weil das Risiko - sollte man einen Bewegungskrieg führen - viel zu groß ist.

Die Feuerkraft ist heute so groß, dass ein konventioneller großer Krieg zwischen zwei gleichstarken Mächten für beide Seiten bei dem Versuch einen Bewegungskrieg zu führen intolerable Verluste in kurzer Zeit brächte und das Risiko einer vernichtenden Niederlage.

Sollte es doch zu einem Krieg zwischen zwei starken, technisch, qualitativ und quantiativ gleichwertigen Staaten kommen, werden die Verluste horrend sein. Dann wird diejenige Gesellschaft sich eventuell durchsetzen, welche aufgrund ihrer Sozialkultur die Verluste aushalten kann. Während der Gegner dann aufgrund der Auswirkungen gelähmt wird und damit die Waage kippt.

Diesen Effekt hat man heute bereits sogar bei assymetrischen Kriegen, wo der Feind deutlich unterlegen ist, man aber wegen der Verluste durch die Feuerkraft der heutigen Waffen trotzdem vor dem Bodenangriff zurück schreckt.

Beispiel: Kosovo. Man hat dort alles getan, sich nicht der serbischen Armee am Boden stellen zu müssen, aus Furcht vor den Verlusten die daraus für einen selbst entstanden wären. Die serbischen Truppen konnten sich durch viele geschickte Maßnahmen den Luftangriffen relativ weitgehend entziehen. Aber weder die Serben noch die NATO Truppen wollten am Boden offensiv werden, weil die daraus entstehenden Verluste so extrem hoch gewesen wären. Und die Serben rührten sich gar nicht, weil jede Bewegung die Wahrscheinlchkeit einer Entdeckung erhöht hätte. Die Serben lagen also fest (insbesondere die versteckten Panzer) und rührten sich gar nicht. Die NATO Truppen rührten sich ebenfalls nicht, weil sie nicht angreifen wollten. Und das, obwohl sie den Serben weit überlegen waren.

Die zunehmende Entwicklung hin zum Quasikrieg unterhalb des militärischen Horizontes, hin zum assymetrischen Krieg als primärer Kriegsform ist ebenfalls dieser extremen Feuerkraft geschuldet.
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#56
Hab Dank für deine Analyse, Quintus
Ernst Jünger beschreibt für den Stellungskampf nicht nur das Ausweichen vor dem gegnerischen Feuer, sondern auch das glatte Gegenteil , nämlich die bewusste Bewegung in das gegnerische Feuer hinein, um die eigenen Kampfstellungen noch einnehmen zu können. Gleichsam wurde 1916 bei Verdun von Deutscher Seite aus eigenes Artilleriefeuer durchstoßen, um die Franzosen zu überraschen.
Jünger beschreibt ebenfalls sehr authentisch, wie schwierig die Orientierung in Gegnerischen Grabensystemen sein konnte, obgleich diese kaum einen Kilometer von den eigenen Linien entfernt lagen.
Sehr interessant fand ich auch die Aussage Jüngers, das, wenn das Gegnerische Feuer denn nur sporadischer kam, die Geräuschentwicklung anfliegender Granaten verriet, wo diese in etwa einschlagen würden. Gleichsam berichtet Marc Bloche, das gegenüber der psychologischen Wirkung eines massiven Artillerieschlags abgestumpfte Veteranen des Ersten Weltkriegs 1940 in Panik ausbrachen, als sie mit Bomben belegt wurden. Beim Übergang über die Maas sollen dementsprechend weniger die durch die Luftangriffe angerichteten Schäden denn der einhergehende psychologische Effekt entscheidend gewesen sein.

Ob allerdings ein moderner Krieg durch wechselseitiges „Tarnen und Täuschen“ tatsächlich in der von dir gezeigten Weise durchgeführt wird und gewissermaßen zum Drolle de Guerre „degeneriert“ halte ich für fragwürdig (Serbien war nun nicht gerade auf Augenhöhe).
Zum einen gilt die Ideologie der Verlustvermeidung in den Köpfen von Politikern nur, wenn sie die Verluste nicht wirklich rechtfertigen können – und das auch nur in Gesellschaften, in denen eine derartige Rechtfertigung überhaupt üblich ist.
Verluste – sprich Todesfälle - sind überdies immer eine sehr subjektiv empfundene Sache.
Wenn selbst eine westliche Gesellschaft mehr oder weniger achselzuckend über 120000 tote Raucher pro Jahr steigen kann, dann würde ich bei einem Großkrieg nicht auf Zurückhaltung hoffen – irgendein Idiot fängt immer an, zumal sich bei vielen Militärs die krankhafte Idee eines kurzen, schnellen Krieges festgesetzt hat – was nicht zuletzt volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten entspringt, da die Mobilisierung einer großen Streitmacht, selbst wenn diese nicht in den Einsatz geht, einen Staat bereits ruinieren kann, wenn sie über längere Zeit aufrecht erhalten wird.
Ich würde eher erwarten, dass beide Seiten es gewohnheitsmäßig mit dem Bewegungskrieg versuchen werden, dieser sich dann allerdings wie 1863 oder 1915 aufgrund der zu hohen Feuerkraft festfrisst.
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#57
Die früheren Zeiten und die heutige unterscheiden sich erheblich. Daher sind Rückgriffe auf frühere Geschehen heute sehr fragwürdig und der Versuch einer Extrapolierung zukünftiger Großkriege aus dem Kriegsgeschehen der Vergangenheit gefährlich.

