Zukunft des Irak
#76
Shahab3 schrieb:....
Weiten Teilen der arabischen Bevölkerung fehlt das Verständnis für Patriotismus oder andere nationalstaatliche Überzeugungen vollkommen. Das Einheitsgefühl ist über die eigene Familie hinweg kaum vorhanden. Über die Sprache/Ethnie lassen sich die Araber also nachweislich nicht vereinen. Die Bindung an die Tradition ihrer Clans/Großfamilie ist der bestimmende Faktor und eben neuerdings verstärkt der Islam als gemeinsame Massenbewegung. Wir sehen nun Menschenmassen von rund 200.000 Leuten und mehr im Jemen, die auf der Straße gemeinsam das Freitagsgebet abhalten und anschließend den Tod des Diktators fordern und Allah ist Groß rufen. Wir sehen Araber die an bewaffneten Konflikten teilnehmen oder anderweitig teilhaben, "nur" weil Glaubensbrüder betroffen sind. Man spricht insofern derzeit auch von einem "Islamischen Erwachen".

Vor dem "Islamischen Erwachen/ Arabischen Frühling" gab es nur eine nationalstaatliche Regierung die aus einer islamischen Massenbewegung bottom-up heraus enstanden ist und diese wurde genau deshalb so sehr gefürchtet. Das war -ironischerweise- gerade einer der ältesten Nationalstaaten der Welt, der Iran.
dass die (nach-)kolonialen Grenzen willkürlich und nur den Interessen der Kolonialstaaten geschuldet waren, hab ich ja nicht bestritten - und dass darin die Ursachen vieler Konflikte bis hin zu Bürgerkriegen ist, auch nicht. Im Gegenteil.

Aber bei den zitierten Ausführungen muss ich dann doch widersprechen:
Du übersiehst den Panarabismus - *klick mich* vollständig, blendest ihn aus.

Richtig ist, dass es um diesen "arabischen Nationalismus" ruhig geworden ist, seitdem solche (Maul-)Helden wie Nasser oder Gaddafi die Bewegung diskreditiert haben und die Bewegung durch Erfolglosigkeiteher zu einer Randerscheinung wurde, ändert nichts an der historischen Bedeutung.
Dazu kommt, dass mit der Arabischen Liga eine institutionalisierte Zusammenarbeit geschaffen wurde, die bisher an den unterschiedlichen Interessen der nationalen Führer zu beissen hatte. Dass aber mit der Ausbreitung des "arabischen Frühlings" von Tunesien bis Ägypten (und bald wohl auch zumindest in Teilen Syriens) eine gemeinsame und identitätsstiftende Revolte um sich greift, wird diese historischen Nachteile schnell ausbügeln.
Und jenseits aller Tagespolitik und Massenideologien:
durch gemeinsame Medien wie Sat-Sender usw. greift das das Verständnis als "gemeinsame arabischen Nation" viel tiefer in das Verständnis, in die "Gefühlswelt" der Bevölkerung ein.
Zitieren
#77
Der Panarabismus ist in meinen Augen nur utopische Denken, wie wir Europäer denken. Nach unserer Ansicht ist es rationell und verspricht grosse wirtschaftliche, kulturelle und auch infrastrakturelle Entwicklungen, die nachhaltig wären.
Man sollte aber die Realitäten sehen und die sind so, das jede Arabische Familie/Clan ihr eigenes Süppchen kocht und wenn dann doch ein Clan mal irgendwo die Macht innehat, wie die Emire der VAE, Bahrain, Kuwait, Katar, der Sultan von Oman, die Könige von Saudi Arabien, Marokko, Jordanien oder auch die Präsidenten, die noch immer wie Diktatoren herrschen in Algerien oder Syrien, geben diese ihre Macht nicht auf bzw. es wird auch keiner von denen in die Gelegenheit kommen, der Führer einer solchen Panarabischen Union zu werden.

Es gäbe noch die möglichkeit, das es einen Menschen gibt, dem alle Araber bereit wären, zu folgen. Aber Mohammed ist auch schon lange tot und ein neuer Prophet ist nicht in sicht.

