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@Quintus
Zitat:Deshalb war es ja durchgehend das japanische Bestreben, die feindliche Flotte so schnell wie möglich gleich zu Beginn des Krieges auszuschalten.
Jein, die feindliche Schlachtflotte, aber komischerweise nicht an erster Stelle die feindlichen Flugzeugträger, obgleich man selbst die Schlagkraft dieser neuen Waffe unter Beweis gestellt und vermutlich zu Kriegsbeginn die besttrainierte Trägerluftwaffe der Welt hatte. Wobei man dazu sagen muss, dass man die Ausbildung der ersten Garnitur von Trägerpiloten in Japan unter teils brutalsten Umständen durchgezogen hat (bei manchen Nacht- ja gar Sturmlandeübungen kamen bis zu 25% der Auszubildenden um, was aber seitens der Ausbilder in Kauf genommen wurde).
Zitat:Nach Einführung von Kampfpanzern in die IJA gab es zudem sogenannte selbstständige Kavallerie-Panzer Einheiten (mit 350 Mann und insgesamt 26 leichten Kampfpanzern) die mit besonders leichten und besonders schnellen Panzern ausgerüstet waren und die aus Kavallerie-Einheiten rekrutiert wurden bzw der Kavallerie oder den Aufklärungs-Regimentern zugeordnet wurden.
Im weiteren wurden auch sogenannte selbstständige Kavallerie-Panzerabwehr Einheiten aufgestellt (mit 140 Mann und sechs leichten PaK).
Das ist i. d. T. ein sehr interessanter Punkt. Ich mache häufiger die Beobachtung, dass in deutsch- oder englischsprachigen Publikationen die "geringe Feuerkraft" der japanischen Infanterie gerne etwas überheblich bemängelt wurde und wird. Natürlich gab es Schwächen (etwa bei den Maschinenpistolen), aber im Grundsatz war die japanische Infanterie eine sehr auf Mobilität und Schnelligkeit getrimmte Truppe. Und dabei gab es - in der Anfangsphase des Zweiten Weltkrieges und vor allem auch im Krieg gegen China - einige sehr gute Ausrüstungsgegenstände hinsichtlich der Beweglichkeit. Etwa die 70-mm-Kanone Typ 92 (eine etwas anachronistisch aussehende Infanterieunterstützungs-Waffe, die aber nur 212 kg wog und die von drei, vier Mann rasch bewegt werden konnte [ohne Zugmaschine, versteht sich]) oder auch diverse leichte Mörser (z. B. der Ein-Mann-Mörser Typ 89 mit Kaliber 50 mm, der - fälschlicherweise als "Kniemörser" bezeichnet - bei den US-Truppen für einige Verstümmelungen sorgte, weil diese glaubten, man könne ihn vom Knie/Oberschenkel aus abfeuern). Auch die japanische leichte 47-mm-Pak Typ 1, die quasi jeden leichteren alliierten Panzer zerstören konnte (erst mit dem Erscheinen des M4 "Sherman" wurde die Kanone allmählich obsolet), erfüllte anfangs voll ihren Zweck und war relativ schnell im Positionswechsel. Diese Grundintention der Beweglichkeit spiegelte sich auch im Gewehr der japanischen Armee, dem Arisaka Typ 38/99 (6,5 mm bzw. 7,7 mm Kaliber). Obgleich diese eher feuerschwache Waffe (bedingt durch die leistungsschwache Patrone) recht lang war, war sie vergleichsweise leicht (unter 4 kg), was wiederum der Mobilität entgegenkam. Die Länge der Waffe wurde ferner deswegen bevorzugt und auch durchaus gewünscht, weil dies - in Kombination mit einem Bajonett Typ 30 - den eher kleinwüchsigen japanischen Soldaten einen gewissen Reichweitenvorteil beim Sturmangriff mit zu erwartendem Nahkampf gab (immerhin war die mit Bajonett ausgestatte Waffe rund 30 cm länger als ein mit Bajonett versehenes Gewehr K98).
Insofern: Es geht bei den Bildern z. B. aus der amerikanischen Marianen-Offensive von 1944, wo US-Flammenwerferpanzer und massive Jabo-Schläge japanische Stellungen auf Saipan und Co. ausheben und wo Unmengen von MG-, Bomben- und Artilleriemunition verschossen wurden, was eine mögliche Grundsatzunterlegenheit der japanischen Armee in jeder Lage suggeriert, etwas unter, dass die japanische Infanterie eine sehr mobile und leichte, ausreichend bewaffnete Truppe war, die über einige sehr gute und ihrer Ausrichtung entsprechende Waffensysteme verfügte.
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Zitat:die feindliche Schlachtflotte, aber komischerweise nicht an erster Stelle die feindlichen Flugzeugträger,
Auch wenn wir vom Zeitpunkt her noch deutlich früher sind: man wollte im WK2 durchaus die feindlichen Träger im Erstschlag erwischen. Dass einfache Problem war nur, dass diese entgegen der japanischen Annahmen nicht in Pearl Harbour waren. Auch die Schlacht von Midway zielte ja primär auf die US Träger - auch wenn dass ganze zu einer vernichtenden Niederlage für die japanischen Träger wurde.
Zitat:Wobei man dazu sagen muss, dass man die Ausbildung der ersten Garnitur von Trägerpiloten in Japan unter teils brutalsten Umständen durchgezogen hat
Die brutalen Umstände in der Ausbildung galten in allen Bereichen der japanischen Streitkräfte und dies durchgehend von Beginn an. Schon bei der Gründung der IJA versuchte man durch überzogene Härte die Truppen unter Kontrolle zu halten und ihre Kampfkraft gegenüber den numerisch überlegenen Feinden zu erhöhen. Der Beginn dieser extremen Härte in der Ausbildung und Führung war die Militärkultur der Milizen der Choshu die eben von ultrabrutalen, besonders radikalen Kriegern begründet und geführt wurden die ihre eigenen Vorstellungen auf die Armee übertrugen.
Die IJN war übrigens noch ein Waisenknabe im Vergleich zur IJA, deren Ausbildung die härteste war, die jemals Wehrpflichtige erhalten haben. Selbst wenn man alles richtig machte, waren Schläge an der Tagesordnung. Übungen wurden mit scharfer Munition durchgeführt, Gesundheit und Leben der Wehrpflichtige galten nichts.
Zitat:Natürlich gab es Schwächen (etwa bei den Maschinenpistolen),
MPs hatten auch deshalb bei der IJA keine Priorität, weil man leichten Maschinengewehren den Vorzug gab und man für MPs eine andere Munition benötigte während MG und Gewehre die gleiche Munition verfeuerten. Die Japaner legten einen großen Wert auf eine weitgehende Standardisierung - beispielsweise erfolgte daher der Wechsel von 6,5mm auf 7,7mm immer für eine komplette Division auf einmal aus dem gleichen Grund.
Deshalb entwickelte man beispielsweise für die Fallschirmjäger in zwei Teile zerlegbare Gewehre statt ihnen MPs auszugeben. Damit wiederum lMG und Gewehre die gleiche Munition verwendeten.
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/2.JPG]
Zitat:dem Arisaka Typ 38/99 (6,5 mm bzw. 7,7 mm Kaliber). Obgleich diese eher feuerschwache Waffe (bedingt durch die leistungsschwache Patrone)
So leistungsschwach war die gar nicht. Die IJA war eigentlich die Avantgarde was kleinere Kaliber angeht. Die hatten schon beim Murata Gewehr 8mm Kaliber als alle Welt noch 11mm aufwärts verwendete. Und als die anderen auf um die 8mm runter gingen wechselte man bereits auf 6,5mm.
Primär mit der Begründung, dass dann jeder Soldat mehr Munition bei gleichem Gewicht tragen kann und der geringere Rückstoß ein schnelleres präzises Feuer ermöglicht. Die IJA setzte einen hohen Wert auf schnelles Feuer, es gab sogar jede Menge spezielle Repetierdrills um die Feuergeschwindigkeit zu erhöhen. Das basierte vor allem auf den Erfahrungen des ersten chinesisch-japanischen Krieges, in dem die höhere Feuergeschwindigkeit in den meisten Kämpfen den Ausschlag gegeben hatte. Die Gründe warum man auf die 7,7mm für alle Waffen wechselte waren:
1 dass die 6,5mm in den MGs zu einer höheren Anzahl von Ladehemmungen führte und die stärkere Patrone machte die MGs bei gleichem Design extrem zuverlässig (wegen des höheren Gasdrucks) und
2 erhöhte es die effektive Reichweite der MG. Diese Erhöhung der Reichweite der MG war ein Resultat der Erfahrungen der Kämpfe in China wo man oft auf viel größere durchschnittliche Entfernungen als die IJA es 1936 angenommen hatte wirken musste.
3 Das 7,7mm Kaliber wurde bereits von den SMG und Fliegerabwehr-MG (diese wurden auch of in einer Bodenrolle eingesetzt) verwendet und hatte sich bei diesen sehr bewährt.
Die häufig zu lesende Behauptung, die 6,5mm Arisaka sei zu schwach gewesen, insbesondere im Vergleich zu den chinesischen 98k (8mm Mauser) ist falsch. Insbesondere die Behauptung bei Wikipedia, man sei auf die 7,7mm gekommen nachdem man in China die 98er im Einsatz gegen sich gehabt habe. Die Wahrheit ist, dass die feindliche Bewaffnung hier gar keine Rolle gespielt hat. Und die 7,7mm gab es schon Jahrelang vor dem Krieg gegen China, bereits ab 1932 als Standard in allen SMG und Fliegerabwehr-MG.
