Türkei
(02.09.2020, 16:15)Ottoman Legacy schrieb:
(25.07.2016, 13:25)Yunno schrieb:
Zitat:Der amerikanische Außenminister John Kerry hat die Türkei indirekt vor einem Verlust ihrer Nato-Mitgliedschaft gewarnt,


Big Grin Big Grin Big Grin  Sorry aber das letzte was passieren wird, ist dass man die Türkei mit ihren 600k Soldaten aus der Nato wirft. Sei es weil man den türk. Partner als Vermittler im nahen Osten brauch bzw seine Stützpunkte oder aber weil der Verlust für die Nato einfach zu groß wäre.  Selbst wenn Erdogan jetzt in Syrien und Nordirak einfallen würde, würde nichts passiern. Das weiß Erdogan auch zugute.  Man sieht ja schon wie die EU als ganzen von ihm vorgeführt wird. An einen EU Beitritt hat sowieso niemand ernsthaft gedacht (zeigt schon alleine die Kapitelverhandlungen) und der Flüchtlingsdeal ist ein schönes Druckmittel.


Man wird die Türkei unter Erdogan alles durchgehen lassen bis es zu spät ist, und dann wird man sich fragen wie es denn dazu kommen konnte.

Es wird mit Erdogan nicht aufhören. Ein anderer wird ihn ersetzen und die Türken werden das Joch abstreifen mit denen sie die Kemalisten aufgebürdet hatten. Die Kemalisten sind am Ende und die Türkei wird sich in ein neues blühendes Reich verwandeln. Turkey first!

Man sollte immer vorsichtig sein wenn Leute von blühenden Landschaften sprechen.
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https://www.nzz.ch/meinung/die-eu-brauch...ld.1574119
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(02.09.2020, 22:53)lime schrieb:
(02.09.2020, 16:15)Ottoman Legacy schrieb:
(25.07.2016, 13:25)Yunno schrieb:
Zitat:Der amerikanische Außenminister John Kerry hat die Türkei indirekt vor einem Verlust ihrer Nato-Mitgliedschaft gewarnt,


Big Grin Big Grin Big Grin  Sorry aber das letzte was passieren wird, ist dass man die Türkei mit ihren 600k Soldaten aus der Nato wirft. Sei es weil man den türk. Partner als Vermittler im nahen Osten brauch bzw seine Stützpunkte oder aber weil der Verlust für die Nato einfach zu groß wäre.  Selbst wenn Erdogan jetzt in Syrien und Nordirak einfallen würde, würde nichts passiern. Das weiß Erdogan auch zugute.  Man sieht ja schon wie die EU als ganzen von ihm vorgeführt wird. An einen EU Beitritt hat sowieso niemand ernsthaft gedacht (zeigt schon alleine die Kapitelverhandlungen) und der Flüchtlingsdeal ist ein schönes Druckmittel.


Man wird die Türkei unter Erdogan alles durchgehen lassen bis es zu spät ist, und dann wird man sich fragen wie es denn dazu kommen konnte.

Es wird mit Erdogan nicht aufhören. Ein anderer wird ihn ersetzen und die Türken werden das Joch abstreifen mit denen sie die Kemalisten aufgebürdet hatten. Die Kemalisten sind am Ende und die Türkei wird sich in ein neues blühendes Reich verwandeln. Turkey first!

Man sollte immer vorsichtig sein wenn Leute von blühenden Landschaften sprechen.

Helmut Kohl war ein großer Deutscher der immerhin die Wiedervereinigung Deutschlands erreicht hat. Das ihm mit soviel Häme und Spott begegnet wird wirft ein fragwürdiges Licht auf die Deutschen selber.
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Hier muss ich in Teilen zustimmen. Man kann über Kohl viel schimpfen, angefangen bei seinem Finanzgebaren oder dem internen Umgang mit Parteimitgliedern, aber bei der Wiedervereinigung hat er das gemacht, was er machen musste. Nicht nur hat er französische und britische Bedenken über George Bush sr. erfolgreich ausgehebelt, nein, er hat auch - was recht unbekannt ist - z. B. Bedenken in Israel ausräumen können. Ministerpräsident Jitzchak Schamir hatte seinerzeit einen Brief an Kohl gesendet und vor einem neuen, wiedervereinten Deutschland gewarnt - Kohl hat diese Sorgen sehr diplomatisch negieren können.

Aber zurück zum Topic:

Ich verstehe nicht so ganz, warum vom Joch des Kemalismus gesprochen wird? Atatürk hatte seinerzeit nicht nur die moderne türkische Republik begründet, sondern schlicht die Türkei nach Sèvres gerettet - auch vor den Angriffen der Griechen - und sie dann in Lausanne 1923 neu begründet und in die Staatengemeinschaft integriert. Ohne ihn wären die Reste des zerfallenden Osmanischen Reiches 1918/19 sehr wahrscheinlich zerbrochen, von den Europäern (v. a. Italiener, Griechen und Franzosen, im Osten auch teils Armenier und Perser) kassiert und auf einen winzigen Rest in Anatolien zusammengedrängt worden. Dass dies nicht geschah, ist sein Verdienst.

