Herkunft der Deutschen
#1
Herkunft der Deutschen

Werter Erich: wir sind ja bei der Frage noch nicht weiter ob und wie weit die Bajuwaren Slawischer Abstammung bzw Einmischung sind. Zu deinen Ausführungen hätte ich folgende Erwiederungen und deine Meinung würde mich sehr interessieren:

Du schreibst ja die Bajuwaren seien Elbgermanen. Dagegen sage ich gar nichts, aber ich glaube du hast hier die Chronologie nicht beachtet:

Ich schrieb ja: das die Bajuwaren eine Germanische Herkunft haben und im Kern Germanen waren und sind. Aber das sie sich dann bei der Besiedelung Bayerns eben mit Slawen vermischt hätten.

Als Räume und Zeitpunkte nannte ich die Besiedelung des Alpenraumes von Österreich (rein slawisch besiedelt) und die vielen Slawen die vor den Ungarn hierher flohen, ferner auch die Protoslawischen Stämme die sich zur Zeit von Severin schon in Böhmen ansiedelten. Das sind andere Zeiten, die Besiedelung der Alpen erfolgte erst lange nach der Föderatenzeit, die Ungarn sind Jahrhunderte später und zu der zeit von Severin entstanden die Slawen als Sprachgruppe ja überhaupt erst und die Grenze zu den Ostgermanen war damals noch fließen (Bastarnen, Skiren usw)

Du schreibst vollkommen richtig : daß die Bajuwaren als Föderaten im Römischen Reich Elbgermanen waren. Kein Vertun, so ist es.

Aber die Alamannen (Schwaben) sind ebenso Elbgermanen. Der Unterschied zwischen Schwaben und Bayern den man sogar körperlich und vom Aussehen her heute noch feststellen kann resultiert daher aus dem, was dann im weiteren geschehen ist. Über Jahrhunderte hinweg haben sich dann die Bajuwaren eben mit Slawen vermischt. Mit Slawen in Österreich, mit einwandernden Slawen aus dem Ungarischen Raum, und in den Grenzgebieten zu Böhmen und in Böhmen bis sie dieses Gebiet vollständig räumten mit Protoslawen die sich dort erst um 600 n Chr formierten.

Das ist nach Severin. Stämme wie die Weißen Kroaten, Abodriten, Slowenen, Verden, Liuitzer, Böhmen (Boijer, Boimer, Boiern) und vor allem die Pannonischen Slawen sind ja überhaupt erst als eigene Gruppen ab ungefähr 550 n Chr bis 600 n Chr nachweisbar.

Um noch mal den Bezug zu den Kelten herzukriegen: der Name Böhmen wie Bayern wie Boier geht auf den Keltischen Namen für das Gebiet zurück. Es gab aber selbst schon zur Zeit Severins slawische Boier wie auch germanische in diesem Gebiet während es keine Kelten mehr dort gab. Diese Protoslawen gingen damals fließend in die Ostgermanen über und waren primär eine eigene Sprachgruppe, aber kulturell weitgehend identisch.

Die Bajuwaren siedelten ja auch noch nach Severin teilweise in Böhmen und das entscheidende Ereignis hier war der Zerfall des Thüringer Reiches und die Einwanderung der Awaren in die Ungarische Ebene. Dann erfolgte später die Besiedelung des Alpenraumes und dann noch eine weitere geringer Vermischung zur Zeit des Einfalls der Ungarn.

Das sind Jahrhunderte von denen wir hier sprechen. Jahrhunderte zudem in denen in der Zeit vor den Karolingern eine klare Abtrennung von Bajuwaren und Thüringern hin zu Westslawischen Stämmen kulturell wie von den Funden her nur schwer möglich ist.

Demgebenüber sind eben die Alamannen in Gebiete vorgestoßen, in denen keine Römer mehr waren (Ausnahme Augsburg) und in denen auch keine Slawen siedelten. Beide, Alamannen (Schwaben) und Bajuwaren (Bayern) sind also im Kern Elbgermanen, vor allem ist entscheidend das beide immer die Germanische Sprache beibehielten, ihre weitere Entwicklung unterschied sich aber eben dadurch so massiv: das die Bajuwaren sich massiv mit Slawen vermischten und dazu noch die römische Reste der Bevölkerung, die Alamannen aber unter sich blieben.
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#2
Ein Beitrag von phantom in diesem Thread:
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hat mich dazu bewogen mich hier als Foren-Necromancer zu betätigen.

