(Zweiter Weltkrieg) Unternehmen Barbarossa
#49
(08.03.2023, 17:40)Quintus Fabius schrieb: Rudi:


Und selbst wenn ich unmittelbar vor einem Angriffskrieg stehe stelle ich Flugzeuge mit einer so hohen Reichweite wie du sie hier anführst eben nicht in einen 40 km Streifen unmittelbar an der Grenze ! Auch für einen Angriffskrieg sollte man die Flugzeuge nicht so weit nach vorne stellen und selbst im Kalten Krieg hätten die Sowjets dies im Falle eines Angriffskrieges in Ostdeutschland nicht getan. Auch die Wehrmacht positionierte ihre Luftwaffe nicht (!) so, weder beim Angriff auf die Sowjetunion noch beim Angriff auf Frankreich.

Haben sie aber, da sind wir uns einig. Es gibt dafür nur einen logischen Grund. Man möchte als erster zuschlagen. Und das sah der Operationsplan ja auch vor. Man greift als erster in den Bereitstellungsraum an und baut dann den Erfolg aus.

Um die Flugplätze in Grenznähe aufzuklären, brauchten wir keine Höhenaufklärung.



(08.03.2023, 17:40)Quintus Fabius schrieb: Das ist eine Frage, die man nochmal völlig getrennt davon betrachten sollte. Durch die große Säuberung, der Tod immens vieler fähiger Offiziere, und durch militärische Inkompetenz verantwortlicher Stellen in der Sowjetunion waren wirklich viele Verbände der Roten Armee mehr potemkinsche Großkampfverbände als wirklich ernsthaft einsetzbare Truppen. Ob sie defensiv oder offensiv eingestellt waren lasse ich mal bewusst offen, denn das ist für die Frage der Einsatzbereitschaft völlig irrelevant. Man kann einer Potemkinschen Einheit genau so die Offensive wie die Defensive befehlen, sie ist zu beidem nicht fähig.

Dass die Sowjets von dem Angriff weitgehend überrascht wurden beweist sich meiner Meinung nach schon dadurch, dass sie bis zum Schluss weiter ihre offensive Aufstellung einnahmen und ihre Truppen in Grenznähe konzentrierten. Hätten sie von dem bevorstehenden Angriff gewusst, so hätte jede Logik geboten dies sofort zu stoppen und Verteidigungsvorbereitungen zu treffen. Du selbst hast ja hier schon mehrfach geschrieben, dass sogar bereits vorgenommene Verteidigungsmaßnahmen wie die Vorbereitung der Zerstörung von Infrastruktur zurück genommen wurden. Wie kannst du also zugleich annehmen, die Sowjets wären nicht überrascht gewesen? Ebenso zeigen die immensen deutschen Erfolge gleich zu Beginn des Krieges, dass die Überraschung geglückt war.

Ich würde es daher so formulieren: die Rote Armee war in noch festzulegenden Anteilen kampfunfähig, mehrheitlich unvorbereitet, sie wurde von dem Angriff überrascht. Alle diese Aspekte sind völlig unabhängig von der Frage einer offensiven oder defensiven Aufstellung oder Zielsetzung.

Wenn sie teilweise kampfunfähig, unvorbereitet und überrascht gewesen wäre, hätte es nicht den unerwartet harten Widerstand gegeben, der wiederum die Deutschen überrascht hat und bereits nach wenigen Stunden einsetzte.

"Am Nachmittag (des 22.6.) wurde der sowjetische Widerstand westlich von Wladimir-Wolynski an der Panzerstraße Nord jedoch härter und die Infanteriedivisionen des III. motorisierten Armeekorps kamen nicht mehr voran. Außerdem traten sowjetische Schützen- und Panzereinheiten zum Gegenangriff an und brachten die deutsche 298. Infanterie-Division in Bedrängnis. Die Panzerkräfte des III. motorisierten Armeekorps mussten daher von ihrem operativen Vorstoß nach Osten absehen und zunächst in die Abwehrkämpfe bei Wladimir-Wolynski eingreifen."

Einige Stunden nach Angriffsbeginn hatten die sowjetischen Verteidiger den Schock des deutschen Überfalls allerdings überwunden. Das Kriegstagebuch der 262. Infanterie-Division, die entlang der Panzerstraße Süd auf Rawa-Russkaja vordrang, vermerkte: „Der Feind hat sich an allen bisher von der Division erreichten Punkten gesetzt und leistet erbitterten Widerstand.“

"Am Nachmittag (des 22.6.) traten sowjetische Verbände nordwestlich von Rawa-Russkaja mit Panzerunterstützung zum Gegenstoß an und durchbrachen die Linien der 262. Infanterie-Division. Die deutschen Soldaten gerieten in Panik und wichen nach Norden zurück. Dadurch entstand eine breite Lücke zwischen der 262. und der benachbarten 24. Infanterie-Division, in die umgehend eine bislang in Reserve gehaltene Division eingeschoben werden musste.35 Zwar nutzte die Rote Armee diesen taktischen Erfolg nicht weiter aus, aber dem IV. Armeekorps gelang es an diesem Tag weder, Rawa-Russkaja einzunehmen, noch die Panzerstraße Süd zu öffnen."

