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(27.09.2025, 17:46)Quintus Fabius schrieb: warum die Bezeichnung Anomalie? Worin sollen diese Systeme eine Anomalie darstellen? Die Anomalie ist nicht die Systeme selbst oder deren Auftauchen, sondern der kurzzeitige, vorübergehende Effekt, den sie haben bzw. zunehmend hatten. Es passiert halt nur selten -wenn auch wiederholt- in der militärischen Historie, dass ein System einen derart erheblichem Einfluss auf die Kriegsführung ausübt, dass weite Teile der bisherigen Verfahren komplett in Frage gestellt werden müssen.
Um nochmal die Analogie des Maschinengewehrs zu bemühen: Dessen Auftauchen machte die Infanterie quasi obsolet, weil sie sich nicht mehr aus der Deckung begeben konnten. Im Nachhinein hat man dafür Lösungen gefunden und anderthalb Jahrhunderte später gibt es immer noch Infanterie.
Und so wird es auch mit Drohnen jetzt laufen. Mit ihrem ersten massiven Auftreten haben sie die gesamte Landkriegsführung, so wie sie bisher betrieben wurde, in Frage gestellt. Und zwar abrupt, weil der Ukrainekrieg dieses System in Massen zum Vorschein brachte. Beim MG trat dieser Effekt im 1.WK ein. Beide Systeme gab es schon vor dem jeweiligen Krieg, aber das massive Auftreten in einem großen Kriegsgeschehen verursachte eben eine Anomalie, in der Form, dass eine einzelne Neuerung vorübergehend massive Auswirkungen hat und grundlegende Änderungen in der Kriegsführung bewirkt.
Die vorübergehende Anomalie ist also nicht die Drohne, sondern der ungewöhnlich starke Veränderungsimpuls, den sie bewirkt.
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Der Effekt ist weder kurzfristig noch vorübergehend. Und gerade die FPV Drohnen haben bisherige Verfahren eben nicht komplett in Frage gestellt, dass sind ganz andere Drohnen welche diesen Efffekt erzielen.
Die (FPV) Drohnen haben meiner Meinung nach die Landkriegsführung wie man sie bisher betrieben hat zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Und Kriege führen eigentlich immer zu starken Veränderungsimpulsen. Worin also soll die Neuigkeit bestehen? Ob jetzt Hellebarden und Piken, oder Musketen, oder MG, oder Panzer, oder Atomwaffen, oder halt jetzt Drohnen. Alles ist fliessend und immer das gleiche. Krieg ist eben nie gleichförmig, er ist immer durch sehr starke Veränderungsimpulse geprägt. Ohne Ausnahme.
Starke Veränderungsimpulse sind das wesentliche Merkmal des Krieges, genau deshalb tun sich Militärs so schwer den Krieg der Zukunft zu führen, sondern sie konzentrieren sich darauf den Krieg von gestern zu perfektionieren. Das betrifft natürlich auch die Drohnenkriegsführung. Trotzdem werden die strategischen Effekt nicht einfach verschwinden. Denn sie werden durch die blosse Existenz dieser Systeme hervor gerufen, diese müssen dafür gar nicht mal erfolgreich sein im Sinne, dass sie tatsächlich etwas vernichten.
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@Quintus:
Quasi nichts von dem, was du hier argumentativ anführst ist konträr zu meinem Standpunkt, vieles hat nicht einmal etwas direkt damit zu tun. Ich habe den Begriff der Anomalie immer im unmittelbaren Kontext mit einer bestimmten Kategorie von Drohne genutzt, und mich dabei immer auf die (vor allem) mediale Überhöhung der disruptive Wirkung bezogen. Streng genommen bestätigst du mit jeder einzelnen Aussage nur, mir scheint, es gefallen dir nur die Begriffe nicht, die ich dafür verwende.
Broensen hat im wesentlichen erfasst, was ich zu beschreiben versucht habe (wobei ich hier zwischen Aufkommen, medialer Betrachtung und dem dabei geforderten Veränderungsimpuls nicht unterscheide).
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Wird es vielleicht auch bloß als Anomalie wahrgenommen weil man sich jahrelang dem immer größer werdendem Auftreten verweigert hat auf der Seite der NATO ? Die fpv Drohne wird doch auch bei uns schon seit 15-20 Jahren eingesetzt . Aber halt nur als reines aufklärungsmittel und in so geringer Dosis das es fast nicht wahrnehmbar war.
