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"Diplomatische Tradition". Je nun.
Staats- und Regierungschefs genießen im Ausland Immunität vor Strafverfolgung durch die Gerichtsbarkeit des Landes, in dem sie sich aufhalten. Der Diplomatie ist diese Tatsache zweifellos förderlich, sie hat aber mit diplomatischen Traditionen nichts zu tun, sondern ist ein elementarer Grundsatz der Weltordnung: Alle Staaten sind gleich an Rechten und Pflichten, unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe und Macht. Der Völkerrechtler nennt das par in parem non habet imperium, Gleiche haben über Gleiche keine Gerichtsbarkeit.
Es ist jedoch seit 1946 allgemein anerkannter Grundsatz und integraler Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts, dass Staats- und Regierungschefs keine Immunität vor Strafverfolgung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit besitzen. Und nach dem Weltrechtsprinzip haben alle Staaten das Recht und sogar die Pflicht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen (mit einer noch anzusprechenden Einschränkung).
Im vorliegenden Fall ist es auch völlig einerlei, dass Israel die Autorität des IStGH nicht anerkennt, weil das humanitäre Völkerrecht gewohnheitsrechtlich alle Staaten bindet. Es entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die USA diese Doktrin so scharf bekämpfen, die sie in Tokio (IMTFE) überhaupt erst ins Völkerrecht eingeführt hatten.
Dass der IStGH ein politisiertes Gericht ist, steht außer Frage, ist aber auch kein Wunder, da alles Recht nur so viel taugt wie die, die es durchsetzen bzw. sich daran halten sollen. Und was das anlangt, ist das Völkerrecht in den letzten Jahrzehnten arg in Mitleidenschaft gezogen worden.
Im Fall Netanjahu gibt es dennoch berechtigten Anlass zur Kritik am Vorgehen des IStGH.
Chefankläger Karim Khan ist erstens politisch voreingenommen und schwerlich in der Lage, mit der nötigen Neutralität einer seiner wichtigsten Aufgaben nachzugehen – auch solche Tatsachen zu ermitteln, die die Beschuldigten entlasten könnten.
Zweitens setzt das Römische Statut (Art. 17 Abse. 1, 2) der Zuständigkeit des IStGH dieselbe Grenze, die auch das Weltrechtsprinzip beschränkt: das sogenannte Komplementaritätsprinzip. Denn es gilt nach wie vor par in parem non habet imperium, und es gilt nach wie vor cuius est solum, d.h. das Prinzip, dass jeder Staat auf seinem Staatsgebiet alleinige Jurisdiktion hat.
Diese Grundsätze werden nur durchbrochen, wenn der eigentlich für die Strafverfolgung zuständige Staat (hier also Israel) entweder faktisch nicht dazu in der Lage ist, die Anschuldigungen zu verfolgen; erkennbar nicht willens ist, die Anschuldigungen zu verfolgen; oder bereits erklärt hat, die Anschuldigungen nicht verfolgen zu wollen.
Die erste mögliche Grundlage scheidet a priori aus (der Norm geht es hier vor allem um Staaten ohne funktionierende Gerichtsbarkeit wie bspw. Somalia). Bleibt also die Frage, ob die israelische Justiz erkennbar nicht willens ist, jemals gegen Netanjahu wegen möglicher Völkerrechtsverstöße zu ermitteln. Doch hat die israelische Justiz bewiesen, dass sie sehr wohl bereit ist, dem Kabinett Netanjahu die Stirn zu bieten. Eben deswegen wollte er sie ja an die Leine legen.
Nun hat Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zwar nach Bekanntwerden des Antrags im Mai erklärt, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Daraus kann man aber nicht schlussfolgern, dass die israelische Justiz keine Anschuldigungen gegen Netanjahu untersuchen wird. Sie stellt "nur" das Recht des IStGH infrage, dies selbst zu tun. Insofern sehe ich auch keine Grundlage, vom Vorliegen dieser Voraussetzung auszugehen.
Vollends merkwürdig wird es, wenn Khan der israelischen Justiz vorwirft, dass sie, wenn sie wirklich gegen Netanjahu ermitteln wollte, genug Zeit dafür gehabt hätte. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken: Der Antrag wurde im Mai gestellt, formuliert wurde er im März. Da hatte der Krieg fünf Monate gedauert, und fast die Hälfte dieser Zeit war die israelische Justiz im Rezess. Insofern ist auch diese Auffassung mindestens mal kritikwürdig. Vielleicht mag es Herrn Khan erstaunen, aber ständige Raketeneinschläge sind der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten nicht eben förderlich.