Dass aus der Sicht eines ggf. konservativ denkenden und strenggläubigen AKP-Anhängers der laizistische Kurs von Atatürk sauer aufstößt, ist durchaus logisch, hat er doch das Land mit großer Härte in die Moderne geprügelt und mit überkommenen Traditionen des Sultanats und auch der Religion ein Ende gemacht, aber ich kann dennoch diese Selbstverleugnung vieler Türken nicht ganz verstehen. Hing früher - bis ca. vor zehn, zwölf Jahren - voller Stolz das Portrait des Gründers der Republik im Wohnzimmer vieler türkischer Familien, so sehen viele heute eher mit Verlegenheit auf das Bild oder hängen es gleich ab. Dabei gäbe es ohne Atatürk heute wohl keine AKP und keinen Erdogan, dennoch wird der aktuelle Herr am Bosporus von einem Teil der Bevölkerung hochgejubelt als wahrer Heilsbringer, wobei es keine Rolle spielt, dass er nur einen Bruchteil der Weitsicht eines Atatürk hat...

Schneemann.
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Erdogan punktet auf dem Land. Er hat Infrastruktur schaffen lassen, Straßen, Strom, Wasserversorgung etc...

Dafür wurde er von allen Bevölkerungsschichten und vielen verschiedenen Kulturen in der TR geschätzt, teils auch von den Kurden.

Von diesen wandte er sich ab und spielte die religiöse Karte. Und es ging abwärts. Die großen Städte sind trotz massivster Versuche zur Wahlfälschung verloren gegangen, die fortschrittliche Stadtbevölkerung kann mit Erdogan und der AKP lange nichts mehr anfangen.

Weil er nun auch wirtschaftlich vollversagt, gibt es keine ausl. Direktinvestitionen mehr und den Menschen geht es immer schlechter. Nur auf dem Land (religiös geprägt und tendenziell schlechter gebildet) erinnert man sich an seine guten Taten. Die meisten anderen finden den "Irren vom Bosporus" (Martin Sonneborn) längst nicht mehr toll.

Paradox ist dabei, dass die "deutschen" Expats, deren Vorfahren überwiegend aus ärmlichen Verhältnissen kamen und die nun auf alle Informationen zugreifen könnten, aus falsch verstandener Loyalität zu Erdogan stehen. Viele von denen scheinen im Mittelalter, bzw im Osmannischen Reich, konserviert zu sein.
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Was hier völlig außer Acht gelassen wird ist die demographische Komponente. Atatürk hat es nie geschafft die Moderne in den ländlichen Regionen zu manifestieren. Die streng islamisch geprägten Menschen dort haben über Jahrzehnte eine hohe Geburtenrate aufrecht erhalten, während diese vor allem in den modernen Teilen der Städte rapide absank. Es war also nur eine Frage der Zeit bis es zur "Konterrevolution" an der Wahlurne kommen musste. Und die nächsten Änderungen in der Türkei werden auch wieder demographisch bedingt sein, da in den letzten 20 Jahren die Kurden eine fast doppelt so hohe Geburtenrate hatten und haben wie die Türken. Um diesem entgegen zu wirken siedelt Erdogan Millionen arabische Syrer mit ebenfalls hohen Geburtenraten an, die mehrheitlich den Kurden ablehnend bis stark feindlich gesinnt gegenüber stehen.
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Mondgesicht:

Das tatsächlich Paradoxe daran ist meiner Meinung nach, dass die Neo-Osmanen unter den Türken nicht im Ansatz verstehen, was das osmanische Reich war, warum es erfolgreich war und warum es scheiterte. Die Osmanen waren nämlich ironischerweise genau so lange besonders erfolgreich, wie sie sich nicht um die ethnische Herkunft ihrer Eliten kümmerten und sich als ein Vielvölkerreich verstanden in dem alle Ethnien völlig gleich welcher Herkunft geeint unter dem Islam Teilhaben konnten. So waren die Türken hier als Ethnie nur eines von vielen Völkern des osmanischen Reiches und erst ab dem Moment in dem westliches nationalistisches Gedankengut eines Türken-Zuerst um sich griff begann das osmanische Reich niederzugehen und zu zerfallen.