Die Behauptung, die 6,5mm sei zu schwach basiert zudem in Wahrheit auf einem Nichtverständnis eines besonderen japanischen Konzeptes mit der 6,5mm Munition ab 1932 rum: diese wurde nämlich auch mit einer deutlich reduzierten Treibladung produziert weil die IJA von viel kürzeren Kampfentfernungen ausging (Schwerpunkt auf Nahkampf und Nachtkampf), und um damit tagsüber das Mündungsfeuer der Waffen drastisch zu reduzieren um damit die eigene Position zu tarnen. Darüber hinaus konnte man mit dieser reduzierten Treibladung noch schneller schießen (weniger Rückstoß), und die Patrone wog weniger (mehr Patronen bei gleichem Gewicht) und war in der Herstellung günstiger (weniger Treibladung).
Auch die lMG verwendeten diese schwächere Ausführung der 6,5mm da diese wesentlich weniger Rückstoß hatte und die lMG damit viel präziser schoßen (auf Kosten der Reichweite und der Zuverlässigkeit). Die japanische Doktrin bezüglich MG legte aber zu Kriegsbeginn mehr Wert auf Präzision auf kurze Distanzen als auf Feuervolumen und Reichweite. Dies änderte sich dann aufgrund der Kriegserfahrungen drastisch und man wollte Waffen die auch bei langandauerndem Feuer keinerlei Störungen aufwiesen und die eine höhere effektive Reichweite hatten.
Mit Mannstoppwirkung oder einer zu schwachen Leistung der 6,5mm per se hatte das also nichts zu tun. Die schwache Leistung der 6,5mm in vielen Kämpfen basierte eben nicht auf dem Kaliber sondern auf einer reduzierten Treibladung. Es ging bei der 7,7mm um eine Erhöhug der Zuverlässigkeit der MG, eine dadurch mögliche höhere Feuerdichte auf größere Distanzen (auf Kosten der Präzision) und dass größere Kaliber war in China ab 1939 auch eine Anpassung an die zunehmende Verteidigung (in China) während die kleineren Kaliber zuvor eine Anpassung an die ständige weit ausgreifende Offensive und die Doktrin des Kampfes auf kurze Distanzen gewesen waren. Und in der Verteidigung spielt dann auch das Gewicht der mitgeführten Patronen nicht mehr so eine große Rolle, da dann ja eine Mun-Kiste neben dem Schützen stehen kann.
Auch die Typ 99 Gewehre wurden in Folge der Kriegserfahrungen konsequent noch extremer als jedes Modell vorher auf besondere Robustheit selbst bei extremer Verdreckung und extremsten Belastungen hin konstruiert. Die Typ 99 Gewehre sind vermutlich bis heute die robustesten zähesten Repetiergewehre die je gebaut wurden. Das Gewehr von Hiroo Onoda funktionierte beispielsweise selbst 1974 immer noch ohne jede Störung. Chinesiche Truppen setzten japanische Waffen zudem noch im Koreakrieg in größeren Zahlen ein.
Zitat:was eine mögliche Grundsatzunterlegenheit der japanischen Armee in jeder Lage suggeriert, etwas unter, dass die japanische Infanterie eine sehr mobile und leichte, ausreichend bewaffnete Truppe war, die über einige sehr gute und ihrer Ausrichtung entsprechende Waffensysteme verfügte.
Rein von der Infanterie her war die durchschnittliche Feuerkraft sogar überlegen, dazu kam noch die Überlegenheit was Ausbildung, Taktik und Moral der Infanterie angeht. Die IJA war allerdings bis zum Schuß eine extrem Infanterielastige Armee und unterlag daher im Gefecht der verbundenen Waffen dem Verbund der US-Waffensysteme. Die IJA spezialisierte sich derart auf die Infanterie weil ihr aufgrund kriegswirtschaftlicher Gründe eine vollständige Rüstung in allen Bereichen nicht bzw nicht in ausreichender Menge für die gestellten Aufgaben möglich war.
Die IJA war sogar eine der ersten Armeen, welche Verbände speziell für das Gefecht der verbundenen Waffen aufstellte - die sogenannte 1 Gemischte Selbstständige Brigade (mech)
Trotz der herausragenden Erfolge dieser Einheit schon 1936 in China konnte die IJA sich aufgrund der Belastung durch den Krieg nicht mehr modernisieren obwohl es dafür schon 1936 ehrgeizige Pläne gab.
Die Wirtschaft Japans war aber nicht in der Lage, diese Pläne umzusetzen und zugleich den Bedarf der IJA im Krieg zu decken. Daher versuchte die IJA durch eine Überspezialisierung auf Infanterietaktik und ihr spezielle Doktrin die materiellen Defizite auszugleichen.
Zum Kriegsende hin hatte man dann allerdings auch schwere Waffen produziert, konnte diese jedoch aufgrund der US U-Boote und des Verlust der Seewege nicht mehr an die Front bringen und hortete diese daher in Japan für die Endschlacht die dann ausfiel.
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/chi-nu.JPG]
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/chi-to.jpg]
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/Na-To.JPG]
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/Short12cmTank.jpg]
Hochinteressant ist auch der Umstand, dass japanische Ingenieure für die Massen von leichten Infanteriegeschützen und Gebirgsgeschützen schon sehr früh Hohlladungsmunition zur Panzerbekämpfung entwickelte -, diese aber bis zum Kriegsende nicht hergestellt und nicht eingesetzt wurde und erst 45 die Produktion forciert wurde, obwohl die Technologie schon sehr früh verfügbar gewesen wäre. Diese Hohlladungsmunition hätte so manche Schlacht anders ausgehen lassen. Auch Panzerfäuste wurden ab 43 bereits massenweise produziert, eingelagert und nie eingesetzt:
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/r1.jpg]
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/r7.jpg]
Desweiteren hatten die Japaner als erste überhaupt durch Funk fernlenkbare Mini-Panzer mit einer starken Sprengladung im Inneren. Davon wurden bereits 1937 mehr als 300 Stück produziert. Die Deutschen führten den Goliath bei der Truppe erst ab 1942 ein.
[Bild: http://www3.plala.or.jp/takihome/i-go-2.JPG]
Im Prinzip hatte Japan die Technologie und die Führung der IJA wollte bereits 1935 die IJA weitgehend mechanisieren, aber es war eben wirtschaftlich unmöglich zugleich einen großen Krieg zu führen und auch nur Teile der numerisch gewaltigen Armee zu modernisieren. Man machte daher aus der Not eine Tugend und versuchte durch Fanatismus das fehlende Material zu ersetzen.
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Zitat:Trotz der herausragenden Erfolge dieser Einheit schon 1936 in China konnte die IJA sich aufgrund der Belastung durch den Krieg nicht mehr modernisieren obwohl es dafür schon 1936 ehrgeizige Pläne gab.
Was ich in diesem Zusammenhang auch interessant finde, ist die sog. Schlacht am Khalkhin Gol, die zwar letztlich in einem sowjetischen Sieg endete, jedoch konnten die Japaner in der Anfangsphase mit ihrem 1. Panzerkorps, wenngleich dieses Korps zahlenmäßig kleiner war als ein vergleichbares europäisches, mit ca. 70 bis 80 Tanks (darunter auch die damals durchaus sehr fortschrittlichen Typ-97-Panzer), die Russen zunächst zurückdrängen und deren Linien durchstoßen. Allerdings hat man den Sieg danach nicht ausnutzen können bzw. ausgenutzt, weil der Kampfverbund nicht zustande kam.
Zitat: Auch Panzerfäuste wurden ab 43 bereits massenweise produziert, eingelagert und nie eingesetzt:
Wegen der Bilder: Der Chi-Ha und der Chi-Nu, deren Derivate bzw. Weiterentwicklungen waren mir geläufig. In der Tat gab es da einige sehr fortschrittliche und auch gut bewaffnete Modelle, die vom "Tanketten-Faible" doch deutlich abwichen. Allerdings kannte ich die Details und vor allem die Bilder zu den Panzerabwehrwaffen und zum Sprengpanzer nicht. Danke dir insofern für die Infos. Aber ich habe eine Frage zu den Panzerfäusten: Sind dies - nach japanischer Definition - nun Panzerfäuste bzw. "Bazookas" oder eher rückstoßfreie Leichtgeschütze mit Hohlladungsgeschossen (wegen der Heckpartie vermute ich letzteres)? Mich würde interessieren, wie die Japaner diese Systeme rein technisch klassifizierten.
Schneemann.
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Zu Schlacht bei Nomonhan (so die japanische Bezeichnung) werde ich später mal noch ausführlich was schreiben, da dies eigentlich eine der entscheidenden Schlachten des WK2 war und trotzdem so gut wie unbekannt ist.
Zitat:jedoch konnten die Japaner in der Anfangsphase mit ihrem 1. Panzerkorps, wenngleich dieses Korps zahlenmäßig kleiner war als ein vergleichbares europäisches, mit ca. 70 bis 80 Tanks
Genau genommen handelte es sich nicht um ein Panzerkorps, sondern um einen der typischen japanischen gemischten Großverbände (Gemischte Selbstständige Brigade bzw. Kampfgruppe) die aus einigen dafür abgestellten Einheiten aus Divisionen und diversen selbstständigen Einheiten zusammen gewürfelt wurden.
Die Panzer waren hier in der Anfangsphase der sogenannten Yasuoka Kampfgruppe unterstellt, die aus dem 64 Infanterie-Regiment (-1 Bataillon) (23 Infanterie-Division) / dem 3 und 4 selbstständigen Panzer-Regiment (zusammen gesamt exakt 73 Panzer) / dem 2 Bataillon des 28 Infanterie-Regiment (eine Eliteinfanterie-Einheit, eine der besten der IJA) (7 Infanterie-Division) / dem 2 Bataillon des 13 selbstständigen Feld-Artillerie-Regiment / und dem 24 selbstständigen Pionier-Regiment (stärkemäßig allerdings deutlich unter TOE) bestand.