Dass Khan die Haftbefehle gegen die Hamas-Führung und gegen Netanjahu und Gallant am gleichen Tag beantragte, ist natürlich gewollte Symbolik. Ich denke zwar, dass die Israelis den Bogen überspannen, wenn sie von Antisemitismus und der Dreyfus-Affäre unserer Zeit sprechen. Doch steht für mich fest, dass das Verfahren gegen Netanjahu und Gallant vor allem dazu dienen soll, den sogenannten Globalen Süden davon zu überzeugen, dass die westliche Weltordnung durchaus nicht mit zweierlei Maß misst.
Ich habe gestern Abend mal meinen alten Prof gefragt, der prophezeite, dass Deutschland darauf abstellen wird, der Haftbefehl sei unzulässig, weil die Voraussetzungen zu seiner Erteilung im Sinne des Art. 17 nicht vorlagen.
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Zitat:es widerstrebt mir zutiefst, gegenüber dieser von diesen sog. "Staaten" vorgetragenen und vorgeschobenen Heuchelei auch nur einen Meter Boden preiszugeben
Südafrika, Irland, China, Mexiko, Slowenien und Spanien sind also nur irgendwelche Shitholes und alles was diese Länder in diesem Kontext von sich geben nur Heuchelei ?!
Ist nicht eher deine Position hier eine zutiefest heuchlerische ? Rechtsprechung gibt es also nur gegen diejenigen welche dir missfallen und gegen diejenigen welche die deinen sind nicht ?!
Was im übrigen in Bezug auf diese Anklage untergeht ist, dass bis zu einem Urteil (!) des Gerichtes für Netanjahu wie für alle anderen auch weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Denn die Erhebung einer Anklage ist ja kein Schuldspruch.
Auch sonst kann immer jeder jeden praktisch gesehen jeder Straftat beschuldigen, dass gilt ja selbst im ganz normalen Strafrecht. Und derjenige ist dann entsprechend Beschuldigter im Strafverfahren.
Und was machst du eigentlich dann, wenn das Gericht in einem Verfahren (etwaig ja auch in Abwesenheit der Person des Angeklagten) diesen für unschuldig erklären und frei sprechen würde ? Würdest du dann jubilieren und erklären, dass Völkerrecht und das Gericht seien also dann gut und richtig ?
Ob das Gericht also deiner Ansicht nach richtig handelt, hängt folglich nur davon ab, was für Recht es spricht und ob dieses Recht die gefällt oder missfällt ?
Ob Recht legitim ist, ergibt sich also deiner Aussage nach daraus, ob dieses Recht dir persönlich passt.
KheibarShekan:
Ja wie - ja was ? Der Iran ist gar nicht auf der Liste ??
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(23.11.2024, 07:16)Quintus Fabius schrieb: KheibarShekan:
Ja wie - ja was ? Der Iran ist gar nicht auf der Liste ??
Indirekt schon über die OIC.
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Ob eine Anklage gerechtfertigt und ein Angeklagter dementsprechend "schuldig" erscheint, kann gerade im Medienzeitalter faktisch jeder für sich überprüfen - hier die neuesten Nachrichten aus Gaza, dem Libanon und dem Westjordanland
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(23.11.2024, 14:22)Kongo Erich schrieb: Ob eine Anklage gerechtfertigt und ein Angeklagter dementsprechend "schuldig" erscheint, kann gerade im Medienzeitalter faktisch jeder für sich überprüfen Diese Aussage zeigt eines der großen Probleme unserer Zeit auf. Denn kaum jemand ist tatsächlich in der Lage, die Fülle der verfügbaren Informationen zu erfassen und auszuwerten sowie gleichzeitig mit einem ausreichenden Hintergrundwissen - insbesondere juristischer Art - ausgestattet, um darauf basierend ein auch nur halbwegs realitätsnahes Urteil zu fällen.
Der Glaube daran, dass es nicht so wäre, ist einer der Hauptgründe für die zunehmende gesellschaftliche Spaltung.
