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Sehe ich ebenso.
Da diese Diskussion ja aber mit Clausewitz anfing, will ich noch einmal auf diesen zurück kommen: nach Clausewitz hat jeder Krieg das Ziel den gegnerischen Willen zu beeinflussen und zielen daher alle Handlungen im Kriege darauf ab. Clausewitz schrieb daher sogar bildlich von einem Ringen der beiden Willen gegeneinander.
Entsprechend ist es auch das Ziel Russlands den Willen der Ukrainer zu beeinflussen und zielt jedwede russische Strategie darauf ab. Da dies aber nun seit so langer Zeit nicht in der Form gelingt welche Russland anstrebt, heißt dies entweder, dass die russische Strategie an sich falsch ist, und/oder, dass den Russen die MIttel fehlen um die ansonsten mögliche Strategie umzusetzen. Auch meiner Ansicht nach ist letzteres der Fall: die Mittel fehlen.
Entsprechend müsste Russland seine strategischen Ziele aufgeben, was wie schon beschrieben kaum möglich ist solange dafür kein "Gesichtswahrender Ausstieg" machbar wird, oder es müsste seine Strategie ändern, aber in was? Da ja für andere Methoden ganz genau so die Mittel fehlen.
Entsprechend ist Russland in der selbst gewählten Zwickmühle gefangen und manövriert sich immer tiefer in diese hinein, oder überhaupt anders handeln zu können.
Umgekehrt muß die Schlußfolgerung daraus sein, dass man Russland wenn man tatsächlich einen (vorübergehenden) Frieden will, auf der politisch-strategischen Ebene einen Ausstieg aus seiner aktuellen Strategie ermöglichen muss. Dies kann die Ukraine selbst natürlich nicht bewerkstelligen, sondern dies müsste der Westen tun.
Und da er dies nicht tut, wird der ganze Krieg mechanistisch immer weiter laufen, und mit der Zeit auch immer weiter eskalieren müssen.
Das klingt nun vielleicht danach, den Russen Zugeständnisse zu machen, aber das ist damit nicht gemeint und zöge natürlich ebenso andere Nachteile und Problemstellungen nach sich. Und etwaig könnte man die Russen auch auf andere Weise dazu bringen auszusteigen und ihnen die Möglichkeit dafür bieten, dass ginge nämlich auch auf andere Art als nur mit Zugeständnissen, beispielsweise durch eine sofortige massive Ausweitung der Waffenlieferungen an die Ukraine - ABER:
Egal welchen Ausweg man für die Russen aus der strategischen Falle baut, dieser müsste halt mit ihnen abgesprochen werden, idealerweise auf dem Wege der Geheimdiplomatie. Man müsse dies gemeinsam koordinieren um diese Misere aufzulösen.
Das Hauptproblem ist daher meiner Ansicht nach aktuell die mangelnde bzw. noch besser gesagt: die mangelhafte Kommunikation mit den Russen. Man müsste mit dem russischen Regime gemeinsam einen Ausweg für dieses konstruieren. Wie auch immer dieser dann aussieht, aber immer mit der Zielsetzung des Regimeerhaltes in Russland, den dieser steht als politisch-strategisches Ziel besagten Regimes natürlich über allen anderen strategischen Zielen.
Verbleibt noch die Fragestellung, inwieweit Putin überhaupt noch geistig in der Lage ist, eine solche Lösung zu erkennen, zu verstehen und anzustreben und inwieweit er nicht längst geistig zu unfähig, zu altersstarr und zu ignorant gegenüber der Realität geworden ist.
Da Russland ein Geheimdienst / Geheimpolizeistaat ist, müsste man entsprechend mit diesen Kreisen geheimdiplomatisch diese Frage klären, und sollte die Antwort ergeben, dass Putin ungeeignet ist dem folgend die Frage aufwerfen, inwieweit nicht der tragische Tod Putins durch Krankheit u.ä. etc. hier eine Option wäre. Sollte er hingegen noch ausreichend befähigt sein, müsste man mit ihm direkt einen Ausweg der aktuellen Misere finden.