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Fundstückchen:
Zitat:Derweil heißt es in den Spitzen der Truppe oft, die Bedeutung der Drohnen für die moderne Kriegsführung werde überschätzt. Käme es zu einem bewaffneten Konflikt mit Russland, ginge es darum, mit Kampfjets und Bombern Lufthoheit zu erlangen, und mit der Lufthoheit würde man die Produktionsstätten der Drohnen ausschalten. Mit dieser Haltung hat man lange zugeschaut, wie Russland im Wettbewerb mit der Ukraine in immer rascheren Zyklen hochmoderne Drohnen entwickelte.
https://www.zeit.de/2025/43/sicherheitsp...d-78027068
Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.
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https://www.defensenews.com/land/2025/09...se-drones/
Hekseth gibt Gas, netter Ansatz Drohnen in die Gruppe zu bekommen. Gib ihnen verschiedene Systeme einfach in die Hand, lass sie experimentieren und sagen was gut was schlecht daran ist und lass die Industrie darauf hin dann das bessere System liefern.
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und wie sieht's aus, wenn ein Noob dies versucht?
[Video: https://youtu.be/mORdXxZ2uKU?si=RAw2RG6hVAoUv_Nj]
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Ein möglicher Anhaltspunkt zur Effizienz von Drohnen:
Im Juli bezifferte der ukrainische Generalstab die Zahl der im Juni durch die Drohnentruppe (nun eigene Teilstreitkraft) getöteten russischen Soldaten auf 2.548. ( Quelle)
Setzen wir einfach mal voraus, dass die Zahl stimmt. Falls sie nicht stimmt, wird sie jedenfalls eher über- als untertrieben sein.
Anfang Oktober wurde durch "Ich will leben" eine Tabelle veröffentlicht, die die Verlustmeldungen der Russen an das Gruppenkommando in Rostow für die Monate Januar bis September zeigen soll. Sie soll von Sympathisanten auf russischer Seite stammen. "Ich will leben" ist eine ukrainische Quango, daher ist der Leak mit Vorsicht zu genießen, aber: "Ich will leben" hat damals auch die Zahlen der Wagner-Verluste in der Schlacht um Bachmut leaken können, und die wurden später von Prigoschin selbst bestätigt. Es ist also zumindest möglich, dass die Angaben wahr sind. Diesen Leaks ( 1, 2) zufolge belaufen sich die russischen Verluste in den ersten drei Quartalen auf 281.550, davon 86.744 Gefallene, 33.966 Vermisste, 2.311 Gefangene und 158.529 in medizinischer Behandlung (die meisten im Sektor Lyman-Pokrowsk, die wenigsten im Sektor Cherson).
Das ergäbe monatlich rechnerisch 9.638 Gefallene. Setzen wir auch voraus, dass diese Zahlen erstens zutreffen und dass zweitens im Juni so viele russische Verluste wirklich zustande kamen (da Durchschnittswert, es könnten also durchaus weniger oder auch mehr gewesen sein).
Demnach wären im Juni 26,44% der russischen Gefallenen auf Drohnen zurückzuführen gewesen. Im Vergleich zu früheren großen Landkriegen lägen Drohnen dann im Bereich zwischen Schusswaffen (meist 15-25%) und Artillerie (bis zu 80% der Verluste).
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Wobei man betonen muss, dass sich dies auf die getöten Soldaten bezieht. Betrachtet man stattdessen Fahrzeuge und Ausrüstung, verschiebt es sich drastisch zugunsten der Drohnen.
Reine leichte Infanterie ist heute hingegen für Drohnen immer schwerer zu greifen, wenn sie Erfahrung im Umgang mit diesen hat.
Die Zahl der Getöteten ist aber nicht ansatzweise ausreichend um die Effizienz beurteilen zu können. Diese reicht ja von psychologischen und verlangsamenden Effekten bis dahin, dass Drohnen, gerade FPV Drohnen mehr verletzen als töten im Vergleich zu beispielsweise Artillerie und dies den Schaden im Vergleich zu einem Toten noch erhöht etc.
Trotzdem muss insgesamt festhalten, dass Drohnen vor allem als Anti-Fahrzeug und Anti-Material System erfolgreich sind, und gegen dezidierte leichte Infanterie oder eingegrabene Infanterie noch nicht so erfolgreich sind wie Artillerie.