Das 64 Regiment hatte schon in der Gegend gegen die Sowjets gekämpft und kannte das Terrain. Zudem hatte die Einheit bei diesen ersten Kämpfen hohe Verluste erlitten und sollte dies nun "wieder gut machen". Das 3 und 4 Panzer-Regiment wurden wegen ihres höheren Anteils älterer, robusterer Panzer-Modelle ausgesucht, das 2 Bataillon 28 Regiment sollte die rechte Flanke sichern und Aufklärung nach vorne betreiben, die sehr leichte Feldartillerie möglichst weit vorne direkt hinter den Panzern mitziehen (um so reaktionsgeschwindigkeit und präzision zu erhöhen) und die Pioniere den Panzern den Weg über Hindernisse bahnen.
Die beiden Panzer-Regimenter waren zudem auch deshalb im Schnitt eher mit älteren Panzermodellen ausgestattet weil man aufgrund der ersten Kämpfe (in denen die Sowjetpanzer wegen leckender Benzintanks/Leitungen extrem schnell in Flammen aufgingen) die sowjetischen Panzer als sehr schwach einschätzte und weil die älteren japanischen Panzer-Modelle als wartungsärmer und robuster galten und die Gegend in der die Schlacht stattfand als Wildnisgebiet klassifiziert wurde.
In vielen Büchern, insbesonder der englischsprachigen Literatur wird diese Kampfgruppe eben oft als 1 Panzer-Korps bezeichnet (oder 1st Tank Corps wie auf Wikipedia), tatsächlich aber wurde die Einheit nur Yasuoka-Kampfgruppe genannt.
Es gab zu dieser Zeit in der IJA noch nicht mal Panzer-Divisionen und selbstständige Panzer-Regimenter waren schon die größten Panzer-Einheiten. Die Behauptung, es habe japanische Panzerkorps gegeben basiert auf einer Fehlübersetzung des Begriffs: Senshadan. Eine Senshadan war eine Verwaltungseinheit in der mehrere selbstständige (sic) Regimenter aus Gründen der Ausbildung, Logistik und Führung zusammen gefasst wurden, aber keine Kampfeinheit.
Eine solche Senshadan bestand dabei immer aus 3 Panzer-Regimentern und entsprechenden Versorgungseinheiten. Die Einheit hatte dabei wie gesagt nur administrative Funktionen und gab ihre Kampfeinheiten dann für entsprechend jeweils neu gebildete Gemischte Brigaden oder Kampfgruppen ab.
Die Senshadan wurden 1938 bis 1940 gebildet und schließlich 1942 aufgegeben und an ihrer Stelle Panzer-Divisionen (Sensha Shidan) aufgestellt. Eine Panzer-Brigade wurde demgegenüber Sensha Ryodan genannt. Davon gab es auch eine ganze Reihe sogenannter selbstständiger Panzer-Brigaden.
Fast alle Panzer-Großverbände der Japaner kämpften in China oder zum Teil auch gar nicht und wurden dann 44 bis 45 nach Japan für die Verteidigung heimgeholt wo sie bis zur Kapitulation intakt blieben (mit Ausnahme der 2 Panzer-Division die auf den Phillipinen unterging, aber vorher schon so viele ihrer Untereinheiten für andere Kampfgruppen im Pazifik hatte abgeben müssen, dass kaum noch etwas von ihr übrig war).
Aufgrund der Kampfgruppen-Mentalität wurden zudem bis zum Schluß weiter selbstständige Panzerkompanien, -bataillone, -regimenter aufgestellt wobei auch hier der Schwerpunkt in China bzw bei der Heimatverteidigung lag die dann nicht stattfand.
Zitat:Aber ich habe eine Frage zu den Panzerfäusten: Sind dies - nach japanischer Definition - nun Panzerfäuste bzw. "Bazookas" oder eher rückstoßfreie Leichtgeschütze mit Hohlladungsgeschossen (wegen der Heckpartie vermute ich letzteres)? Mich würde interessieren, wie die Japaner diese Systeme rein technisch klassifizierten.
Die wurden als rückstoßfreie Leichtgeschütze klassifiziert (vergleichbar dem Modell 11). Ein primärer Kritikpunkt der Führung der IJA war, dass diese Systeme nicht multirollenfähig waren, etwas worauf die IJA sehr großen Wert legte bei "Geschützen" aller Art. Deshalb wurden diese Waffen nicht forciert. Beispielsweise wurden die von uns ganz klar als PaK klassifizierten 3,7cm und 4,7cm Kanonen (Model 94 und Model 1) von der IJA selbst als sogenannte "Infanterie - Schnellfeuergeschütze" verstanden und sollten gleichberechtigt eben nicht nur gegen Panzer, sondern mit HE Munition auch gegen feindliche Infanterie wirken. Sie wurden sogar offiziell so benannt: Infanterie Schnellfeuergeschütz.
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Die Folgen des Krieges
Die Eroberung Taiwans
Obwohl im Friedenvertrag mit China die Insel Taiwan Japan zugesprochen wurde, standen nach Friedensschluß immer noch Truppen der Qing Dynstie auf der Insel. Am 25 Mai 1895 erklärten die Einwohner von Taiwan zudem ihre Unabhängigkeit und es brach auf der gesamten Insel ein Aufstand sowohl gegen die verbliebenen Truppen der Qing als auch gegen erste japanische Vorauskommandos aus. Der Aufstand war von langer Hand vorbereitet worden und die Aufständischen verfügten über mehr als 50 000 Mann unter Waffen.
Aufgrund der schwierigen militärischen Lage wurde in einer ad hoc Operation die Kaiserliche Garde Division bereits am 26 Mai 1895 nach Taiwan entsandt, wobei die Landung der ersten Regimenter dieses Eliteverbandes bereits am 29 Mai in Nord-Taiwan anlandeten. Ein erster Vorstoß gegen verbliebene Truppen der Qing in dieser Gegend endete mit der kampflosen Kapitulation der in Nord-Taiwan verbliebenen 9000 chinesischen Soldaten. Am 02 Juni war bereit Taipei unter japanischer Kontrolle und die 2 Division der IJA wurde nach Taiwan verlegt. Die beiden Divisionen verfügten zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich über Kampftruppen, so dass für die Versorgung um die 26 000 zivile Arbeitnehmer angeheuert wurden.
Die beiden japanischen Divisionen gingen mit extremer Härte und Geschwindigkeit gegen die Aufständischen vor. Zehntausende Zivilisten wurden schon im ersten Ansturm auf die Stellungen der Aufständischen getötet, unterschiedslos bewaffnete Kämpfer, Frauen und Kinder nieder gemacht. Der Versuch der Aufständischen zu einem Guerilla-Krieg umzuschwenken scheiterte an der sehr hohen Operationsgeschwindigkeit der beiden japanischen Divisionen und den ununterbrochenen Angriffen der Japaner welche keine Reorganisation zuließen. Die Japaner verloren bei den Kämpfen selbst nur wenige Soldaten. Nur um die 700 Japaner fielen im Kampf. Umgekehrt starben während der außerordentlich brutalen Niederkämpfung des Aufstandes mehr als 150 000 Einheimische.
Die völlige Erschöpfung und körperliche Überforderung der japanischen Soldaten, die schlechte medizinische Versorgung und das tropische Klima forderten jedoch mehr als 20 000 japanische Soldaten die an Krankheiten zugrunde gingen, darunter auch die gesamte Führung einschließlich des Oberbefehslhaber Generalmajor Kitashirakawa. In den tropischen und subtropischen Gebirgswäldern Taiwans starb der Gros der Kaiserlichen Garde und damit die Blüte des japanischen Kriegertums dieser Zeit.
Bereits im Oktober brach der Aufstand dann völlig zusammen und Taiwan wurde von der japanischen Regierung als befriedet erklärt. Nur noch in abgelegenen Gebirgsregionen im Landesinneren konnten sich kleine und unbedeutende Gruppen von Stammeskriegern halten, weshalb noch einige Jahre in unregelmäßigen Abständen Strafexpeditionen ins Landesinnere erfolgten. Der Gros der japanischen Truppen wurde jedoch abgezogen und es verblieb lediglich die sogenannte Taiwan Garnison, die aus nur noch 2 Infanterie-Regimentern und einer Gebirgs-Artillerie-Kompanie bestand und trotz ihrer geringen Größe ausreichte, den Gros der Insel unter Kontrolle zu halten.
Korea
Nach dem Sieg über China versuchten die Japaner und mit ihnen verbündete koreanische Adelige, den Einfluss der Russen in Korea entschieden zu bekämpfen. Neben diversen Modernisierungsbemühungen und Entwicklungshilfen welche Japan den Koreanern gewährte, wurde die IJA beauftragt, eine neue koreanische Armee auszubilden. Diese Armee, die Kunrentai genannt wurde, sollte zudem ein Gegengewicht gegen die von den Russen ausgebildete und bewaffnete Palastgarde bilden, welche bis dahin die Eliteeinheit in Korea dargestellt hatte. Die Russen versuchten darauf hin entgegen dem chinesisch-japanischen Friedensvertrag, die Japaner aus Korea zu verdrängen. Bereits Anfang Oktober 1895 brachten sie die koreanische Regierung durch massiven Druck und große Bestechungen dazu, die gerade erst in der Aufstellung begriffenen Kurentai aufzulösen. Der ranghöchste japanische Gesandte in Korea ließ darauf hin am 8 Oktober die Koreanische Königin durch Attentäter ermorden und ihre Leiche beseitigen. Japan leugnete gegenüber den aufgebrachten Westmächten zunächst jede Beteiligung an dem Attentat, und räumte dann aufgrund von den Russen vorgelegten Beweisen ein, dass Miura das Attentat durchgeführt hatte. Die Japaner stellten es jedoch dann so dar, dass Miura gänzlich ohne ihr Wissen gehandelt habe.
