(Luft) Boeing CH-47F Chinook // Schwerer Transporthubschrauber (STH) // CH-53-Nachfolger
(02.12.2020, 09:42)Quintus Fabius schrieb: Die Bundeswehr hat aber keine solchen Fahrzeuge und wird auch keine in dieser Gewichtsklasse beschaffen (voraussichtlich). Damit ist dieses mehr an möglicher Außenlast in Bezug auf Fahrzeuge sinnfrei. (...) Wir würden also mehr zahlen für ein mehr an Fähigkeit, welches wir gar nicht praktisch real benötigen und insbesondere nicht zum Transport von Fahrzeugen benötigen.

Die Argumentation ergibt keinen Sinn, weil sie sich auf eine maximale Einzelleistung ohne den kompletten Kontext bezieht. Wie groß die maximale Zuladung eines Hubschrauber ist spielt allenfalls bei der Montage von Industrieanlagen eine Rolle, für militärische Missionen ist die maximale Zuladung bei einer Reichweite von X km unter den Bedingungen (Höhe/Temperatur) Y wichtig. Die Mindestanforderung der Bundeswehr lautet dafür 8 Tonnen über 230 km Radius und 10 Tonnen Maximalleistung (ohne Angaben von Bedingungen), was so ziemlich den Leistungsdaten des von Boeing angebotenen CH-47F Block II ER entspricht (und von der Stange nicht erreicht wird, weil das hier ja immer wieder erwähnt wurde). Aufgrund seiner Leistung kann der CH-53K über die gleiche Distanz eine größere Last transportieren, im Umkehrschluss allerdings auch mit der gleichen Last eine signifikant größere Reichweite erzielen. Dies würde ich nicht als "sinnfrei" oder unnötig bezeichnen. Unter gleichen Last- und Reichweitenanforderungen hat der CH-53K logischerweise auch größere Reserven, bspw. was die Bedingungen High/Hot angeht, aber auch was die Systemredundanz betrifft.

Die Leistungssteigerung des CH-47F mit der neuen Block-II-Version folgt übrigens den Anforderungen an den Transport des JLTV, einem MRAP-Fahrzeug ähnlich dem deutschen Dingo. Einen einsatzfähigen Dingo 2 kann der CH-47F nicht transportieren, mit dem CH-53K ist das sogar über die geforderte Reichweite möglich.

Zitat:Nun kann der CH-53K auch ansonsten mehr heben, aber ich habe mir mal die Maße der Innenräume angesehen: diese sind real praktisch gesehen de facto gleich vom Volumen her. Das heißt: in einen CH-53K passt vom reinen Stauraum her praktisch nicht mehr rein als in einen CH-47F.

Bei Länge und Höhe stimmt das, der Laderaum der CH-53K ist allerdings breiter und laut Sikorsky breit genug, um den Fennek intern zu transporieren. Das ermöglicht nicht nur bessere Leistungsdaten, sondern auch eine höhere Agilität und verringerte Entdeckbarkeit.

Zitat:Dazu tritt noch der Fakt, dass es Unmengen von CH-47 Varianten gibt, in allen Herren Ländern und dass diese daher vom System her auch bei engen Verbündeten überall vorhanden sind - wir also deren Piloten und Maschinen einsetzen könnten und umgekehrt - und die sich aus den Möglichkeiten dieser Maschinen ergebenden Parameter dazu führen, dass überall mit gleichen Lasten, gleichen Fahrzeuggewichten usw gearbeitet wird.

Sicherlich ist bei der CH-47 deutlich mehr Evolution im Spiel, eine wie von dir dargestellte durchgängige Kommunalität und Kompatibilität gibt es aber nicht. Die CH-47F stellt diesbezüglich eine sehr deutliche Weiterentwicklung dar, die sich in vielen Punkten von den Vorgängern unterscheidet, bspw. durch ein neues Cockpit, was wiederum eine entsprechende Qualifikation der Piloten erforderlich macht. Ähnliches gilt auch bei den Leistungsdaten. Allerdings werden viele Chinook auf diesen gemeinsamen Stand umgerüstet, so dass in Zukunft ein höherer Grad ein Vereinheitlichung erwartet werden kann. Wobei auch dann die unterschiedlichen Nutzer noch unterschiedliche Subsysteme einsetzen werden, bspw. im Bereich Kommunikation und Navigation. Aber grundsätzlich ist das natürlich durchaus ein zu berücksichtigender Aspekt, der ja hier auch mehrfach gerade bei der Frage der Kooperation mit den Niederlanden angeklungen ist.