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Fachbeitrag bei Hartpunkt: Mythen der Drohnenkriegsführung
Auszüge (wegen Urheberrecht) Zitat:Der tägliche Einsatz von Drohnen in allen Dimensionen hat die Drohnenkriegsführung in den vergangenen dreieinhalb Jahren des Ukraine-Kriegs in den Mittelpunkt militärischer Diskussionen gerückt. Da ein Großteil der Diskutierenden die eigenen Eindrücke der Drohnenkriegsführung aus Videos gewinnt, die täglich hundertfach in den sozialen Netzwerken geteilt werden, hat sich jedoch auch eine gewisse Verzerrung in der Wahrnehmung der tatsächlichen Rolle von Drohnen eingeschlichen. Das Grundproblem eines Erkenntnisgewinns, der sich hauptsächlich auf solche Videos stützt, ist, dass diese nur eine Schlüssellochperspektive der täglichen Kriegsführung in der Ukraine präsentieren.
Auch wenn russische und ukrainische Streitkräfte jährlich mehrere Millionen Drohnen unterschiedlicher Bauart und Bestimmung mehr oder weniger erfolgreich im Kampf einsetzen, landen mehrheitlich nur Videos im Netz, die erfolgreiche Einsätze zeigen. Die Gefahr ist hier recht groß, dass dann auf Basis dieser einzelnen Videos falsche Rückschlüsse hinsichtlich der Gesamtheit der Drohnenkriegsführung gezogen werden. In diesem Zusammenhang sind in manchen Kreisen Mythen der Drohnenkriegsführung entstanden, die es auszuräumen gilt, weil diese immer wieder auch durch politische Entscheidungsträger ungeprüft übernommen werden.
Zitat:Glaubt man den im Internet frei zugänglichen Videos, kann schnell der Eindruck gewonnen werden, dass Drohnen allmächtige Waffensysteme darstellen, die aufgrund technologischer Überlegenheit in Kombination mit einem günstigen Preis Gefechte ganz alleine für sich entscheiden können. Die Realität ist jedoch eine ganz andere: Drohnen sind mittlerweile zu einem mächtigen und unverzichtbaren Instrument des militärischen Truppenführers geworden, sie machen andere Waffensysteme jedoch nicht obsolet, sondern entwickeln ihr volles Potenzial erst in Kombination mit klassischer Waffentechnik. Zudem hat der Einsatz der Drohnentechnologie auch seine Grenzen.
Zitat:Die Drohnenkriegsführung der letzten Jahre hat mehrere technologische Sprünge durchlebt, die die Leistungsfähigkeit von Drohnen im Gefecht signifikant verbessert haben. In der aktuellen Phase des Ukraine-Krieges sollen Drohnen auf beiden Seiten für rund 70 bis 80 Prozent der menschlichen und materiellen Verluste verantwortlich sein. Erfahrene Beobachter der Kriegsgeschehnisse weisen jedoch darauf hin, dass diese Zahlen in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise der jeweiligen Kriegsführung zusammenhängen. Die aktuell oftmals dominierende Sickertaktik, bei der nur einzelne Trupps oder Fahrzeuge angreifen, favorisiert den Drohneneinsatz gegenüber der Flächenwirkung der Artillerie. In den Fällen, wo die Angriffe durch größere Gruppierungen vorgetragen wurden, war die Feuerunterstützung der Artillerie für die Abwehrerfolge ausschlaggebend. Dies erklärt auch, warum beispielsweise ukrainische Kommandeure Berichten zufolge bis heute insbesondere gelenkte Artillerie und Panzerabwehrlenkflugkörper gegenüber FPV-Drohnen favorisieren.
Unabhängig von den taktikspezifischen Leistungsgrenzen der Drohnenkriegsführung bleiben Wetter, Infrastruktur, Bewuchs und Tageszeit die begrenzenden Hauptfaktoren für die Wirksamkeit des Drohneneinsatzes.
Zitat:Künstliche Intelligenz (KI) macht Drohnen zu günstigen und autonomen „Killerinstrumenten“, gegen die man sich nicht oder nur schwer schützen kann, weil sie sich in einem breiten und tiefen Gefechtsabschnitt gleich in ganzen Schwärmen auf Ziele stürzen. So oder so ähnlich kann man das Bild in einem Satz subsumieren, das in vielen Köpfen herumgeistert, wenn bereits an die heutige Drohnenkriegsführung gedacht wird. Die Realität ist jedoch differenzierter, denn fast keine Aussage des Satzes trifft so in der Gänze zu.