Die Ermordung der Königin führte in ganz Korea zu anti-japanischen Unruhen und der Ermordung etlicher in Korea lebender Japaner. Der neue koreanische König entließ alle japanischen Berater, kündigte alle Zusammenarbeit bei der Entwicklung Koreas auf und bat Russland um Schutz und Unterstützung. Im Februar 1896 marschierten daher russische Truppen aus der Mandschurai kommend in Korea ein und bestzten Seoul. Infanterie der IJN besetzte darauf hin wichtige nach Seoul führende Straßen. Die IJA begann bereits Mobilmachungspläne vorzulegen, als beide Seiten im Mai noch zu einer diplomatischen Lösung kamen. Die Russen zogen ihre Truppen größtenteils zurück, und beide Seiten schlossen ein abkommen, gemäß dem Russland eine kleine Garnison in Seoul stationieren durfte.
Dieses Abkommen wurde am 25 April 1898 durch den Nishi-Rosen-Vertrag noch ausgebaut, gemäß dem weder Japan noch Russland ohne beidseitige Zustimmung Militärberater nach Korea entsenden durften. Desweiteren sollte Japan keine regulären Truppen der IJA in Korea stationieren, im Gegenzug sollte Russland die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit Japans mit Korea nicht behindern. Im Jahr darauf zog Russland seine Truppen und Militärberater aus Korea ab, baute jedoch seine Stellungen in der Mandschurei noch deutlich aus. Zudem begann Russland mittels gewährten Krediten indirekt immer mehr Einfluss in Korea zu gewinnen. Zudem begann Russland mit großem Druck den zweispurigen Ausbau der transsibirischen Eisenbahn, der bis 1903 abgeschlossen sein sollte. Zudem wurden neue Eisenbahnstrecken quer durch die Mandschurei gebaut, welche die Verbindung in die Meeresprovinz und nach Vladivostok deutlich verkürzten.
China und der Pazifische Raum
Der Sieg der Japaner über China führte dazu, dass sich die Westmächte nun wie von Yamagata vorher gesagt gegen das Qing Reich wandten. 1897 besetzten die USA als ersten Schritt auf dem Weg nach Osten die Inseln von Hawaii und die Deutschen das Gebiet von Tsingtao. 1898 besetzten die USA dann bereits die Phillipinen und britische Truppen die Seefestung und das Gebiet von Weihaiwei, welches die Japaner aufgrund der Tripartie Intervention hatten räumen müssen. Im selben Jahr erhielt das Deutsche Reich einen 99 Jahre währenden Pachtvertrag für die ganze Shandong Halbinsel als Ausgleich für die Ermordung zweier deutscher Missionare. 1899 besetzten die Briten und Deutschen die Inseln von Samoa und das Deutsche Reich die Bismarck-Inseln, Neu-Guinea und die Karolinen, während zugleich in Südchina und Indochina Frankreich massiv Raum gewinnen konnte. Wohin die IJA auch zu dieser Zeit sah, überall begannen sich die Westmächte um Japan herum breit zu machen.
Die Konsequenzen
Die IJA wurde durch diese Entwicklungen vor grundlegende strategische Fragen gestellt. Sollte man sich nach Norden gegen Russland und die Mandschurei ausrichten, oder über das neugewonnene Taiwan in Richtung Südostasien und des pazifischen Raumes hin agieren? Sollte man Korea wie bisher nur indirekt verteidigen, oder das Land doch direkt besetzen, um des dem russischen Einfluss zu entziehen? Mehrere Studiengruppen die Yamagata zu diesem Zweck ins Leben rief, kamen zu einer für die weitere Geschichte der IJA entscheidenden Schlussfolgerung: Russland stellte nach Auffassung der Führung der japanischen Armee die größte und unmittelbarste Gefahr dar und daher sollte sich alle militärische Anstrengung gegen Russland konzentrieren. Die Gefährdung durch die anderen Westmächte in Asien müsste man demgegenüber hinnehmen. Diese Ausrichtung der IJA auf den Nordwesten und den Krieg gegen Russland hatte weitreichende Folgen für die weitere Aufrüstung der Armee, ihre Struktur, Doktrin und Geschichte.
Bereits am 15 April 1895 wurde Yamagata aufgrund seiner Verdienste zum Kriegsminister ernannt, wobei er zugleich weiter Generalinspekteur der Armee und Divisionskommandant blieb. Damit hatte Yamagata eine in der Geschichte der IJA noch nie dar gewesene Machtkonzentration erlangt. Yamagata kam bereits zu diesem Zeitpunkt zu der Schlussfolgerung, dass das japanische Kaiserreich zum Untergang verdammt sei, wenn die Armee nicht deutlich vergrößert würde. Yamagata fühlte sich aufgrund des Ausgreifens der Russen in der Mandschurei und in Korea unter erheblichem Zeitdruck. Er legte daher nur 10 Tage nach Amtsantritt einen Plan vor, gemäß dem innerhalb von nur 3 Jahren die Größe der IJA verdoppelt werden würde. Um diese immense Aufrüstung überhaupt leisten zu können, wollte Yamagata zunächst am Standort jeder Division deren Regimenter und Brigaden ständig vergrößern, bis die Divisionen die doppelte Größe erlangt hätten. Dem folgend wollte er dann die Divisionen spalten und auf diese Weise die Zahl der Divisionen verdoppeln. Aus logistischen wie Ausbildungsgründen sollten die neuen Divisionen aber an den gleichen Standorten wie ihre „Mutter“divisonen bleiben. Um die immense Erhöhung der Truppenstärke finanzieren zu können, sollte bewusst auf eine Verdoppelung der Artillerie jedoch verzichtet werden. Entsprechend hätten die neuen Divisionen weniger Artillerie beinhaltet. Auf diese Weise wollte Yamagata die Divisionen zudem beweglicher und schneller machen. Darüber hinaus forderte Yamagata die Einführung eines noch kleineren neuen Kalibers im Bereich unter 7mm, damit die Soldaten mehr Munition selbst mitführen konnten und somit weniger Abhängig von der Versorgung sein würden. Jede Division sollte zudem eine zusätzliche unabhängige Brigade bilden, welche im Kriegsfall für die Besetzung des eroberten Gebietes und die Sicherung der Nachschublinien zuständig sein sollte. Diese unabhängigen Brigaden sollten zudem veraltete Ausrüstung aufnutzen, welche noch gebrauchsfähig, aber bei der regulären Truppe außer Dienst genommen worden war - um diese Ausrüstung nicht zu verschwenden.
Der Generalstab fand diese Pläne zu extrem und zu ehrgeizig und legte konkurrierend im Oktober 1895 einen eigenen Plan vor. Die Zahl der Divisionen sollte im Laufe von 6 Jahren von 7 auf 13 stehende Divisionen erhöht werden. Dabei sollte die Artillerie pro Division gleich bleiben. Zum Aufbau sollte aus jeder regulären Division eine Brigade minus ein Regiment als Kader für die neue Division heraus gelöst werden. Darüber hinaus sollten die frei werdenden Mittel für die Aufstellung von zwei neuen Kavallerie-Brigaden und zwei zusätzlichen unabhängigen Feld-Artillerie-Brigaden verwendet werden. Obwohl der Plan des Generalstabes ausgewogener und weniger ehrgeizig als der Yamagatas ausfiel, fehlte ihm jedoch wiederum die Stärkung der Logistik, welche Yamagata sogar mit eigenen Sicherungsbrigaden versehen wollte.
Die japanische Regierung entschied sich dennoch 1896 für den Plan des Generalstabes. Als größtes Problem stellte sich der Mangel an jungen Offizieren heraus. Um diesem zu begegnen, eröffnete die IJA 1897 über ganz Japan verteilt sechs Kadettenanstalten, um die bis dahin allein stehende Kadettenschule in Tokyo zu ergänzen. Diesen Kadettenschulen konnte man nun ab dem Alter von 13 Jahren beitreten (vorher waren es 15 Jahre gewesen) und das Schulgeld für die Kadettenschulen wurde deutlich gesenkt, womit auch zunehmend die Untere Mittelschicht ihre Kinder in diese Schulen senden konnte. Innerhalb weniger Jahre vergrößerte sich so die Zahl der Offiziersanwärter auf der Akademie der IJA immens. Auch die Zahl der höheren Offiziere die eine Stabsausbildung erhalten hatten, verdoppelte sich in kurzer Zeit.
Die Idee Yamagatas, eine neue Waffe in einem kleineren Kaliber einzuführen wurde ebenso aufgegriffen und ein Schüler des genialen Waffeningenieurs Murata, der junge Offizier Arisaka entwarf ein neues 6,5mm Kaliber und ein neues Gewehr für dieses Kaliber, dass an Präzision und Zuverlässigkeit alles bisher da gewesene in den Schatten stellte und zum Zeitpunkt seiner Einführung eine der modernsten Schützenwaffen der Welt darstellte. Das kleinere Kaliber erlaubte es jedem Soldaten, bei exakt gleichem Gewicht statt 120 Schuß nun 180 Schuß mitzuführen, was die Ausdauer im Gefecht erheblich erhöhte und die Nachschubprobleme reduzieren sollte. Zudem wurde auf Ideen Yamagatas hin eine Reihe neuer leichter Feldgeschütze für die zwei Feld-Artillerie-Brigaden eingeführt. Die rasende Entwicklung bei den Geschützen gerade um 1900 herum führte jedoch dazu, dass immer wieder auch Fehlkäufe bzw Fehlentwicklungen bei der Artillerie stattfanden die dann mit viel Mühe und Geld korrigiert werden mussten. Die ersten Versuche selbst eine hochleistungsfähige Feldartillerie zu schaffen, schlugen fehl und so wurden 1898 im großen Stil Geschütze aus Deutschland importiert. Nach wenigen Jahren aber waren diese im Vergleich zu den neuesten russischen Geschützen wieder veraltet und so musste Japan noch 1903 eine große Zahl der nächsten Generation deutscher Feldgeschütze nachkaufen. Um diese Zeit wurde auch das erste leistungsfähige japanische Geschütz, die Kanone Typ 31 in größerer Stückzahl eingeführt, welche jahrelange Kinderkrankheiten aufgewiesen hatte welche ihre Einführung verzögerten.