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@Quintus
Zitat:Südafrika, Irland, China, Mexiko, Slowenien und Spanien sind also nur irgendwelche Shitholes und alles was diese Länder in diesem Kontext von sich geben nur Heuchelei ?!
Nein, sind sie nicht bzw. zumindest nicht per se. Aber sie müssen sich den Vorwurf durchaus gefallen lassen, dass sie eine Vorgehensweise unterstützen - die Motive einmal außen vor gelassen -, die nicht juristisch erfasst wurde, sondern allenfalls eine politische Komponente innehat. Der Strafgerichtshof soll dann aktiv werden, wenn (wie muck umrissen hat) es keine Optionen dahingehend gibt, dass bestimmte Straftaten in einem Land gesühnt werden können oder man dort die Vorkommnisse nicht bestrafen will. Der IStGH hat hier nun einen recht klar definierten Auftrag, es geht um Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das Führen eines Aggressionskrieges sowie Kriegsverbrechen - und dann kann/muss er aktiv werden.
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Aggressionskrieg liegen faktisch aber nicht vor. Kriegsverbrechen durch einzelne israelische Soldaten sind zwar vorgekommen (zumindest nach aktuellem Stand), aber bei diesen haben weder Gallant noch Netanjahu die Order dazu gegeben. Und es ist der israelischen Justiz zuzutrauen, solche Verbrechen zu bestrafen. Der IStGH hätte also keine wirkliche Handhabe gegen Israel. Sehr wohl aber hätte er eine solche gegen die Hamas - zwar nicht bezogen auf Völkermord [man könnte und müsste dies der Hamas zwar wohl unterstellen, aber direkte Belege gibt es so keine, allenfalls mögliche Indizien bzgl. der Absicht], aber die Sachverhalte Verbrechen gegen die Menschlichkeit [wahllose Tötungen von Zivilpersonen, Misshandlungen, sexuelle Gewalt, Geiselnahmen und Verschleppungen sowie Geiselmorde], ein Aggressionskrieg am 7. Oktober sowie Kriegsverbrechen - einerseits gegen die gegnerische Partei, aber auch gegen die eigenen Leute - liegen überaus klar vor.
Khan hätte also nun gegen die Hamas-Führung ermitteln müssen. Einseitig. Das wollte er aber nicht, denn er weiß gut, dass dies bei vielen Staaten im globalen Süden nicht sonderlich gut ankommen würde. Zudem war er dem Mossad wohl immer noch böse, dass der ihn mal bespitzeln ließ (mutmaßlich). Also hat man das ganze Vorgehen verschleiert mit einer parallel dazu eingeleiteten Ermittlung gegen Israels Führung, so dass es den Anschein einer "Gleichbehandlung" hat. Genau genommen ist das aber eine reine Augenwischerei - und das wiederum hätten Länder, denen man unterstellen kann, dass sie ein entsprechend korrekt arbeitendes Justizsystem haben (Irland, Spanien, Slowenien) schlicht berücksichtigen müssen. Stattdessen haben sie sich aber blindlinks einem Vorgehen angeschlossen, dass von Ländern unterstützt wird, die faktisch als unfrei kategorisiert werden müssen. Das ist schlicht unverantwortlich - und schadet übrigens auch dem IStGH.
Zitat:Ist nicht eher deine Position hier eine zutiefest heuchlerische ?
Heuchlerisch nicht, eher zynisch.
Zitat:Rechtsprechung gibt es also nur gegen diejenigen welche dir missfallen und gegen diejenigen welche die deinen sind nicht ?!
Nein, nicht ganz; aber Staaten, die faktisch kein freies Justizsystem haben, sollten demokratischen Staaten nicht auf internationalen juristischen Wegen Vorschriften machen können dürfen.
@Kongo Erich
Zitat:Ob eine Anklage gerechtfertigt und ein Angeklagter dementsprechend "schuldig" erscheint, kann gerade im Medienzeitalter faktisch jeder für sich überprüfen - hier die neuesten Nachrichten aus Gaza, dem Libanon und dem Westjordanland
Ich bin mir zwar des Umstandes bewusst, dass es Vermutungen dahingehend gibt, dass seit der Erfindung von YouTube und Facebook Schulen und Universitäten überflüssig geworden sind, doch mache ich mir diese Annahmen nicht zu eigen.