Ein realistisches Modell wäre eine Panarabische Union, die ähnliche Strukturen hat wie die EU. Da könnten dann gewählte Vertreter der verschiedenen Regionen in einer Art Parlament zusammenkommen, die nach Anzahl der Einwohner abhängt. Das könnte zunächst jedoch nur Länder betreffen, die keine Monarchie haben.
Um dann noch die Monarchien ins Boot zu holen, müssten die Monarchen mit Garantien für die Zukunft, zb. auch gesichert durch ein Oberhaus wie in England, welches als zweite Kammer die gleichen Abstimmungsrechte hätte wie das Parlament(Unterhaus) und/oder entsprechenden Abfindungen, die beträchtlich sein dürften ausgestattet werden.
Wichtig wäre dann auch das Einrichten einer Religiösen Institution, in der sich die verschiedenen Vertreter der Glaubensrichtungen treffen, einheitliche Standarts festlegen bei Dingen, die keine Streitpunkte sind und die dann so etwas wie einen oberste Religiöse Instanz wählen, damit auch die Nichtpolitischen, aber Religiösen Gruppen sich vertreten fühlen.
Diese Religiöse Instanz müsste dann ebenfalls ein Mitspracherecht erhalten.

Das ist aber Utopie, die ich derzeit kaum machbar finde, da auch zb. Araber aus bestimmten Regionen verächtlich gucken, wenn welche von woanders her kommen zb. Ägyptischen Araber zu den Marokkanischen
Zitieren
#78
Der Panarabismus ist in meinen Augen nur utopische Denken, wie wir Europäer denken. Nach unserer Ansicht ist es rationell und verspricht grosse wirtschaftliche, kulturelle und auch infrastrakturelle Entwicklungen, die nachhaltig wären.
Man sollte aber die Realitäten sehen und die sind so, das jede Arabische Familie/Clan ihr eigenes Süppchen kocht und wenn dann doch ein Clan mal irgendwo die Macht innehat, wie die Emire der VAE, Bahrain, Kuwait, Katar, der Sultan von Oman, die Könige von Saudi Arabien, Marokko, Jordanien oder auch die Präsidenten, die noch immer wie Diktatoren herrschen in Algerien oder Syrien, geben diese ihre Macht nicht auf bzw. es wird auch keiner von denen in die Gelegenheit kommen, der Führer einer solchen Panarabischen Union zu werden.

Es gäbe noch die möglichkeit, das es einen Menschen gibt, dem alle Araber bereit wären, zu folgen. Aber Mohammed ist auch schon lange tot und ein neuer Prophet ist nicht in sicht.

Ein realistisches Modell wäre eine Panarabische Union, die ähnliche Strukturen hat wie die EU. Da könnten dann gewählte Vertreter der verschiedenen Regionen in einer Art Parlament zusammenkommen, die nach Anzahl der Einwohner abhängt. Das könnte zunächst jedoch nur Länder betreffen, die keine Monarchie haben.
Um dann noch die Monarchien ins Boot zu holen, müssten die Monarchen mit Garantien für die Zukunft, zb. auch gesichert durch ein Oberhaus wie in England, welches als zweite Kammer die gleichen Abstimmungsrechte hätte wie das Parlament(Unterhaus) und/oder entsprechenden Abfindungen, die beträchtlich sein dürften ausgestattet werden.
Wichtig wäre dann auch das Einrichten einer Religiösen Institution, in der sich die verschiedenen Vertreter der Glaubensrichtungen treffen, einheitliche Standarts festlegen bei Dingen, die keine Streitpunkte sind und die dann so etwas wie einen oberste Religiöse Instanz wählen, damit auch die Nichtpolitischen, aber Religiösen Gruppen sich vertreten fühlen.
Diese Religiöse Instanz müsste dann ebenfalls ein Mitspracherecht erhalten.