Zitat:Und dann wollen wir ja unbedingt alle möglichen eigenen Sachen verbauen und das ganze modifizieren.

Ich habe diesen Punkt hier im Thema bereits mehrfach angesprochen, es geht dabei um zwei Aspekte. Die Nutzung eigener Subsysteme, typisches Beispiel eine nationale Funkausstattung, gehört zu dem völlig normalen Umfang an Modifikationen für den Kunden und können bei beiden Mustern ähnlich einfach ein- bzw. umgerüstet werden. Es muss dann natürlich jeweils eine eigene Zertifizierung dafür geben, aber das ist nichts besonderes. Das gleiche gilt auch für missionsspezifische Aus- bzw. Einrüstungen, bspw. einer Windenanlage oder einer Rampgun. In diesen Punkten sollte es keinen großen Unterschied zwischen beiden Mustern geben. Relevanter ist da der zweite Aspekt, der Aufwand zum Erreichen der geforderten Leistungen und die tiefere Integration von Systemen. Ersteres ist vor allem beim Chinook notwendig, weil dieser in der Version CH-47F Block II nicht die notwendigen Fähigkeiten besitzt, insbesondere fehlt ihm die Reichweite. Letzteres ist ein generell kritischer Aspekt, wobei hier zwei Faktoren relevant werden: die Grundkonstruktion als Basis für mechanische Anpassungen, und die Systeminfrastruktur für die elektronischen Anpassungen. Was in welchem Umfang für die einzelnen Systeme (bsspw. Selbstschutz) vorteilhaft oder nachteilig ist bleibt Spekulation. Bisher bekannt geworden ist vor allem, dass der Hauptteil der höheren Kosten aus diesem zweiten Aspekt und den hier bereits erläuterten Servicevereinbarungen resultiert.

Zitat:Insgesamt wird der CH-47F daher billiger sein, und das Mehr an Leistung was sein Konkurrent hat kostet entsprechend auch mehr

Die Kostenprognosen für den CH-53K sind erstaunlich stabil, aktuell gibt es keinen Grund, hier größere Überraschungen anzunehmen. Die ursprünglich von Boeing mal für die CH-47F genannten Kostenvorteile resultieren zu einem großen Teil auf dem Grundmuster ohne jegliche Anpassungen, das wird seitdem von den Medien weitergeführt. Insofern ist die Preisdiskussion selbst müßig. Grundsätzlich wird der CH-53K pro Stück teurer sein als "unsere" Version des CH-47F, wie viel genau lässt sich heute allerdings nur recht ungenau schätzen.

Zitat:An dieser Stelle kommt immer das Argument der Zukunftsfähigkeit: und diese wird oft mit: mehr Leistung ist besser weil man in Zukunft ja mehr Leistung benötigen wird - gleichgesetzt.


Das Argument der Zukunftsfähigkeit bezieht sich primär auf zwei Aspekte: wie lang wird ein bestimmtes Muster noch vom Hersteller bzw. vom Hauptnutzer (und das ist in beiden Fällen die USA) gepflegt und genutzt? Sofern die USA da nicht noch einen Geldtopf für ein neues Schwerlastmodell im Rahmen des FVL finden dürfte der Zeitraum für beide Maschinen ähnlich ausfallen. Und wie einfach sind kleinere und größere Modifikationen in der Zukunft möglich? Dies ist der große Vorteil des CH-53K, der komplett um ein modularen, digitalen Bus entwickelt wurde und daher eine viel modernere und offenere Systeminfrastruktur bietet. Das klingt nach einem relativ banalem Punkt, es ist allerdings ein durchaus kritischer Aspekt, wie andere Programme (bspw. Eurofighter) deutlich zeigen. Es gab bereits Bestrebungen, entsprechende Modifikationen hin zu offeneren Schnittstellen auch für den Chinook zu schaffen (bspw. über die APAS-Lösung von BAe), was zumindest einen Teil der Nachteile kompensiert. Im Kern bleibt es aber eine ältere Generation, und die sich daraus ergebenen Nachteile werden in Zukunft noch anwachsen.
Reine Leistungsaspekte sind mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit sekundär, völlig von der Hand zu weisen sind sie aber nicht. Die Anpassungen bei unseren CH-53G haben gezeigt, wie schnell relativ plötzlich wahrgenommene Notwendigkeiten zu deutlichen Leistungseinbußen führen, weil die Konstruktion geringe oder keine Reserven aufweist; generell werden diese Reserven zurecht als sinnvoll betrachtet und gefordert. Die schlägt sich auch beim CH-47F nieder, die aktuell mit leistungsfähigeren Triebwerken erprobt wird um die generellen Leistungen zu erhöhen und auch zukünftige Modifikationen zu ermöglichen. Auch in dem Punkt ist allerdings der CH-53K im Vorteil.