Schneemann
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(23.11.2024, 16:16)Schneemann schrieb: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Aggressionskrieg liegen faktisch aber nicht vor. Das wäre aber gerade der Ansatzpunkt, an dem man sich durchaus streiten könnte. Denn die Handlungen Israels könnten unter Umständen dann als Völkermord gewertet werden, wenn man die offensichtliche Strategielosigkeit dahinter mit in die Beurteilung einbezieht.
Dass vieles, was in Gaza und Teilen des Westjordanlands passiert, die Kriterien des Völkermords zumindest streift, scheint mir durchaus gegeben zu sein.
Allerdings rechtfertigt das mMn keinen Haftbefehl, zumal zum jetzigen Zeitpunkt die strategische Dimension gar nicht in Gänze erfasst werden kann. Vielleicht gibt es ja eine israelische Strategie, unter der die Handlungen gerechtfertigt sind, das ist alles andere als ausgeschlossen. Zudem gibt es auch zahlreiche Indizien gegen eine Völkermord-Absicht und eben auch eine nationale Gerichtsbarkeit, die bisher keinen Anlass dazu gibt, ihr Unwillen zur Verfolgung solcher Verbrechen zu unterstellen, sollten diese erkennbar werden.
Deiner Interpretation stimme ich ansonsten zu, nur denke ich, dass die vollständige Zurückweisung des Völkermord-Vorwurfs nicht angemessen ist, zumal die Definition von Völkermord ja sehr vieles beinhaltet, was sich im Rahmen eine Krieges, insbesondere gegen irreguläre Kräfte und erst recht unter den besonderen Voraussetzungen dieses Konfliktes, nur schwer vermeiden lässt.
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Deine Argumentation krankt daran, dass die Völkermorddefinition als zentrales Tatbestandselement auf der Vernichtungsabsicht ruht.
Diese Vernichtungsabsicht ist sehr eng gefasst, es muss ein besonderer Vorsatz (dolus specialis) vorliegen.
Sprich der Täter muss nicht nur vorsätzlich handeln, sondern auch die spezifische Absicht haben, die geschützte Gruppe als solche zu zerstören. Es genügt nicht, dass Handlungen ausführt die in der Völkermorddefinition genannt werden. Die Handlung muss immer auf die ganz oder teilweise Vernichtung der Gruppe als solche abzielen.
Und an der Stelle wird es halt maximal politisch - der Nachweis, dass es tatsächliche Politik der Israelischen Regierung ist, die Palästinenser zu vernichten ist juristisch nicht zu erbringen, mann kann lediglich behaupten das es so wäre (und politisch vorbelastete bzw. befangene Chefankläger und Richter können einfach festlegen, dass es so ist).
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Kein Widerspruch, deshalb ja mein Verweis auf die nicht klar erkennbare Strategie hinter dem aktuellen Vorgehen.
Ich stelle ja keinen Völkermord fest, halte ihn jedoch auch nicht für komplett ausgeschlossen, je nach unterstellter politischer Intention.
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(23.11.2024, 16:16)Schneemann schrieb: ....
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Aggressionskrieg liegen faktisch aber nicht vor. Kriegsverbrechen durch einzelne israelische Soldaten sind zwar vorgekommen (zumindest nach aktuellem Stand), aber bei diesen haben weder Gallant noch Netanjahu die Order dazu gegeben. Und es ist der israelischen Justiz zuzutrauen, solche Verbrechen zu bestrafen. Der IStGH hätte also keine wirkliche Handhabe gegen Israel. ...
@Kongo Erich
Ich bin mir zwar des Umstandes bewusst, dass es Vermutungen dahingehend gibt, dass seit der Erfindung von YouTube und Facebook Schulen und Universitäten überflüssig geworden sind, doch mache ich mir diese Annahmen nicht zu eigen.
Schneemann @Schneemann, ich bevorzuge seriösere Medien wie etwa die ZEIT, die zur Humanitäre Lage in Gaza schreibt: Zitat:Gezieltes Aushungern? Das wäre ein Kriegsverbrechen
Mit einer Blockade will Israel verhindern, dass sich die Hamas wieder in Nord-Gaza festsetzt. Manche Experten sehen nun die Kriterien für einen Genozid erfüllt.
