(Zweiter Weltkrieg) Unternehmen Barbarossa
#54
(09.03.2023, 22:51)Rudi schrieb: Ich verstehe nicht wirklich, warum so eine Angst herrscht, den Angriff einen Präventivangriff zu nennen ? Müßte man dann die nat.-soz. Herrschaft anders bewerten, wenn wir uns nicht des Verbrechens eines Angriffkrieges schuldig gemacht hätten ?

Natürlich ist es sinnvoll, vorsichtig mit Interpretationen umzugehen wenn diese zu revanchistischen und revisionistischen Zwecken verwendet werden, aber deswegen zu unterstellen, dass diese hier aus Angst wider besseren Wissens umgeschrieben werden ist wirklich harter Tobak, ein polemisches Scheinargument ohne sachliche Relevanz.

Es liegt nicht an der Angst, sondern daran, dass die tatsächlichen Kriegsgründe von deutscher Seite sehr gut dokumentiert sind und diese rein gar nichts mit irgendwelchen (vermeintlichen) sowjetischen Angriffsabsichten zu tun hatten (egal, wie man diese nun bewertet), insofern also schlicht kein Präventivangriff vorlag.
Wobei ich inzwischen nicht mehr nachvollziehen kann, um was es in der Diskussion überhaupt geht? Denn mal versuchst du hier russische Angriffsabsichten für bereits Mitte 1941 darzulegen, während du gleichzeitig klar stellst, dass diese nicht ursächlich für den deutschen Angriff waren. Dann geht es wieder darum, dass der deutsche Angriff ein Präventivkrieg war, was nur Sinn ergibt wenn dieser eben doch eine Reaktion auf die vermeintlichen Angriffsabsichten der Sowjetunion darstellte.

Und nochmal zur Dislozierung der Maschinen:
Zitat:Zumal sie ja bereits am ersten Tag den größten Teil ihrer Luftwaffe (in den westlichen Militärbezirken) verloren haben. Nun stell Dir mal vor, die hätten 100-200km hinter der Grenze gestanden und wären nicht vernichtet worden, sondern hätten intensiv in die Kämpfe eingreifen können.

Ein großer Teil der sowjetischen Luftwaffe hat weiter entfernt als die von dir angegebenen bis zu 40 km von der Grenze gestanden:
Flugfeld Adamy, 60 km zur Grenze, etwa 80 Jagdflugzeuge durch die Luftwaffe angegriffen
Flugfeld Alma-Tamak, 300 km zur Grenze, über 100 Jagdflugzeuge durch die Luftwaffe aufgeklärt
Flugfeld Baranowitz, 210 km zur Grenze, 63 ein- und zweimotorige Flugzeuge durch die Luftwaffe aufgeklärt und angegriffen
Flugfelder Berditschew, 230 bis 250 km zur Grenze, 71 Flugzeuge durch die Luftwaffe aufgeklärt
Flugfeld Beresa-Kartuska, 105 km zur Grenze, 40 Jagdflugzeuge durch die Luftwaffe aufgeklärt
Flugfelder Bialystok, 65 bis 75 km zur Grenze, 31 Flugzeuge durch die Luftwaffe vermeintlich zerstört/beschädigt
Flugfeld Bohozany, 85 km zur Grenze, 50 bis 60 Flugzeuge durch die Luftwaffe angegriffen
Flugfelder Bobruisk, 400 km zur Grenze, über 50 Maschinen durch die Luftwaffe angegriffen
Flugfelder Borispol, 390 km zur Grenze, über 100 Maschinen durch die Luftwaffe angegriffen
Flugfelder Brody, 80 km zur Grenze, 30 bis 40 Maschinen durch die Luftwaffe vermeintlich zerstört
Flugfelder Buschow, 135 km zur Grenze, über 80 Jagdflugzeuge angegriffen

Ich bin einfach mal die Listen durchgegangen (wie man sieht, ich bitte auch die uneinheitlichen Namen zu entschuldigen, deutsche, englische und russische Quellen, da kann manches durcheinander kommen) und könnte noch sehr lange so weiter machen (wenn ich die Zeit hätte würde ich dir auch eine komplette Liste geben, habe ich aber leider nicht). Natürlich gab es auch die sehr grenznahe Dislozierungen, beispielsweise die Flugfelder zur Verteidigung von Brest-Litowsk, die teilweise nur 10 km von der Grenze entfernt lagen (und mit kurzatmigen Jagdflugzeugen belegt waren). Auch da könnte ich durchaus einige weitere Beispiele bringen.

Beschränkt man die Betrachtung nur auf die grenznahen Dislozierungen, kann sehr schnell ein falsches Bild erzeugt werden. Tatsächlich aber lagen mehr Kräfte in einem Streifen von 80 bis 300 km zur Grenze als in dem Streifen von 1 bis 40 km. Die Quellen zu den Angaben findest du im vorherigen Beitrag, dort gibt es dann auch die weiterführenden Einzelquellen aufgeschlüsselt.

Ergänzend:
Die technische Diskussion zu den Flugzeugtypen ist hier zwar schon angerissen, allerdings in meinen Augen unter falschen Vorzeichen geführt worden. Denn man muss die Flugleistungen der Maschinen immer im Kontext des jeweiligen Auftrags und der Dislozierung betrachten. Unter ökonomischen Flugbedingungen erzielte Maximalreichweiten sind dafür etwa ohne belang, vielmehr muss bei Kampfflugzeugen und insbesondere bei Jagdflugzeugen die Patrouillen- und Kampfausdauer bei einer bestimmten Entfernung zur Einsatzbasis berücksichtigt werden, sowie die Zeit bis zum Erreichen der Einsatzräume. Wenn man diese Informationen berücksichtigt wird klar, warum insbesondere die I-16 (als Beispiel weil es sich um den mit abstand stückzahlstärksten Jäger im Juni 1941 in den westlichen Bezirken handelte) häufig deutlich näher an der Grenze bzw. an potenziellen feindlichen Zielen stationiert werden musste, um effektiv wirken zu können. Folgerichtig lagen die geplanten Einsatzräume der Maschinen, die nicht in Grenznähe stationiert waren, woanders. Oder es handelte sich zur Rotation vorgehaltene Einheiten. Auch dies muss man bei der Bewertung, welche Angriffsabsichten vorgelegen haben könnten, berücksichtigt werden.
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