Armenien vs. Aserbaidschan
Die strategische Ebene entzieht sich gänzlich einer Bewertung, da der einzige Zugang ein wertloser ist: "offizielle Berichterstattung".
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hunter1:

Zitat:Warum Aserbaidschan überhaupt mitmacht, das verstehe wer will.

Noch mal abgesehen davon dass man beispielsweise durchgehend als friedens- und kompromissbereit dasteht und dadurch politischen Einfluss auf andere Mächte nehmen kann gibt es sogar viele einfache taktische Gründe für dieses Vorgehen: man kann die eroberten Stellungen befestigen und ausbauen, sich für Gegenangriffe wappnen, es ist hervorragend für die eigene Logistik während eines solchen Waffenstillstandes die Versorgung mit den entsprechenden Verbrauchsmitteln nach vorne zu betreiben, zudem können Verwundete evakuiert werden usw usw usf

Kurz und einfach: ständige Waffenstillstände sind militärisch immens nützlich und helfen im Kampf, gerade deshalb sind sie heute ein Mittel der Kriegsführung.

Allgemein:

Nach russischen (und anderen noch weniger neutralen) Quellen ist die Rolle der Türkei in diesem Krieg noch deutlich größer als ohnehin schon angenommen:

https://www.kommersant.ru/doc/4537733

https://greekcitytimes.com/2020/10/18/tu...y-artsakh/

Zitat:According to the report, citing military and diplomatic sources, Azerbaijan’s invasion attempt was “deliberately planned and provoked by Turkey.”

According to these sources, in recent months, Ankara has actively pushed Baku to launch hostilities, promising “comprehensive political, diplomatic, intelligence and military-technical support,” the newspaper reported.

According to the Russian newspaper, with the completion of joint Turkish-Azerbaijani military exercises in July and August, a significant Turkish force remained on the territory of Azerbaijan and reportedly took on the role of coordinating Azerbaijan’s invasion of Artsakh.

Trotz der Quelle meiner Einschätzung nach absolut glaubhaft. Ohne solche türkische Beihilfe im Hintergrund hätte die Azeris den Krieg nicht so ohne weiteres begonnen.
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Zitat:Noch mal abgesehen davon dass man beispielsweise durchgehend als friedens- und kompromissbereit dasteht und dadurch politischen Einfluss auf andere Mächte nehmen kann gibt es sogar viele einfache taktische Gründe für dieses Vorgehen: man kann die eroberten Stellungen befestigen und ausbauen, sich für Gegenangriffe wappnen, es ist hervorragend für die eigene Logistik während eines solchen Waffenstillstandes die Versorgung mit den entsprechenden Verbrauchsmitteln nach vorne zu betreiben, zudem können Verwundete evakuiert werden usw usw usf
Alles klar, aber das Momentum ist ohnehin auf der Seite Aserbaidschans, die Armenier haben keine Chance (man schaue sich einfach mal ein paar Drohnenvideos an) und wenn man eine Pause einlegt, kann der Gegner eben auch verschnaufen. Deswegen macht der Waffenstillstand für die Aseris im Moment eigentlich gar keinen Sinn. Beim ersten Mal dachte ich noch, dass die Überlegenheit vielleicht doch nicht so gross sei und dass der Vormarsch nicht wie geplant laufe. In Zwischenzeit sieht es aber so aus, als könnten die Aseris tun und lassen, was sie wollen, ohne dass Armenien effektive Gegenwehr leisten kann. Der zweite Waffenstillstand macht also nur für Armenien Sinn.
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In diesem konkreten Konflikt sind zugängliche Informationen äußerst spärlich. Das heißt nicht, daß man zu keinen Beobachtungen kommen kann, die zu ersten Schlußfolgerungen führen. Der blinde Fleck ist gegenwärtig die Strategie. Und strategisch ist der Wille zuerst zu identifizieren, da er Interessen vorgelagert ist. Soviel kann man jetzt mit "freiem Auge" sehen: Aserbaidschan versucht keinen schnellen Vorstoß in die Tiefe, sondern einen raupenartigen Ansatz in größter Breite. Armenien geht ganz offensichtlich von einem langen Konflikt aus und ist zuerst an Kampfkrafterhaltung interessiert.

