Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Auch wenn ich deine Ansicht grundsätzlich teile, und deshalb ein Krieg mit der NATO vollkommen anders verlaufen würde als aktuell in der Ukraine - sollte man vielleicht ergänzend noch zwischen dem offensiven Einsatz der Luftwaffe und der Luftraumverteidigung differenzieren.

Zum einen umfasst die Luftraumverteidigung wesentlich mehr als die Flugzeuge, zum anderen sind die Russen hier was die reine Defensive in der Luft angeht aufgrund bogengestützter Systeme deutlich stärker als der Iran.

Der Leistungsabstand zwischen den NATO Luftwaffen und der russischen Luftraumverteidigung ist daher meiner rein privaten Meinung nach nicht so groß wie der zwischen der israelischen Luftwaffe und der iranischen Luftraumverteidigung.

Du hast meiner Meinung nach trotzdem recht, weil der Leistungsabstand immer noch ausreichend wäre. Der Konflikt hätte eine komplett andere Dynamik und die NATO Luftwaffen würden sich durchsetzen.

In diesem Kontext sollte man noch auf die Schere-Stein-Papier Konzeption des Krieges an sich verweisen. Im Krieg ist es querschnittlich immer nachteilig, das gleiche gegen das gleiche zu setzen.

Der Ukrainekrieg wird dominiert von Drohen und Artillerie. Die Russen sind darin sehr leistungstark, allen Unkenrufen im Westen zum Trotz. Es wäre aber gerade eben wegen dieses Konzeptes ein Fehler nun selbst massiv auf (die gleichen) Drohnen und Artillerie zu setzen - sondern man sollte immer bewusst das nehmen, worin der Feind offenkundig schwächer ist, und das heißt natürlich insbsondere die Luftwaffe.

Feuerkraft kann man per Artillerie herstellen, oder eben gleichermaßen aus der Luft. Also stellen wir sie intentional aus der Luft her.

Dessen ungeachtet halte ich trotzdem Drohnen in Zukunft für absolut wesentlich. Aber auch hier müsste man diese auf eine andere Primärzielsetzung, einen anderen Schwerpunkt hin ausrichten, nämlich auf die Zerstörung der russischen Luftraumverteidigung. Wir benötigen also eher "operative" Drohnen als "taktische" Drohnen.

In diesem Kontext sollte man betonen, dass die Israelis im Iran eine große Menge an Drohnen eingesetzt haben, und diese wesentlich für die schnelle Zerschlagung der iranischen Luftraumverteidigung waren.

Das heißt unsere Drohnen benötigen zum einen anderen Schwerpunkt - hier dürfte in Bezug auf Russland insbesondere die Elektronische Kriegsführung mittels Drohnen bzw. der Kampf gegen EloKa Systeme der Russen per Drohne relevant sein, sowie wie geschrieben die Bekämpfung der Luftraumverteidigung per Drohne und zuletzt aber nicht als Letztes die Auflkärung für die Luftwaffe.

Das alles lässt sich nicht mit einfachen Billig-Drohnen erledigen. Ist aber günstiger, als dies komplett von Kampfflugzeugen aus erledigen zu wollen.

Und umgekehrt brauchen alle eigenen Streitkräfte eine starke Defensivfähigkeit gegen Drohnen, da die Russen diese Systeme in der Defensive natürlich extrem massiv nutzen werden. Drohnen in der Art und Weise wie man sie jetzt in der Ukraine sieht sind mehr Defensivsysteme. Da wir den Krieg offensiv führen müssen, verschieben sich damit natürlich die Anforderungen an die Drohnen / verwendeten Systeme weil Defensivdrohnen in der Offensive weniger Leistung generieren.
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Ich denke mal der größte Unterschied zwischen NATO und Russland dürfte die grundsätzlich Lernfähigkeit sein, man denke da an den Kosovo Krieg, wo die Serben zwar die Übermacht der NATO Luftstreitkräfte nicht stoppen konnten aber durch den legendären Abschuss einer F-117 und durch geschicktes Nutzen ihrer Luftabwehr einige signifikante Kräfte durchgehend für SEAD binden konnten.

