(Amerika) United States Marine Corps (USMC)
Deine Ausführgen zu den Systemen (die ich jetzt nicht im Detail aufdröseln möchte) gehen ein bisschen am Kern dessen vorbei was ich versucht habe mit diesen Beispielen zu skizzieren:
Unabhängige Teilstreitkräfte führen zu gespiegelten Prozessen deren Ergebnisse zu Ineffizienz führen.
Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür, dass das Marine Corps in eigener Zuständigkeit über die eigene Ordonanzwaffe entscheiden können sollte und am Ende andere Waffen verwendet als die US Army. Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür warum sich Legionen von Marines und Zivilbeschäftigen nochmal extra mit einem Auswahl- und Beschaffungsprozess beschäftigen müssen wenn eine andere Teilstreitkraft diesen Prozess schon ad nauseam bespielt hat.

Die Lösung hier ist eigentlich offensichtlich: Der Beschaffungsprozess müsste, wenn schon nicht gleich im DoD Überbau angesiedelt vollumfänglich einer Teilstreitkraft zugeordnet werden. Mit der sehr klaren Ansage das Ergebnis dann auch für alle verpflichtend ist. Das gilt nicht nur für die Marines sondern für jede andere Teilstreitkraft auch. Natürlich ist das ‚politisch‘ utopisch, schließlich sind die Teilstreitkräfte in den USA schon grundsätzlich viel zu unabhängig voneinander wie auch vom DoD selbst.

Im Grundsatz aber sage ich ganz klar: Es ist immer besser, wenn möglichst Streitkräfteweit möglichst das gleiche Gerät eingesetzt wird. Ja das mag hier und dort zu Verschlechterungen führen, weil vielleicht Truppengattung X (zurecht) meint sie könnten mit etwas anderen Gerät etwas besser performen. In Einzelfällen muss dann sicherlich nachgesteuert werden. Aber lieber nehme ich global etwas mehr Unterperformance Inkauf als das ich der jetzigen Situation das Wort rede, in der so ziemlich jede Teilstreitkraft den ureigenen Gerätepark zusammenbaut solange nur Congress zustimmt.

Da spiegelt sich auch in dem Einwurf wider, den du richtigerweise zur Kampfpanzerfrage einbringst. Es ist aber meiner Meinung nach aber halt schlicht absurd, dass Kampfpanzerflotten (auch) deshalb divergieren weil Teilstreitkraft A weniger finanzielle Mittel zu Verfügung (oder schlicht andere Prioritäten) hat als Teilstreitkraft B. Stattdessen sollte es oberste Maxime sein die Instandhaltung und Weiterentwicklung des Gerätes streitkräfteweit möglichst einheitlich und möglichst effizient zu gestalten. Es ist grundfalsch Marines und Army im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten an ein und demselben Gerät schrauben zu lassen. Die Betreuung (und Finanzierung derselben) sollte unter der Federführung einer Teilstreitkraft erfolgen.

Natürlich ist es dabei richtig, dass auf Teilstreitkraft intern mit verschieden Geräten und Rüststanden gearbeitet werden muss. Das ist nicht vermeidbar. Dieser Prozess ist aber deutlich leichter mit besseren Ergebnissen zu managen wenn die Verantwortung klar einem Akteur zugeordnet ist und Mittel allein durch den Wegfall doppelter Strukturen frei werden.

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Themenwechsel. Der Punkt hinsichtlich der USMC Propaganda war weniger, dass das USMC keine ‚First In‘ Fähigkeiten anbieten könnte, sondern mehr, die propagandierte These, dass es gerade und unbedingt das Marine Corps für derartige Aktionen benötigt, wenn die Army jenseits der reinen Amphibischen Kapazität hier nicht nur deutlich mehr auf dem Kasten sondern auch schon deutlich mehr eingesetzt hat.
Es ist ja schön und gut, dass die Marine das unbedingt machen wollen und meinen, das sei ganz speziell ihr Terrain. Nur warum sollte das so sein? Das ist doch nur ein von den Marines gepushtes pseudopolitisches Nativ ohne realen Hintergrund. Die schlichte Wahrheit lautet: Wenn die Realität zeigt, dass diese ach so schwierig abzubildende Fähigkeit mal von der Army nebenher miterledigt werden kann, braucht es dafür kein Marine Corps.

Schließlich gilt hier der Grundsatz: Generalisten vor Spezialisten! Spezialisierte Trupp nur dann und dort wo regulärere Einheiten die gestellten Aufgaben nicht miterledigen können.
Konkret: Die Army wird aus einer Reihe von Gründen immer Luftverlegbare Infanterie (was nicht dem klassischen Fallschirmjäger entsprechen muss btw) und SOF unterhalten. Wenn die Theater Entry nebenher mitbespielen können gibt es überhaupt keinen Grund, das eine andere Teilstreitkraft diese Fähigkeiten abbilden muss. Völlig egal wie gut das zu ihrem Selbstverständnis passen mag. Es käme dann auch niemand auf die Idee, eine spezialisierte ‚First In‘ Truppengattung innerhalb der Army zu schaffen, wenn es das Marine Corps nicht geben würde. Die Aufgaben werden bereits abgedeckt, darüber hinaus gibt es keinen Bedarf an weiterer Spezialisierung. Ergo sind das Ineffizienzen die man abstellen kann.