Aufgrund von Analysen der Kämpfe des chinesisch-japanischen Krieges kam der Generalstab zu dem Schluß, dass die bisher verwendete Uniform (Weiß mit schwarzer Jacke) im modernen Krieg untauglich sei. Die weißen Hosen (und ohne Überjacke die ganze Uniform) waren weithin sichtbar und aufgrund der hohen Temperaturen in Korea waren die dunklen Überjacken von den Soldaten oft nicht getragen worden. Schmutz und vor allem Blutflecken waren auf den weißen Uniformen dann weithin sichtbar gewesen und hatten die Moral beeinträchtigt, ein Thema das insbesondere Yamagata stark beschäftigte. Yamagata selbst favorisierte für die neue einzuführende Uniform einen grünen Farbton (den er für vielseitiger hielt), der Generalbstab jedoch aufgrund des zu erwartenden Geländes in Nordkorea und der Mandschurei einen Khaki Farbton. Auch hier setzte sich der Generalbstab durch und eine neue Khaki Uniform wurde mit Hochdruck eingeführt. Aufgrund der Erfahrungen des Winterkrieges in Nordkorea wurden jedoch auf Geheiß von Yamagata neue Stiefel, Wintermäntel und Wickelgamaschen eingeführt, um damit die im Krieg gegen China im Winter massenweise aufgetretenen Erfrierungen und Fällen von Grabenfuß entgegen zu wirken. Essgeschirr aus Aluminium wurde eingeführt und ebenso lange Regenmäntel, die zugleich als Unterlegeplane oder Zeltplan für einen Unterschlupf verwendet werden konnten. Noch darüber hinaus wurde die Militärmedizin drastisch ausgebaut und deutsche Ärzte und Experten nach Japan geholt.
Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die IJA immens weiter und holte weitgehend zu den Europäischen Mächten auf, überholte diese gar in manchen bestimmten Punkten. Diese gigantische Steigerung der Kampfkraft hatte jedoch ihren Preis: der Militäretat stieg ab 1896 in immense Höhen und blieb dort für etliche Jahre. Ab 1898 wurde jedes Jahr mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen für die Aufrüstung und Modernisierung der Streitkräfte ausgegeben. Allein zwischen 1893 und 1896 verdreifachte sich der Militäretat und stieg von 1895 mit 40 Millionen Yen bis 1900 auf mehr als 100 Millionen Yen. Auch die IJN rüstete in dieser Zeit gigantisch auf: ihre Tonnage vervierfachte sich zwischen 1895 und 1900 und eine ganze Zahl neuer Schlachtschiffe modernster Bauart wurden fertig gestellt. Dieses extrem hohe Tempo und die völlig Ausrichtung der Staatsfinanzen auf die militärische Aufrüstung schädigten jedoch die Volkswirtschaft erheblich, es kam zu Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen und Unternehmenspleiten. 1897 bis 1898 und ebenso 1900 bis 1901 kam es zu schweren Finanzkrisen in Japan aufgrund völliger Überforderung der Volkswirtschaft für die militärische Aufrüstung. Der Militäretat musste daher herunter gefahren werden, blieb jedoch ab 1903 bei ungefähr einem Drittel des staatlichen Gesamteinkommens und blieb auf dieser Höhe für die nächsten 20 Jahre, ungeachtet aller Versuche ziviler Politiker, ihn wieder weiter herunter zu führen. Die Armee hatte damit jedes Jahr prozentual mehr Geld, als sie es je zuvor gehabt hatte.
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Der Boxer Aufstand
Die Niederlage der Qing-Dynastie gegen das aufstrebende Japanische Kaiserreich wurde wie schon weiter oben beschrieben von den Europäischen Mächten nicht als Zeichen der zunehmenden Stärke Japans, sondern primär als Symptom einer erheblichen Schwäche Chinas verstanden. In der Folge dessen nahmen die Übergriffe der Europäischen Mächte nach der Niederlage der Qing drastisch zu. Im Januar 1898 erhielt dann das deutsche Reich die Shandong Halbinsel für 99 Jahre überschrieben, zwei Monate später besetzten die Russen die Liaodong Halbinsel und russische Kriegsschiffe gingen in Dairen und Lüshun vor Anker, dass in Port Arthur umbenannt wurde. Noch im April des gleichen Jahres erzwang Großbritannien weitreichende Konzessionen und besetzte eine Marinebasis in Weihaiwei, während zugleich die Franzosen in Vietnam und Südchina ihren Einfluss ausweiteten. China wurde in einem bis dahin noch da gewesenen Ausmaß von den Europäern erschlossen und durchdrungen, was eine rasche und massive Abstoßungsreaktion der Chinesen gegen alle Ausländer zur Folge hatte.
Zwischen 1898 und 1900 breitete sich die Geheimgesellschaft der „Boxer“ in China aus und es kam zu immer mehr Übergriffen auf Europäer in China. Genau genommen handelte es sich bei den „Boxern“ um mehrere fremdenfeindliche und nationalistisch Han-Chinesische Geheimgesellschaften, welche sich dann gegen die „fremden Teufel“ zusammen schlossen bzw zum Zweck der Vertreibung der Ausländer kooperierten. Diese Geheimgesellschaften lehnten auch die Herrschaft der „ausländischen“ Mandschu ab, wurden aber trotzdem vom Qing Hof insgeheim gefördert und mit Geld und Waffen versehen. Schließlich ermordeten die Boxer den deutschen Botschafter in China und begannen das Quartier der Ausländer in Peking zu belagern, in denen sich die Botschaften, Konsulate und Gesandschaften der Europäischen Mächte befanden.
Dies veranlasste Großbritannien, dass Deutsche Reich, Italien, Russland, Frankreich und die USA Truppen nach China zu entsenden und diesem Bündnis schlossen sich die Japaner an. Der Vorfall fiel nun genau in den Höhepunkt der hektischen und extremen Aufrüstung und Modernisierung der japanischen Armee und die Führung der IJA sah in der Expedition eine gute Möglichkeit, ihre Rüstungen und Neuerungen in Doktrin und Taktik und Gefechtsbedingungen zu testen. Trotz der massiven Überlastung aufgrund der laufenden Umstellungen und ständigen Erhöhung der Zahl der Divisionen stellte die IJA ad hoc 300 Elitesoldaten für eine erste Expeditionsstreitmacht von insgesamt 2000 Mann zur Verfügung. Diese blieb jedoch bei ihrem Marsch von Tianjin nach Peking Anfang Juni an einer Brücke hängen, welche die Boxer besetzt hatten. Um die Brücke herum kam es nun zu massiven Kämpfen, bei denen die Expeditionsstreitmacht einige Verluste erlitt. Der Gros der Kämpfe wie der Verluste wurde dabei von den Japanern getragen, welche auch den folgenden Rückzug nach Tianjin deckten und die Nachhut gegen die zahlenmässig weit überlegenen Boxer bildeten. Die Führung der IJA kam aus diesen ersten Kämpfen zu der Schlussfolgerung, dass trotz der verhältnismäßig hohen japanischen Verluste die Aktion als Erfolg zu werten sei und die Funktionalität und Überlegenheit der neuen japanischen Doktrin und Ausrüstung damit erwiesen sei.
Nur drei Tage später verlegte der Generalstab der IJA 1300 Mann unter dem Kommando von Generalmajor Fukushima Yasumasa nach Nordchina um dort ein Vorauskommando für noch folgende größere Truppenverbände zu bilden. Yasumasu war zuvor der Direktor des Militärgeheimdienstes gewesen und wurde vom Generalstab nicht zuletzt auch wegen seiner hervorragenden Englischkenntnisse und seiner Weltläufigkeit ausgesucht worden. Am 5 Juli landete die japanische „Marine“infanterie bei Tianjin. Verstärkt wurde sie bei der Landung durch einige hundert Marinesoldaten der Sasebo Spezial Einheit, einer auf amphibische Operationen spezialisierten Einheit der IJN. Am 21 Juni erklärte dann die Qing Dynastie den Westmächten den Krieg.
Zu diesem Zeitpunkt war Großbritannien im Burenkrieg in Südafrika gebunden und fiel damit als Truppensteller weitgehend aus. Die Briten baten daher Japan um ausreichend Truppen für den Entsatz der ausländischen Botschaften in Peking und für die Niederwerfung der Qing Dynastie. Der Außenminister Japans, Aoki Shuzo und Yamagata, der zu diesem Zeitpunkt die Position eines Premierministers inne hatte agitierten dann massiv für eine möglichst große militärische Intervention in China, stießen dabei aber auf den erbitterten Widerstand eines Teils des Parlamentes, welches befürchtete, dass die IJA auf diese Weise noch mehr Macht und Geldmittel erlangen würde. Trotzdem wurde die 5 Division mobilisiert und bereits am 6 Juli in Richtung China in Bewegung gesetzt.
Da die Japaner als einzige Macht in Ostasien über ausreichend moderne Truppen verfügten, und die Briten in Südafrika gebunden waren, bot der britische Botschafter in Japan auf der Stelle eine Millionen Pfund für die rasche Entsendung der japanischen Truppen an. Am nächsten Tag schon verlegte die komplette 5 Division nach China. Damit stellte Japan den mit Abstand größten Teil der Alliierten Streitkräfte in China.
