Flottenrüstung vor dem 1.Weltkrieg
#1
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@Samun
Das britisch-französische Bündnis wäre 1914 fast zerfallen, und umgekehrt bot Großbritannien dem Deutschen Reich - nämlich 1901, wenn ich mich recht entsinne - ein Bündnis an.
Zudem war das maritime Wettrüsten zwischen Großbritannien und dem Kaiserreich 1914 längst entschieden - und zwar zugunsten von Großbritannien. Die kaiserliche Marine hätte den britischen Vorsprung ab 1905 beim besten Willen nicht einholen können. Mehr noch, während die Ausgaben für die kaiserliche Marine 1911 noch 444 Millionen Mark betragen hatten, erhöhten sie sich bis 1914 nur auf 476 Millionen Mark. Hatten die Ausgaben für die kaiserliche Marine 1911 noch 34,8% der Ausgaben für Militärzwecke ausgemacht, stellten sie 1914 nur noch einen Anteil von 21,2%, denn die Ausgaben für das Heer stiegen im gleichen Zeitraum von 832 Millionen Mark auf 1770 Millionen Mark. Dabei hatte der deutsche Generalstab bereits ab 1905 eine Verstärkung der Armee gefordert.
Die deutsche Flottenrüstung war für Großbritannien zwar eine Herausforderung und belastete die deutsch-britischen Beziehungen, aber sie war kein Kriegsgrund. Zur gleichen Zeit rüsteten nämlich auch Frankreich und Russland zur See massiv auf.
Die Behauptung, das die Besetzung von Belgien für Großbritannien nur ein Vorwand gewesen sei kann man getrost abtun, ich vermute sie ist eine rechte Verschwörungstheorie. Wie ich in meinem vorangegangenen Post deutlich bemacht habe brachte sie ja die vielleicht beste Armee der damaligen Zeit in empfindliche Nähe nicht nur zur britischen Küste, nein sogar zur britischen Hauptstadt. Schon früher hatte ein britischer Politiker die strategische Bedeutung von Flandern für die Sicherheit von Großbritannien auf den Punkt gebracht: "Antwerpen ist eine geladene Pistole, die auf das Herz von Britannien zielt!"
Ein Schutz der deutschen Handelsflotte war aber vor dem 1.Weltkrieg doch nötig, man erinnerte sich gut daran wie hilflos man 1870 der französischen Seeblockade gegenübergestanden hatte. Zudem war zu befürchten das Russland im Falle eines Krieges die deutsche Handelsschiffahrt angreifen könnte, es scheint eine entsprechende Doktrin verfolgt zu haben und hatte sogar schon Kriegsschiffe gebaut, die für den Einsatz als Handelsstörer gedacht waren. Eines davon, die Osljabja ist dann 1905 bei Tsushima versenkt worden.
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#2
Die Flottenpolitik der UK war darauf ausgerichtet, dass ihre Flotte immer so stark war, wie die zwei nächststärksten Flotten. Diese anzustrebende Situation hat Deutschland durchbrochen. Die Flotte der UK zu überbieten war nie das Ziel der deutschen Marine und auch nie wirklich realistisch. Man wollte die UK in eine Situation bringen wo sie nicht mehr in der Lage gewesen wäre eine Blockade in der Nähe der deutschen Küste durchzuführen um sie dadurch von möglichen Feindseligkeiten gegen Deutschland abzuschrecken. Letztlich wurden diese Überlegungen durch die Fernblockade obsolet.
Das Ziel der UK war es zu verhindern, dass sich Deutschland mit jemanden verbünden könnte mit dem zusammen es eine der britischen überlagenen Flotte hätte. Und da die Franzosen ohnehin nicht viel für die Deutschen übrig hatten nach 1871, waren sie quasi der natürliche Bündnispartner. Und damit hatten die Briten ihr Ziel erreicht, die deutsche Flotte für einen zukünftigen Krieg praktisch zu neutralisieren.

Das Ziel beider Mächte war es einen Krieg gegen sich zu verhindern. Dies sollte durch Abschreckung passieren. Das setzte eine Rüstungsspirale in Gang, die am Ende erst Recht zum Krieg führte. Der Besitz von Flandern war irrelevant für Deutschland, wie für UK. Deutschlan hätte nie eien Landung durchführen könne, da sie dort immer die Überlegenheit zu See hätte haben müssen, was sie nicht annähernd hatte gegen Franzosen und Briten gleichzeitig; zumal während der größte Teil der Armee gegen die Franzosen gebunden war. Deswegen ist es nur ein Vorwand. Und wie ich bereits schrieb ein rechtlich unnötiger Vorwand, da UK ohnehin verpflichtet war Frankreich in einem Krieg zu unterstützen. Nur war es für die Öffentlichkeitsarbeit besser darzustellen.

Faktisch wurde der neutrale Status Belgiens sowohl von Deutschland als auch von UK (und ich glaube auch Frankreich) garantiert. Es sollte quasi als Pufferzone dienen. Die Deutschen haben aber geglaubt, dass Belgien Geheimverträge mit Frankreich hätte, und dass Belgien in einem Krieg Frankreich unterstützen würde auch ohne deutschen Einmarsch, und damit die deutsche Flanke bedrohen würde. Deswegen ist man "präventiv" einmarschiert. Und die UK hat sich auf diesen Vertrag berufen um in den Krieg einzutreten.