@phantom
Zitat:Die USA sind das klassische Einwandererland, da ist Deutschland ein Inzuchtverein.
Auch nach Deutschland gab es schon früher eine erhebliche Einwanderung.
Da denke ich etwa an die Hugenotten, die sich in Preußen und um Krefeld niederließen.
Davor waren noch die deutsche Ostsiedlung, und, wenn man weiter zurückgeht stellt man fest das sich vor der Reichsgründung Mitteleuropa als wahrer Schmelztiegel erwiesen hat.

@Quintus Fabius
Zitat:Du schreibst ja die Bajuwaren seien Elbgermanen.
Die Herkunft der Bajuwaren ist bis heute ungeklärt.
Man vermutete früher, das sie Nachfahren der Markomannen seien, doch heute sieht es eher danach aus das sie auf Langobarden und Ostgoten zurückgehen. Ganz sicher haben aber auch die benachbarten Alamannen und Thüringer nebst anderen zur Ethnogenese der Bajuwaren beigetragen.

Zitat:Als Räume und Zeitpunkte nannte ich die Besiedelung des Alpenraumes von Österreich (rein slawisch besiedelt) und die vielen Slawen die vor den Ungarn hierher flohen, ferner auch die Protoslawischen Stämme die sich zur Zeit von Severin schon in Böhmen ansiedelten.
Meinst du mit "Österreich" den Staat oder die Region?
Weiterhin: Wann war das? Afaik starb Severin 482 n. Chr., slawische Stämme werden erst gut 50 bis 100 Jahre später zur Zeit von Justinian erwähnt.

Zitat:Über Jahrhunderte hinweg haben sich dann die Bajuwaren eben mit Slawen vermischt. Mit Slawen in Österreich, mit einwandernden Slawen aus dem Ungarischen Raum, und in den Grenzgebieten zu Böhmen und in Böhmen bis sie dieses Gebiet vollständig räumten mit Protoslawen die sich dort erst um 600 n Chr formierten.
Ab ca. 600 n.Chr. verlieren sich die germanischen Siedlungsspuren in Böhmen.

Zitat:Stämme wie die Weißen Kroaten, Abodriten, Slowenen, Verden, Liuitzer, Böhmen (Boijer, Boimer, Boiern) und vor allem die Pannonischen Slawen sind ja überhaupt erst als eigene Gruppen ab ungefähr 550 n Chr bis 600 n Chr nachweisbar.
Weiße Kroaten...
Nach einer These die mir untergekommen ist sollen die slawischen Stämme der Kroaten und Serben ursprünglich im heutigen Sachsen gesessen haben und seien dann südwärts gezogen.

Zitat:Demgebenüber sind eben die Alamannen in Gebiete vorgestoßen, in denen keine Römer mehr waren (Ausnahme Augsburg) und in denen auch keine Slawen siedelten.
Inwieweit stammen eigentlich die Deutschen von Römern ab?
Trier und Köln waren immerhin Zentren der römischen Politik, Wirtschaft und Kultur in Deutschland. Trier war ja sogar zeitweilig Hauptstadt, ich war selbst mal in der Palastaula des Konstantin. Da müssten doch eigentlich erhebliche Mengen an römischen Siedlern in den germanischen Provinzen des Reiches gelebt haben, und nicht bloß romanisierte Kelten und Germanen.
Mir ist auch bekannt, das entlang der Mosel noch lange das Moselromanisch, eine aus dem Latein hervorgegangene Sprache, gesprochen wurde - einfach weil das Gebiet für die Franken nicht interessant war und folglich während der Völkerwanderung von ihnen nicht besiedelt wurde.

Zitat:das die Bajuwaren sich massiv mit Slawen vermischten und dazu noch die römische Reste der Bevölkerung, die Alamannen aber unter sich blieben.
Wie massiv war dieser Austausch zwischen germanischen und slawischen Bevölkerungsgruppen? Fand er bis zur Ostkolonisation nur in Grenzgebieten wie etwa im Wendland statt?
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#3
Tiger:

Zitat: Ganz sicher haben aber auch die benachbarten Alamannen und Thüringer nebst anderen zur Ethnogenese der Bajuwaren beigetragen.