"Bereits am Morgen des 23. Juni war klar, dass der erhoffte operative Ansatz der Heeresgruppe Süd gescheitert war. Es war nicht gelungen, die sowjetischen Grenzstellungen rasch zu durchbrechen und die Panzer zur Verfolgung des weichenden Gegners einzusetzen, bevor die Rote Armee ihre Kräfte in Grenznähe zu Gegenstößen konzentrieren konnte. Das Kriegstagebuch der 6. Armee hielt über ein Telefongespräch zwischen dem Armee-Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall Walter von Reichenau und dem Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Süd fest: „Der Feind stellt sich und wehrt sich überall mit Angriffen. Es muss daher jetzt zuerst die Grenzschlacht durchgefochten werden in der auch, wenn nötig, Panzerverbände eingesetzt werden müssen.“

"Am selben Tag trafen zum ersten Mal größere deutsche und sowjetische Panzertruppenteile aufeinander. Bei Radechow, einem Verkehrsknotenpunkt etwa 30 Kilometer östlich der deutsch-sowjetischen Grenze, traten Teile der sowjetischen 10. Panzer-Division zum Gegenangriff an und stießen auf die Angriffsspitze der deutschen 11. Panzer-Division (XXXXVIII. motorisiertes Armeekorps)."

Es kam dann zu der großen Panzerschlacht bei Dubno.

"Als die mechanisierten Korps der Roten Armee am 2. Juli ihre letzten Gegenangriffe bei Dubno abbrachen und sich befehlsgemäß nach Osten zurückzogen, hatte die Panzergruppe Kleist noch immer keine operative Bewegungsfreiheit erlangt."

"Die sowjetischen Gegenangriffe bei Dubno konnten den deutschen Vormarsch auch deshalb so lange verzögern, weil die Panzergruppe Kleist und die 6. Armee mit einer offenen Südflanke vorstoßen mussten. Das IV. Armeekorps der 17. Armee, der rechte Nachbar von Reichenaus Verbänden, lag noch tagelang vor Rawa-Russkaja fest. Bei den anderen Korps sah es zunächst günstiger aus. Das Kriegstagebuch der 17. Armee vermerkte am 24. Juni: „Angriff der Armee schreitet auf ganzer Front mit Ausnahme des äußersten linken Flügels trotz außerordentlich zäher Verteidigung und starker Gegenangriffe fort. Auch beim Gegner wird heldenmütig und mit Hingabe gekämpft.“

"Am 26. Juni führten die sowjetischen Kräfte westlich von Lemberg weitere Gegenangriffe durch und machten keine Anstalten, sich zurückzuziehen."

"Erst fünf Wochen später gelang es der Heeresgruppe Süd, bei Uman namhafte sowjetische Kräfte abzuschneiden. Bis die dortige Kesselschlacht endgültig beendet war, vergingen jedoch weitere zehn Tage."
Roman Töppel, „Auch beim Gegner wird heldenmütig und mit Hingabe gekämpft.“ Die Grenzschlacht im Südabschnitt der Ostfront, 22. Juni bis 2. Juli 1941, in: Portal Militärgeschichte, 21. Juni 2021

Also ganz so richtig paßt das nicht zu der Einschätzung: "...die Rote Armee war in noch festzulegenden Anteilen kampfunfähig, mehrheitlich unvorbereitet, sie wurde von dem Angriff überrascht.
...mehr potemkinsche Großkampfverbände als wirklich ernsthaft einsetzbare Truppen"

(08.03.2023, 17:40)Quintus Fabius schrieb: Schlussendlich ist das Bild welches sich mir bietet dieses:

Die Deutschen planten einen Angriffskrieg auf die Sowjetunion. Und zwar schon lange bevor die Sowjets ihrerseits irgendwelche Pläne für einen Krieg gegen das Deutsche Reich begannen.

Die Sowjets planten eventuell (wahrscheinlich?) einen Präventivkrieg gegen das Deutsche Reich in der Gewissheit, dass die Deutschen über kurz oder lang einen Angriffskrieg gegen sie führen werden.