Tatsächlich ist es so, dass mittlerweile sehr viel Künstliche Intelligenz – oder zumindest etwas, was im allgemeinen Sprachgebrauch als KI bezeichnet wird – selbst bei der Nutzung vergleichsweise kostengünstiger Systeme zum Einsatz kommt. Die genutzte KI-Technologie ist jedoch weit davon entfernt, die Systeme „intelligent“ oder autonom werden zu lassen. Vielmehr sind die KI-Applikationen mit Assistenzsystemen zu vergleichen, wie man sie beispielsweise aus modernen Fahrzeugen kennt.
Zitat:Es wird zwar an Technologien gearbeitet, die es zukünftig ermöglichen sollen, dass ein Bediener mehrere unterschiedliche Drohnen parallel mittels Erteilung von Aufträgen steuern kann, in den breiten und vollumfänglichen Fronteinsatz haben es diese Systeme bis dato jedoch aus unterschiedlichsten Gründen nicht geschafft. Systeme, die in der Lage sind, komplexe Missionen gänzlich ohne menschliche Kontrolle genauso gut zu erfüllen, wie es erfahrene Drohnen-Piloten können, sind heute nur in wenigen Stückzahlen vorhanden. Es kann gut sein, dass solche Drohnen in Zukunft das Gefechtsfeld entsprechend prägen können. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass solche wirklich autonomen Systeme aufgrund der benötigten Autonomie-Kits signifikant teurer sein werden, als dies aktuell der Fall ist.
Zitat:In diesem Zusammenhang ist wichtig, mit einem weiteren Mythos aufzuräumen, wonach die Drohnenkriegsführung den Personaleinsatz in den Streitkräften reduziert. Zumindest angesichts des aktuellen technologischen Entwicklungszustandes ist es für die Ukraine oder Russland ganz und gar nicht der Fall. Ein Drohnenteam – das nur eine Drohne, egal ob für den Angriff oder die Abwehr, gleichzeitig einsetzen kann – besteht oftmals aus mehreren Personen. Neben dem Piloten, wird oftmals ein Co-Pilot benötigt, der bei der Navigation unterstützt, dazu ein Techniker, der den Umgang mit der Munition übernimmt, sowie Personal für die Sicherung. Es hilft in vielen Fällen auch wenig, wenn einzelne der Aufgaben in Personalunion übernommen werden können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Drohnenteams die jeweiligen Einsatzräume nicht gänzlich motorisiert erreichen können. Die letzten Kilometer müssen, damit die Teams nicht durch den Feind aufgeklärt werden, zumeist zu Fuß zurückgelegt werden. Die Drohnenteams müssen hier dann eine Vielzahl von Drohnen, der dazugehörigen Munition sowie weiterer Ausrüstung mit eigener Kraft mitführen, alleine dafür sind mehrere Personen notwendig, wenn der Einsatz durchhaltefähig gestaltet werden soll und ständige Bewegungen zur Nachversorgung vermieden werden sollen. […] Gegenwärtig ist es so, dass der Personalbedarf mit zunehmender Drohnenkriegsführung nicht abnimmt, sondern eher zunimmt. Aus der Ukraine wird von einzelnen Gefechtsabschnitten berichtet, an denen teilweise mehr Personal für den Drohneneinsatz tätig ist als Infanteristen vor Ort sind. Interessant ist zudem, dass körperliche Fitness und kognitive Belastung für den Drohneneinsatz aktueller Ausprägung einen ähnlichen Stellenwert einnehmen, wie für den infanteristischen Kampf.
Zitat:[…] Schwarmfähigkeit stellt einen weiteren Mythos dar. Dieser technologische Entwicklungssprung wird seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer wieder als der nächste große Wurf der Drohnenkriegsführung angepriesen, der in Kürze einsatzfähig sein soll. Dieses Versprechen wurde jedoch bis heute nicht eingelöst. Unter echter Schwarmfähigkeit im Zusammenhang mit der Drohnenkriegsführung versteht man in den Streitkräften deutlich mehr als nur den Formationsflug, bei dem eine größere Zahl von Drohnen gemeinsam den gleichen Weg abfliegt und gemeinsam ein Ziel angreift. […] Was sich auf den ersten Blick nach Science-Fiction anhört, wird in der Tat gerade durch unterschiedliche Unternehmen entwickelt. Einige Teilaspekte der Schwarmfähigkeit sind bereits sehr weit fortgeschritten und operationalisiert. Wann diese Funktionalität in Gänze so verfügbar sein wird, dass sie den Herausforderungen des Gefechtsfeldes (unklare Lage, Störmaßnahmen, feindliche Gegenmaßnahmen, …) zuverlässig gewachsen ist, steht in den Sternen.