Dies nicht weil Russland stark wäre, eine Gefahr für die NATO usw. sondern gerade eben weil Russland so schwach geworden ist, so volatil, so labil im Inneren, gefährdet für Zusammenbruch und nicht mehr einfangbare Fehlentwicklungen.
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Ziemlich viele implizite Vorannahmen in dem Text. Ich überschlage:
• Es wird als gegeben angenommen, daß das primäre Ziel Russlands die Beeinflussung des Willens der Ukrainer ist und dass dies das zentrale Motiv der russischen Strategie darstellt.
• Es wird als gegeben angenommen, daß Russlands Strategie zur Zielerreichung scheitert und Russland seine Ziele bisher nicht erreicht hat.
• Es wird als gegeben angenommen, daß Russland seine Ziele nicht erreichen kann, weil es ihm an den nötigen Mitteln und Ressourcen fehlt.
• Es wird unterstellt, daß Russland seine strategischen Ziele nicht aufgeben kann, weil dies als „Gesichtsverlust“ gesehen würde, und daß es demnach in einer „strategischen Falle“ gefangen sei.
• Es wird unterstellt, daß nur der Westen Russland eine „gesichtswahrende“ Ausstiegsmöglichkeit bieten kann, während jeweils Russland oder die Ukraine dazu allein nicht in der Lage wären.
• Es wird offensichtlich vorausgesetzt, daß der Westen eine Verpflichtung hat, Russland einen diplomatischen Ausweg zu bieten, um den Konflikt zu beenden.
• Es wird unterstellt, daß der Krieg unvermeidlich weitergeht und eskaliert, wenn der Westen nicht interveniert oder eine diplomatische Lösung fördert.
• Es wird unterstellt, eine „massive Ausweitung der Waffenlieferungen“ an die Ukraine wäre eine Möglichkeit, Russland direkt zu einem Rückzug zu zwingen.
• Es wird als gegeben angenommen, daß das wichtigste strategische Ziel des russischen Regimes dessen eigener Machterhalt ist.
• Es wird damit gerechnet, daß Putins geistiger Zustand und seine Fähigkeit zur Realitätswahrnehmung beeinträchtigt sind.
• Es wird damit gerechnet, daß es effektiv sei, mit den russischen "Geheimdiensten" einen "diplomatischen Ausweg" zu verhandeln.
• Es wird damit gerechnet, daß Putins Tod eine Lösung darstellt.
• Es wird als gegeben angenommen, daß Russlands schwach, unstet und instabil ist (womöglich unabänderlich).
Wenn man diese Vorannahmen als solche aussortiert, wäre alles nachfolgende viel interessanter und eventuell handfester. Dies jedenfalls ist meine Vorannahme.
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Werter Pogu:
Zitat: Es wird offensichtlich vorausgesetzt, daß der Westen eine Verpflichtung hat, Russland einen diplomatischen Ausweg zu bieten, um den Konflikt zu beenden.
Eine Verpflichtung dazu hat er nicht, aber es wäre wesentlich klüger für alle Beteiligten dies anzustreben.
Zitat: Es wird als gegeben angenommen, daß Russland seine Ziele nicht erreichen kann, weil es ihm an den nötigen Mitteln und Ressourcen fehlt.
Russland kann sein Ziel in der Ukraine etwaig mittelfristig erreichen, wenn der Westen seine Hilfen reduziert, dass Interesse an diesem Krieg im Westen auch sonst weiter nachlässt und die Ukrainer innerhalb der nächsten zwei Jahre einknicken.
Diese ganz klar erkennbare und eindeutige russische Strategie hatte ich schon mehrfach hier detailliert beschrieben. Das ist auch keine Annahme, sondern schlicht und einfach das was stattfindet. Und für Russland stattfinden muss, weil es gar keine Alternativen dazu gibt.