Das ist aber Utopie, die ich derzeit kaum machbar finde, da auch zb. Araber aus bestimmten Regionen verächtlich gucken, wenn welche von woanders her kommen zb. Ägyptischen Araber zu den Marokkanischen
Zitieren
#79
die Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten im Irak werden immer heftiger. Wenn das so weiter geht, wird der Irak - wie Syrien - in seine religiös begründeten Bestandteile zerfallen.
Zitieren
#80
ISIL hat Kontrolle in Mossul übernommen und mittlerweile wohl auch in Kirkuk und Tikrit.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://augengeradeaus.net/2014/06/merkposten-irak/">http://augengeradeaus.net/2014/06/merkposten-irak/</a><!-- m -->
Zitieren
#81
es deutet sich - wie hier <!-- l --><a class="postlink-local" href="http://www.forum-sicherheitspolitik.org/viewtopic.php?f=42&t=24&p=174450#p174450">viewtopic.php?f=42&t=24&p=174450#p174450</a><!-- l --> schon angesprochen - wohl an, dass eine Allianz sunnitischer Araber in Syrien und dem Irak auf der einen Seite, der Kurden und Schiiten zwischen Iran, Irak und Syrien auf der anderen Seite immer mehr Kraft gewinnt - sich also eine "Teilung" stabilisiert.
Zitieren
#82
ISIL ist nicht repräsentativ für die sunnitischen Muslime sondern repräsentieren einen extrem gewaltbereiten Flügel mit sehr extremen Ansichten. Es ist auch nicht jeder Deutsche gleich ein Nazi, nur weil es die NPD gibt. Die Kurden sind selbst Sunniten, die gerade in Geiselhaft befindlichen türkischen Spezialkräfte ( :lol: ) sind Sunniten, die 500.000 irakischen Zivilisten die vor ISIL die Flucht ergriffen haben sind vorwiegend Sunniten. Die lokalen irakischen Stämme, die sich eine ganze Weile gegen die Extremisten gestellt hatten und deren Anführern und Angehörigen gerade zu dieser Stunde die Köpfe abgeschnitten werden, sind selbst Sunniten. ISIL ist einerseits eine Folge konsequenter Destabilisierung etablierter Gewaltmonopole. ISIL profitierte aber auch massiv von den türkischen, saudischen und amerikanisch/israelischen Ängsten vor dem iranischen Einfluss in der Region. Und nun haben wir einen weiteren Proxy aus dem NATO/Golfmonarchen Dunstkreis der außer Kontrolle geraten ist. Die öffentlich geäußerten Befürchtungen vor einem Bürgerkrieg und den Extremisten seitens Washingtons klingen wie blanker Hohn.
Zitieren
#83
stimmt - ISIS repräsentiert radikale Ideologen und steht in seinem Fundamentalismus auch eher den Wahabiten näher als den Sunniten, die mit den theologischen Universitäten in Ägypten und der Türkei auch sehr respektable Institutionen vorzuweisen haben.
Zitieren
#84
Herr Obama steht vor einem Scherbenhaufen. Wenn er sich noch einen Namen in der Geschichte machen will, sollte er die ausgestreckte Hand des Irans annehmen und retten, was noch zu retten ist.

Ich konnte keine Informationen über die "Truppenstärke" des ISIL's finden. Wieviele von denen nehmen den Irak eigentlich auseinander?
Zitieren
#85
@pio
Zitat:Ich konnte keine Informationen über die "Truppenstärke" des ISIL's finden. Wieviele von denen nehmen den Irak eigentlich auseinander?
Schätzungen gehen bis zu 10.000 Kämpfer...

Hierzu:
Zitat:Irak

Schiiten machen mobil gegen ISIS

Die Situation im Irak eskaliert weiter: Die islamistische ISIS-Miliz stößt bei ihrer Blitzoffensive inzwischen auf energischen Widerstand. Großayatollah al-Sistani hat zum Kampf gegen die Terroristen aufgerufen. [...] Seit Anfang dieser Woche eroberten geschätzte 10.000 Kämpfer der terroristischen Dachorganisation "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) im Sturm weite Teile der nördlichen Provinzen Iraks.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.dw.de/schiiten-machen-mobil-gegen-isis/a-17706134">http://www.dw.de/schiiten-machen-mobil- ... a-17706134</a><!-- m -->

Schneemann.
Zitieren
#86
Schneemann schrieb:@pio
Zitat:Ich konnte keine Informationen über die "Truppenstärke" des ISIL's finden. Wieviele von denen nehmen den Irak eigentlich auseinander?
Schätzungen gehen bis zu 10.000 Kämpfer...