Alle Maßnahmen in einem militärischen Konflikt haben den höchsten Zweck, dem Gegner den eigenen Willen aufzuzwingen (vermittels Gewalt) und ihm damit zwangsläufig
dessen eigenen Willen zu verwehren (wiederum vermittels Gewalt). Der Wille im militärischen Sinn ist nun aber nicht ein banales Gewinnen-Wollen oder dererlei.

Auch wenn es sich nicht so darstellt bzw. nie so dargestellt wird: Ein militärisch geführter Krieg ist von Doktrin und Wille beherrscht. Doktrin ist der konkrete Anteil daran. Der Wille im militärischen Sinne ist abstrakt aber super-dominant:

Der Wille als die zentrale Idee jedes Konflikts - eine fundierte Darstellung in diesem eben erst veröffentlichten Artikel:

https://thestrategybridge.org/the-bridge...flict-will
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hunter1:

Auch wenn die Überlegenheit sehr groß ist, so unterschätzt du meiner Meinung nach vielleicht die Schwierigkeiten die selbst ein erheblich überlegener Gegner in diesem Gelände in einer Offensive gegen einen seit Jahren sich darauf vorbereitenden Feind hat. Dass die Azeris bedacht und vorsichtig vorgehen spricht eher für sie - ebenso die Pausen im Kampfgeschehen.

Eine Offensive in diesem Gelände wird nicht durch ein paar Drohneneinschläge entschieden, oder dass man dem Gegner die mobilen mechanisierten Reserven wegschießt, sondern so etwas ist in der Realität sehr viel schwieriger als auch ich es mir noch vor wenigen Jahren so ausgemalt habe. Und es ist sehr verlustreich - und Verluste minimieren und vorsichtig und geschickt den Gegner abnutzen eine sinnvolle Vorgehensweise. Die Zeit spielt hier ganz klar für die Azeris, sie haben die viel größeren Reserven und schon jetzt erkennbar die längere Ausdauer.

Daher gilt es vor allem zu verhindern dass Armenien zu viel Unterstützung aus anderen Ländern bekommt und die würde es eher bekommen wenn man den Bergkarabach blitzkriegartig größtenteils überrennen würde - wenn das überhaupt möglich wäre ! Das ist immens risikoreich, die eigenen Verluste können in sehr kurzer Zeit untragbar hoch werden und dann rollt vielleicht doch ausländische Unterstützung herbei und das Blatt wendet sich.

Stattdessen Stückchenweise den Gegner vorsichtig abzunutzen ist unter jedem Aspekt für die Azeris einfach nur sinnvoll. Es vermindert deren Risiko, es vermindert deren Verluste, es vermindert Unterstützung für Armenien, es ermöglicht es risikofrei zumindest einen Teilgewinn in jedem Fall einzustreichen und verhindert einen plötzlichen Umschwung im Krieg, es mindert Fritkionen aller Art und erleichtert vor allem erheblich die Logistik. Und die Frage der Logistik ist für den Angreifer in diesem Gelände wesentlich problematisccher als für den Verteidiger.

Kurz und einfach: meiner Ansicht nach zeugt das von einem vergleichsweise intelligenten Vorgehen der Azeris. Langsam ist hier Klug und Klug ist hier Schnell.
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@Quintus Fabius
Alles, was Du beschrieben hast, lässt sich ohne Waffenstillstand machen. Logistik ist beim langsamen Vorrücken nicht so problematisch, da die Nachschubwege nur langsam verlängert werden. Wie gesagt, ein Waffenstillstand bringt hier nur dem Gegner etwas, weil er Ruhe kriegt um sich wieder zu ordnen.

Und die unangreifbare, präzise Luftwaffe, hier in Form von Drohnen, hat tatsächlich einen signifikanten Anteil am aserbaidschanischen Erfolg. Man hat damit ein Mittel, nonstop ohne Gefährdung anzugreifen. Auch deswegen ist ein Waffenstillstand unsinnig.
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Die "notwendige und hinreichende Bedingung" ist mit taktischen Erfolgen und so etwas wie Abschußraten explizit "nicht erfüllt". Ohne textliche Verkürzung hat @Quintus Fabius ja auf die mitlaufenden strategischen Faktoren hingewiesen:

Zitat:Stattdessen Stückchenweise den Gegner vorsichtig abzunutzen ist unter jedem Aspekt für die Azeris einfach nur sinnvoll. Es vermindert deren Risiko, es vermindert deren Verluste, es vermindert Unterstützung für Armenien, es ermöglicht es risikofrei zumindest einen Teilgewinn in jedem Fall einzustreichen und verhindert einen plötzlichen Umschwung im Krieg ...