Andererseits: Natürlich könnte man grundsätzlich auf die Idee kommen und den ganze (riesigen) Army SOF Apparat den Marines zuordnen und das Marine Corps grundsätzlich als SOF Teilstreitkraft begreifen. Kann man machen, wäre eine politische Entscheidung. Ich bezweifle aber, dass solche eine Struktur viel Sinn machen würde, schließlich stützten sich die SOF Verbände stark auf die grüne Truppe der Army ab. Freilich könnte man auch gleich alle leichte Infanterie den Marines zuordnen nur haben wir spätestens hier die Grenzen zum Absurden überschritten. Ganz zu schweigen von allen anderen Organisationsproblemen die man im Joint SOCOM sehr zufriedenstellend gelöst hat. Das würde ich für einen ziemliche Rohrkrepierer halten.

Es ging mir bei meinem Verweis auf das USASOC (sehr bewusst nicht SOCOM) auch weniger darum, das Marine Corps irgendwie unter SOF verwursten zu wollen, vielmehr ging es darum der von dir betonten Infanterielastigkeit das Argument entgegenzusetzen, dass die Army hier qualitativ und quantitativ mehr als mithalten kann. Insofern wäre nichts verloren, wenn die vielbeschworenen Infanterieregimenter des USMC in der grünen Truppe der Army aufgehen würden. [Ich nehme zu Kenntnis das du das hinsichtlich der Qualität anders siehst, aber ich kann jetzt nicht auf alles eingehen]. Der Einwurf, dass die 3 MEF ja so viel mehr leisten könnten als SOF oder Luftverlegbare Infanterie geht dahingehend auch ins Leere.
Natürlich trifft das zu, aber andererseits überfordert es auch die Army nicht leichter Infanterie bei Bedarf schwerere Verbände zuordnen. Combined Arms ist jetzt keine spezielle Erfindung des Marine Corps.
Ansonsten, ja, man kann den Marines auf Bataillonsebene (!) gewisse Interventionsfähigkeiten zusprechen die in bestimmten Szenarien so von den Interventionskräften der Army nicht genau so analog repliziert werden können. Aber wirklich, wir reden da von Nischenfähigkeiten auf unterer taktischer Ebene. Das Marine Corps hat eben gerade nicht die Fähigkeit größere Verbände jenseits der MEU in operativ relevanten Zeiträumen einzusetzen. Man müsste sich das mal im Detail anschauen, aber das Marine Corps verlegt komplette MEFs nicht relevant schneller als die Army Soldaten oder Gerät über die Ozeane schippern kann.

Die vielbeschworene Interventionsfähigkeit des Corps fußt allein darauf, dass meint es wäre sinnvoll, verstärkte Bataillone mit ein wenig integrierten Air Support in amphibischen Landungsschiffen über die Weltmeere segeln zu lassen. Die erwähnten MEBs existieren ja nicht. Das sind gekaderte Verbände die sich aus den bestehenden MEFs nach Bedarf gebildet und erstmal verlegt werden müssen. Aber klar, sollte sich tatsächlich mal eine passende Contingency in der passenden Lokalität ergeben ist die MEU der ESG sicher ein wunderbar funktionierendes Werkzeug. Bei Lichte betrachtet muss man aber schlicht feststellen: Das ist noch nie passiert, Mitteleinsatz steht in keinem Verhältnis zum Nutzen und hinter der MEU käme der Rest der Corps auch nicht schneller als die schweren Heeresverbände.

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Zu den Missile Marines. Die grundsätzliche Idee dahinter ist es neue Fähigkeitenfelder zu erschließen die so von der Konkurrenz nicht abgedeckt werden. Könnte die US Army meinetwegen angedockt an SOCOm Verbände schaffen, die sich Litoral, also Küstennahen Raum schwerpunktmäßig mit dem Kampf gegen Luft- und Seeverbände beschäftigen? Sicherlich. Ich behaupte auch garnicht, dass Bergers Reformen ein Argument gegen meine grundsätzliche Kritik und meiner Forderung nach einer weitestgehenden Abschaffung des Marine Corps darstellen.

Diese Kritik existiert im sicherheitspolitischen Prozess der USA allerdings auch garnicht. Es gibt (bedauernswerterweise) keine ernsthaften Bestrebungen das Marine Corps abzuschaffen. Berger sucht insofern überhaupt nicht nach Argumenten für ein Fortbestehen des Marine Corps, sein Ansinnen ist es, dass Marine Corps auf zukünftige Herausforderungen in Hinblick auf China neu aufzustellen.
Nun kann man sich sicher auf den Standpunkt zurückziehen, dass der große Krieg gegen China so eh nicht kommt und man sich lieber auf nachgeordnete Herausforderungen (für die das jetzige Corps zuufällig besser geeignet ist) konzentrieren sollte.