Aber man hat sofort richtige Schlüsse gezogen, so wurde HARM mit GPS entwickelt um auch Radarsysteme erfolgreich bekämpfen zu können, die während des Anfluges sich abgeschaltet, und Einsatzgrundsätze für Stealthbomber geändert.

Das russische Militär ist kulturell schlicht reaktionär eingestellt und notwendige Veränderungen finden wenn überhaupt viel später und langsamer statt.

Und das größte Problem der heutigen Drohnen ist doch, dass diese Form der Waffen nur dafür eingesetzt werden kann die Dynamik und Initiative des Gegners zunichte zu machen, jedoch selbst keinen Beitrag leisten kann einen eigenen Angriff vorzubereiten, dafür sind die Drohnen von denen man im Krieg in der Ukraine spricht doch viel zu statisch und operativ zu träge. Kampfflugzeuge können bei entsprechender Luftüberlegenheit fast beliebig tief operieren und durch ihre Geschwindigkeit, ihre Wucht und flexible Waffenladung den oft notwendigen Beitrag leisten.
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Ich stimme dir zu, dass die Lernfähigkeit und die Lerngeschwindigkeit mancher NATO Länder / respektive der NATO insggesamt größer ist als die Russlands. (ich würde das aber nicht auf alle NATO Länder gleichermaßen gelten lassen, aber querschnittlich ja). Und eine größere Lerngeschwindigkeit und -fähigkeit sind im Krieg immense Vorteile. Die Anpassungsfähigkeit ist ganz allgemein eine der wesentlichsten Fähigkeiten, man sieht das gerade eben im Ukrainekrieg einmal wieder sehr deutlich.

Aber ist die Bundeswehr ausreichend anpasungsfähig? Ist die Lernfähigkeit und Lerngeschwindigkeit der Bundeswehr so hoch wie sie es für den modernen Krieg sein müsste? Und selbst wenn Deutsche Soldaten heute diese Befähigung theoretisch hätten, erhalten sie überhaupt die Möglichkeit diese auch real einzusetzen?! Spezifisch in Bezug auf diese Bundesrepublik und ihren habe ich da einige Zweifel. Die Bundeswehr wird ja auch sonst schon so viel wie nur irgendwie denkbar gehemmt, gelähmt, eingeschränkt. Wir keine sonderlich gute Fehlerkultur, wie haben kein sonderlich gute Innovationskultur, dafür haben wir geistige Erstarrung im Überfluss.

Wird man im Krieg in der Lage sein diese zu überwinden ? Wird man sie vor dem Krieg überwinden können ?!
Russland hat klar aufgezeigt, wohin reaktionäres erstarrtes Denken führt, wohin eine solche versteinerte Militärkultur führt und was für immense militärische Probleme sich daraus ergeben. Meine Befürchtung ist, dass spezifisch die Bundeswehr in wesentlichen Punkten den Russen näher ist als den Ukrainern.
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Deine Einschätzung, dass Drohnen nur disruptiv wirken, dynamik und initiative zunichte machen, aber nicht einen eigenen Angriff vorbereiten können, teile ich jedoch so nicht. Nur weil dies in der Ukraine nicht gelingt, respektive die dort verwendeten Drohnentypen defensiver Natur sind, bedeutet dies nicht, dass man nicht mi anderen Drohnen und anderen Einsatzkonzepten für diese sehr wohl hochgradig mobil und offensiv wirken könnte.

Zur Frage des Einsatzes in der Tiefe kann ich an dieser Stelle nur einmal mehr auf die vielen israelischen Drohnen im Iran verweisen, welche dort gegen die iranische Luftraumverteidigung immens effektiv waren !

Gerade für den Einsatz in der Tiefe und insbesondere für das Erlangen der Luftüberlegenheit sind Drohnen heute absolut wesentlich. Sie sind damit kein Widerspruch zu Kampfflugzeugen, sondern gerade eben deren zwingend notwendige Ergänzung.

Das sind aber dann natürlich keine selbstgebastelten FPV Drohnen wie in der Ukraine welche Infanteristen in den Büschen jagen, da sprechen wir dann von ganz anderen Systemen.