Und so:

Zitat:Noch mal abgesehen davon dass man beispielsweise durchgehend als friedens- und kompromissbereit dasteht und dadurch politischen Einfluss auf andere Mächte nehmen kann gibt es sogar viele einfache taktische Gründe für dieses Vorgehen ...

Kein Konflikt wird militärisch beendet, sondern politisch. Militärische Erfolge müssen politisch erst gehalten werden können. Beide Staaten bestehen nicht für sich und der größte Faktor ist/wird der Bystander-Effekt!
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Werter hunter1:

Noch vor wenigen Jahren hätte ich genau das gleiche geschrieben wie du hier. Es wäre auch meine Ansicht gewesen, dass es hier keinen Grund für Zwischenstopps und Unterbrechungen der Offensive gibt, ganz im Gegenteil solche Unterbrechungen die Offensive sogar gefährden und in einer möglichst aggressiven, extrem schnellen und allumfassenden offensive à outrance ein begrenzter Krieg in einem kurzen Zeitraum siegreich zu Ende gebracht werden kann.

Nun hat sich meine Ansicht dazu durch allerlei praktische Erfahrungen welche ich machen musste in den letzten Jahren sehr verändert. Es ist zwar rein theoretisch alles richtig was du vorbringst, die Realität aber ist immens schwierig, selbst auf der bloßen taktischen Ebene. Dieser gewaltige Unterschied zwischen theoretischen Überlegungen und dem Realgeschehen war mir selbst früher auch nicht klar, obwohl die praktischen Beispiele auch schon vor Jahren offen zu tage lagen. Beispielsweise haben die Israelis im Libanonkrieg schon 2006 logistische Probleme gehabt, und man bedenke da mal den Unterschied in der Überlegenheit, welcher noch viel extremer war, die geringe Größe des Kampfgebietes damals und was für Waffen den Israelis im Vergleich zu Azerbeidschan schon damals zur Verfügung standen.

Natürlich hast du recht dass so ein Waffenstillstand ebenso auch dem Gegner etwas bringen kann, aber du unterschätzt meiner Meinung nach die Größe der Probleme real vor Ort für einen Angreifer. Und die Drohnenwaffe ist nicht unbegrenzt verfügbar und muss für entscheidende Momente aufgespart werden. Wenn man die Drohnen non-stop einsetzt so verbraucht sich diese begrenzte Ressource zu schnell und/oder zu weitgehend und steht dann vielleicht in Schlüsselmomenten nicht mehr / oder noch nicht wieder ausreichend zur Verfüigung.

Im übrigen haben auch die Armenier jede Menge Drohnen und werden die Verluste welche die Azeris durch diese erleiden nicht ausreichend thematisiert. Selbst der Pseudo-Staat Berg-Karabach produziert eigene Drohnen, und hat diese beispielsweise vergleichsweise hektisch und in großem Umfang verballert, während die Azeris ihre Drohnenangriffe anscheinend deutlich besser koordiniert, zielführender und effektiver einsetzen.

Non-Stop Angriffe gleich mit welchem Waffensystem können selbst dann falsch sein, wenn sie (zumindest für eine gewisse Zeit) möglich sind. Das kann sogar den gegnerischen Wiederstand stärken. Totalirismus in der Kriegsführung war auch für mich das Ding, aber im Laufe der Zeit habe ich die Ansicht gewonnen, dass man dem Gegner beispielsweise Möglichkeiten zur Flucht einräumen muss, dass psychologische Faktoren besser wirken wenn man keine totalitären militärischen Ziele und Vorgehensweisen verfolgt und dass der Gegner sich viel eher ergibt, seine Kampfmoral viel eher schwindet wenn man die richtige Mischung aus Druck und weniger Druck einsetzt.

