Beiträge: 1.342
Themen: 29
Registriert seit: Feb 2024
(08.08.2025, 20:04)Schneemann schrieb: Zitat:Drei Ausfuhrgenehmigungen für die Lieferung von Kriegsschiffkomponenten an Israel wurden widerrufen
Ich sehe diese Entscheidung als vergleichsweise beschämend an. Man mag die Lage in Gaza herumdrehen, wie man möchte, und die betreffenden Kritikpunkte wurden zur Gänze bereits mehrfach erläutert, aber wenn ich mich hinstelle und sage, dass Israel für uns die "Drecksarbeit" erledigt (was es auch tut) und ich zudem eine Art von uneingeschränkter Solidarität - um diese Formulierung einmal zu nutzen - postuliere, dann muss ich dahinterstehen.
... Kriegsschiffteile - um die es hier ging - belasten die israelischen Feldzüge "zu Lande" nicht. Insofern kann man diese Entscheidung auch als Warnsignal verstehen.
Aber die Frage ist doch weitaus grundsätzlicher:
was oder wem gegenüber haben wir eine "Staatsräson" oder eine zumindest moralische Verpflichtung?
Gilt die abstrakt gegenüber dem Staat Israel (dessen Existenzrecht nicht in Frage gestellt werden darf), egal, wie beschämend die Regierung des Staates vorgeht - oder gilt sie dem Schutz der Schwachen und Verfolgten vor staatlicher Willkür, die insbesondere auf ethnischen oder religiösen Wurzeln beruht?
Gerade wegen der faschistischen Terrorverbrechen gegen Menschen jüdischen Glaubens kann und darf Deutschland nicht in den Fehler verfallen, jetzt religiöse Unterdrückung und Verfolgung als "Akt der Wiedergutmachung" zu unterstützen. Die Erinnerung und die wichtige Folge einer anhaltenden Verantwortung für eine diskriminierungsfreie Welt müssten heute Bestandteil der deutschen politischen Grundkultur sein, der Genetik (nicht nur, aber insbesondere) deutscher Politik.
Und wenn man von "Schuld" spricht - die ich den nach 1930 geborenen Menschen in Deutschland eher nicht unterstellen würde - dann muss die Schuld auch die Folgen einer solchen Schuld berücksichtigen. Und dann schließt das auch "Schuld" gegenüber den vertriebenen oder von Vertreibung bedrohten Palästinensern ein.
Wenn es nach mir gehen würde - aber wer richtet sich schon nach mir - wäre des Deutschlands Verantwortung, insbesondere im Gaza-Streifen die Aufgabe zu übernehmen, die jetzt eine israelische Besatzungsmacht mehr schlecht als recht ausübt - also die Sicherheit aller Beteiligten, Israeli wie Araber, zu gewährleisten, Milizen zu entwaffnen, die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, und den Gaza-Streifen dann gleichlaufend mit dem Wiederaufbau einer demokratisch gewählten Repräsentantengruppe zu übergeben.
Beginnend mit demokratischen Wahlen auf den untersten (kommunalen) Strukturen.
Ob der Gaza-Streifen und das geographisch getrennte Westjordanland dann später im Rahmen einer "Zwei-Staaten-Lösung" eine föderale Struktur erhalten, muss eine Art "Verfassungskonvent" der Palästinenser diskutieren. Von außen aufgezwungene Regelungen waren noch nie besonders hilfreich.
Beiträge: 3.018
Themen: 24
Registriert seit: Sep 2017
Erst haben sie Islamisten ins Land gelassen und jetzt...
Zitat:m Papier heißt es: „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei …“ Heißt: Das Kanzleramt begründet die Kehrtwende auch mit den Anti-Israel-Demos in Deutschland – und macht gleichzeitig den jüdischen Staat für die teils antisemitischen und gewalttätigen Demonstrationen auf deutschen Straßen verantwortlich.
▶︎ Mehrere CDU-Politiker erklärten gegenüber BILD, sie seien über diese Täter-Opfer-Umkehr fassungslos und stellten die Frage, ob die Regierung nun aus Angst vor dem teils linken, teils islamistischen Anti-Israel-Mob politische Leitlinien verändert.
https://www.bild.de/politik/inland/wegen...27c9f82881
Beiträge: 13.590
Themen: 223
Registriert seit: May 2006
@Kongo Erich
Zitat:Gilt die abstrakt gegenüber dem Staat Israel (dessen Existenzrecht nicht in Frage gestellt werden darf), egal, wie beschämend die Regierung des Staates vorgeht...