Zitat:Nachdem die Aspekte der Intelligenz, Autonomie und Schwarmfähigkeit besprochen wurden, werden nun die Punkte Preis-Leistungsverhältnis und Abwehrfähigkeit diskutiert.
Wirkdrohnen – insbesondere FPV-Drohnen, die nur wenige hundert US-Dollar kosten – gelten allgemein als besonders günstige Wirkmittel. Gleichwohl ist auch diese These so nicht voll zutreffend. Die FPV-Drohne an sich mag zwar günstig sein, die „Unzuverlässigkeit“ dieser Wirkmittel wird bei solchen Rechnungen nur selten oder gar nicht eingepreist.
Unterschiedliche Berichte aus der Ukraine und Russland deuten darauf hin, dass aufgrund der umfänglichen Störmaßnahmen und der generellen Problematik eines möglichen Kommunikationsabrisses im Endanflug nur ein Teil der gestarteten FPV-Drohnen überhaupt das geplante Ziel erreicht. Je nach Bericht und Können der Piloten spricht man davon, dass im Durchschnitt nur 30 bis 40 Prozent das Ziel treffen. Zum Vergleich: Bei ausgebildeten Panzervernichtungstrupps geht man von einer Trefferquote von rund 90 Prozent aus, mit dem Nebeneffekt, dass ein Treffer fast immer mit einem Totalausfall des Panzers endet.
Rechnet man die angesprochene Trefferquote mit ein, wäre der effektive durchschnittliche Stückpreis der FPV-Drohnen rund drei bis vier Mal höher. Hier ist jedoch noch nicht berücksichtigt, dass je nach Zielkategorie mehrere FPV-Drohnen für die Zielvernichtung notwendig sind. Insbesondere für Kampfpanzer, die mit zusätzlichem passivem Schutz modifiziert wurden, müssen zumeist von mehreren Kampfdrohnen getroffen werden, bis diese immobilisiert oder zerstört werden. So berichtet beispielsweise der Kriegsforscher Rob Lee, ehemaliger Offizier des U.S. Marine Corps und Senior Fellow beim Foreign Policy Research Institute’s Eurasia Program, der mehrmals im Jahr Front-Forschungsreisen in der Ukraine durchführt, in einer Ende Oktober erschienen Folge des Podcasts China Talk von einer Begebenheit, in der zwei besonders gut gegen Drohnen geschützte Kampfpanzer von insgesamt 60 FPV-Drohnen getroffen wurden. Während einer der Kampfpanzer zerstört werden konnte, ist der zweite nur aufgrund eines Getriebeschadens ausgefallen.
Zitat:Schlussendlich bleibt noch der Mythos, dass man sich vor Drohnen kaum oder nur schwer schützen kann. Als Begründung für die Behauptung wird oftmals das Argument ins Feld geführt, dass Drohnen so günstig seien und daher praktisch jegliche Abwehrmaßnahme übersättigen können. Häufig wird dabei auch auf die sogenannte Todeszone verwiesen, einen rund 40 km tiefen Gefechtsstreifen entlang der Frontlinie, in dem Drohnen alles und jeden bekämpfen würden. Die Behauptung, dass es diesen Gefechtsstreifen gibt, ist korrekt. In der allgemeinen Diskussion sowie im Großteil der Berichterstattung wird jedoch suggeriert, dass es sich um eine „homogene“ Bedrohungslage in dieser „Todeszone“ handeln würde.
Wie jedoch eingangs aufgeführt, sorgen unterschiedliche Wetterbedingungen, Jahreszeiten sowie Abwehrmaßnahmen für eine generell schwankende Bedrohungslage. Hinzu kommt der Umstand, dass die tatsächliche Bedrohung abhängig von der feindlichen Schwerpunktbildung sowie dem Abstand zur Front variiert. Während beispielsweise in der unmittelbaren Frontnähe das Risiko für quantitativ gesehen größere Drohnenangriffe recht hoch ist, sinkt dieses Risiko mit zunehmendem Abstand.