Das ist aber sicherheitspolitisch kein zulässiger Ansatz. Schließlich ist Sicherheitspolitik zuallererst Risikominimierung. Beginnend aber eben nicht beim vllt wahrscheinlichsten letztlich meistens bedeutungslosen Kleinklein sondern den größten, elementaren Bedrohungen der Nation. Und das ist im Falle der USA halt nun mal ein Krieg gegen China. Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik kann sich dem nicht entziehen.

Berger sieht das (richtigerweise) so und meint (argumentierbar fälschlicherweise) er müsse das Marine Corps nun auf diese Bedrohung hin ausrichten. Faktisch spart er ein paar Panzerkompanien ein und will IIRC mit drei Litoral Regimentern experimentieren und ein paar unterbewaffnete Schiffe kaufen die er nie genehmigt bekommen wird. Großes Drama um wenig Inhalt.

Der eigentliche strukturelle Fehler (für den Berger nichts kann) ist der fehlende Gesamtheitliche Ansatz in der Konfrontation mit China. Aktuell haben wir – bedingt durch die zu unabhängigen und im Congress zu einflussreichen Teilstreitkräfte gegenüber dem DoD – eine Situation in der jede Teilstreitkraft das Problem China auf ihre ganz spezielle Weise angehen will.

Was eigentlich nötig wäre eine Direktive auf der militärpolitischen Ebene des Generalstabes wie dem Problem China unter den Vorzeichen von Wirkung und Kriegsökonomie begegnet werden kann. Und das ist halt nicht, dass jede Teilstreitkraft vor dem Congress das durchzuboxen versucht was einen gerade besonders sinnvoll erscheint.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht würden wir da bei nicht viel mehr als 500 LRS-B Derivaten und 50.000 JASSM Variationen landen und die chinesische Bedrohung wäre im Wesentlichen eingetütet. Dann wären auch genügend Ressourcen für irgendwelche Proxyauseinandersetzungen vorhanden. Aber klar, in den bestehenden Strukturen eine leider völlig unmögliche Wunschvorstellung.

Insofern bleibt halt die Beschäftigung mit der Frage, ob Bergers Ideen in einem großen Krieg gegen China funktionieren können. Ich meine in teilen ja, in teilen nein. Die Idee Einheiten mit integrierten Seezielflugkörpern und robuster Luftabwehr auf Inseln zu verteilen wäre rein aus USMC Sicht so falsch nicht. Die Idee diese Kräfte irgendwie am besten noch innerhalb der chinesischen A2AD Bubble mit unterbewaffneten Schiffen mobil halten zu wollen halte ich für großen Käse. Kann das auch die Army? Natürlich. Machen sie es? Nein.

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Das von dir postulierte kontrazyklische Denken ist aus einem sehr einfachen Grund einzige Totgeburt: Du ignorierst die Politik. Und die ist für den Konkurrenzkampf der Teilstreitkräfte allein entscheidend, ja nichts ist wichtiger als zyklisches Denken! Man (Marine) muss mit der Zeit gehen, nichts ist wichtiger als der Finger am Puls der Sicherheitspolitik. Wenn du es verpasst dich entsprechend auszurichten gehst du im Gegenwind ganz schnell ins Hintertreffen.

COIN ist wichtig, COIN liegt brach, COIN soll Aufgabe des Marine Corps sein? COIN ist out! Politisch tot! Niemand hat Appetit, niemand hat den politischen Willen Infanterie in irgendwelchen sinnfreien Befriedungseinsätzen zu riskieren. Es ist dabei völlig gleich wie wichtig COIN / Hybride Kriegsführung oder welche Umschreibung dieses Spiels auch immer in Zukunft sein wird. Die USA haben keinen Bock drauf. Mit foreign wars gewinnst du politisch keinen Blumentopf. Das ganze Spiel hinsichtlich China ist deshalb so attraktiv weil man dem Rüstungskomplex weiterhin risikolos gigantische Summen dieseits und jenseits der Sinnhaftigkeit zuschieben kann.

Die Kunst des militärpolitischen Prozesses ist es nun dieses Spiel zu akzeptieren und das beste daraus zu machen. Freilich sollte es anders sein, die US-Politik sollte hier ehrlicher, realistischer und effizienter agieren. Aber das sind Faktoren die in einem bloßen Militärischen Kontext nicht beeinflusst werden können.
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United States Marine Corps - von Rob - 29.01.2005, 09:33
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United States Marine Corps - von Erich - 28.01.2007, 22:25
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US Marine Corps - von PKr - 27.11.2020, 23:09
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