Nicht die israelische Regierung handelt beschämend, sie agiert eher - manchmal geschickt, manchmal ungeschickt - innerhalb der Rahmen, die ihr zum Manövrieren noch bleiben. Beschämend handelt eher unsere Regierung, die anscheinend jegliche realpolitischen Bezugsmomente aus den Augen verloren hat.
Zitat:Gerade wegen der faschistischen Terrorverbrechen gegen Menschen jüdischen Glaubens kann und darf Deutschland nicht in den Fehler verfallen...
Gerade weil man sich immer in der Vergangenheit bzw. im Kontext von dieser innerhalb von inkohärenten Schlussfolgerungen verheddert, kann man keinen realpolitischen Blick entwickeln, sondern man neigt dazu, wie auch du, irgendwelche sophistisch anmutenden und emotionalen Querschlüsse zu ziehen, die nicht nur inhaltlich nicht zusammenpassen, sondern die auch realistischen Einschätzungen massiv im Wege stehen.
Realpolitisch betrachtet müsste man nüchtern zu dem Schluss kommen, dass Israel der einzige Staat in jener Weltregion ist, der am meisten unsere Unterstützung benötigt und verdient hätte, und dies auch unabhängig von der nationalsozialistischen Judenverfolgung.
Schneemann
Beiträge: 16.641
Themen: 110
Registriert seit: May 2004
Zitat:Realpolitisch betrachtet müsste man nüchtern zu dem Schluss kommen, dass Israel der einzige Staat in jener Weltregion ist, der am meisten unsere Unterstützung benötigt und verdient hätte
Das könnte man diskutieren. Worin liegt den der Nutzen Israels für uns ?!
Womit verdient Israel den unsere uneingeschränkte Unterstützung ?! Wofür benötigt es sie ? Wofür benötigen wir Israel ?
lime:
Ich halt ja rein gar nichts von der Bild, aber es steht tatsächlich in diesem Positionspapier und wird inzwischen auch von anderen Medien berichtet. Der zitierte Satz ist mal wirklich eine Offenbarung:
Zitat:Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen.
https://www.welt.de/ig/183f483c-10b6-445...ex/CDU.pdf
(die Welt nur der Bequemlichkeit halber weil sie halt dieses Papier aktuell als PDF ins Netz gestellt haben)
Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit eigenen Augen in München vor einigen Jahren sah, wie Israel Flaggen verbrannt wurden und Juden ins Gas geschrien wurde (auf Deutsch!) und dies in Hör- und Sichtweite von Polizeibeamten welche trotzdem rein gar nichts taten. Ich forderte die Polizisten auf sofort zu handeln, und ihre Antwort war schon damals, dass man jetzt keine Eskalation herbei führen will und ein Einschreiten jetzt massive Folgen hätte, und man könne ja jetzt nicht massive Gewalt herbei führen indem man sinnfrei eskaliert usw. usf. Schlussendlich erteilte man mir einen Platzverweis und drohte mir den Gewahrsam an, in Sichtweite brennender Israelflaggen. Polizisten in München der gleichen Einsatzhundertschaften waren sich später nicht zu schade, mit Schlagstöcken mit aller Gewalt auf irgendwelche harmlosen Idioten von Impfgegnern einzuprügeln, ebenfalls in München in der Nähe des Marienplatzes. Ich bin absolut kein Freund dieser Querdenkentrottel gewesen, aber so viel zu Verhältnismässigkeit, Rechtsstaat und der ach so edlen Polizei.
Die gleichen Parolen wurden 2014 sogar schon mal über Polizeilautsprecher gegröllt, aber in deutschen Medien wurde es als israelfeindliche Parolen bezeichnet:
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/d...44034.html
https://www.zentralratderjuden.de/presse...4-auswahl/
Zitat:Bei Demonstrationen ist der Ruf „Kindermörder Israel“ oder „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ zu hören.
11 Jahre später und ein Kanzler Merz streicht die Unterstützung Israels im Kampf gegen die Hamas mit der Begründung, dies würde gesellschaftliche Konflikte in Deutschland verschärfen.