In der heutigen Zeit ist ein solches psychologisch geschicktes Vorgehen irgendwie im Rahmen der angestrebten totalen Vernichtung von Terroristen (Frei tötbaren Feinden / Barbaren) verloren gegangen. Dadurch zwingt man dem Gegner den Fanatismus regelrecht auf. Das Blut des Gegners zu sparen kann auch auf der taktischen Ebene wiederum eigenes Blut sparen und schlußendlich das eigentliche Ziel erreichbarer machen. In einem Non-Stop Krieg hat der Feind gar keine Zeit etwas anderes zu tun als bis zum äußersten zu kämpfen.
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(20.10.2020, 22:10)Quintus Fabius schrieb: Werter hunter1:

Noch vor wenigen Jahren hätte ich genau das gleiche geschrieben wie du hier. Es wäre auch meine Ansicht gewesen, dass es hier keinen Grund für Zwischenstopps und Unterbrechungen der Offensive gibt, ganz im Gegenteil solche Unterbrechungen die Offensive sogar gefährden und in einer möglichst aggressiven, extrem schnellen und allumfassenden offensive à outrance ein begrenzter Krieg in einem kurzen Zeitraum siegreich zu Ende gebracht werden kann.

Nun hat sich meine Ansicht dazu durch allerlei praktische Erfahrungen welche ich machen musste in den letzten Jahren sehr verändert. Es ist zwar rein theoretisch alles richtig was du vorbringst, die Realität aber ist immens schwierig, selbst auf der bloßen taktischen Ebene. Dieser gewaltige Unterschied zwischen theoretischen Überlegungen und dem Realgeschehen war mir selbst früher auch nicht klar, obwohl die praktischen Beispiele auch schon vor Jahren offen zu tage lagen. Beispielsweise haben die Israelis im Libanonkrieg schon 2006 logistische Probleme gehabt, und man bedenke da mal den Unterschied in der Überlegenheit, welcher noch viel extremer war, die geringe Größe des Kampfgebietes damals und was für Waffen den Israelis im Vergleich zu Azerbeidschan schon damals zur Verfügung standen.

Natürlich hast du recht dass so ein Waffenstillstand ebenso auch dem Gegner etwas bringen kann, aber du unterschätzt meiner Meinung nach die Größe der Probleme real vor Ort für einen Angreifer. Und die Drohnenwaffe ist nicht unbegrenzt verfügbar und muss für entscheidende Momente aufgespart werden. Wenn man die Drohnen non-stop einsetzt so verbraucht sich diese begrenzte Ressource zu schnell und/oder zu weitgehend und steht dann vielleicht in Schlüsselmomenten nicht mehr / oder noch nicht wieder ausreichend zur Verfüigung.

Im übrigen haben auch die Armenier jede Menge Drohnen und werden die Verluste welche die Azeris durch diese erleiden nicht ausreichend thematisiert. Selbst der Pseudo-Staat Berg-Karabach produziert eigene Drohnen, und hat diese beispielsweise vergleichsweise hektisch und in großem Umfang verballert, während die Azeris ihre Drohnenangriffe anscheinend deutlich besser koordiniert, zielführender und effektiver einsetzen.

Non-Stop Angriffe gleich mit welchem Waffensystem können selbst dann falsch sein, wenn sie (zumindest für eine gewisse Zeit) möglich sind. Das kann sogar den gegnerischen Wiederstand stärken. Totalirismus in der Kriegsführung war auch für mich das Ding, aber im Laufe der Zeit habe ich die Ansicht gewonnen, dass man dem Gegner beispielsweise Möglichkeiten zur Flucht einräumen muss, dass psychologische Faktoren besser wirken wenn man keine totalitären militärischen Ziele und Vorgehensweisen verfolgt und dass der Gegner sich viel eher ergibt, seine Kampfmoral viel eher schwindet wenn man die richtige Mischung aus Druck und weniger Druck einsetzt.

In der heutigen Zeit ist ein solches psychologisch geschicktes Vorgehen irgendwie im Rahmen der angestrebten totalen Vernichtung von Terroristen (Frei tötbaren Feinden / Barbaren) verloren gegangen. Dadurch zwingt man dem Gegner den Fanatismus regelrecht auf. Das Blut des Gegners zu sparen kann auch auf der taktischen Ebene wiederum eigenes Blut sparen und schlußendlich das eigentliche Ziel erreichbarer machen. In einem Non-Stop Krieg hat der Feind gar keine Zeit etwas anderes zu tun als bis zum äußersten zu kämpfen.

Nachdem Rußland in Syrien eingriffen hatte und sicher auch beratend der syrischen Armee zur Verfügung stand hatte sich das Blatt dort relativ schnell gewendet. Auch dort wurde ähnlich taktiert und ein Fleckchen und eine Rebellengruppe nach der anderen ausgeschaltet. Zwischendurch immer wieder Waffenstillstände und die Möglichkeit offen gelassen zu Flucht und Rückzug. So konnte die syrische Armee und mit ihr verbündete Milizen sehr viel Kraft und Material sparen. Die wenigsten Orte wurden wirklich im echten Häuserkampf erobert, denn meist zog der Gegner nach Umzingelung freiwillig ab.
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Ein Feind ohne Ausweg kämpft bis zum letzten Blutstropfen.