Die Festungsanlagen der Qing bei Tianjin wurden durch die Japaner am 14 Juli gestürmt und die Stadt selbst besetzt. Anfang August stießen die alliierten Truppen dann in Richtung Peking vor, dass sie bereits am 14 August erreichten. Von den insgesamt in China agierenden 30 000 Mann stellte Japan dabei insgesamt 13 000. Europäische Militärbeobachter vor Ort zeigten sich dabei vor allem von der extremen Aggressivität der japanischen Soldaten sehr beeindruckt, welche aber auch bei den Angriffen manchmal zu unnötigen Verlusten führte. Zudem hoben alle Augenzeugen des Geschehens die besonders hohe Disziplin der Japaner hervor. Diese wurde jedoch auch in besonderem Maße durch drakonische Strafmaßnahmen hergestellt. Die japanische Führung wollte durch ein besonders gutes diszipliniertes Auftreten ihrer Soldaten Ansehen vor den Europäischen Mächten erlangen und daher wurde von Anfang an allen Soldaten eingeschärft, unter keinen Umständen die japanische Nation durch Fehlverhalten zu entehren. Jede Form von Plünderung oder Übergriffen auf Zivilisten wurde untersagt, auf die Vergewaltigung chinesischer Frauen wurde als Strafe die sofortige Köpfung ohne vorherige Verhandlung durchgeführt. Auch und insbesondere in Bezug auf die Hygiene und medizinische Vorsorge im Feld wollte man ein Exempel statuieren und setzte hier ebenfalls im Verhältnis zur Zeit übertrieben wirkende Standards mit allen Mitteln durch. In der Folge dessen führte die IJA während der Boxer-Expedition die meisten Kämpfe, erlitt mit Abstand die höchsten Verluste und zeigte von allen beteiligten Streitkräften dass mit weitem Abstand beste Benehmen, insbesondere gegenüber der chinesischen Zivilbevölkerung. Ein scharfer Kontrast zu den Massakern am Ende des ersten chinesisch-japanischen Krieges wie auch zum späteren Auftreten der IJA in anderen Konflikten.
Trotz allen Bemühens der IJA, als Sinnbild für Disziplin und Modernität wahrgenommen zu werden, wurde auch nach der Boxer-Expedition die IJA von den europäischen Mächten nicht sonderlich ernst genommen, insbesondere von den Russen nicht. Die Boxer-Expedition hatte jedoch für die IJA weitreichende Folgen. Aufgrund des Friedensabkommens im September 1901 zwischen den Qing und den Alliierten wurde diesen gestattet, zwischen Tianjin und Peking Truppen dauerhaft zu stationieren, um auf diese Weise den Weg nach Peking zu sichern. Das japanische Kriegsministerium schuf darauf hin die sogenannte China Armee, die als improvisierte Einheit aus den Teileinheiten von mehreren verschiedenen Divisionen gebildet wurde, wobei diese jeweils nach einem Jahr mit anderen Teileinheiten rotierten. Eine weitere Folge der Boxer-Rebellion war, dass Russland seine Truppen in der Mandschurei nicht abzog, sondern seine militärischen Stellungen dort noch weiter ausbaute, was sich bereits ab 1902 zu einer massiven Gefahr für die japanische Präsenz in Korea entwickelte. Japan suchte darauf hin ab 1901 nach einem verlässlichen Bündnisspartner um den Rücken für die unausweichlich erscheinende Konfrontation mit Russland frei zu haben und fand diesen in Großbritannien. Die britischen Offiziere die während der Boxer-Expedition mit der IJA zu tun hatten, waren von den Japaner sehr beeindruckt gewesen. Die ausgesuchten, fließend englisch sprechenden Offiziere und die ohnehin anglophilen Angehörigen der japanischen Marine und der Sasebo Spezial Einheit knüpften hierbei etliche persönliche Kontakte und erschienen auch umgekehrt Großbritannien als die natürlichen Verbündeten in Ostasien. Großbritannien stand zu diesem Zeitpunkt in Ostasien zunehmend unter Druck. Die französischen und russsichen Marineeinheiten in Ostasien übertrafen ab 1902 die britische Flottenpräsenz dort. Das Flottenwettrenen mit dem deutschen Reich, dass zunehmende Ausgreifen Russlands in Zentralasien und China und die hohen Verluste im Burenkrieg führten schließlich 1902 zum Britisch-Japanischen Marinebündnis. Beide Seiten sicherten in diesem Vertrag zu, bei einem Krieg einer der beiden Seiten gegen eine andere Macht strikt neutral zu bleiben und für die jeweils andere Seite zu intervenieren, sollte eine dritte Macht sich in den Konflikt einmischen.
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Der aufziehende Sturm
Damit hatte die IJA nun den Rücken für den Krieg gegen Russland frei und ab 1903 auch die Aufrüstung und Modernisierung der Streitkräfte weitgehend abgeschlossen. Zugleich kam der zweispurige Ausbau der Transsibirischen Eisenbahn rasch voran und Yamagata warnte daher in immer kürzeren Abständen vor der erheblichen Gefährdung Japans, sollte die Transsib in der geplanten Weise fertig gestellt werden. Ende 1902 begann daher der Generalstab mit der Planung des Krieges gegen Russland und entwickelte dafür eine stark auf die japanische Marine abgestützte Strategie. Sollte diese sich zu Kriegsbeginn durchsetzen, und sei es vorüber gehend, wollte die IJA dies nutzen, um mit maximaler Stärke überzusetzen und die Russen direkt in der Mandschurei anzugreifen. Sollte jedoch nicht umgehend eine Vorherrschaft zur See herstellbar sein, wollte man nur im Rahmen des möglichen Truppen nach Korea übersetzen und dort eine strategische Defensive unter Nutzung des schwierigen Terrains aufbauen. Die Marinestreitkräfte sollten dazu im Kriegsfall durch die IJA befehligt werden, was nach bekannt werden der Pläne auf sofortigen und massiven Widerstand der IJN stieß. Die Details des Kriegsplans wurden vor allem durch Generalmajor Tamura Iyozo ausgearbeitet, welcher zu dieser Zeit tellvertretender Generalstabschef war. Um die japanischen Pläne geheim zu halten, wurden die Offensivpläne sogar vor dem Thron und weiten Teilen der Regierung verschwiegen, und statt dessen falsche Pläne vorgelegt, in denen eine Betonung der Defensive auf den Inseln Japans hervor gehoben wurde und die nur dazu dienten, den eigentlichen sehr kühnen Angriffsplan gegen die Russen geheim zu halten.
Am 21 April 1903 trafen sich dann wesentliche Minister und Generäle der IJA in der privaten Villa von Yamagata in Tokyo. Tamura äußerte dabei Zweifel, ob die IJA bereits stark genug für einen Krieg gegen Russland sei, wurde aber durch Yamagata und Generalmajor Iguchi Shogo dazu gedrängt, die Armee gegenüber dem Parlament und den anderen Teilen der Regierung als ausreichend stark darzustellen. Tamura und der Generalstabschef Marschall Oyama Iwao wandten sich darauf hin an den Kaiser und erklärten die Kriegsbereitschaft der IJA. Dieser wünschte trotzdem zunächst eine diplomatische Lösung und nur für den Fall, dass diese Scheitern sollte, würde er die Erlaubnis zum Angriffskrieg erteilen. Dabei wurde die japanische Herrschaft über Korea jedoch bereits im Vorab als nicht verhandelbar festgelegt. Im Oktober 1903 starb Tamura überraschend, womit der Widerstand in der Führung der IJA gegen einen baldigen Kriegsbeginn seinen wichtigsten Fürsprecher verlor, zumal Tamura es ja gewesen war, der die Kriegspläne gegen Russland detailliert ausgearbeitet hatte. Sein Nachfolger wurde auf Betreiben Yamagatas der deutlich kriegsbereitete Generalleutnant Kodama Gentaro. Dieser stieg in seiner neuen Position innerhalb kürzester Zeit zum Generalstabschef auf und die Planungen des Krieges gegen Russland wurden bis Februar 1904 durch Kodama noch überarbeitet. Als erstes sollte nun die 1 japanische Armee über den Yalu Fluss entschlossen nach Norden vorstoßen, um auf diese Weise ein Vordringen der Russen nach Korea von vornherein unmöglich zu machen. Die zweite Armee sollte die Liaodong Halbinsel nach Norden und Westen abriegeln und dort zunächst in die Defensive gehen. Die Dritte Armee schließlich so nahe wie möglich an Port Arthur landen und die Hafenfestung einnehmen. Nach Einnahme der Festung sollten dann die erste und zweite Armee zusammen in die Mandschurai vordringen und dort die russischen Streitkräfte zur Entscheidungsschlacht zwingen, während die dritte Armee als Flankensicherung und Reserve diesen folgen sollte. Die Vierte Armee sollte dann am Bohai Golf landen und die andere Flanke der ersten und zweiten sichern sowie die Kommunikations- und Nachschublinien nach hinten sichern, zudem es der dritten Armee ermöglichen, bei Bedarf ebenfalls in die Entscheidungsschlacht geworfen zu werden.
Die Entscheidungsschlacht sollte nach den Vorstellungen Kodamas durch die rasche Einschließung des Sibirischen Unabhängigen Korps in der Mandschurai und des 2 russischen Armeekorps in der Nähe von Liaoyang erfolgen, und dies bevor ausreichende Entsatztruppen und Verstärkungen aus Russland nachgeführt werden konnten. Die IJA ging im weiteren davon aus, dass die Russen für die Verlegung ausreichend starker Entsatzkräfte ungefähr ein halbes Jahr brauchen würden, und dass daher der ganze Kriegsplan unter höchstem Zeitdruck umzusetzen wäre. Einen Alternativplan für den Fall dass die geplanten Operationen in dem knappen Zeitfenster nicht durchgeführt werden konnten, gab es nicht. Ebenso wenig wurde die Möglichkeit einer Niederlage zur See überhaupt in Betracht gezogen. Da die diplomatischen Verhandlungen ohne Ergebnis verliefen, entschied daher die japanische Regierung am 04 Februar 1904, Russland bei der nächsten Gelegenheit den Krieg zu erklären.