Du schreibst hier von Annahmen, aber vieles davon sind keine bloßen Annahmen, sondern schlicht und einfach deterministische Abläufe, welche gar nicht anders sein können, weil die Umstände sie so bestimmen. Man überschätzt meiner Ansicht nach, wie handlungsfrei man in einem solchen überkomplexen hochdynamischen Geschehen ist und wie weitgehend man in einem solchen fremdbestimmt handeln muss, weil die Umstände es erzwingen.
Meiner Ansicht nach ist niemand hier wirklich handlungsfrei und alles sehr viel mehr von den Umständen fremdbestimmt.
Zitat:Wenn man diese Vorannahmen als solche aussortiert, wäre alles nachfolgende viel interessanter und eventuell handfester.
Da bin ich aber jetzt gespannt. Was wäre denn konkret alles nachfolgende? Was verstehst du konkret unter nachfolgenden, handfesteren Dingen ?
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Sehr geschätzter @Quintus, zunächst möchte ich mich entschuldigen, falls mein Beitrag weniger präzise ist, als ich es von Dir hier erwarte.
Deine Analysen halte ich für so fundiert und aufschlußreich, daß ich sie in diesem Forum wie Börsennachrichten lese. Gerade diesmal fiel mir jedoch eine bemerkenswerte Anzahl an Vorannahmen auf, weshalb ich das ansprechen wollte.
Vorannahmen sind nicht per se falsch, aber eben auch nicht faktisch korrekt – es sind Grundlagen, auf denen man weiterdenkt. Erst einmal fest in sein Gedankengebäude verbaut, schließt man sich jedoch schlimmstenfalls von anderen Optionen oder möglichen Konstellationen aus, ohne das zu merken.
Wenn ich meine eigene Perspektive hinzufüge, sehe ich, daß Russland viele Fehler gemacht hat, aber auch bemerkenswert oft die Fähigkeit gezeigt hat, aus diesen Fehlern zu lernen. Diese Lernfähigkeit oder – vielleicht präziser – die Anpassungsfähigkeit ist sehr wahrscheinlich eine der entscheidendsten Eigenschaften einer Armee. Ein Satz, den ich sonstwo her habe, lautet: „Krieg ist ein Lernwettbewerb.“ Das trifft es für mich auf den Punkt. Und Russland hat bereits mehrfach bewiesen, daß es in diesem Aspekt besonders wandlungsfähig ist, was es zu einem brandgefährlichen Gegner macht.
Wir sehen alle, daß Russland bereit ist, militärische Gewalt einzusetzen. Gleichzeitig ist bemerkenswert, daß wesentliche Ressourcen dennoch zurückhaltend eingesetzt wurden, wie etwa die Luftwaffe, eine umfassende Mobilisierung oder sogar taktische Atomwaffen. Dieses Verhalten wirft doch die Frage auf, was das primäre Ziel ist – offenbar könnte das primäre Ziel nicht allein die Ukraine sein, sondern vielmehr eine Entität wie die NATO oder „der Westen.“
Russlands real erkennbare Taktik deutet darauf hin, daß Ressourcen bewußt geschont werden, was gleichermaßen mit einem strategischen Kalkül oder dem Bewußtsein, diese Mittel nicht zwingend einsetzen zu müssen (dem Umstand, daß Russland es sich schlichtweg leisten kann), erklärt werden könnte.
Was das übliche Abtauschverhältnis Mann gegen Mann betrifft, sehe ich die Situation als vielschichtiger an: Russland scheint nämlich weniger direkt Mann gegen Mann auszutauschen, sondern eher "verzichtbaren Mann" in russischen Diensten gegen "unentbehrlichen Mann" in ukrainischen Diensten.
Mir bleibt, mich für Tiefgang und Offenheit zu bedanken, mit dem Du diesen Konflikt hier so gut greifbar machst.