Sun Tzu warnt dezidiert davor:
„Schneide einem fliehenden Feind nie den Weg ab.“
„Wenn du eine feindliche Armee umzingelt hast, lass ihr auf jeden Fall einen Ausweg offen.“
„Dränge einen Feind nie zum Äußersten.“


Den Moralschub "kein Ausweg" darf mein Feind tunlichst nicht von mir erhalten.
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@Quintus
Zitat:Nun hat sich meine Ansicht dazu durch allerlei praktische Erfahrungen welche ich machen musste in den letzten Jahren sehr verändert.
In welchem Krieg warst Du?

Zitat:Beispielsweise haben die Israelis im Libanonkrieg schon 2006 logistische Probleme gehabt, und man bedenke da mal den Unterschied in der Überlegenheit, welcher noch viel extremer war, die geringe Größe des Kampfgebietes damals und was für Waffen den Israelis im Vergleich zu Azerbeidschan schon damals zur Verfügung standen.
Es ist hier aber eine andere Ausgangslage. Im Libanon hat Israel reagiert, in NKB hat Aserbaidschan agiert, mit entsprechender Vorbereitung. Das Kampfgebiet ist in NKB übrigens auch nicht sehr gross, wir reden hier von 4400 km2.
Kurzum: Logistik muss in diesem Kontext möglich sein, ohne Waffenstillstand.

Zitat: Und die Drohnenwaffe ist nicht unbegrenzt verfügbar und muss für entscheidende Momente aufgespart werden. Wenn man die Drohnen non-stop einsetzt so verbraucht sich diese begrenzte Ressource zu schnell und/oder zu weitgehend und steht dann vielleicht in Schlüsselmomenten nicht mehr / oder noch nicht wieder ausreichend zur Verfüigung.
Gerade hier muss ich widersprechen: Im vorliegenden Fall steht die Drohnenwaffe umfassend und unangetastet zur Verfügung, es gibt haufenweise Bilder zu Treffern auf Fahrzeuge, Stellungen und Gräben.

Allerdings: "Unangetastet" stimmt inzwischen nicht mehr, gestern wurde die erste Bayraktar TB2 über NKB abgeschossen. Jedenfalls behauptet Artsakh/Armenien den Abschuss, es kann natürlich auch eine andere Ursache für das Herunterfallen der Drohne geben. Falls es sich um einen Abschuss handelt, wäre das ein enormer Erfolg für die Armenier. Denn wenn die Drohnen angreifbar werden, dann gebe ich Dir mit Deiner Analyse recht. Aserbaidschan würde damit seine schlagkräftigste Waffe verlieren und der Vorteil ginge möglicherweise auf den Verteidiger über. Dann wären auch Waffenstillstände zur Reorganisation keine schlechte Idee.

Zitat:Im übrigen haben auch die Armenier jede Menge Drohnen und werden die Verluste welche die Azeris durch diese erleiden nicht ausreichend thematisiert.
Hier habe ich eine Informationslücke. Die von mir benutzten Daten von Lost Armour zeigen ein deutliches Übergewicht bei den armenischen Verlusten:
https://lostarmour.info/karabakh/
(Für die Moderation: Es handelt sich um eine ukrainische (?) Seite auf kyrillisch. Falls nicht i.O. bitte sagen, dann entferne ich den Link).
Verluste an Soldaten werden hier nicht genannt und die Datenbank ist natürlich unvollständig. Mich würde aber schon interessieren, wieviele Drohnen der Armenier/Artsakhen verloren gingen. Und vor allem, was für welche. Artsakh produziert angeblich eine Loitering Munition, interessant wäre aber auf armenischer Seite so etwas wie die Bayraktar TB2 oder sonst ein bewaffnetes Muster.