Obwohl alle Beteiligten auf dieser Konferenz nach außen hin Härte und Entschlossenheit vorspielten, hatte selbst Yamagata insgeheim Zweifel am Sieg und hatte zum ersten Mal in seinem Leben depressive Gedanken. Noch nie war eine der europäischen Großmächte durch eine asiatische Macht besiegt worden und dass zaristische Russland galt um 1900 herum als die Nation mit der stärkten Landstreitkraft überhaupt, die russischen Reserven als unerschöpflich und die russische Streitmacht insgesamt um ein vielfaches stärker als die IJA. Kaiser Meiji konnte nach der Entscheidung über mehrere Tage hinweg nicht mehr schlafen und essen und hatte noch Wochen danach massive Schlafstörungen und fühlte sich fiebrig. Etliche Generäle der IJA waren zudem der Ansicht, dass die geplante Entscheidungsschlacht sich nicht umsetzen lassen würde und dass ein Zermürbungskrieg gegen Russland die sichere Niederlage zur Folge haben werde. Trotzdem teilten alle Beteiligten die Ansicht, dass der Krieg gegen Russland ohnehin unvermeidbar sei, und zu einem späteren Zeitpunkt die Bedingungen noch schlechter, eine Niederlage Japans noch wahrscheinlicher sein würde.
Trotzdem griff die IJN gemäß Kriegsplan und ohne Kriegserklärung am 08 Februar 1904 die russischen Flotteneinheiten in Port Arthur an. Es gab keinen Weg zurück mehr.
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Hierhin verschoben aus dem Strang über Fallschirmjäger der Wehrmacht:
https://www.forum-sicherheitspolitik.org...#pid249202
(22.11.2024, 23:23)Quintus Fabius schrieb: Beispielsweise gab es aus ähnlichen irratationalen Gründen in Japan gar keine Luftwaffe, dafür hatten Heer wie Marine eigene Luftwaffen
Das kann ich nicht nachvollziehen, die militärische Luftfahrt begann fast überall mit Fliegerabteilungen des Heeres und der Marine, und die Herausbildung einer Eigenständigkeit bis hin zur eigenen Teilstreitkraft erfolgte zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils auf eigenen Entwicklungswegen oder teilweise bis heute gar nicht (was auch nicht pauschal irrational ist, sondern im Kontext betrachtet werden muss). In Japan wurde die Luftstreitkräfte bereits sehr früh ein eigenständiger, gleichwertiger Zweig innerhalb der Teilstreitkräfte und waren eng in die jeweilige Land- und Seekriegsdoktrin eingebunden, während es weder ernsthafte Bestrebungen noch sinnvolle Möglichkeiten zum Aufbau von strategischen Fliegerkräften oder die Notwendigkeit zu einer eigenständigen Luftkriegführung gab. Aus dem Kontext heraus ist die relativ lange Beibehaltung alles andere als irrational. Was im japanischen Kontext als irrational bezeichnet werden kann sind die von dir erwähnten Flugzeugträger des Heeres (die primär aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Marine, amphibischen Operationen Luftunterstützung zu gewähren zurückzuführen ist), aber auch beispielsweise die strikte Trennung von fliegenden Einheiten und Bodenunterstützungskräften (also Wartung, Munitionsversorgung, Infrastrukturpflege, etc.).
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Dieser Sonderweg in Japan hatte aber nicht die von dir hier genannten logisch-rationalen Gründe (fehlende strategische Zielsetzung, engere Verbindung von Land- und Luftkriegsführung usw.) sondern er hatte rein irrationale Gründe, welche rein gar nichts mit den militärischen Entwicklungen und Umständen zu tun hatten.
Die Feindschaft zwischen Heer und Marine hatte in Japan sehr tiefe und weitreichende Wurzeln, die in die Zeit des Shogunats hinein reichen und zu bereits dort bestehenden Feindschaften bestimmter Clans und Adelsfamilien. Und entsprechend waren beide Seiten fortwährend darum bemüht, der anderen so viel Schaden wie möglich zuzufügen, so viel Macht und neue Möglichkeiten wie machbar auf sich zu ziehen und nur ja keine weitere andere Militärmacht hochkommen zu lassen (das dürfte sogar der einzige Punkt überhaupt sein, in welchem sich beide Seiten einig waren).
Deine Betrachtung verkennt also die äußerst speziellen Umstände in Japan in dieser Zeit und wie hier Heer und Marine entstanden sind und aus welchen Gebieten und Gruppen heraus sie sich rekrutierten und was sich daraus im weiteren für die japanischen Streitkräfte ergab.
Ich stimme dir dabei durchaus zu, dass es etliche sinnvolle Gründe gäbe, warum eine solche Entwicklung hin zu einer eigenen Luftwaffe nicht stattfand, aber spezifisch in Bezug auf Japan war dies eben nicht der Fall. Sinnvolle militärische Gründe waren da auch sonst sehr oft nicht der Grund für die Entwicklungen der Kaiserlichen Streitkräfte.
Gerade darin lag Japans primäre Schwäche, bis hinauf zur höchsten strategischen Ebene (Anbindung des Heers an Preußen / Deutschland, Anbindung der Marine an England - Strategie des Heeres einer Expansion in den Norden und nach China, Strategie der Marine einer Expansion nach Süden und in den Pazifik usw. usw.). Kurzum: diese dysfunktionale Dualität der japanischen Streitkräfte stellte auf ganz vielen Ebenen, von der Beschaffung über die Strukturen bis hin zur Weiterentwicklung der Streitkräfte und vieles mehr das entscheidende und primäre Problem Japans als Militärmacht dar. Welches nicht überkommen werden konnte und zwar bis zum Schluss nicht.
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(23.11.2024, 23:08)Quintus Fabius schrieb: Dieser Sonderweg in Japan hatte aber nicht die von dir hier genannten logisch-rationalen Gründe (fehlende strategische Zielsetzung, engere Verbindung von Land- und Luftkriegsführung usw.) sondern er hatte rein irrationale Gründe, welche rein gar nichts mit den militärischen Entwicklungen und Umständen zu tun hatten.
Es gab in der Hinsicht keinen japanischen Sonderweg. Die Entwicklung dort verlief in den wesentlichen Grundzügen genau so ab wie bei den meisten anderen Nationen auch, und auf der Detailebene gibt es keine einheitliche Entwicklung, von der sich die japanische grundsätzlich unterscheiden könnte, sondern vielmehr eine Vielzahl an unterschiedlichen Entwicklungen, bei denen die japanische nicht besonders heraus sticht. Diese hatten immer neben rationalen (wie etwa geographischen oder operationellen) auch irrationale Gründe, häufig in Form von grundsätzlichen Rivalitäten zwischen den Teilstreitkräften oder auch persönlichen Animositäten. Dass diese in Japan historisch bedingt außerordentlich ausgeprägt waren stelle ich nicht in Abrede, über deren Hintergründe kannst du vermutlich mehr sagen als ich, aber in welcher Form sollte dieser Umstand der Bildung einer eigenständigen Luftwaffe (die wie auszusehen gehabt hätte?) konkret im Weg gestanden haben, und aus welchem Grund wäre eine solche die eigentlich rationale Entwicklung gewesen?
Dass die Auswirkungen der Feindschaft anderswo in Form von tatsächlich irrationalen Ergebnissen leicht ersichtlich ist, beispielsweise beim Beschaffungswesen oder der operationellen Planung, du hast das und weiteres in deinem letzten Absatz ja korrekterweise erwähnt. Ich widerspreche auch deiner Gesamteinschätzung nicht.
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Im deutschen Kaiserreich waren die Luftstreitkräfte ja noch auf Heer und Marine aufgeteilt, und ja, auch in anderen Ländern war dies so. Entsprechend hast du schon recht, dass hier die Japaner schlussendlich nur durch diese Aufteilung nicht von anderen Mächten des Ersten Weltkrieges abweichen. Aber es geht eben nicht nur um diese Aufteilung als Umstand für sich allein, sondern um die Motive und die Gründe dahinter und warum dies in Japan im Gegensatz zu anderen Ländern dann beibehalten wurde, während alle anderen Großmächte eine eigene Luftwaffe als Teilstreitkraft einführten.
Natürlich, es gibt immer auch bei anderen Mächten irrationale Motive hinter den nach außen hin scheinbar rationalen Entwicklungen, und gerade die hier angerissene Entstehenung der Fallschirmjägertruppe und deren Eingliederung in die Luftwaffe, obwohl ja das Heer 1937 ebenfalls Fallschirmjäger aufstellte und diese Idee ebenso verfolgte, hatten ja ganz genau so irrationale Motive (in diesem Fall die persönlichen Befindlichkeiten Görings), und ja, auch in anderen Staaten gab und gibt es Rivalitäten zwischen Teilstreitkräften um Mittel, Posten, wirtschaftlichen wie politischen Einfluss usw.
Dennoch bezeichne ich die Situation in Japan als Sonderweg, weil dort diese Rivalitäten wie angesprochen sehr viel extremer waren als in jeder anderen modernen Nation, insbesondere weil sie vormodernen Mustern und Ursachen entsprangen und ein Ausmaß erreichten, dass seinesgleichen sucht und eben nicht einfach mit dem üblichen Geschehen vergleichbar ist. Noch darüber hinaus drehten und drehen sich Rivalitäten zwischen Teilstreitkräften anderer Mächte eben um Fragen wie Posten, Mittel, Einfluss usw. also um rationale, weil von der Motivation her nachvollziehbare Egoismen. Man handelt also dahingehend aus rationalen Motiven, weil diese egoistisch sind und der Vorteilserwägung dienen. Wenn man als Beispiel Göring heranzieht, dann diente all dies auch seiner rein persönlichen Macht und der Absicherung derselben, daher beispielsweise die Aufstellung dieser Polizeitruppe welche alphall schon genannt hat und die nach kurzer Zeit auf 6 Bataillone aufgebläht wurde, um als persönliche Haustruppe Görings zu dienen usw.