Vielleicht sollten wir diese Konflikte mal endlich annehmen und führen, statt sie fortwährend in eine noch schlechtere Zukunft zu verschieben ?!
Beiträge: 1.342
Themen: 29
Registriert seit: Feb 2024
(10.08.2025, 12:22)Schneemann schrieb: @Kongo Erich
.... Beschämend handelt eher unsere Regierung, die anscheinend jegliche realpolitischen Bezugsmomente aus den Augen verloren hat.....
Schneemann die aktuelle Sitzung im UN-Sicherheitsrat zeigt, dass die gesamte EU einmütig und einhellig mit anderen Staaten agiert. Lediglich die USA sind aus dieser gemeinsamen Sichtweise ausgeschert:
Zitat: Harsche Kritik an Israel im UN-Sicherheitsrat – außer von einem Land
Aktualisiert am 10.08.2025, 20:18 Uhr
Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gibt es viel Kritik an Israels Plänen für die Stadt Gaza. Die USA beklagen aber eine gezielte Kampagne gegen das Land.
Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage im Gazastreifen hat es heftige Kritik am Vorgehen Israels gegeben. "Wir verurteilen die Entscheidung der israelischen Regierung, den Militäreinsatz in Gaza auszuweiten", teilten die fünf europäischen Teilnehmerstaaten der Sitzung in einer gemeinsamen Erklärung mit. "Wir fordern Israel dringend auf, diese Entscheidung zu überdenken und nicht umzusetzen", sagte der slowenische UN-Botschafter Samuel Zbogar vor Beginn der Sitzung.
UN-Sicherheitsrat: Heftige Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen
"Wir weisen zudem erneut darauf hin, dass jeder Versuch eines Anschlusses oder einer Erweiterung von Siedlungen internationales Recht verletzt", erklärte Zbogar im Namen von Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Griechenland und Slowenien. "Die Militärtätigkeiten auszuweiten wird nur die Leben aller Zivilisten in Gaza weiter gefährden, darunter auch die der noch verbleibenden Geiseln."
...
Ich denke, wenn so eine breite Übereinstimmung besteht (und nicht weil DT für die USA mal wieder eine Sonderrolle beansprucht) sollte man seine andere abweichende Auffassung selbstkritisch prüfen.
Zitat: ,,,
Der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur ... nannte als nötige Schritte unter anderem die Ausweitung von Essens- und Medizinlieferungen, die Freilassung der Hamas-Geiseln, Israels vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen und eine internationale Sicherheitsmission zum Schutz der Menschen in Palästina.
Das halte ich für einen konstruktiven Ansatz. Ich würde alle vier Punkte unterschreiben - und gerade die EU mit Deutschland als Leadnation in so einer internationalen Sicherheitsmission sehen.
Die Entgegnung der Israelischen Seite: Zitat:Israel wies die Kritik zurück. "Das ist keine Eroberung – Israel hat keine Pläne oder Wünsche, Gaza dauerhaft zu besetzen. Das ist eine Befreiung von einem brutalen Terrorregime", sagte Israels stellvertretender UN-Botschafter Brett Jonathan Miller. Die Hamas nutze die Geiseln und die Bevölkerung von Gaza aus, um die eigene Position zu sichern. Er unterstrich, dass sein Land eine zivile Regierung für Gaza fordere und eine Führung des Küstenstreifens durch die Hamas oder die Palästinensische Autonomiebehörde ablehne.
ist dagegen erklärungsbedürftig:
a) Stimmen aus dem Regirungsblock sagen etwas anderes zur dauerhaften Besetzung
b) Warum will man die "Befreiung von einem brutalen Terrorregime" nicht anderen überlassen sondern sich selbst weiter mit Blut besudeln und der Kritik aussetzen?
c) Eine zivile Regierung unter Ausschaltung aller bisher gewählten Akteure wie der Palästinensischen Autonomiebehörde ist die Forderung nach Autokraten, und nicht nach demokratischer Repräsentanz. Eine solche Forderung steht dem Staat Israel nicht zu.
Beiträge: 16.641
Themen: 110
Registriert seit: May 2004
Zitat:Eine zivile Regierung unter Ausschaltung aller bisher gewählten Akteure wie der Palästinensischen Autonomiebehörde ist die Forderung nach Autokraten, und nicht nach demokratischer Repräsentanz.