...
und ähnliches ergibt sich wohl auch im Südlibanon - dort scheint inzwischen eine langfristige - um nicht zu sagen dauerhafte - Vertreibung im Gange:
Zitat:"Wo ich jetzt bin, gehöre ich nicht hin"
Entvölkerte Dörfer, zerstörte Häuser: Im israelisch-libanesischen Grenzgebiet bekriegen sich Israels Militär und die Hisbollah seit Monaten. ...
war ein Zwischenstand der Tagesschau am 31.05.2024 12:09 Uhr und
Zitat:Israels Armee zerstört Wohnviertel und Dörfer im Libanon
berichtete die Frankfurter Rundschau zum Stand vom 21.10.2024, 05:31 Uhr und die FAZ berichtet im aktuellen im Liveticker von weiteren massiven Angriffen Israels auf die Dörfer dort.
Es ist also eine langfristig angelegte Operation im Gange, die zu einer dauerhaften Unbewohnbarkeit des Gebietes führt.
Auch wenn ich nicht selbst urteilen muss - ich denke, dem Gericht kann man eine rechtsstaatlich belastbare Prüfung der Vorwürfe unterstellen.
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Zitat:Mit einer Blockade will Israel verhindern, dass sich die Hamas wieder in Nord-Gaza festsetzt. Manche Experten sehen nun die Kriterien für einen Genozid erfüllt.
Eine Blockade - oder präziser eine Belagerung - ist vollkommen legitim solange Nichtkombatanten das fragliche Gebiet verlassen können. Das ist der Fall.
Zitat:Entvölkerte Dörfer, zerstörte Häuser: Im israelisch-libanesischen Grenzgebiet bekriegen sich Israels Militär und die Hisbollah seit Monaten. ...
Die IDF zerstört an der Südgrenze in geographisch eng begrenzten Gebieten Wehrdörfer der Hezbollah. Ein völlig legitimer Vorgang, nachdem die Hezbollah die zivile Infrastruktur dort festungsartig ausgebaut hat.
Die Verantwortung für das dadurch bei der Zivilbevölkerung entstehende Leid liegt bei der Hezbollah.
Zitat:Auch wenn ich nicht selbst urteilen muss - ich denke, dem Gericht kann man eine rechtsstaatlich belastbare Prüfung der Vorwürfe unterstellen.
Schon die Ausstellung der Haftbefehle zeigt das sie es nicht können.
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Der wesentlichste Punkt wird hier meiner Ansicht nach von Schneemann etc. weiterhin ignoriert: nämlich dass die bloße Anklage noch kein Schuldspruch ist.
Zitat:Der IStGH hat hier nun einen recht klar definierten Auftrag, es geht um Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das Führen eines Aggressionskrieges sowie Kriegsverbrechen - und dann kann/muss er aktiv werden.
Die Beschuldigung dies getan zu haben, bedeutet nicht, dass dies getan wurde. Denn auch für Netanjahu gilt weiterhin - und auch vor diesem Gericht - die Unschuldsvermutung.
Nehmen wir einmal an, da prügeln sich zwei. Die eintreffende Polizei nimmt eine wechselseitige Körperverletzung auf. Beide sind nun Beschuldigte ! Aber einem wird dann Notwehr zugesprochen. Dies könnte - den Umständen entsprechend - dann sogar der sein, der vorher in Untersuchungshaft ging. Nur um dies mal als Beispiel zu verwenden um meine Position in dieser Sache besser zu erklären.
Die bloße Anklage vor diesem Gericht bedeutet eben nicht, dass Israel diese Taten begangen hat. Sondern nur, dass Israel dieser Taten beschuldigt wird, bis zu einem Urteil aber als Unschuldig zu gelten hat.
Und damit stellt sich die Frage, ob Israel diese Taten begangen hat noch gar nicht, sondern lediglich die Frage, ob ein ausreichender Anfangsverdacht vorhanden ist. Und ein gewisser Anfangsverdacht ist nicht von der Hand zu weisen. Nun wäre es entsprechend an der israelischen Regierung, diesen Anfangsverdacht durch Fakten zu widerlegen.
Der beste Ausgang wäre dann dabei, wenn sich Netanjahu vor dem Gericht durch Anwälte in Abwesenheit vertreten lässt, der Prozess also durchgeführt wird. Und würde dieser rechtsstaatlichen Prinzipien und allein der Wahrheit verpflichtet ablaufen, wäre das Ergebnis ein Freispruch für Netanjahu. Dies wäre dann aber zugleich ein entscheidendes politisches Signal und eine immense Legitimation für Israel.