Zitat:Non-Stop Angriffe gleich mit welchem Waffensystem können selbst dann falsch sein, wenn sie (zumindest für eine gewisse Zeit) möglich sind. Das kann sogar den gegnerischen Wiederstand stärken. Totalirismus in der Kriegsführung war auch für mich das Ding, aber im Laufe der Zeit habe ich die Ansicht gewonnen, dass man dem Gegner beispielsweise Möglichkeiten zur Flucht einräumen muss, dass psychologische Faktoren besser wirken wenn man keine totalitären militärischen Ziele und Vorgehensweisen verfolgt und dass der Gegner sich viel eher ergibt, seine Kampfmoral viel eher schwindet wenn man die richtige Mischung aus Druck und weniger Druck einsetzt.
Sicher richtig, im vorliegenden Fall kommt das aber etwas zu spät. Man hat den Armeniern 30 Jahre lang Zeit gegeben, um sich aus NKB zurückzuziehen. Beim ersten Waffenstillstand wurde das nochmals angeboten. Ich denke, für Kriegspsychologie ist momentan kein Platz da. Die Armenier kämpfen ohnehin fürs Überleben.

@lime:
Zitat:Nachdem Rußland in Syrien eingriffen hatte und sicher auch beratend der syrischen Armee zur Verfügung stand hatte sich das Blatt dort relativ schnell gewendet. Auch dort wurde ähnlich taktiert und ein Fleckchen und eine Rebellengruppe nach der anderen ausgeschaltet. Zwischendurch immer wieder Waffenstillstände und die Möglichkeit offen gelassen zu Flucht und Rückzug. So konnte die syrische Armee und mit ihr verbündete Milizen sehr viel Kraft und Material sparen. Die wenigsten Orte wurden wirklich im echten Häuserkampf erobert, denn meist zog der Gegner nach Umzingelung freiwillig ab.
Der Syrienkrieg ist aber ein ganz anderer als dieser hier. In NKB kämpfen zwei ungefähr gleich bewaffnete Armeen frontal gegeneinander und das in einem sehr begrenzten Gebiet (symmetrischer Krieg). In Syrien gab es eine Vielzahl von Fraktionen mit unterschiedlichen Motiven, Gemengelage mit Zivilisten, Überläufer/Deserteuren und ungleicher Verteilung der Waffensysteme (asyemmetrischer Krieg aus allen Richtungen). Insofern ist der Vergleich schwierig.
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Tagesaktuell und hochinteressant über die "Möglichkeit" russischen Eingreifens:

https://m.lenta.ru/news/2020/10/22/zatul...okQN35vxBQ

PS: Translator nötig.
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3 wesentliche Details über den Drohneneinsatz, die ich gerade aus Armenien erfahren habe:

¹ Aserbaidschanische Drohnen haben Probleme Objekte im Schatten zu erkennen. Sie sind bei sonnigem Wetter mit wenig und kontraststärkerem Schatten gefährlicher.

² Der Klang heranfliegender aserbaidschanischer Drohnen ist 1.5 bis 2 Sekunden vorher zu hören. Sie sind inmitten des Gefechtslärms gefährlicher.

³ Mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt nach der ersten Drohne eine weitere ins selbe Zielareal. Dieses Muster könnte zu einer höheren Verlustquote für diese zweite "erwartete" Welle führen.
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Werter hunter1:

Im Libanonkrieg war Israel in der Offensive (ungeachtet der Gründe für diese Offensive), war der Angreifer und folgte einem schon Monate vorher ausgearbeiteten Plan für einen Angriff auf die Stellungen der Hisbollah im Süd-Libanon. Die Israelis waren diejenigen welche agierten, die Hisbollah schon mit Kriegsbeginn vollständig in der Defensive. Wesentlich vollständiger als es die Armenier hier und heute sind.

Man sollte meiner Meinung nach auch das Gelände beachten. Wenn man die bisherigen Geländegewinne der Azeris nach deren eigenen Angaben betrachtet, liegen die vor allem im Süden am Fluss dort entlang und damit in flacherem Gebiet. Wesentliche Gewinne in das gebirgige Zentralgebiet wurden noch nicht erzielt. Das Gelände das sie bisher eingenommen haben ist für die logistische Versorgung deutlich besser geeignet, da es dort viele mögliche Routen und Ausweichrouten gibt. Sobald man in bergigeres Terrain vordringt wird die Sache noch schwieriger.

Zitat:Gerade hier muss ich widersprechen: Im vorliegenden Fall steht die Drohnenwaffe umfassend und unangetastet zur Verfügung, es gibt haufenweise Bilder zu Treffern auf Fahrzeuge, Stellungen und Gräben.