Und das Problem des Schutzes der Handelsschifffahrt bleibt. Deutschland hatte zwar als hochmoderne Industrienation eine große Handelsflotte und das Interesse diese zu schützen. Aber aus geopolitschen Gründen war man dazu nicht in der Lage. Die einzige Möglichkeit dies zu tun wäre ein dauerhaftes Bündnis mit UK gewesen. Leider hat unter anderem die verfehlte Flottenrüstung die Briten vor den Kopf gestoßen und zu der sogenannten Umkehr der Bündnisse geführt. Hätte man Mahan richtig gelesen, hätte man gewusst, dass es Unfug war die Flottenrüstung auf den Weg zu bringen. Dann hätte man sich massenweise Geld gespart und seine Stellung in Europa nicht unnötig aufs Spiel gesetzt.
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#3
Angeblich war die deutsche Flottenrüstung auch nicht gegen die Royal Navy, sondern gegen die französische Marine und die russische Marine gerichtet. Dazu passt, das die Großkampfschiffe der Kaiserlichen Marine von der Konstruktion her primär für den Einsatz in der südlichen Nordsee und Ostsee ausgelegt waren.
Bedrohlich wurde die deutsche Flottenrüstung für Großbritannien dadurch, das viele Kriegsschiffe veraltet waren - bei der Flottenparade von Spithead 1896 nahmen sogar noch zwei Kriegsschiffe mit Vorderladern(!) teil, deren Granaten wohl an fast jeder Panzerung abgeprallt wären - und die halbe Royal Navy zudem noch rund um den Globus verstreut war.
Es wird gerne übersehen, das auch Frankreich und Russland vor dem 1.Weltkrieg massive Marinebauprogramme initiierten. Die französische Marine war von beiden die weniger bedrohliche, zum einen weil sie auch im Mittelmeer zu operieren hatte, wo sie sich der italienischen Regia Marina und der österreichisch-ungarischen Marine gegenübersah, zum anderen aufgrund von Problemen bei ihrer Baupolitik. So konnten die französischen Werften nicht mit der Baugeschwindigkeit der britischen und deutschen Werften mithalten, mit dem Resultat das französische Kriegsschiffe bei ihrer Fertigstellung faktisch bereits veraltet waren.
Die russische Marine war da bedrohlicher.
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#4
Das Problem ist der Unterschied zwischen Eigensicht - oder eigener Absicht - und der Fremdsicht.
Deutschland wollte sicher hauptsächlich seinen Handel schützen, hauptsächlich indem man einen Blockade der eigenen Häfen verhindern konnte. Dazu waren die Schiffe kurzer Reichweite gedacht.
In der Fremdsicht sah sich UK aber durch eine ziemlich große Flotte vor der eigenen Haustüre bedroht.
Der Flottenbau alleine hätte UK sicher nicht dzu veranlasst, seine Verbündeten zuw echseln. Aber wie wir wissen, hat Deutschland in allgemeinen und der Kaiser im besonderen politisch nicht besonders klug agiert und die Briten das eine und andere Mal ziemlich vor den Kopf gestoßen. Die Flotte war eben ein Puzzleteil. Aber zur Zeit des Dreadnaught-Sprungs hatte UK längst die Seiten gewechselt. Deswegen war die Flottenrüstung politisch zu der Zeit schon nicht mehr relevant.

OT: Gab es eigentlich "joint" Operationen im 1. Wk?
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#5
Samun schrieb:Und das Problem des Schutzes der Handelsschifffahrt bleibt. Deutschland hatte zwar als hochmoderne Industrienation eine große Handelsflotte und das Interesse diese zu schützen. Aber aus geopolitschen Gründen war man dazu nicht in der Lage. Die einzige Möglichkeit dies zu tun wäre ein dauerhaftes Bündnis mit UK gewesen. Leider hat unter anderem die verfehlte Flottenrüstung die Briten vor den Kopf gestoßen und zu der sogenannten Umkehr der Bündnisse geführt. Hätte man Mahan richtig gelesen, hätte man gewusst, dass es Unfug war die Flottenrüstung auf den Weg zu bringen. Dann hätte man sich massenweise Geld gespart und seine Stellung in Europa nicht unnötig aufs Spiel gesetzt.
gegen andere Mächte konnte Deutschland seinen Handel durchaus verteidigen, wenn man das gewollt hätte
Zitat:Es wird gerne übersehen, das auch Frankreich und Russland vor dem 1.Weltkrieg massive Marinebauprogramme initiierten. Die französische Marine war von beiden die weniger bedrohliche, zum einen weil sie auch im Mittelmeer zu operieren hatte, wo sie sich der italienischen Regia Marina und der österreichisch-ungarischen Marine gegenübersah, zum anderen aufgrund von Problemen bei ihrer Baupolitik. So konnten die französischen Werften nicht mit der Baugeschwindigkeit der britischen und deutschen Werften mithalten, mit dem Resultat das französische Kriegsschiffe bei ihrer Fertigstellung faktisch bereits veraltet waren.
Die russische Marine war da bedrohlicher.
bis zum Ende des 19 Jhr., danach und ab spätestens 1905 ging es um England
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