Der Krieg würde sich daher keineswegs festfressen, ala 1915. Meiner Ansicht nach würden zudem beide Seiten anfangs nicht mit dem Bewegungskrieg beginnen, bis nicht eine der beiden Seiten beim Kampf aus der Distanz einen wesentlichen Vorteil errungen hat. Das heißt, zuerst bewegt sich am Boden wenig, der Krieg erscheint erstarrt, dann aber bricht der Bewegungskrieg aus, sobald eine Seite irgendwie einen entsprechenden Vorteil aus der Distanz erkämpfen konnte.

Die Reichweite, Präzision und Wirkung der heutigen Distanzsysteme ist einfach derart groß, dass eine andere Art der Kriegsführung zu hohe Risiken beinhaltet.

Die Beschreibungen Jüngers sind daher für die heutige moderne Kriegsführung weitgehend wertlos. Heute kannst du am Geräusch nicht mal im Ansatz erkennen, wo die Granaten einschlagen werden. Und die Wirkung des heutigen Feuer ist derart groß, dass jede Bewegung in dieses Feuer hinein die eigene Vernichtung bedeutet. Die einzige Chance dem Feuer zu entgehen ist es, sich so zu verbergen, dass man nicht gesehen wird, also nicht beschossen wird. Jede Bewegung aber erhöht die Chance für die Entdeckung. Daher wirkt der Distanzkampf heute so starr. Die entscheidende militärische Frage ist daher, wie man sich bewegt ohne entdeckt zu werden, wie man also die Bewegung tarnt (bspw im Zivilen Element).

Die psychologischen Effekt der Waffenwirkung sollte man auch heute nicht unterschätzen. Auch moderne Kriege werden ebenso durch psychologische Wirkung wie durch die Waffenwirkung gewonnen. Heute ist allerdings die Waffenwirkung immens viel größer als im Zweiten Weltkrieg. Eine heutige Panzer-Division ist für die damaligen Truppen im Endeffekt unbesiegbar, unzerstörbar und würde durch ihre Feuerkraft beliebige Verbände der damaligen Zeit völlig zerschlagen.

Das Tarnen und Täuschen, im modernen Krieg nach englischem Sprachgebrauch C3D2 genannt (Cover, Concealment, Camouflage, Denial, Deception) ist heute daher einer der wesentlichsten Faktoren der Kriegsführung. Was man nicht findet, kann man nicht bekämpfen. Wer den anderen zuerst sieht, gewinnt den Feuerkampf. usw

Dadurch "degeneriert" der Krieg nicht zu einem Sitzkrieg, sondern er wird komplexer und man muß ihn vorsichtiger führen. Auf der Gegenseite hat man aufgrund der Kriegskosten nicht so viel Zeit, muß also schneller zum Ergebnis kommen. Aus dem Spannungsfeld dieser beiden sich gegenseitig ausschließenden Zielsetzungen entstehen die heutigen Probleme bei den Operationen.

Meiner Meinung nach ist die einzig logische Antwort auf die immer besser werdenden Fähigkeiten aller Streitkräfte weltweit im C3D2 Bereich, dass man selbst diesen ebenfalls massiv ausbauen muß und auch offensiv anwenden muß. Dadurch entsteht eine scheinbare Leere des Schlachtfeldes, dass heißt, auch unsere Truppen sind nicht sichtbar bzw kämpfen und agieren nicht sichtbar. Gerade auch im assymetrischen Krieg ist dies eigentlich die gebotene Antwort auf die Kampfweise des Gegners, wird aber von konventionellen Armeen so nicht angewendet bzw nur im ganz kleinen Stil durch Sondereinheiten angewendet. So fehlt aber die notwendige Quanität an Truppen.

Kurz zusammen gefasst:

Die derzeitigen Umstände führen erstmal zu einem vorsichtig geführten, aber massiven Schlagabtausch aus der Distanz, während sich am Boden wenig bewegt (Abstand wahren). Nach dieser Phase des "Grabenkrieges" wird sich dann eine Seite dahin gehend durchsetzen, dass sie einen Vorteil erlangt. Dieser löst dann den Bewegungskrieg aus.
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#58
Hi Quintus

Zitat: Das die Artillerie der Bundeswehr (in Zukunft dann gerade mal noch 3 Bataillone mit eingeschränktem Bestand) nicht ausreichend ist, ist natürlich klar.