Vielleicht ist das Kriegsbild auch etwas verzerrt weil Drohnen halt dem Zeitgeist entsprechen und daher ihre miltärische Leistung mehr als die anderer Systeme hervor gehoben wird, dazu treten dann noch die Drohnen-Kamera-Aufnahmen die es bei anderen Systemen so ja nicht gibt.

Die Azeris haben auch mit vielen anderen Systemen eine Menge armenische Waffen zerstört und hohe Verluste verursacht. Die Verengung der Wahrnehmung auf die Drohnen ist vielleicht ohnehin falsch.

Interessant ist hier die Frage wieviele dieser Drohnen die Türkei den Azeris überhaupt zur Verfügung stellt. Hier und heute hat die Türkei ca. 100 dieser Drohnen einsatzbereit. Allein in Libyen wurden schon ca. 20 dieser türkischen Drohnen abgeschossen und die Türkei wird sicher nicht ihre gesamte Drohnen-Flotte einsetzen sondern allenfalls einen Bruchteil derselben.

Im Prinzip führen die Drohnen halt einfache taktische Luftangriffe aus und wie in jedem Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg hat dies erhebliche militärische Auswirkungen. Es wäre das gleiche wenn entsprechend Schlachtflugzeuge oder Kampfhubschrauber eingesetzt werden würden. Die Drohnen ermöglichen halt lediglich eine quantiativ größere Menge an Einsätzen dieser Art (taktisches Bombardement).

Interessant finde ich auf den vielen Videos dazu, dass die Armenier oft erstaunlich gedrängt zusammen stehen und dann von den Drohnen getroffen werden. Das Wechselspiel von Waffenwirkung, räumlicher Zerstreuung und Verteidigung in der Tiefe und der daraus resultierenden niedrigen Geschwindigkeit des Vordringens ist in dem folgenden Buch recht gut beschrieben:

https://www.amazon.de/Military-Power-Exp...511&sr=8-8

Zitat:Logistik muss in diesem Kontext möglich sein, ohne Waffenstillstand.

Möglich sicher, aber warum es sich unnötig schwer machen? Und warum es sich gerade bei einem Kampf gegen einen Gegner der sich seit Jahren eingegraben und darauf vorbereitet hat in einem gebirgigen Gelände damit unnötig schwer machen?

gestern wurde die erste Bayraktar TB2 über NKB abgeschossen. .....Falls es sich um einen Abschuss handelt, wäre das ein enormer Erfolg für die Armenier. Denn wenn die Drohnen angreifbar werden, dann gebe ich Dir mit Deiner Analyse recht. Aserbaidschan würde damit seine schlagkräftigste Waffe verlieren und der Vorteil ginge möglicherweise auf den Verteidiger über.

Die wurde abgeschossen, aber deshalb muss meine Analyse trotzdem nicht richtig sein. Den dass diese Drohnen angreifbar sind zeigte schon Libyen wo ca. 20 Drohnen dieses Typs von Haftars Truppen abgeschossen wurden und trotzdem war die Wirkung dieser Drohnen auf seine Streitkräfte erheblich.

In einem Krieg werden wenn die Verhältnisse nicht extremst assymetrisch sind schlicht und einfach alle vorhandenen Waffensysteme mehr oder weniger abgenutzt und auch abgeschossen. Es ist eher überrasschend für mich dass die Armenier bisher so wenig dieser Drohnen abgeschossen haben und das zeigt meiner Meinung nach auf dass die (türkischen?) Operatoren dieser Drohnen aus Libyen viel gelernt haben. Beispielsweise halten die Drohnen sich sehr von armenischer Luftabwehr fern und greifen erst dann SHORAD Systeme der Armenier an wenn andere Waffen der Azeris die Luftabwehr der Armenier in einem Gebiet ausreichend niedergehalten haben.

Zitat:Hier habe ich eine Informationslücke. Die von mir benutzten Daten von Lost Armour zeigen ein deutliches Übergewicht bei den armenischen Verlusten:

Da die Azeris keinerlei Angaben zu ihren Verlusten machen und die Angaben beider Seiten zu Verlusten der Gegenseite höchst unglaubwürdig sind, kann man da nur eine Informationslücke haben. Beim Kriegsmaterial haben die Armenier meiner Einschätzung nach sicher die höheren Verluste, dass heißt aber bei dem Terrain dort nicht viel. Im Prinzip ist die Lage so unklar, dass man auch den aktuell ständig umgeschriebenen Wiki Artikel dazu studieren kann:

https://en.wikipedia.org/wiki/Casualties...h_conflict

Zitat:Mich würde aber schon interessieren, wieviele Drohnen der Armenier/Artsakhen verloren gingen. Und vor allem, was für welche. Artsakh produziert angeblich eine Loitering Munition, interessant wäre aber auf armenischer Seite so etwas wie die Bayraktar TB2 oder sonst ein bewaffnetes Muster.