"Bei aller Fragwürdigkeit der sowjetischen Politik im Vorfeld des deutschen Überfalls hat man in Moskau die Zeit sehr wohl genutzt, um sich auf eine militärische Auseinandersetzung mit Deutschland vorzubereiten. Dabei waren die sowjetischen Rüstungsausgaben im Übrigen schon in den dreißiger Jahren ebenso hoch wie die Deutschlands gewesen.18 Nun aber, seit dem Abschluss des Nichtangriffspaktes, lief die sowjetische Kriegsvorbereitung auf Hochtouren. So wurde der Arbeiterschaft im Interesse besserer Nutzung ihrer Arbeitskraft durch Gesetz vom 26. Juni 1940 das Recht auf Kündigung und auf freie Arbeitsplatzwahl genommen. Zudem wurden Disziplinverstöße unter harte Strafen gestellt, während zugleich die Arbeitszeit erheblich verlängert wurde. Am 19. Oktober 1940 wurden die Arbeitskräfte endgültig mobilisiert: sie durften nun auch gegen ihren Willen an andere Arbeitsplätze versetzt werden.19

Zugleich nahm die Personalstärke der Roten Armee in rasantem Tempo zu. Sie vervierfachte sich zwischen Januar 1937 und Januar 1941 von 1,1 Millionen auf 4,2 Millionen und erreichte im Juni 1941 fast 5,4 Millionen.20 Das gleiche gilt für die Rüstungsproduktion: Sie stieg allein 1940 gegenüber 1939 um ein Drittel.21 Dank dieser Anstrengungen verfügte die Rote Armee bei Kriegsbeginn über ein riesiges Waffenarsenal, darunter z. B. mehr Panzer als alle anderen Armeen der Welt zusammen.22 Diese Steigerung beruhte zum Teil auf dem Bau neuer, zu einem großen Teil aber auch auf der »Umprofilierung« bestehender Fabriken, die nun, wie die Traktorenwerke von Stalingrad und Čeljabinsk, statt Traktoren Panzer produzierten. Selbstverständlich waren unter diesen Panzern viele veraltet, aber inzwischen wurden fast nur noch die neuesten Typen produziert, die sich den deutschen bei Kriegsbeginn als überlegen erwiesen.

Die Artillerie- und Flugzeugproduktion wurde in ähnlicher Weise forciert. Insbesondere die vernachlässigte Herstellung von Kampf- und Bombenflugzeugen wurde seit Beginn des Krieges in Europa um nahezu jeden Preis erhöht: Nachdem 1939 die Errichtung von neun Flugzeug- und sieben Motorenwerken begonnen worden war, wurden 1940 noch einmal sieben Metall verarbeitende Betriebe auf die Herstellung von Flugzeugen »umprofiliert«. Das ergab eine Ausweitung der Produktionskapazität um 70 Prozent. Welche Bedeutung der Produktion dieser modernen Waffen beigemessen wurde, ergibt sich aus einer Direktive vom

16. November 1940, wonach die Fabriken ihre Produktionsziffern täglich an das ZK, d. h. an Stalin zu melden hatten. Zulieferer und Eisenbahn hatten sich ebenfalls dieser Prioritätensetzung zu unterwerfen. Der für seinen Verfolgungseifer aus den Jahren des Terrors 1937/38 berüchtigte Lev Mechlis hatte auf dem neu geschaffenen Posten eines Volkskommissars für Staatskontrolle die Einhaltung dieser Direktiven zu überwachen. Aufgrund dieser Maßnahmen explodierte die Produktion geradezu. Vom 1. Januar 1939 bis zum 22. Juni 1941 wurden fast 18 000 Flugzeuge an die Rote Armee ausgeliefert, davon 3 700 der neuesten Modelle, die ebenfalls den deutschen nicht nachstanden."

"Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die sowjetische Wirtschaft am Vorabend des 22. Juni 1941 eine »mobilisierte Wirtschaft«, eine »Kriegswirtschaft in Friedenszeiten« war, wie Jacques Sapir es genannt hat.26 Und selbst wenn nicht alle Ausrüstung dem neuesten Stand entsprach und die »Säuberungen« der Jahre 1937/38 das Offizierskorps der Roten Armee dezimiert und »enthauptet« hatten, so stellte diese bei Kriegsbeginn dennoch eine Streitmacht dar, die die Deutschen an sich nicht zu fürchten hatte."

"Auf »welchen Krieg« sich die Sowjetunion derart vorbereitete, ist seit dem Ende der Sowjetunion in Russland umstritten. Viktor Suvorov hat mit seiner These, dass Stalin einen Angriffskrieg gegen Deutschland geplant habe und Hitler ihm mit einem Präventivkrieg um wenige Wochen zuvorgekommen sei, heftige Kontroversen ausgelöst. Er hat keineswegs nur Widerspruch und Anfeindungen, sondern, anders als unter professionellen deutschen Historikern, auch viel Zustimmung gefunden. Die Zustimmung gilt allerdings lediglich den Stalin unterstellten Angriffsplänen, ..."

https://www.kommunismusgeschichte.de/art...sche-krieg
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