Drohnen an sich sind eine vergleichsweise einfache Technologie, genau dieser Umstand bildet die Basis für die aktuelle Drohnenkriegsführung. Sie legt aber auch den Grundstein für eine „einfache“ Abwehr dieser Waffensysteme.
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Ich hätte eine Frage an die Experten.
Wenn wir davon ausgehen, dass vollautonome Systeme perspektivisch kommen, kann man sich dem verschliessen? Ich meine gibt es Situationen, wo der man in the loop nicht mehr sinnvoll ist, weil die KI besser oder schneller ist?
Ich wäre auch interessiert, ob es schon vollautonome Systeme im Einsatz gibt?
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Schon die ersten Lenkwaffen im zweiten Weltkrieg waren autonome Systeme. Das ist absolut keine neue Entwicklung.
Systeme die Alogrithmen zur Zielfindung nutzen gibt es schon seit Jahrzehnten, diverse CRAM wären hier zunächst zu nennen oder im Bereich Loitering Munition halt Harpy/Harop, Lancet, Switchblade...
Es ist halt meistens nicht nachzuvollziehen ob das was wir etwa aus der Ukraine sehen vollautomatischen Angriffe sind oder noch ein Operateur eine Entscheidung trifft.
Vor der Ukraine gibt es dazu auch Beispiele aus Libyen und Armenien, mittlerweile würde ich davon ausgehen das in der Urkaine beide Seiten kleinteilig vollautonome Drohnen tatsächlich im Einsatz haben.
Zur Frage ob man sich dem verschießen kann - einfach mal wirken lassen:
https://x.com/antoine_os/status/1988003048912818615
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Zitat:Wenn wir davon ausgehen, dass vollautonome Systeme perspektivisch kommen, kann man sich dem verschliessen?
Die Frage ist weniger, ob man sich dem verschließen kann, sondern ob man sich dem verschließen wird. Die real existierende Bundeswehr wird selbst dann noch keine vollautonomen Tötungen durchführen, wenn alle anderen Militärmächte längst dazu übergegangen sind.
Zitat:Ich wäre auch interessiert, ob es schon vollautonome Systeme im Einsatz gibt?
Die erste dokumentierte Tötung von Menschen durch vollautonome Systeme erfolgt meiner Kenntnis nach in Liyben durch von der Türkei gelieferte Drohnen (welche die Türken dort testeten).
Dessen ungeachtet muss man natürlich klar festhalten, dass es schon sehr lange vollautonome Tötungen gibt. Denn genau genommen ist jede einfache Mine oder Sprengfalle nichts anderes, als eine vollautonome Tötung.
Deshalb nannte ich früher TM vollautonome Drohnen auch oft gerne Luftminen.
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(11.11.2025, 20:16)Quintus Fabius schrieb: Denn genau genommen ist jede einfache Mine oder Sprengfalle nichts anderes, als eine vollautonome Tötung.
Deshalb nannte ich früher TM vollautonome Drohnen auch oft gerne Luftminen. Und genau da ist auch der Ansatzpunkt, um sich dem Einsatz vollautonomer Waffensysteme anzunähern, selbst in Deutschland.
Solche Systeme werden eben gerade zu Anfang nur in ausgewiesenen Bereichen eingesetzt werden können, also -wenn man so will- fliegende Minenfelder bilden, die man allerdings auch offensiv einsetzen kann.
Dann hat aber irgendwo in der Befehlskette mal ein Mensch den Waffeneinsatz entschieden, so wie er früher entschieden hätte, ein Minenfeld anzulegen oder einen Artillerieschlag anzuordnen. Auch Planquadratschließen ist ja nicht groß etwas anderes. Auch dabei wird entschieden, in einem Areal alles zu töten. Nur halt sehr viel weniger effizient und mit höheren Kollateralschäden.
Minenfelder am Boden werden gekennzeichnet und überwacht. Das kann man auch mit autonomen Drohnen so vorsehen. Es braucht einfach praktikable ROE dazu, aus denen hervor geht, unter welchen Umständen und mit welchen Sicherungsmaßnahmen autonome Waffensysteme operieren dürfen.
Die größte Herausforderung dabei ist dann, die Politik dazu zu bringen, diese ROE durch Militärs, Technik- und Ethikexperten aufstellen zu lassen und sich selbst sowie NGOs u.a. da raus zu halten.
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