Das ist doch nicht dein Ernst ?!
Die Autonomiebehörde ist sogar noch weniger demokratisch legitmiert als die Hamas, welche zumindest sogar mal eine Wahl gegen diese Autonomiebehörde gewonnen hat (auch wenn dass dann die letzte Wahl war).
Beiträge: 883
Themen: 3
Registriert seit: Nov 2020
Vielleicht aber auch nur vielleicht, so schwer es auch anzusehen ist, sollte man das israelische Militär, das Militär nicht die Regierung, einfach mal machen lassen. Im Gegensatz zu uns oder irgendwelchen Gutmenschen , wissen die wenigstens was wirklich Sache ist. Die haben jetzt da die Möglichkeit diesen Konflikt endlich für immer zu beenden. Ich bin der Meinung dass bei aller Kritik die hier und dort kommt, die der arabischen Staaten relativ leise Kritik, abseits derer die immer schreien, eigentlich Bände spricht.
Es gibt passend dazu eine Aussage eines arabischen Scheichs oder was er war, zum Terrorismus.
In dieser Pressekonferenz hat er extra auf englisch gesprochen, damit es keine Verzerrungen durch Übersetzer gab. Seiner Meinung nach wird es in Zukunft die schlimmsten und fanatischsten Terroristen nicht mehr aus arabischen, sondern aus westlichen Ländern geben. Da wir der Meinung sind den nahen Osten so gut zu verstehen, jedem zu vergeben, jedem seine Meinung zu lassen, anstatt sie radikal einzusperren und nie wieder auf freien Fuß zu lassen, blüht der Fanatismus bei uns und wird dadurch stärker als in seinem Land.
Sinngemäß.
Beiträge: 1.342
Themen: 29
Registriert seit: Feb 2024
(11.08.2025, 06:15)Quintus Fabius schrieb: Das ist doch nicht dein Ernst ?!
Die Autonomiebehörde ist sogar noch weniger demokratisch legitmiert als die Hamas, welche zumindest sogar mal eine Wahl gegen diese Autonomiebehörde gewonnen hat (auch wenn dass dann die letzte Wahl war). doch - es ist mein Ernst, dass Terrororganisationen erst einmal von demokratischen Wahlen ausgeschlossen sein müssten. Daran ändert auch nichts, dass die Hamas vor Jahren - übrigens mit Unterstützung Israels - die PLO im Gaza-Streifen überrundet hat.
Und was nun die teilweise Einstellung der Waffenlieferungen an Israel betrifft: da bin ich anscheinend nicht der Einzige, der die Merz-Entscheidung moralisch richtig und respektabel findet:
Das Ende der Staatsräson?
Zitat:Stand: 11.08.2025 19:35 Uhr
Einige sehen in Merz' Entscheidung, weniger Waffen an Israel zu liefern, ein Ende der deutschen Staatsräson. Doch Historiker sagen, die Entscheidung sei richtig. Deutschland müsse auch im Einklang mit seinen Werten handeln.
...
Der Historiker Zimmermann sieht in Merz‘ Entscheidung eine verständliche Wende. "Man kann nicht weiter eine Politik betreiben, die nicht Israel unterstützt, sondern die israelische Regierung. Und die Interessen der israelischen Regierung sind nicht identisch mit den Interessen von Israel selbst."
Für Peter Lintl kommt mit der Entscheidung des Bundeskanzlers etwas in Einklang, was vorher in Schieflage geraten war. Der Nahostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht von zwei Säulen der deutschen Israel-Politik: die historische Verantwortung aus der deutschen Vergangenheit und Prinzipien wie Menschenrechte und Völkerrecht. Die seien durch die israelische Kriegsführung in Gaza verletzt.
"Dieser Schritt war einfach ein Schritt, um auch eine gewisse Balance zwischen diesen beiden Säulen wiederherzustellen, und ich halte ihn für einen richtigen Schritt", sagt Lintl.
...
dazu auch
Rückenstärkung für Merz' Israel-Entscheidung
Wir sind uns doch im Wesentlichen einig, dass das, was Israel im Gaza-Streifen macht, nicht mit dem Humanitären Völkerrecht im Einklang steht.
Das darf - und kann - Deutschland nicht unterstützen.