Zitat:Laut Hersteller kostet eine Flugstunde eines CH-47F ungefähr 8800 Euro und laut Hersteller kostet eine Flugstunde eines CH-53K nicht weniger als 35.000 Euro. Die Wartungskosten liegen beim CH-47F pro Flugstunde bei ca. 3500 Euro, und beim CH-53K bei nicht weniger als ca 21.000 Euro. Rein persönlich gehe ich davon aus, dass alle diese Zahlen nicht stimmen und geschönt sind (buchhalterische Vorsicht). Und auch wenn die Diskrepanz nicht ganz so extrem sein sollte, so ist doch auch hier erneut eine gewisse Tendenz erkennbar, nämlich dass der CH-47F im Betrieb im weiteren gesichert günstiger sein wird.

Die Zahlen stimmen definitiv nicht, und die Diskrepanz zur Realität ist nicht nur nicht ganz so extrem, sondern sehr viel geringer. Das Problem bei solchen Zahlen ist grundsätzlich, auf welcher Basis sie erhoben werden und was sie alles genau beinhalten, deshalb werde ich hier keine konkreten Werte nennen, sondern nur ein paar relative Angaben untereinander auf gleicher Datenbasis machen. Unter gleichen Missionsparametern sind die Flugstundenkosten eines CH-53E mehr als doppelt so hoch wie jene der CH-47F, was neben den nötigen Aufrüstkosten der Hauptgrund für die Entwicklung des CH-53K war. Letzterer soll gegenüber der CH-53E um 40% reduzierte Kosten besitzen (das ist vom Hersteller garantiert und Zahlen aus der Erprobung lassen das plausibel erscheinen), das langfristige Ziel sind 40% der Kosten. Mit den garantierten Kosten wird der CH-53K unter gleichen Voraussetzungen um etwa 25% höhere Flugstundenkosten aufweisen, dieser Unterschied könnte sich noch weiter reduzieren. Insofern ist deine Schlussfolgerung durchaus gesichert, der CH-47F wird im Betrieb definitiv günstiger sein, wenn man die gleichen Missionsparameter voraus setzt.

Zitat:Zusammend fassend kann ich also sagen, dass (...)

... du dir den Chinook schön- bzw. den King Stallion schlechtredest. Wink

Letztlich ist die Zusammenfassung ganz einfach: der Chinook bietet als Vorteile die geringeren Betriebskosten im mittleren Lastbereich und innerhalb der geforderten Leistungskriterien sowie die weite Verwendung innerhalb Europas und bei engen Verbündeten (bspw. Niederlande), der King Stallion bietet als Vorteile einen größeren Leistungs- und damit auch Einsatzbereich (inklusive geringerer Kosten im Hochlastbereich) und das größere Zukunftspotenzial hinsichtlich der Systeminfrastruktur und bei den Reserven. Unerwähnt und vielleicht nur am Rande wichtig sind die Gesamtsystemvorteile bei Marineeinsätzen (aufgrund der Auslegung für das USMC).

Ich persönlich präferiere deshalb den CH-53K, es gibt aber wie erwähnt auch vernünftige Argumente für den CH-47F.

Der in meinen Augen wichtigste Punkt ist, dass beide Muster uns relativ kurzfristig die geforderten Leistungen zur Verfügung stellen würden, eine deutliche Erleichterung bei den Betriebskosten bei gleichzeitig höherer Leistungsfähigkeit darstellen würden, und deshalb eine schnelle Auftragsvergabe wichtig ist.
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