Es werden vier Artillerielehrbataillone werden:

1. Artillerielehrbataillon 325 - 1. Panzerdivision
2. Artilleriebataillon 131 - 10. Panzerdivision
3. Artillerielehrbataillon 345 - 10. Panzerdivision
4. Artilleriebataillon 295 - D/F Brigade
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#59
@ Qunitus
Natürlich bieten Jünger und Co keinen Blick auf moderne Kriege. Sie bieten allerdings für den Stellungskampf die mir momentan einzigen zugänglichen Quellen, da es seither schlicht keine vergleichbaren Kämpfe mit deutscher Beteiligung mehr gegeben hat. Lieber schlechte und veraltete Daten als überhaupt keine.
Natürlich ist eine moderne Panzerdivision in der Regel weitaus schlagkräftiger geworden. Ich würde zwar nicht so weit gehen, ihr gleich das militärische Unwort der Unbesiegbarkeit anzuheften – im Hochgebirge oder im Dschungel machten Panzerdivisionen meines Wissens nach immer eine verdammt schlechte Figur, da würd ich nicht auf einen Sieg der modernen Panzer wetten.

Noch zu deiner Theorie des vorsichtigen, aber massiven gegnerischen Angriffs mit Langstreckenwaffen.
Wenn man damit beginnt, das gegnerische Hinterland massiv zu beschießen, dann zerstöre man zunächst Flugplätze, Brücken, Tunnel, Kommunikationsanlagen, Kraftwerke, Eisenbahnstrecken usw., alles Ziele, auf welche ein Bewegungskrieg zwingend angewiesen ist. Das funktioniert nur, wenn lediglich eine Seite eins auf den Deckel bekommt. Ansonsten wird selbst der überlegene Gegner eventuell dadurch aufgehalten werden, dass er vorher alles kaputt gemacht hat, was er nun zum Vorstoß benötigt. Außerdem werden Kriegsziele nicht nur militärisch bestimmt, sondern vielfach eher aus psychologischen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen gewählt und begrenzt, vgl. etwa den von den Amerikanern vermiedenen Einmarsch nach Nordvietnam oder die Belagerung Sewastopols 1853.
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#60
Marc79:

Du hast natürlich recht, aber ich rechne die DF Brigade nicht zur Bundeswehr. Das Heer der Bundeswehr soll 6 Brigaden haben und 3 Art-Bat. Aber wenn man die DF Brigade als Teil des Heeres sieht, dann sind es natürlich 7 Brigaden und für diese 4 Art-Bat.

Und die Verteilung pro Division heißt, dass eine der Panzer-Divisionen mit 3 Brigaden dann sogar gerade mal 1 Art-Bat. hat. Im Prinzip wollte ich nur darauf hinaus, dass die deutsche Artillerie bei hoher Qualität meiner Meinung nach quantiativ zu schwach ist - folglich dringend verstärkt werden müsste.

Nelson:

Zitat:im Hochgebirge oder im Dschungel machten Panzerdivisionen meines Wissens nach immer eine verdammt schlechte Figur, da würd ich nicht auf einen Sieg der modernen Panzer wetten.

Mit welchem Waffensystem von 1945 willst du einen Leopard 2 zerstören?! Da aber moderne Kampfpanzer im Hochgebirge schlicht und einfach nicht fahren können, sind sie natürlich dort nicht präsent, folglich findet gar kein solcher Kampf statt. Dschungel müsste man schon weiter spezifizieren.

Zitat:Wenn man damit beginnt, das gegnerische Hinterland massiv zu beschießen, dann zerstöre man zunächst Flugplätze, Brücken, Tunnel, Kommunikationsanlagen, Kraftwerke, Eisenbahnstrecken usw., alles Ziele, auf welche ein Bewegungskrieg zwingend angewiesen ist. Das funktioniert nur, wenn lediglich eine Seite eins auf den Deckel bekommt. Ansonsten wird selbst der überlegene Gegner eventuell dadurch aufgehalten werden, dass er vorher alles kaputt gemacht hat, was er nun zum Vorstoß benötigt.

Zweifelsohne wird derjenige der dann offensiv vorgeht schon dadurch aufgehalten werden, dass der Verteidiger seine eigene Infrastruktur dann ebenfalls selbst zerstört. So oder so wird die Zerstörung der Infrastruktur in einem modernen Krieg ein erhebliches Problem darstellen. Es wird gar nicht vermeidbar sein, dass auf beiden Seiten die Infrastruktur massiven Schaden nimmt.

Das behindert natürlich, dass hält aber bei den heutigen Mitteln nicht wirklich auf. Auch im Zweiten Weltkrieg wurde massivst die Infrastruktur angegriffen, als auch von beiden Seiten jeweils aufgrund des Konzeptes der Verbrannten Erde selbst zerstört. Trotzdem lief der Bewegungskrieg weiter.
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