Was wir aber unterstützen können ist ein Internationaler Einsatz unter UN-Mandat:
Zitat:Macron schlägt internationalen Einsatz unter UN-Mandat in Gaza vor
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Einsatz mit UN-Mandat in Gaza angeregt.
...
Beiträge: 13.590
Themen: 223
Registriert seit: May 2006
@Kongo Erich
Zitat:a) Stimmen aus dem Regirungsblock sagen etwas anderes zur dauerhaften Besetzung
Man sollte sich einig werden, was man möchte. Search & destroy bringt relativ wenig gegen eine Organisation wie die Hamas, die ihre Maulwurfsbauten überall angelegt hat. Zudem bringen immer wiederkehrende Vorstöße Israel massiv Kritik ein. Also inneffizient, in mehrfacher Hinsicht. Nun, nach langem Zögern will Israel zu clear & hold übergehen, die im Rahmen von COIN dort die einzige denkbare Lösung, um die Hamas zu zerschlagen. Aber das will man ja auch nicht...
Zitat:b) Warum will man die "Befreiung von einem brutalen Terrorregime" nicht anderen überlassen sondern sich selbst weiter mit Blut besudeln und der Kritik aussetzen?
Wer wäre denn willens, es zu machen? Keiner. Es hat ja niemand Lust darauf - zudem würde man sich so selbst der Kritik aussetzen (zwangsläufig wäre dies bei einem asymmetrischen Konflikt so), und es ist so wie aktuell auch einfacher, alles den "bösen" Israelis in die Schuhe zu schieben.
Zitat:c) Eine zivile Regierung unter Ausschaltung aller bisher gewählten Akteure wie der Palästinensischen Autonomiebehörde ist die Forderung nach Autokraten, und nicht nach demokratischer Repräsentanz. Eine solche Forderung steht dem Staat Israel nicht zu.
Wer das fordert, hat nichts verstanden - aber vielleicht ist es dennoch eine Lösung. Die Hamas ist eh desavouiert. Und die PA ist vieles, aber halt nicht demokratisch. Aber vielleicht könnte es so aussehen: Reingehen, länger halten, die gröbsten Hamas-Reste beseitigen, dann einen PA-Vertreter im Sinne eines General-Admiral-Marschall Mahmud Dingsbums durch "Wahlen" bestätigen lassen. Und dieser gibt sich später im Fatah-"Parlament" 20-jährige Wahlperioden - dann ist wenigstens eine Weile Ruhe - und gibt sich nach außen hin demokratisch (wobei er nur ein weiterer, hochkorrupter nahöstlicher Caudillo mit seiner eigenen Kamarilla wäre).
Zitat:Was wir aber unterstützen können ist ein Internationaler Einsatz unter UN-Mandat:
Ohja, bitte. Obelix würde wohl in die Hände klatschen und sagen Klasseklasseklasse! Eine Art UNIFIL No. 26 in Gaza. Das wird sicher lustig.
Schneemann
Beiträge: 13.590
Themen: 223
Registriert seit: May 2006
@Kongo Erich
Zitat:Wir sind uns doch im Wesentlichen einig, dass das, was Israel im Gaza-Streifen macht, nicht mit dem Humanitären Völkerrecht im Einklang steht.
Nach meinem etwas polemisierenden Kommentar von gestern früh nun eine spezifische Kritik:
1.) Du schreibst, dass das, was Israel im Gaza-Streifen macht, nicht mit dem humanitären Völkerrecht im Einklang stehen würde. In dem dazu verlinkten Zeit-Artikel findet sich dazu aber nichts, sondern dieser bezieht sich auf die Versorgungslage.
2.) Und in dem Zeit-Artikel, der sich u. a. wahlweise auf die Israelis, aber auch auf London School of Hygiene and Tropical Medicine und die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) der WHO stützt, steht korrekterweise, dass zwischen März und Mitte Mai (als starke Kämpfe wieder aufflammten) keine Lieferungen nach Gaza durchkamen. Zugleich wird angegeben, dass die benötigte Mindestmenge bei rund 52.000 Tonnen Nahrungsmitteln im Monat liegen würde.