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(11.11.2024, 08:36)Quintus Fabius schrieb: Die russischen Streitkräfte sind schlussendlich von ihrer menschlichen Befähigung her degeneriert. Die teilweise bizarre Inkompetenz russischer Offiziere bringt ja in Russland zunehmend nicht nur die Z-Blogger und Ultranationalisten zum schäumen, die russische Gesellschaft insgesamt beginnt allmählich zu murren diesbezüglich. Russen sind extrem schwer in Gang zu bringen, aber keine russische Regierung überlebt es (wortwörtlich!), sollte es dazu kommen. Entsprechend steht die russische Regierung unter immensen Druck aus dem Krieg in der Ukraine irgendwie einen Sieg konstruieren zu können. Alles andere würde ihr nacktes Überleben in Frage stellen.
Und gerade eben deshalb strampelt man sich dermaßen in der Ukraine ab. Da gibt es keine elaborierten Pläne im Hintergrund, irgendwelche verdeckten Zielsetzungen, man hat sich selbst in eine untragbare Situation manövriert und steckt in einer Zwickmühle fest, dass Bild mit dem Watt ist da gar nicht so schlecht.
Hinter allem steckt da der tiefenpsychologisch ganz tief im Hintergrund verankerte Glaube, dass der Zar von Gott gesandt wurde, und damit sein Wille derjenige Gottes sei. Das trifft selbst für die Russen zu, welche Nihilisten sind. Entsprechend kann es sich kein Zar leisten, wenn das Volk den Eindruck gewinnt, er handle gegen den Willen Gottes bzw. dieser habe ihm das Mandat des Himmels entzogen. Das würde auch ein Putin nicht überleben, wortwörtlich.
Deshalb wird man alles versuchen, den Sieg in der Ukraine zu erzwingen. Koste es was es wolle. Exzellente Analyse. (11.11.2024, 11:16)Pogu schrieb: Meiner Einschätzung nach bleibt die Umsetzung der sehr wohl vorhandenen russischen Strategie schlichtweg hinter den ursprünglichen Planungen zurück. Das schließt aber nicht aus, dass die Strategie dilettantisch formuliert und ungenügend ausgearbeitet war. (11.11.2024, 11:16)Pogu schrieb: Was wir beobachten, ist nicht das Ergebnis gezielter Vorbereitung, sondern einfach das, was nach dem Herausfiltern zahlreicher Fehlentscheidungen und unzureichender Umsetzungen übrig geblieben ist. Salopp gesagt: Die Ukraine hat Gegner, die den eigenen Plänen nicht folgen können. Zustimmung. (11.11.2024, 12:36)Quintus Fabius schrieb: Das klingt nun vielleicht danach, den Russen Zugeständnisse zu machen, aber das ist damit nicht gemeint und zöge natürlich ebenso andere Nachteile und Problemstellungen nach sich. Und etwaig könnte man die Russen auch auf andere Weise dazu bringen auszusteigen und ihnen die Möglichkeit dafür bieten, dass ginge nämlich auch auf andere Art als nur mit Zugeständnissen, beispielsweise durch eine sofortige massive Ausweitung der Waffenlieferungen an die Ukraine - ABER:
Egal welchen Ausweg man für die Russen aus der strategischen Falle baut, dieser müsste halt mit ihnen abgesprochen werden, idealerweise auf dem Wege der Geheimdiplomatie. Man müsse dies gemeinsam koordinieren um diese Misere aufzulösen. Man wird Zugeständnisse machen müssen, das ist angesichts der militärische Lage (ein Sieg über Russland ist unwahrscheinlich) nur natürlich und auch keineswegs verwerflich. Das Problem scheint mir anderswo zu liegen. Eine einzige Zielsetzung kann Zugeständnisse logisch und/oder moralisch rechtfertigen, nämlich die Schaffung einer tragfähigen Nachkriegsordnung, die ein Wiederaufflammen des Krieges möglichst unwahrscheinlich macht.