Da gibt es die HREESH Drohnen, welche im Prinzip Loitering Munition sind, die wurden laut russischen Quellen recht viel eingesetzt. Dann die Drohnen-Gruppe der BEEP U©AV, welche teilweise auch Hardpoints haben, und die S-1 Aufklärungsdrohnen welche Ziele für die Artillerie aufklären. Dann gibt es eine Drohnenfamilie von Aufklärungs-Drohnen die KRUNK genannt wird, sowie die Aufklärungs-Drohne X55.

https://www.lragir.am/en/2018/04/02/38085

Es gibt auch noch mehrere andere Drohnenmuster für welche ich noch keine näheren Informationen gefunden habe.

https://armenpress.am/eng/news/1015819.html

Zitat:Ich denke, für Kriegspsychologie ist momentan kein Platz da. Die Armenier kämpfen ohnehin fürs Überleben.

Auf azerischen Regierungsseiten und ebenso auch in anderen Nachrichten wurde mehrfach berichtet, wie armenische Bataillone geflohen sind bzw. sich zurück gezogen haben. In jedem Krieg ist meiner Meinung nach "Kriegspsychologie" ein sehr wertvoller Bestandteil, selbst in einem Kampf in welchem die Niederlage extremste Auswirkungen auf den Verlierer hat.

Sollte das bisherige Vorgehen der Azeris tatsächlich absichtlich / intentional so erfolgt sein, wäre das meiner Meinung nach ein Zeichen dafür dass die Azeris hier wirklich sehr geschickt und klug agieren.

Man muss ja auch bedenken, dass das ganze Gebiet primär von Armeniern besiedelt ist und ein "Blitzkrieg" der zur vollständigen Besetzung des Gebietes führt dann viele armenische Zivilisten unter die Oberhoheit der Azeris bringen würde. Das hätte dann Guerilla-Aktionen, Terrorismus und eventuell die faktische Unbeherrschbarkeit des Gebietes zur Folge während eine dann erfolgende ethnische Säuberung international Aserbeidschan ächten würde und entsprechende negative (wirtschaftliche) Konsequenzen hätte.

Ein langsamer stückweiser Krieg könnte hingegen zur Vertreibung eines Gros der armenischen Zivilisten aufgrund der Kriegshandlungen führen und damit zur für Aserbeidschan notwendigen Entvölkerung der Region ohne die beschriebenen Probleme.
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Wurde hier zwar schon mal vernetzt aber nochmal zur Frage der Drohnen-Kriegsführung:

https://www.rferl.org/a/drone-wars-in-na...85007.html

https://jam-news.net/shot-down-azerbaija...-vehicles/

https://magazine.zenith.me/en/politics/m...h-conflict

https://armenianweekly.com/2020/10/20/ar...er-region/

Zitat:Armenian military officials also unveiled wreckage from two separate Turkish-manufactured Bayraktar TB2 Unmanned Combat Aerial Vehicles (UCAVs) which had been shot down along with at least four other Israeli drones over the previous day.

Zitat:The advanced Turkish UCAVs pressed their advantage in altitude and range to inflict significant damage on Armenian air defenses and armor in the early days of the fighting. On Tuesday, Armenia’s MoD revealed that it had shot down “at least a dozen” Bayraktars, but those two were the first to be recovered in Armenian-held territory. One analyst suggested that the Armenian army had become better at targeting more technically complex drones.

Wie schon geschrieben ist aber vielleicht die Perspektive falsch und man nimmt die militärische Leistung der Drohnen zu stark wahr im Vergleich zur Leistung anderer Systeme - vor allem auch weil die Medien und die Drohnenkameras selbst diese Form der Kriegsführung optisch in den Vordergrund stellen.

Drohnen werden halt auch einfach mal abgeschossen, dass ist genau genommen weder neu noch verwunderlich. Schon 2016 und 2017 haben Armenier und Azeris sich gegenseitig Drohnen herunter geholt:

https://armenian.usc.edu/karabakh-comman...challenge/
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