Ich würde daher an israelischer Stelle diesen Prozess bestehen, denn Israel verliert dadurch gar nichts, bzw. weniger als wenn es sich diesem Prozess verweigert, und hat umgekehrt viel zu gewinnen.
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(23.11.2024, 23:17)Quintus Fabius schrieb: Der wesentlichste Punkt wird hier meiner Ansicht nach von Schneemann etc. weiterhin ignoriert: nämlich dass die bloße Anklage noch kein Schuldspruch ist.
Die Beschuldigung dies getan zu haben, bedeutet nicht, dass dies getan wurde. Denn auch für Netanjahu gilt weiterhin - und auch vor diesem Gericht - die Unschuldsvermutung. Das Problem ist nicht die Anklage, sondern der Haftbefehl.
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Die Unschuldsvermutung für Netanjahu interessiert einen großen Teil der Weltöffentlichkeit ebenso wenig wie die Tatsache, dass selbst nachgewiesene Kriegsverbrechen nicht notwendigerweise einen Völkermord ergeben. (23.11.2024, 23:17)Quintus Fabius schrieb: Ich würde daher an israelischer Stelle diesen Prozess bestehen, denn Israel verliert dadurch gar nichts, bzw. weniger als wenn es sich diesem Prozess verweigert, und hat umgekehrt viel zu gewinnen. Interessante Überlegung, aber ich fürchte, sie ist zu abstrakt. Man kann mit Golda Meirs berühmtem Zitat natürlich immer argumentieren, dass es vergebene Liebesmüh wäre, wenn Israel versuchen wollte, seine Gegner auf der Weltbühne umzustimmen. Auch wenn manche es nicht wahrhaben wollen, wird Israel tatsächlich von einer teils antisemitisch, teils (selbsterklärt) post-kolonialistischen Weltöffentlichkeit mit zweierlei Maß gemessen.
Doch ist das Völkerrecht derzeit unglaublich politisiert, und es besteht meines Erachtens die reelle Gefahr, dass Netanjahu selbst dann schuldig gesprochen werden könnte, wenn er unschuldig sein sollte.
Ich meine, wenn man sich das Précis der südafrikanischen Eingabe vor dem IGH anschaut – das ist teilweise bloß eine Sammlung von Links zu Artikeln von CNN, Reuters und Al Jazeera, in denen Journalisten Eindrücke schildern oder Zitate präsentieren. Dass der Schrieb überhaupt akzeptiert wurde, sagt einiges aus über den Zustand einer Rechtsordnung, in der sich heutzutage vor allem Aktivisten tummeln.
Und wenn der Prozess zuungunsten Netanjahus ausgeht, hat der Antisemitismus der Linken und des islamischen Kulturkreises gewissermaßen ein Gütesiegel erhalten. Ein Gutteil der Länder dieser Welt würde eine Blockade gegen Israel verhängen und der israelischen Wirtschaft massiv schaden. Auch die jüdische Diaspora dürfte unter einem solchen Schuldspruch massiv leiden.
Rein strategisch gesprochen – an der Stelle der israelischen Entscheidungsträger würde ich das Verfahren ignorieren und boykottieren. Netanjahu ist 75 Jahre alt, der macht's sowieso nicht mehr lange, das politisch-diplomatische Problem wird sich bald in Luft auflösen.
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@Quintus,
wie viele der Richter werden wohl befangen sein? Hier der Vorsitzende...
Zitat:Nawafs Ernennung zum Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs im Februar 2024 fiel zeitlich unmittelbar hinter die erste Anhörung zur Genozid-Klage Südafrikas gegen Israel im Januar 2024. Nawaf kritisierte in der Vergangenheit mehrfach die israelische Besatzungspolitik. So hatte er neun Jahre zuvor getwittert: „#Israel Occupation of #Gaza & the #WestBank: Unhappy birthday to you, 48 years of occupation“.[2] Monate später berichtete das Jewish News Syndicate, dass er schrieb: „Israel muss die Gewalt stoppen und die Besatzung beenden“ und „Kritiker der israelischen Politik als Antisemiten darzustellen ist ein Versuch, sie einzuschüchtern und zu diskreditieren, was wir ablehnen“.[3] Nawaf wird den Vorsitz in dem von Südafrika gegen Israel angestrengten Verfahren führen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nawaf_Salam
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