Doch nur ein Bruchteil derjenigen politischen Akteure im Westen, die Zugeständnisse verlangen, zeigt meiner Wahrnehmung nach Anzeichen für diese Zielsetzung – was häufig schon aus ihrer Weigerung erhellt, eine solche Ordnung überhaupt zu skizzieren oder ein Bekenntnis abzugeben, sie gegen einen möglichen Wortbruch einer der Kriegsparteien aufrechtzuerhalten.
Den meisten geht es nur darum, sich den Kostenfaktor Ukraine vom Halse zu schaffen. Viele wollen zum wirtschaftlichen oder politischen status quo ante zurückkehren. Und erschreckend viele hegen unverhohlen den Wunsch, einer Weltsicht Geltung zu verschaffen, die die Schuld für die Eskalation diesseits des Dnjepr sucht.
Selbst wenn man aus irgendeinem Grund nicht die Ansicht einnehmen will, die Ukrainer hätten Besseres verdient, sollte man sich diesen Leuten schon deshalb entgegenstellen, weil sie fahrlässig hoch drei sind. Wer meint, eine Friedensordnung wäre tragfähig, deren Errichtung von Russland keine weiteren Zugeständnisse als die Einstellung der Kampfhandlungen verlangt, ist bestenfalls entsetzlich naiv. (11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: Ziemlich viele implizite Vorannahmen in dem Text. @Quintus geht weiter unten darauf ein, es wäre überflüssig von mir, überall meinen Senf dazuzugeben, darum nur ein paar kurze Anmerkungen:
(11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird als gegeben angenommen, daß das primäre Ziel Russlands die Beeinflussung des Willens der Ukrainer ist und dass dies das zentrale Motiv der russischen Strategie darstellt. So habe ich @Quintus nicht verstanden. Ich hatte ihn so verstanden, dass dies das Mittel der Wahl sei.
(11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird als gegeben angenommen, daß Russlands Strategie zur Zielerreichung scheitert und Russland seine Ziele bisher nicht erreicht hat. Ich sehe nicht, wie man das als bloße Annahme charakterisieren könnte, angesichts der militärischen Topographie im April 2022. Russland war damals drauf und dran, den Krieg zu gewinnen. Die Russen waren schon mal weiter als heute, also kann das Heute kaum ihrer Zielsetzung entsprechen.
(11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird als gegeben angenommen, daß Russland seine Ziele nicht erreichen kann, weil es ihm an den nötigen Mitteln und Ressourcen fehlt. Angesichts der operativen Lage ist das zumindest der nächstliegende Schluss. Es spricht zu viel für ein Nicht-Können und zu wenig für ein Nicht-Wollen.
Es spricht sogar einiges gegen ein Nicht-Wollen.
(11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird unterstellt, daß Russland seine strategischen Ziele nicht aufgeben kann, weil dies als „Gesichtsverlust“ gesehen würde, und daß es demnach in einer „strategischen Falle“ gefangen sei. Ist das denn nur eine Unterstellung? Ist es denn nicht vielmehr die Wahrheit?
Der Kreml hat rhetorisch fast alle Brücken hinter sich abgerissen. Ist auf eine Palme geklettert, von der man kaum mehr herunterkommt. Zumindest der nicht-erzwungene Verzicht auf die russischen Kernforderungen hätte eigentlich keine historischen Parallelen. Keine, die mir einfallen würden.
Würde Putin seine Kernforderungen freiwillig aufgeben, wäre das so, als wenn Hitler 1941 sich umentschieden und verkündet hätte: "Vergessen wir das mit dem 'Lebensraum im Osten', Deutschland ist auch ganz nett." Es wäre die Infragestellung der eigenen Person, des eigenen Programms, des eigenen Vermächtnisses, und der sichere Weg zur eigenen Entmachtung. (11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird als gegeben angenommen, daß das wichtigste strategische Ziel des russischen Regimes dessen eigener Machterhalt ist. Wie könnte es anders sein?