In Japan aber war man bereit sich selbst und der eigenen Teilstreitkraft sogar Schaden zuzufügen, Hauptsache der Feind (die jeweils andere Teilstreitkraft) hatte davon auch einen Schaden und sogar so weitgehend, dass hier Aufwand und Nutzen in manchen Fällen in keinem Verhältnis mehr standen. Und gerade weil dies eben so extrem war, gerade eben deshalb betrachte ich die Entwicklung in Japan als Sonderweg, weil dort die Rivalität nicht einfach nur die übliche war wie bei anderen Mächten, sondern weit über das sonst übliche hinaus ging, bis hin zu völlig irrationalen und vollständig dysfunktionalen Mustern, welche durchaus weltweit einzigartig waren. Und wie erwähnt reichte das bis auf die strategische und politische Ebene hinauf, so dass Japan insgesamt deshalb nicht einmal in der Lage war, eine kohärente nationale Strategie zu formulieren, geschweige denn irgendeine nationale Strategie kohärent zu verfolgen.
Dass diese in Japan historisch bedingt außerordentlich ausgeprägt waren stelle ich nicht in Abrede, über deren Hintergründe kannst du vermutlich mehr sagen als ich, aber in welcher Form sollte dieser Umstand der Bildung einer eigenständigen Luftwaffe (die wie auszusehen gehabt hätte?) konkret im Weg gestanden haben, und aus welchem Grund wäre eine solche die eigentlich rationale Entwicklung gewesen?
1. Es gab in Japan einzelne Überlegungen eine eigenständige Luftwaffe aufzustellen, aber dies wurde in den bestehenden Teilstreitkräften jeweils nur als eine Intrige des "Feindes" verstanden und jeder noch so kleine Gedanke daran deshalb von beiden Seiten rigide bekämpft. Statt der Entwicklung anderer Großmächte zu folgen, welche ja in den Jahren auf den Zweiten Weltkrieg hin eigene Luftwaffen aufstellten, verblieb man also primär aufgrund der beschriebenen außerordentlichen Feindschaft in dem Zusrtand welchen andere Länder durch die Schaffung eigener Luftwaffen überwunden haben.
2. Die Entwicklung einer eigenständigen Luftwaffe wäre rational und notwendig gewesen, um diese auf allen Ebenen deutlich leistungsfähiger zu machen, und insbesondere auch um damit eine dritte Partei zu Heer und Marine zu schaffen, was den Konflikt zwischen diesen beiden "Großmächten" verändert hätte und damit politisch-strategisch vorteilhaft gewesen wäre, vor allem aber auch um die Beschaffung zu straffen und zu vereinheitlichen und dann nicht zuletzt vor allem auch aufgrund der Größe des Kriegsraumes. Selbst schon in China stand man ja vor immens großen Räumen, in welchen man operieren musste. Aufgrund der Größe und der Distanzen über welche hier gekämpft wurde, wäre eine eigene Luftwaffe meiner Meinung nach vorteilhaft gewesen. Und spätestens als Japan in die Defensive geriet, wäre die Zusammenlegung der Luftstreitkräfte in einer Luftwaffe sinnvoll gewesen, aus den gleichen Gründen die in Großbritannien schon 1916 diskutiert wurden, zur Verteidigung gegen die amerikanischen Luftangriffe. Entsprechend schuf man in England ja schon 1918 die Royal Air Force, während Japan bis zum Ende verbissen an der Aufteilung der Luftstreitkräfte festhielt.
Zitat:Die Entwicklung dort verlief in den wesentlichen Grundzügen genau so ab wie bei den meisten anderen Nationen auch
Andere Nationen aber führten dann Luftwaffen als eigene Teilstreitkraft ein, die Japaner nicht. Ich würde es daher eher so formulieren: die Entwicklung lief Anfangs parallel, aber dann trennten sich die Wege und die Entwicklung in anderen Staaten verlief anders.
Zitat:auf der Detailebene gibt es keine einheitliche Entwicklung, von der sich die japanische grundsätzlich unterscheiden könnte, sondern vielmehr eine Vielzahl an unterschiedlichen Entwicklungen, bei denen die japanische nicht besonders heraus sticht.
In Japan ging diese Sache sogar so weit, dass Flugzeughersteller voneinander rigide getrennte Werkshallen und rigide getrennte Produktionsbereiche hatten, jeweils für Heer und Marine, wobei entsprechende Mitarbeiter aus dem einen Bereich nicht mal den anderen Bereich betreten durften. Nur ein Beispiel für etliche solcher völlig dysfunktionaler Strukturen, hier mal für die Detailebene.
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(24.11.2024, 08:36)Quintus Fabius schrieb: 1. Es gab in Japan einzelne Überlegungen eine eigenständige Luftwaffe aufzustellen, aber dies wurde in den bestehenden Teilstreitkräften jeweils nur als eine Intrige des "Feindes" verstanden und jeder noch so kleine Gedanke daran deshalb von beiden Seiten rigide bekämpft. Statt der Entwicklung anderer Großmächte zu folgen, welche ja in den Jahren auf den Zweiten Weltkrieg hin eigene Luftwaffen aufstellten, verblieb man also primär aufgrund der beschriebenen außerordentlichen Feindschaft in dem Zusrtand welchen andere Länder durch die Schaffung eigener Luftwaffen überwunden haben.
Ich kann dieser Argumentation nicht folgen, tatsächliche verstehe ich sie zum Teil nicht einmal. Andere Länder haben den Zustand der Rivalität zwischen Marine und Heer nicht durch die Schaffung einer Luftwaffe überwunden, weil üblicherweise die ursprünglichen Fliegerkräfte der Marine in dieser gar nicht aufgegangen sind. Bezeichnend ist hierbei etwa die Entwicklung in Großbritannien, einem der wenigen Länder, in dem tatsächlich aus den Fliegerkräften des Heeres und der Marine eine einzige neue Teilstreitkraft gebildet wurde, in der es allerdings wenige Jahre später ein eigenes und tatsächlich relativ unabhängiges Marinefliegerkommando gab, dass dann Mitte der 30er Jahre an die Marine zurück übertragen wurde. Und wie gesagt war das die Ausnahme, üblicherweise entstanden eigenständige Luftwaffen ausschließlich aus den Fliegerkräften des Heeres.
Die immanente Gefahr des Kontrollverlustes, das meines Erachtens einzig logische Argument für das Ausbleiben des finalen Schrittes der formalen Herauslösung aus dem Kommando des Heeres (denn immer weitere Unabhängigkeit innerhalb des Heeres hat die Fliegerei im Laufe der 20er und 30er Jahre ja erhalten, bis hin zur Auflösung des von mir zuvor kritisierten Zustands der Trennung von den eigenen Unterstützungskräften), kann auf die tiefgehende Rivalität mit der Marine zurückzuführen sein, allerdings ist auch das kein untypischer Zustand. In diesem Kontext ist es beispielsweise erwähnenswert, dass in den USA erst 1941 das extra zur Kontrolle durch das Heer gebildete USAAC durch die USAAF ersetzt wurden, die hinsichtlich ihrer Organisation eigenständig, aber formal immer noch Teil des Heeres waren. Eine eigene Luftwaffe hat die USA final erst 1947 erhalten.
Zitat:2. Die Entwicklung einer eigenständigen Luftwaffe wäre rational und notwendig gewesen, um diese auf allen Ebenen deutlich leistungsfähiger zu machen, und insbesondere auch um damit eine dritte Partei zu Heer und Marine zu schaffen, was den Konflikt zwischen diesen beiden "Großmächten" verändert hätte und damit politisch-strategisch vorteilhaft gewesen wäre, vor allem aber auch um die Beschaffung zu straffen und zu vereinheitlichen und dann nicht zuletzt vor allem auch aufgrund der Größe des Kriegsraumes. Selbst schon in China stand man ja vor immens großen Räumen, in welchen man operieren musste. Aufgrund der Größe und der Distanzen über welche hier gekämpft wurde, wäre eine eigene Luftwaffe meiner Meinung nach vorteilhaft gewesen. Und spätestens als Japan in die Defensive geriet, wäre die Zusammenlegung der Luftstreitkräfte in einer Luftwaffe sinnvoll gewesen, aus den gleichen Gründen die in Großbritannien schon 1916 diskutiert wurden, zur Verteidigung gegen die amerikanischen Luftangriffe. Entsprechend schuf man in England ja schon 1918 die Royal Air Force, während Japan bis zum Ende verbissen an der Aufteilung der Luftstreitkräfte festhielt.
Die Royal Air Force ist aber, wie zuvor dargestellt, ein schlechtes Beispiel für deinen Standpunkt. Als die Bedeutung des Flugzeugs als ein Mittel des Seekrieges erkannt wurde und die Priorität sich immer mehr von den Schlachtschiffen hin zu Flugzeugträgern verlagerte, machte Großbritannien die Entscheidung der Zusammenführung der Fliegerkräfte von Heer und Marine rückgängig, löste den zwischenzeitlich gegründeten Fleet Air Arm aus der Royal Air Force heraus und unterstellte ihn der Royal Navy. Diese Bedeutung des Flugzeugs für den Seekrieg hat Japan bereits relativ früh begriffen (immerhin stellten sie den ersten Flugzeugträgerneubau in Dienst und schufen in den 30er Jahren das Konzept der Kreuzerkriegführung aus der Luft) und die entsprechenden Strukturen der Marineflieger darauf ausgerichtet. Damit entsprach die Entwicklung der Marinefliegerei jener der anderen großen Marinenationen jener Zeit, abgesehen von Italien (und Deutschland, wenn man die dazu zählen möchte).
Eine solche von dir genannte Zusammenlegung wäre also atypisch gewesen, insbesondere wenn die geographischen Eigenheiten und die Ausrichtung der Marine berücksichtigt werden. Ich bin auch nicht der Ansicht, dass diese in irgendeiner Form besser gewesen wäre, gerade aus den von dir genannten Gründen. Wie bereits gesagt, bei der Flugzeugentwicklung, der industriellen Produktion und zum Teil auch was die tatsächliche operative Nutzung, insbesondere in der Endphase des Krieges angeht, stimme ich dir zu. Hier war die japanische Entwicklung tatsächlich irrational.
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