Was mich aber nun sehr überraschte: Laut der Statistik in dem Zeit-Artikel wurde diese Mindestmenge an 13 (Kriegs-)Monaten nicht nur erreicht, sondern teils auch deutlich übertroffen. Alleine im Februar und Januar 2025 gelangten ca. (zusammengerechnet) 380.000 Tonnen nach Gaza - d. h. eine Menge, die für grob sechs Monate reichen würde. Da wir von ausgehen können, dass der überwiegende Teil der Nahrungslieferungen aus tendenziell haltbaren Lieferungen (Reis, Nudeln, Mehl, Milchpulver, Speiseöl, Fischkonserven etc.) besteht, wäre die Lieferungslücke zwischen März und Mitte Mai eigentlich problemlos überbrückbar gewesen.
Folglich ist anzunehmen, dass...
a) es keine gezielte Aushungerungskampagne seitens der Israelis gibt,
b) die Versorgungsnotlage eher durch ein Verteilungsproblem vor Ort generiert wurde.
Schneemann
Beiträge: 1.342
Themen: 29
Registriert seit: Feb 2024
(Heute, 05:45)Schneemann schrieb: ....
Folglich ist anzunehmen, dass...
a) es keine gezielte Aushungerungskampagne seitens der Israelis gibt,
b) die Versorgungsnotlage eher durch ein Verteilungsproblem vor Ort generiert wurde.
Schneemann @Schneemann:
wer ist insbesondere für b) verantwortlich
Zitat:Israel lässt wieder Hilfsgüter nach Gaza. Doch Organisationen kritisieren das neue System. In dessen Zentrum: eine undurchsichtige Stiftung. Die wichtigsten Antworten
....
uch die Vereinten Nationen räumten ein, dass es Probleme bei der Verteilung gegeben habe – aber vor allem wegen laufender Angriffe und Kampfhandlungen. Bestimmte Gebiete seien durch zerstörte Infrastruktur nicht erreichbar.
Dass es zu Plünderungen der Lieferungen kam, ist auch belegt. Allerdings nicht durch die Hamas, sondern durch kriminelle Clans oder verzweifelte, ausgehungerte Menschen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich berichtete, soll die Hamas vier Personen hingerichtet haben, die zuvor Hilfskonvois überfallen hatten.
Die Lieferung von Hilfsgütern wurde außerdem immer wieder durch den Verdacht Israels erschwert, über die Transporte würden Rüstungsgüter für die Hamas geschmuggelt. Intensive Kontrollen kosteten viel Zeit, der Zugang blieb durchweg restriktiv. .... Mehrfach berichteten Hilfsorganisationen von skurrilen Fällen, etwa dass Lieferungen wegen metallener Zeltstangen, Nagelknipsern oder Reißverschlüssen gestoppt wurden. Und dass Lkw dann umdrehen und einen langwierigen Prozess durchlaufen mussten.
...
Die wohl gravierendste Änderung nach dem neuen System: Die Hilfslieferungen sollen gebündelt an vier Verteilzentren geliefert werden, statt dezentral direkt zu den Menschen in Gaza. Private Sicherheitsfirmen sollen diese Zentren sichern. Die IDF ist offiziell nur am Rande involviert, faktisch jedoch eng eingebunden.
...
Hilfsorganisationen sowie die UN beklagen, dass das neue System politisch abhängig sei und für Israel vor allem strategische Vorteile bringe. Mehrere NGOs bezeichneten den Mechanismus in einer gemeinsam veröffentlichten Erklärung als eine "gefährliche, politische Heuchelei". Diverse Hilfsorganisationen sowie die UN kündigten an, am neuen Mechanismus nicht teilhaben zu wollen.
Kritiker werfen Israel vor, mit dem neuen System eine faktische Zwangsumsiedlung der Menschen in Gaza voranzutreiben. Dadurch, dass drei der vier Verteilzentren im Süden stehen oder entstehen sollen, seien die Menschen aus anderen Teilen des Gazastreifens gezwungen, dorthin zu fliehen. Auch müssten die geschwächten Hungerleidenden teils lange Wege durch Kampfgebiete riskieren, um die schweren Pakete zu tragen. Humanitäre Hilfe würde dadurch als Durchsetzungsmittel strategischer Ziele missbraucht.
...
Zitat:Gaza: Hungersnot weitet sich aus
...