Und das ist vermutlich das eigentliche Problem: der Begriff Drohne umfasst eine immense Vielzahl extrem verschiedener Systeme, die unterschiedlich nicht sein könnten. Die Unterschiede sind teilweise so groß wie zwischen Kampfpanzer und Kampfflugzeug. Wenn man nun in Bezug auf letztgenannte immer nur von Waffensystemen sprechen würde, dann wäre dies auch ein Sprachgebrauch der nur Unklarheit befördert.

Das Problem ist daher der Begriff Drohne und was darunter jeweils gemeint wird.
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Richtig interessant werden kleinere Drohnen erst wenn diese sich mit KI selber steuern. Die FPV-Drohnen brauchen Personal, dass man auch erst einmal haben und ausbilden muss. KI-Drohnen, wo man nur die Kisten auf den Boden stellt, den Deckel abmacht und diese losfliegen wohin man will und dort alles angreifen was da ist wären viel wirkungsvoller.

Die Menge an Drohnen die eingesetzt wird ist mMn ein schlechter Witz. 10.000 am Tag wären immer noch nicht sehr viel, da es dann 3,65 Mio im Jahr wären. Das sollte dir BRD spielend herstellen können.

Eine der wichtigsten Lehren ist mMn, dass wir günstige, einfach herzustellende Waffensysteme und vor allem Munition brauchen. Luxuslenkwaffen im Millionenbereich sind gegen teure Kampfflugzeuge absolut zu rechtfertigen und auch auf Schiffen mit ihrem beschränkten Platz machen Hochleistungswaffen durchaus Sinn. Allerdings wird die Leistungsfähigkeit, was das Treffen von Zielen angeht mit fortschreitender Technik (inkl. KI) immer günstiger. Hier brauchen wir grossindustrielle Herstellungsverfahren um grosse Mengen günstig herzustellen.
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(18.06.2025, 21:12)Quintus Fabius schrieb: Deine Einschätzung, dass Drohnen nur disruptiv wirken, dynamik und initiative zunichte machen, aber nicht einen eigenen Angriff vorbereiten können, teile ich jedoch so nicht. Nur weil dies in der Ukraine nicht gelingt, respektive die dort verwendeten Drohnentypen defensiver Natur sind, bedeutet dies nicht, dass man nicht mi anderen Drohnen und anderen Einsatzkonzepten für diese sehr wohl hochgradig mobil und offensiv wirken könnte.
In den ersten zwei Tagen der Kursk-Offensive wurden Drohnen von den Ukrainern auf diese Weise verwendet, offensiv und in Masse. Eine Riegelstellung vor Sudscha wurde mit 90 FPV binnen einer Stunde regelrecht beschmissen. Der Effekt war verheerend. Die Bilder eines ganzen Zuges gefangener Russen, die unter Bewachung auf einer Straße sitzen, stammen von diesem Gefecht.
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Ein erstaunlicher Umstand ist, dass die Ukrainer klassische ultraleichte zerlegbare Gebirgsgeschütze oft Mörsern vorziehen. Gerade im frontnäheren Bereich gelten insbesondere die alten Melara Geschütze als hervorragend und besser als konventionelle 120mm Mörser.

Hier gibt es mal einen Film zum Einsatz dieser Gebirgsgeschütze durch die Ukrainer:

https://www.youtube.com/watch?v=hQ-mOHraLF0

Mit moderner Materialforschung und den heutigen technischen Möglichkeiten wären da noch wesentlich leichtere Haubitzen mit noch mehr Leistungsfähigkeit möglich.

Andererseits stellt sich die Frage, ob dies angesichts der Möglichkeiten heutiger Drohnen überhaupt noch irgendeinen Sinn macht, und inwieweit man solche Leichtgeschütze und Mörser nicht einfach durch Drohnen ersetzt, oder durch eine leichte Raketenartillerie, was das für das Abfeuern notwendige System nochmals deutlich leichter und mobiler macht. Insbesondere könnte eine ultra-leichte Raketenartillerie die Aufgaben übernehmen, welche Drohnen nicht so gut leisten können.

Trotzdem eine interessante Nische in der Ukraine, wo solche Gebirgsgeschütze trotz (und teilweise sogar gerade eben wegen) der Drohnen immer noch im Einsatz sind.
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