Hierzu:
Zitat:Irak

Schiiten machen mobil gegen ISIS

Die Situation im Irak eskaliert weiter: Die islamistische ISIS-Miliz stößt bei ihrer Blitzoffensive inzwischen auf energischen Widerstand. Großayatollah al-Sistani hat zum Kampf gegen die Terroristen aufgerufen. [...] Seit Anfang dieser Woche eroberten geschätzte 10.000 Kämpfer der terroristischen Dachorganisation "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) im Sturm weite Teile der nördlichen Provinzen Iraks.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.dw.de/schiiten-machen-mobil-gegen-isis/a-17706134">http://www.dw.de/schiiten-machen-mobil- ... a-17706134</a><!-- m -->

Schneemann.

Die Truppenstärke ist doch sicher größer. Die Zahl spiegelt ja nur die Offensive wieder.
Es werden doch sicher auch Truppen an gewissen Stellen Offensiven/Verteidigung vorbereiten bzw. eine Reserve bilden. Auch muss jmd. für die "öffentliche Ordnung" in den eroberten Gebieten sorgen.

Manche Quellen bescheinigen der ISIS ja durchaus strategisches Denken.

Oder schätze ich das falsch ein?
Zitieren
#87
Es ist ein Skandal, wie schnell die ISIL durch den Irak marschiert und die in 10 Jahren aufgebaute neue irakische Armee so auseinandernimmt. Ein weitaus größerer Skandal ist meiner Meinung nach, daß hier tausende von Kämpfern einen Blitzkrieg vorbereiten konnten und es keiner bemerkt haben will.
Zitieren
#88
  • Mangelhafte Ausbildung durch westliche Truppen und Contractors.
  • Die Bewaffnung der Stammesmilizen durch US General Petraeus und das Entmachten der irakischen Armee im sunnitischen Dreieck war entweder pure Idiotie oder Sabotage. Diese Stämme drehen im Zweifel die Nase nach dem Wind und genau das haben sie nun getan
  • Das bestellte Material wird nicht, zu spät oder in nicht einsatztauglichem Zustand geliefert -> massive Korruption und Logistikprobleme

Die Iraker sollten die Berater wechseln, um ihre Wehrhaftigkeit zu steigern. Da bietet sich derzeit IRGC + Hisbollah an.
Zitieren
#89
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/isis-im-irak-aussenpolitiker-warnen-vor-dauerhaftem-krisenherd-a-975320.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 75320.html</a><!-- m -->
Zitat:Vormarsch der Isis: Außenpolitiker warnen vor Dauer-Krisenherd Irak

Der Vormarsch der Isis-Dschihadisten führt zu einer Neuordnung der Kräfte im Mittleren Osten. Außenpolitiker in der Großen Koalition fordern ein Umdenken des Westens und neue Allianzen - sowie eine Einbindung Teherans.

Sonntag, 15.06.2014 – 16:58 Uhr ...

...
Der Vormarsch der Isis hatte international Entsetzen und Besorgnis ausgelöst. Experten warnen vor einem Kollaps des Landes, mit Erschütterungen weit über die Krisenregion Nahost hinaus. Nach Uno-Angaben wurden bei Kämpfen in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Zivilisten getötet und etwa tausend Menschen verletzt. Ziel der Terrorgruppe ist ein sunnitischer Gottesstaat vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf.
Zitieren
#90
Zitat:Iranian general leads defence of Baghdad
Hala Jaber, Baghdad Published: 15 June 2014

Iran is helping to organise the fightback against insurgents (Hawre Khalid/Metrography)

Iran has taken command of Iraq’s crumbling armed forces to help organise the fightback against hardline militants who have seized large swathes of the country.

Major-General Qassem Suleimani, the leader of Iran’s elite Quds force, is now running operations, a top Iraqi official revealed yesterday.

Suleimani, who travelled to Baghdad last week with 67 of his top advisers, “is in charge of arming, deploying forces, weaponry and planning the battles”, the source said. “He also brought light and medium weapons, rockets, heavy machineguns and lots of ammunition.”
...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.thesundaytimes.co.uk/sto/news/world_news/Middle_East/article1422922.ece">http://www.thesundaytimes.co.uk/sto/new ... 422922.ece</a><!-- m -->

Der Wahrheitsgehalt dieser Nachricht ist fraglich, daher packe ich es mal hier rein.
Zitieren


Gehe zu: