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Fabian Hoffmann für 'hartpunkt' zu Arrow 3 vor dem Hintergrund des MRBM-Einsatzes durch Russland im November: ( Link) Er äußert sich vorsichtig optimistisch. Ob Arrow 3 die Oretschnik abfangen könnte, da will er sich nicht festlegen, hält es aber für möglich, dass man den Beschuss einfach ignorieren könnte, weil der Schaden verhältnismäßig gering sei und Russland vermutlich nur über wenige Raketen dieses Typs verfüge.
Ein bisschen seltsam, der Beitrag.
Dass die 9M729-Oretschnik (aus russischer Sicht) konventionell eingesetzt werden kann, heißt ja nicht, dass sie immer so eingesetzt werden wird. Die öffentlich einsehbaren Daten und Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Rakete mindestens 4 taktische Sprengköpfe im Bereich von bis zu 300 kT tragen kann. Dagegen müsste man definitiv etwas unternehmen.
Mich überrascht auch ein bisschen Hoffmanns Überraschung, dass Russland überhaupt an Mittelstreckenraketen bastelt.
Berichte über mutmaßliche russische Verstöße gegen den INF-Vertrag gab es schon in den Nullerjahren; seit der Aufkündigung des Vertrags 2019 hat Russland ganz unverblümt die Entwicklung weitergetrieben.
Insofern fand ich Arrow 3 noch nie eine seltsame Wahl, allenfalls das Timing war vielleicht bemerkenswert.
Sowohl aus physikalischen als auch aus fiskalischen Gründen sind Kurz- und Mittelstreckenraketen sehr viel besser geeignet als Interkontinentalraketen, um Europa militärisch zu bedrohen. Spätestens seit 2014 war es daher nur noch eine Frage der Zeit, bis die MRBMs zurückkehren würden.
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(31.12.2024, 05:50)muck schrieb: Fabian Hoffmann für 'hartpunkt' zu Arrow 3 vor dem Hintergrund des MRBM-Einsatzes durch Russland im November: (Link) Er äußert sich vorsichtig optimistisch. Ob Arrow 3 die Oretschnik abfangen könnte, da will er sich nicht festlegen, hält es aber für möglich, dass man den Beschuss einfach ignorieren könnte, weil der Schaden verhältnismäßig gering sei und Russland vermutlich nur über wenige Raketen dieses Typs verfüge.
Ein bisschen seltsam, der Beitrag.
Dass die 9M729-Oretschnik (aus russischer Sicht) konventionell eingesetzt werden kann, heißt ja nicht, dass sie immer so eingesetzt werden wird. Die öffentlich einsehbaren Daten und Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Rakete mindestens 4 taktische Sprengköpfe im Bereich von bis zu 300 kT tragen kann. Dagegen müsste man definitiv etwas unternehmen.
Mich überrascht auch ein bisschen Hoffmanns Überraschung, dass Russland überhaupt an Mittelstreckenraketen bastelt.
Berichte über mutmaßliche russische Verstöße gegen den INF-Vertrag gab es schon in den Nullerjahren; seit der Aufkündigung des Vertrags 2019 hat Russland ganz unverblümt die Entwicklung weitergetrieben.
Insofern fand ich Arrow 3 noch nie eine seltsame Wahl, allenfalls das Timing war vielleicht bemerkenswert.
Sowohl aus physikalischen als auch aus fiskalischen Gründen sind Kurz- und Mittelstreckenraketen sehr viel besser geeignet als Interkontinentalraketen, um Europa militärisch zu bedrohen. Spätestens seit 2014 war es daher nur noch eine Frage der Zeit, bis die MRBMs zurückkehren würden.
So richtig eindeutig ist der Beitrag ja auch nicht. Die wesentlichen Zweifel, ob Arrow 3 die Oreshnik bekämpfen kann, resultieren beim Autor aus der Fragestellung, was das höhere Apogäum und damit der steilere Eintrittswinkel bedeuten würde.
Zitat: Bei ihrem jüngsten Angriff demonstrierte Oreshnik auch die Fähigkeit, einer erhöhten Flugbahn zu folgen, was zu einem steileren Winkel und einem deutlich höheren Apogäum führt. Ermöglicht wurde dies durch die relativ geringe Entfernung zwischen dem 800 km vom Ziel entfernten Startplatz der Rakete, so dass sie einen erheblichen Teil ihrer Energie in den vertikalen Aufstieg und nicht in die horizontale Reichweite umsetzen konnte.
Anschließend relativiert er die Bedenken etwas. Der folgende Hinweis auf die immer noch große Höhe bezieht sich dann auf seine vorher getroffene Feststellung, dass Arrow 3 gegen MRBM/IMRBM mit Reichweiten bis ca. 3.000 km entwickelt wurde.
Zitat:Würde Oreshnik Ziele tiefer in Mittel- oder Westeuropa, auch in Deutschland, treffen, würde die Rakete eine flachere Flugbahn verfolgen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich der Flugkörper aus größeren Höhen nähern würde als die, für die Arrow 3 optimiert ist.
Zitat: Arrow 3 wurde ursprünglich zur Abwehr von ballistischen Mittelstreckenraketen entwickelt, die typischerweise vom Iran und seinen nichtstaatlichen Verbündeten in der Region abgeschossen werden und eine Reichweite von etwa 2.000 bis 3.000 km haben. Die maximale Reichweite von Oreshnik ist wahrscheinlich um einiges höher – möglicherweise 5.000 km oder mehr –, vor allem wenn die Rakete mit einer reduzierten Nutzlast ausgestattet ist.
Man darf m.E. zu dem Schluss kommen, dass auch der Autor nicht so ganz weiß, ob ein Abfangen (gut) möglich ist oder nicht. Ich wüsste nicht, welches Waffensystem besser geeignet wäre, die Oreshnik oder vergleichbare Bedrohungen abzuwehren. Der Hinweis auf die Entwicklung einer Mittelstreckenversion der Iskander-M belegt m.E. die Sinnhaftigkeit der Anschaffung. Entscheidend dürfte hier wieder sein, welche Anzahl an Arrow 3 LFK beschafft wurden. Die vermuteten 150 - 250 wären ja mal ein Anfang. Ich hatte auf 24 je Batterie gewettet…
Was die angesprochene Problematik der Detektion hoch und steil reinkommender Gefechtsköpfe anbelangt, darf man m.E. nicht vergessen, dass wir bis 2030 drei Super Green Pine im Norden, Süden und Osten haben werden, die auch noch durch weitere BMD-fähige Senosren unterstützt werden. Die jeweiligen Winkel- und Höhenabdeckungen unterscheiden sich, was zu einer breiteren Detektionsmöglichkeit führen müsste.
Zur grundsätzlichen Anpassungsfähigkeit des Arrow 3 Systems hier noch ein erfreulicher Artikel bei cpm:
https://defence-network.com/luftverteidi...e-vertrag/
Man hat also sehr schnell eine Antwort auf die manövrierfähigen Gefechtsköpfe der iranischen MRBM gefunden.
Was mir weiterhin fehlt, ist ein Effektor zwischen Patriot und Arrow 3. Letztlich also THAAD oder Arrow 2.
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Zitat:Ich wüsste nicht, welches Waffensystem besser geeignet wäre, die Oreshnik oder vergleichbare Bedrohungen abzuwehren.
Die simpelste und frustrierendste Antwort ist, dass es weiterhin keine quantitativ ueberzeugende Abfangmoeglichkeit fuer MIRV-Systeme gibt und alles, was diesbezueglich relevant waere, bleibt eine theoretische oder entwicklungstechnische Angelegenheit.
Man muss sich dann fragen, was die Szenarien sein sollen, in denen Russland einen begrenzten Schlag androht, und sich dann damit begnuegt, so dass uns nicht die Abfangflugkoerper ausgehen.
Die bisher "beste" praktikable Alternative ist, derartige Systeme vor Abtrennung der Gefechtskoepfe abzufangen, das ist das, was SM-3 Blk IIA und GBI tun, bzw im Idealfall ermoeglichen.
MKV war bisher m.E. das interessanteste Vorhaben, um auch MIRVs nach Trennung bekaempfen zu koennen.
Eine relativ logische Variante bleibt weiterhin die Abschreckung durch Kontern derartiger Bedrohungen mit eigenen offensiven Systemen. Wie und ob man das in Europa irgendwann ernsthaft hinbekommt, sei dahingestellt.
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(03.01.2025, 16:12)Turin schrieb: Die simpelste und frustrierendste Antwort ist, dass es weiterhin keine quantitativ ueberzeugende Abfangmoeglichkeit fuer MIRV-Systeme gibt und alles, was diesbezueglich relevant waere, bleibt eine theoretische oder entwicklungstechnische Angelegenheit.
Man muss sich dann fragen, was die Szenarien sein sollen, in denen Russland einen begrenzten Schlag androht, und sich dann damit begnuegt, so dass uns nicht die Abfangflugkoerper ausgehen.
Die bisher "beste" praktikable Alternative ist, derartige Systeme vor Abtrennung der Gefechtskoepfe abzufangen, das ist das, was SM-3 Blk IIA und GBI tun, bzw im Idealfall ermoeglichen.
MKV war bisher m.E. das interessanteste Vorhaben, um auch MIRVs nach Trennung bekaempfen zu koennen.
Eine relativ logische Variante bleibt weiterhin die Abschreckung durch Kontern derartiger Bedrohungen mit eigenen offensiven Systemen. Wie und ob man das in Europa irgendwann ernsthaft hinbekommt, sei dahingestellt.
Ich stimme Dir uneingeschränkt zu. Meine Aussage bezieht sich einfach auf die Ausgangslage: Wenn man sich trotz der definitiv entscheidenden Problematik einer (eher wahrscheinlichen) Saturierung dazu entscheidet, in dieser Größenklasse eine Abfangschicht aufzubauen, dann ist Arrow 3 m.E. die beste Wahl. SM-3 Blk. IIA ist schon wieder eine andere Liga, GBI ein anderes Universum.
Und dem Schluss, der Bedrohung eine Abschreckung entgegen zu setzen, stimme ich zu. Ich sehe hier ein wunderbares Beispiel und einen Beleg der Notwendigkeit, eine wirkungsvolle und durchhaltefähige Deep-Precision-Strike-Fähigkeit in Europa aufzubauen. Und wenn das am Ende nur dazu führt, dass aus deutlich größerer Distanz gefeuert werden muss, was die Abfangmöglichkeiten erhöhen würde…
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(03.01.2025, 16:12)Turin schrieb: Man muss sich dann fragen, was die Szenarien sein sollen, in denen Russland einen begrenzten Schlag androht, und sich dann damit begnuegt, so dass uns nicht die Abfangflugkoerper ausgehen.
? Liegt doch auf der Hand. Putin droht doch jede Woche damit. Ganz simples Vergeltungs-Szenario. "Wenn mit Taurus Ziele in Russland angegriffen werden, dann => begrenzter Schlag" .... klar ist das so momentan nicht realistisch zu erwarten, aber das ist das Prinzip, das in der Zukunft schon mal Anwendung finden kann. Genauso wie der Iran begrenzte Luftschläge gegen Israel fliegt - nicht um damit Israel zu schaden, schon gar nicht um zu eskalieren, sondern rein aus innenpolitischen Motiven heraus.
(04.01.2025, 15:00)DorJur schrieb: Und dem Schluss, der Bedrohung eine Abschreckung entgegen zu setzen, stimme ich zu. Ich sehe hier ein wunderbares Beispiel und einen Beleg der Notwendigkeit, eine wirkungsvolle und durchhaltefähige Deep-Precision-Strike-Fähigkeit in Europa aufzubauen. Und wenn das am Ende nur dazu führt, dass aus deutlich größerer Distanz gefeuert werden muss, was die Abfangmöglichkeiten erhöhen würde…
Ja, ich kann dem Gedanken folgen, problematisch sehe ich hierbei die Einsatz-Doktrin. Eine solche Fähigkeit kann deeskalierend wirken, sie kann deeskalierend eingesetzt werden, sie kann aber auch sehr leicht eskalierend eingesetzt werden. Eben Beispiel begrenzter Schlag ...
ohne Deep-Precision-Strike-Fähigkeit: Russland führt einen aus, wir wehren ihn mehr oder weniger ab .... wenn wir keine "Deep-Precision-Strike-Fähigkeit" haben, dann ist der Kuchen nach ein paar wütenden Worten gegessen. Wir haben weder das Interesse noch die Fähigkeit zu eskalieren.
mit Deep-Precision-Strike-Fähigkeit: Russland führt einen aus, wir wehren ihn mehr oder weniger ab .... und spätestens dann haben wir selbstverständlich die politische Diskussion "wozu haben wir die Deep-Precision-Strike-Fähigkeit, wenn wir sie nicht einsetzen?". Der Einsatz würde in diesem speziellen Fall jedoch (sofern es nicht bei einem symbolischen Pillepalle-Einsatz bleibt) ohne Zweifel eskalierend wirken, und das überlebt dann auf der Nordhalbkugel keiner lange.
Oder Beispiel Erstschlag: Genau dafür wäre die Deep-Precision-Strike-Fähigkeit prädestiniert, um irgendeinem begrenzten oder unbegrenzten Schlag zuvorzukommen. Das würde allerdings wahrscheinlich eine Eskalation provozieren, in der es keine Gewinner gibt.
Potentiell deeskalierend im Einsatz sehe ich eine solche Fähigkeit nur zur Durchführung eines Enthauptungsschlags ..... aber das wird man so kaum an die große Glocke hängen wollen. Also muss man andere Verwendungszwecke vorschieben, denn wir leben ja in einer Demokratie, da muss man alles öffentlich begründen, und mit vorgeschobenen Verwendungszwecken weckt man wieder Erwartungen, die man gar nicht erfüllen will ......
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(08.01.2025, 04:43)LieberTee schrieb: ? Liegt doch auf der Hand. Putin droht doch jede Woche damit. Ganz simples Vergeltungs-Szenario. "Wenn mit Taurus Ziele in Russland angegriffen werden, dann => begrenzter Schlag" .... klar ist das so momentan nicht realistisch zu erwarten, aber das ist das Prinzip, das in der Zukunft schon mal Anwendung finden kann. Genauso wie der Iran begrenzte Luftschläge gegen Israel fliegt - nicht um damit Israel zu schaden, schon gar nicht um zu eskalieren, sondern rein aus innenpolitischen Motiven heraus.
Ja, ich kann dem Gedanken folgen, problematisch sehe ich hierbei die Einsatz-Doktrin. Eine solche Fähigkeit kann deeskalierend wirken, sie kann deeskalierend eingesetzt werden, sie kann aber auch sehr leicht eskalierend eingesetzt werden. Eben Beispiel begrenzter Schlag ...
ohne Deep-Precision-Strike-Fähigkeit: Russland führt einen aus, wir wehren ihn mehr oder weniger ab .... wenn wir keine "Deep-Precision-Strike-Fähigkeit" haben, dann ist der Kuchen nach ein paar wütenden Worten gegessen. Wir haben weder das Interesse noch die Fähigkeit zu eskalieren.
mit Deep-Precision-Strike-Fähigkeit: Russland führt einen aus, wir wehren ihn mehr oder weniger ab .... und spätestens dann haben wir selbstverständlich die politische Diskussion "wozu haben wir die Deep-Precision-Strike-Fähigkeit, wenn wir sie nicht einsetzen?". Der Einsatz würde in diesem speziellen Fall jedoch (sofern es nicht bei einem symbolischen Pillepalle-Einsatz bleibt) ohne Zweifel eskalierend wirken, und das überlebt dann auf der Nordhalbkugel keiner lange.
Oder Beispiel Erstschlag: Genau dafür wäre die Deep-Precision-Strike-Fähigkeit prädestiniert, um irgendeinem begrenzten oder unbegrenzten Schlag zuvorzukommen. Das würde allerdings wahrscheinlich eine Eskalation provozieren, in der es keine Gewinner gibt.
Potentiell deeskalierend im Einsatz sehe ich eine solche Fähigkeit nur zur Durchführung eines Enthauptungsschlags ..... aber das wird man so kaum an die große Glocke hängen wollen. Also muss man andere Verwendungszwecke vorschieben, denn wir leben ja in einer Demokratie, da muss man alles öffentlich begründen, und mit vorgeschobenen Verwendungszwecken weckt man wieder Erwartungen, die man gar nicht erfüllen will ......
Du beschreibst zutreffend das ganze Dilemma. Ich sehe das so, dass bei einem begrenzten Angriff Russlands in „unsere Richtung“, die Fähigkeiten des Arrow 3 Systems ausreichen sollten, ggf. im Verbund mit anderen Abfangschichten, um das Schlimmste abzuwenden/abzufangen. In diesem Szenario wird sich Russland auch nicht von einer deutschen/europäischen (konventionellen) Antwortmöglichkeit abschrecken lassen. Und ob eine solche Antwort erfolgen würde…??? Wir sind hier immer noch in Deutschland ;-) also eher nicht.
Unter dem Gesichtspunkt einer sich entwickelnden Konfrontation, die über einen symbolischen Schlagabtausch hinausgeht, glaube ich aber schon, dass solche deep-precision-strike-Fähigkeiten Einfluss auf strategische und taktische Entscheidungen und Einsatzmöglichkeiten der Russen haben werden. Ist natürlich alles hypothetisch…
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