Die Thüringer entstanden erst aus Stämmen wie den Hermunduren, als die Bajuwaren als Volk schon greifbar werden. Und die frühe und klare Trennung zwischen Alamannen und Bajuwaren ist selbst heute noch erstaunlich scharf feststellbar und klarer als die zwischen allen anderen Stammesgruppen in Deutschland.

Zitat:Meinst du mit "Österreich" den Staat oder die Region?

Ich meine das Staatsgebiet des heutigen Österreich.

Zitat:Weiterhin: Wann war das? Afaik starb Severin 482 n. Chr., slawische Stämme werden erst gut 50 bis 100 Jahre später zur Zeit von Justinian erwähnt.

Sie waren aber durchaus schon vorher existent wie man aufgrund archäologischer Funde weiß. Im Endeffekt begann der Aufstieg und die Ausbreitung der Westslawen exakt paralell zum Abzug der germanischen Stämme im Osten deren Räume sie dann für sich einnehmen konnten.

Zitat:Ab ca. 600 n.Chr. verlieren sich die germanischen Siedlungsspuren in Böhmen.

So ist es. Und gerade deshalb schrieb ich:

Zitat:bis sie dieses Gebiet vollständig räumten mit Protoslawen die sich dort erst um 600 n Chr formierten.

Zitat:Nach einer These die mir untergekommen ist sollen die slawischen Stämme der Kroaten und Serben ursprünglich im heutigen Sachsen gesessen haben und seien dann südwärts gezogen

Die Trennung zwischen Kroaten und Serben hat es damals so ja noch nicht gegeben, da diese erst durch die Grenze zwischen West- und Ostreich so geschaffen wurde. Die Vorfahren dieser Völker kamen defnitiv aus dem Norden, woher exakt aber ist nicht feststellbar. Die meisten Slawen die auf den Balkan einwanderten und zur gleichen Zeit auch massiv nach Griechenland bis auf den Peloponnes kamen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei, Süd-Polens und Rumäniens.

Zitat:Inwieweit stammen eigentlich die Deutschen von Römern ab?

Zitat:Da müssten doch eigentlich erhebliche Mengen an römischen Siedlern in den germanischen Provinzen des Reiches gelebt haben, und nicht bloß romanisierte Kelten und Germanen.

Definiere Römer. Die römischen Siedler in diesen Gebieten waren zum größten Teil romanisierte Kelten und Germanen und der Anteil von Italikern war vergleichsweise gering. Das also die dort lebenden Römer keltische und germanische Vorfahren hatten heißt ja nicht, dass sie deswegen keine Römer gewesen wären. Römer zu sein hieß: römischer Kultur und Sprache zu sein und römischer Staatsbürger und die dort lebenden Völker waren spätestens seit 212 n Chr alle römische Bürger.

Zitat:Mir ist auch bekannt, das entlang der Mosel noch lange das Moselromanisch, eine aus dem Latein hervorgegangene Sprache, gesprochen wurde - einfach weil das Gebiet für die Franken nicht interessant war und folglich während der Völkerwanderung von ihnen nicht besiedelt wurde.

So einfach ist das nicht. Sprachen können auch wandern, von einem Volk auf ein anders überspringen und zwar ganz ohne Besiedelung. Ad extremum kann ein Volk eine andere Sprache annehmen ohne jede ernsthafte Einwanderung und umgekehrt die Sprache erhalten bleiben trotz massivster Einwanderung.

Deshalb sind Sprachen für die Frage der ethnischen Abstammung (und auch und insbesondere der genetischen Abstammung) allenfalls ein Indiz.

Es gab beispielsweise in Teilen Neustriens eine massive fränkische Besiedelung, trotzdem übernahmen diese Franken allesamt in kurzer Zeit das dort gesprochene Volkslatein.

Umgekehrt vielleicht interessant: im Bereich des Chiemsees in Richtung des Walchenseees (sic) in Bayern blieben weite Gebiete ohne jede bajuwarische Besiedelung und die dort lebende Bevölkerung blieb keltisch-römischer Abstammung weshalb sie lange Zeit noch vom Rest der Bevölkerung in Bayern unterschieden wurde. Trotzdem übernahmen hier die Nachfahren der Römer die germanische Sprache in recht kurzer Zeit.