Die Blockade durch die israelische Regierung hungert nicht nur die Bevölkerung von Gaza aus, sondern auch humanitäre Helfer*innen. Sie stehen nun in denselben Schlangen für Lebensmittel an und riskieren erschossen zu werden, nur um ihre Familien zu ernähren. Da die Vorräte inzwischen vollständig aufgebraucht sind, müssen humanitäre Organisationen mit ansehen, wie ihre eigenen Kolleg*innen und Partner*innen vor ihren Augen um ihr Überleben ringen.
...
Zitat:Chaos und Hunger in Gaza – Kritik von Hilfsorganisationen wächst
Zwar erreichen Hilfslieferungen über Land und aus der Luft den Gazastreifen, doch die Hilfe reicht bei weitem nicht aus. Viele Menschen hungern. Hilfsorganisationen beklagen Chaos an den Verteilzentren und systematische Einschränkungen durch Israel.
...
"Die Lage ist katastrophal"
"Die Lage ist katastrophal", sagt Lara Dovifat, Leiterin der politischen Abteilung von MSF auf Anfrage von BR24. Die Organisation hat rund 900 Mitarbeiter in dem Küstenstreifen. "Unsere Teams berichten von mangelernährten Kindern, infizierten Wunden, fehlenden Medikamenten und Operationen ohne Narkose." Dovifat: "Der Hunger breitet sich aus" - verursacht "durch politische Entscheidungen".
Dabei stehen "an den Grenzübergängen hunderte Lkw mit Hilfsgütern bereit, doch nur ein Bruchteil darf hinein", so Dovifat. Die israelischen Behörden kontrollierten nicht nur die Menge, sondern auch Tempo und Art der Lieferungen. Dovifat: "Wenn ein Lkw reingelassen wird, muss er entladen, in sogenannte Holding Zones gebracht und auf neue Fahrzeuge umgeladen werden – ein enorm aufwändiger und verzögernder Prozess."
"Der Zugang wird systematisch eingeschränkt"
Auch Marvin Fürderer von der Welthungerhilfe betont, dass die Versorgung am fehlenden Zugang scheitere. "Es gibt genügend Hilfsgüter, gut vorbereitete Organisationen, erfahrenes Personal. Aber der Zugang wird systematisch eingeschränkt – durch politische Hürden und durch ein künstlich verengtes Verteilungssystem", so Fürderer zu BR24. Laut Welthungerhilfe schaffen es derzeit 70 bis 80 Lkws pro Tag über die Grenze. Laut UN sind mindestens 200 Lastwagen täglich nötig, um eine minimale Grundversorgung der rund zwei Millionen Menschen aufrechtzuerhalten.
Auch israelische Siedler blockieren und attackieren immer wieder Hilfstransporte. Am Mittwoch berichtete die jordanische Regierung, dass ein Konvoi mit 30 Lastwagen mit Steinen angegriffen wurde. Auch Jordanien kritisiert lange Inspektionszeiten, begrenzte Öffnungszeiten an den Übergängen und Zollgebühren von bis zu 400 US-Dollar pro Lkw.
...
(das ist nur eine kleine Auswahl, ich möchte den Thread nicht mit Quellenzitaten überfluten)
und welche Rückschlüsse ziehst Du daraus für a)?
Hör bitte auf, das Verhalten der israelische Regierung durch die rosa Traumbrille zu betrachten. Hör auf zu träumen. Das lässt sich alles nach möglichst objektiven und unabhängigen Quellen aus dem Kriegsgebiet nicht mehr verharmlosen. Nibelungentreue gegenüber dieser Regierung und ihren Handlungen ist fehl am Platz.
Beiträge: 4.157
Themen: 77
Registriert seit: Nov 2003
Zitat:Netanyahu says he’s on a ‘historic and spiritual mission,’ also feels a connection to vision of Greater Israel
Prime Minister Benjamin Netanyahu tells i24 he feels he is on a “historic and spiritual mission,” and that he is “very” attached to the vision of a Greater Israel, which includes areas slated for a future Palestinian state and possibly also areas that are part of present-day Jordan and Egypt.
The interviewer Sharon Gal, who was briefly a right-wing member of Knesset, gifts to Netanyahu what he says is an amulet of “a map of the Promised Land.” He jokes that he does not want to further “entangle” Netanyahu in the case against the premier for allegedly receiving jewelry and other luxury goods from several businessmen for him and his wife Sara.
https://www.timesofisrael.com/liveblog_e...er-israel/
Beiträge: 476
Themen: 2
Registriert seit: Jul 2022
(Vor 10 Stunden)Kongo Erich schrieb: und welche Rückschlüsse ziehst Du daraus für a)?