Gerade das wahre "mittelalterliche" osmanische Reich wäre völlig konträr zu dem was heute die Türken darunter verstehen tatsächlich eine Lösung für die Türkei. Es war nämlich eben nicht nationalistisch ausgerichtet und Angehörige aller möglichen anderen Ethnien hatten darin mehr Gleichberechtigung als in vielen anderen Epochen der Geschichte, sowohl in der Verwaltung als auch im Militär als auch in der Wirtschaft / Kunst etc

In dem Moment in dem die Türken sich als Ethnie über die anderen Völker des osmanischen Reiches stellten und diese überall aus den entscheidenden Institutionen verdrängten begann dieses Reich niederzugehen.
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@ Quintus:

Ganz genau!!
Auf den Punkt. Ich meinte mit "mittelalterlich" auch eher rückwärtsgewandt aber unreflektiert.
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Den heutigen Osmanen geht es vermutlich auch mehr um die Ausdehnung des osmanischen Reiches als um seine innere Struktur. Und so gleichberechtigt war die Bevölkerung auch nicht. Schiiten, Alawiten usw. wurden damals schon stark benachteiligt.
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Mal abgesehen davon dass die Yeniceri als Elitetruppe und Sultansmacher des Reiches Aleviten waren kann ich natürlich dahin gehend zustimmen, dass mit dem Anspruch der Osmanen auf das Kalifat dass Sunnitentum Vorrecht hatte. Religion und Ethnie sind aber zwei verschiedene Dinge. Im osmanischen Reich galt die Religion vor der Ethnie und die Ethnie meist nichts. Ethnische Türken waren beispielsweise in keiner Weise bevorzugt, während Personen vom Balkan (Albanien, Serbien etc) die höchsten Positionen dominieren konnten, solange sie rechtgläubig waren.

Das führte beispielsweise zur Entstehung der heutigen muslimischen Bosnier, die im Endeffekt nichts anderes als Serben/Kroaten sind, welche unter osmanischer Herrschaft zum Islam übertraten.
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(14.09.2020, 20:44)Quintus Fabius schrieb: Mal abgesehen davon dass die Yeniceri als Elitetruppe und Sultansmacher des Reiches Aleviten waren kann ich natürlich dahin gehend zustimmen, dass mit dem Anspruch der Osmanen auf das Kalifat dass Sunnitentum Vorrecht hatte. Religion und Ethnie sind aber zwei verschiedene Dinge. Im osmanischen Reich galt die Religion vor der Ethnie und die Ethnie meist nichts. Ethnische Türken waren beispielsweise in keiner Weise bevorzugt, während Personen vom Balkan (Albanien, Serbien etc) die höchsten Positionen dominieren konnten, solange sie rechtgläubig waren.

Das führte beispielsweise zur Entstehung der heutigen muslimischen Bosnier, die im Endeffekt nichts anderes als Serben/Kroaten sind, welche unter osmanischer Herrschaft zum Islam übertraten.

Wie die Janitscharen endeten dürfte aber bekannt sein.
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Und das warum ist dir auch bekannt, oder? Sie wurden nicht wegen ihres abweichenden Glaubens wegen vernichtet. Tatsächlich wurden immer mehr und mehr ethnische Türken in die Yeniceri rekrutiert und damit änderte sich schon vor ihrem Ende auch ihr Glaubensbekenntnis, so dass sie zum Zeitpunkt ihrer Vernichtung größtenteils Sunniten waren.
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Apropos Osmanen und andere gegenwertige islamische Großmachtphantasien:

https://foreignpolicy.com/2020/09/05/ert...-pakistan/

Zitat:How Turkey’s Soft Power Conquered Pakistan

The TV drama “Ertugrul” reveals how neo-Ottoman fantasies are finding an enthusiastic audience in a country that struggles with Saudi and Western influence.

Zitat:Today, Turkish dizi—television dramas—are second only to American ones in terms of global distribution. Turkish is now the most watched foreign language in the world, beating out French, Spanish, and Mandarin. Ertugrul, which began filming in 2014, first became popular on Netflix and has since been licensed to 72 countries.

In der Türkei wurde die Strategie Südkoreas ab den späten 90ern durch Kultur-Export und Einflussnahme mittels Filmen, Serien, Musik, Essen, usw usf Einfluss in anderen Ländern zu gewinnen aufmerksam studiert. Die südkoreanische Strategie war recht erfolgreich, die türkische Kopie könnte dabei in der islamischen Welt, insbesondere in Zentralasien durchaus ebenfalls aufgehen.

Man beachte vor allem auch die Konnotation der Serie an sich: (Vernichtung aller Christen als Unterdrücker, islamische Weltherrschaft in einem heiligen islamischen Reich türkischer Nation)

https://www.youtube.com/watch?v=FfdXu9jZFKs
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Im Westen sind die meisten Politiker halt zu naiv um zu verstehen welche Lawine da ins Rollen kommt.
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Der Westen hat eine Potenzschwäche entwickelt. Die Folge anhaltenden Raubbaus am eigenen Körper (Entscheidungen, die ihn innenpolitisch und außenpolitisch schwächen).
Gänzliche Impotenz wartet am anderen Ende eines solchen Lebensstils (resp. politischen Gebarens).
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