Insgesamt ist meiner Einschätzung nach der Anteil römischer Bevölkerung in Deutschland trotzdem sehr gering gewesen, weil es einfach in der Endzeit des Reiches zu einer massiven Entvölkerung kam. Weite Teile Bayerns wie des Rheintales wurden über längere Zeiträume hin massiv verheert und die Verluste an der Zivilbevölkerung waren immens. De früher vergleichsweise prächtigen Städte (Trier, Augsburg usw) verfielen in einem immensen Ausmaß. Etliche römische Städte weisen sogar vorübergehende Abrisse auf oder wurden wie Regensburg etc während des kompletten Zusammenbruch systematisch geräumt.

Zitat:Wie massiv war dieser Austausch zwischen germanischen und slawischen Bevölkerungsgruppen? Fand er bis zur Ostkolonisation nur in Grenzgebieten wie etwa im Wendland statt?

Der Austausch war meiner Ansicht nach schon früher vergleichsweise massiv und ich gehe auch von einer gewissen Unschärfe zwischen Ostgermanen und Slawen aus (so wie es vor den Römern eine Unschärfe zwischen Kelten und Germanen gegeben hat). Austausch zwischen germanischen und slawischen Gruppen (beides zu dieser Zeit primär Sprachgruppen und nicht ethnische Einteilungen!) gab es schon vor der Ostkolonisation de facto im gesamten Osten.
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#4
@Quintus Fabius
Zitat:Die Thüringer entstanden erst aus Stämmen wie den Hermunduren, als die Bajuwaren als Volk schon greifbar werden.
Neben den Hermunduren sollen auch Warnen und Angeln - ich vermute hier allerdings eine Verwechselung mit den Angiliern, einem wenig bekannten germanischen Stamm der in der Nähe wohnte - zur Ethenogese der Thüringer beigetragen haben.

Zitat:Und die frühe und klare Trennung zwischen Alamannen und Bajuwaren ist selbst heute noch erstaunlich scharf feststellbar und klarer als die zwischen allen anderen Stammesgruppen in Deutschland.
Das liegt daran das Thüringen an Franken grenzt, das stammesgeschichtlich nicht zu Bayern gehört.
In der Antike siedelten im heutigen Franken u.a. Neckarsueben, Turonen, Narisken und andere kleinere germanische Stämme. Ihren heutigen Namen erhielt die Region, als sie im 6.Jahrhundert von den Franken erobert wurde. Später ließen sich im nordöstlichen Franken noch slawische Siedler nieder.

Zitat:Definiere Römer. Die römischen Siedler in diesen Gebieten waren zum größten Teil romanisierte Kelten und Germanen und der Anteil von Italikern war vergleichsweise gering.
Ich hatte da durchaus auch an italische Siedler gedacht.
Ich war nämlich vor einiger Zeit in Trier gewesen, das ja unter Konstantin dem Großen faktisch Hauptstadt des Römischen Reiches war - ich habe selbst die Palastaula besichtigt - und wunderte mich daher wo die Bevölkerung der Stadt herkam.

Zitat:Römer zu sein hieß: römischer Kultur und Sprache zu sein und römischer Staatsbürger und die dort lebenden Völker waren spätestens seit 212 n Chr alle römische Bürger.
Ja, richtig, Caracalla hat allen freien Bewohnern des Reiches das römische Bürgerrecht verliehen - wenn auch wohl nur um mehr Steuern eintreiben zu können. Über diese dürfte man sich dann auch als frisch gebackener römischer Bürger ziemlich geärgert haben... :twisted:

Zitat:Insgesamt ist meiner Einschätzung nach der Anteil römischer Bevölkerung in Deutschland trotzdem sehr gering gewesen, weil es einfach in der Endzeit des Reiches zu einer massiven Entvölkerung kam. Weite Teile Bayerns wie des Rheintales wurden über längere Zeiträume hin massiv verheert und die Verluste an der Zivilbevölkerung waren immens.
Das heißt die Besiedlungsstruktur aus römischer Zeit brach fast komplett zusammen weil die Bevölkerung floh oder evakuiert wurde?

Zitat:Der Austausch war meiner Ansicht nach schon früher vergleichsweise massiv und ich gehe auch von einer gewissen Unschärfe zwischen Ostgermanen und Slawen aus (so wie es vor den Römern eine Unschärfe zwischen Kelten und Germanen gegeben hat).
Auf welchem Weg kamen die slawischen Stämme eigentlich in ihre Siedlungsgebiete im heutigen Deutschland? Kamen sie über Böhmen?
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