Hör bitte auf, das Verhalten der israelische Regierung durch die rosa Traumbrille zu betrachten. Hör auf zu träumen. Das lässt sich alles nach möglichst objektiven und unabhängigen Quellen aus dem Kriegsgebiet nicht mehr verharmlosen. Nibelungentreue gegenüber dieser Regierung und ihren Handlungen ist fehl am Platz.
Der Rückschluss ist sehr einfach. Hunderte an Hilfsorganisationen haben mit der Hamas zusammengearbeitet bei der Versorgung von Gaza. Das ist ein Fakt, denn ohne Zusammenarbeit mit der Hamas passiert im Gazastreifen gar nichts. Aktuell hat die Hamas nicht das geringste Interesse an einer Versorgung der Bevölkerung, denn Versorgungsprobleme lassen sich gerade den Israelis in die Schuhe schieben.
Israel hat diesen "Hilfsorganisationen" zumindest zum Teil die Arbeit verboten. Das stinkt denen natürlich und wenn dieser Zustand länger anhält verlieren sie jede Kontrolle und Einfluss und die Palästinenser. Diese Organisationen werfen Israel Heuchelei vor und haben selber mit der Hamas zusammengearbeitet. Das nenne ich mal Heuchelei im Quadrat...
Beiträge: 16.641
Themen: 110
Registriert seit: May 2004
Zitat:Gaza: Hungersnot weitet sich aus
Es gibt keine Hungersnot in Gaza. Dieser Begriff ist klar definiert, und die Zustände dort erfüllen die Definition nicht, so einfach ist das.
Wer behauptet in Gaza herrsche eine Hungersnot, der wurde entweder getäuscht, oder er lügt bewusst. Womit wir zum Kern des ganzen kommen:
Zitat:Hilfsorganisationen sowie die UN beklagen, dass das neue System politisch abhängig sei und für Israel vor allem strategische Vorteile bringe. Mehrere NGOs bezeichneten den Mechanismus in einer gemeinsam veröffentlichten Erklärung als eine "gefährliche, politische Heuchelei". Diverse Hilfsorganisationen sowie die UN kündigten an, am neuen Mechanismus nicht teilhaben zu wollen.
Mit der Kontrolle über die tägliche Lebensmittelversorgung erlangt Israel in Gaza zunehmend an Einfluss und Macht und die Palästinenser werden immer weitergehender von Israel abhängig. Und genau darum geht es: um Macht, Machtausübung und die Frage der Kontrolle - sowie in Bezug auf viele NGOs auch um Geld, schlicht und einfach um die vielfältigen Selbstbereicherungsmöglichkeiten und abgreifbaren Verwaltungskosten.
Das will natürlich keiner der Feinde / Gegner Israels und auch sonst niemand, der von dem bisherigen System profitiert hat.
Und um das noch mal beschließend zu betonen:
Es gibt in Gaza gerade ganz andere Probleme als die Lebensmittelversorgung.
1. langfristige Versorgung mit Trinkwasser - nicht sicher gewährleistet
2. medizinische Versorgung - praktisch nicht mehr existent
3. Schutz vor Witterungsbedingungen im nächsten Winter (Unterkünfte wie Heizung) - wird nicht erreichbar sein
Dagegen ist die Frage der Nahrungsmittelversorgung irrelevant, weil diese nicht das wirkliche Problem für die Menschen dort darstellt.
Beiträge: 1.342
Themen: 29
Registriert seit: Feb 2024
(Vor 1 Stunde)Quintus Fabius schrieb: ....
Es gibt in Gaza gerade ganz andere Probleme als die Lebensmittelversorgung.
1. langfristige Versorgung mit Trinkwasser - nicht sicher gewährleistet
2. medizinische Versorgung - praktisch nicht mehr existent
3. Schutz vor Witterungsbedingungen im nächsten Winter (Unterkünfte wie Heizung) - wird nicht erreichbar sein
Dagegen ist die Frage der Nahrungsmittelversorgung irrelevant, weil diese nicht das wirkliche Problem für die Menschen dort darstellt. und wer ist nun für die Beseitigung dieser Probleme verantwortlich? Was sagt das Völkerrecht dazu?
|