Ein Mann, der ein bestätigtes Vermögen von $6 Mrd. und ein vermutetes von $40 Mrd. hat sowie Paläste in ganz Russland besitzt, ist kein Mann, der von der Macht lassen will. (11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird damit gerechnet, daß Putins geistiger Zustand und seine Fähigkeit zur Realitätswahrnehmung beeinträchtigt sind. Weil es gewisse Anhaltspunkte dafür gibt.
Die Entscheidung zur Invasion war einer der größten Patzer der jüngeren Geschichte und basierte auf Prozessen, die allermindestens auf einen pathologischen Charakter hinweisen. Es ist ja mittlerweile hinreichend bekannt, dass der FSB Putin die "Erkenntnisse" vorgesetzt hat, die Putin vorgesetzt haben wollte.
Dieser Mann ist kurz davor, ein zweiter Breschnew zu werden, für den sie damals eine eigene 'Prawda' drucken mussten.
(11.11.2024, 13:55)Pogu schrieb: • Es wird damit gerechnet, daß Putins Tod eine Lösung darstellt. Die Chance besteht immerhin.
Zwar sind jene auf dem Holzweg, die das Mantra von "Putins Krieg" wiederkäuen; es ist der Krieg aller Russen. Denn keine Regierung, mag sie noch so totalitär sein, kann auf Dauer gegen den Willen ihrer Bevölkerung Krieg führen; und ohnehin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Mehrheit der Russen den Krieg wirklich ablehnen würde.
Andererseits ist Putins Macht mittlerweile so groß, dass er von niemandem mehr offen infrage gestellt wird; der letzte, der das versuchte, hat sich mit seinem Privatjet in einen Acker gebohrt. Es wäre jedenfalls möglich, dass Putins Tod Türen öffnet, die aus Furcht vor ihm verschlossen bleiben mussten. (11.11.2024, 18:38)Pogu schrieb: Wir sehen alle, daß Russland bereit ist, militärische Gewalt einzusetzen. Gleichzeitig ist bemerkenswert, daß wesentliche Ressourcen dennoch zurückhaltend eingesetzt wurden, wie etwa die Luftwaffe, eine umfassende Mobilisierung oder sogar taktische Atomwaffen. Ist das nicht bereits teilweise eine unbewiesene Vorannahme?
Richtig, Atomwaffen wurden nicht eingesetzt, und es wird auf die allgemeine Mobilmachung verzichtet – aber von einem zurückhaltenden Kräfteeinsatz vermag ich nicht viel zu erkennen. Wenigstens die Landstreitkräfte werden rücksichtslos verheizt. Allein die bildlich bestätigten Materialverluste der Russen bewegen sich in einer Größenordnung von einem Bataillon pro Tag.
Ich gehe davon aus, dass es keine großen Reserven ausgeruhter, gut ausgestatteter Kräfte gibt. Gäbe es diese Kräfte, hätte man die Ukrainer nämlich längst mit ihrer Hilfe aus der Oblast Kursk vertrieben und die peinliche Scharte ausgewetzt. Denn dass die Ukrainer in Kursk einfallen konnten und die Bewohner teils wochenlang (manche bis heute) auf Hilfe warten mussten, um dann mit 400 Rubel "Nothilfe" abgespeist zu werden, hat Putins Reputation erstmals einen ernsten Schlag versetzt.
Was man daran merken konnte, wie sehr der allgegenwärtige und allmächtige Kümmerer, als der er sonst erscheinen will, bestrebt war, nicht mit Kursk in Verbindung gebracht zu werden. Gouverneur Smirnow und Generalstabschef Gerassimow durften es ausbaden, Putin beschränkte sich darauf, die Rückeroberung bis zum 1. Oktober zu fordern. (11.11.2024, 18:38)Pogu schrieb: Dieses Verhalten wirft doch die Frage auf, was das primäre Ziel ist – offenbar könnte das primäre Ziel nicht allein die Ukraine sein, sondern vielmehr eine Entität wie die NATO oder „der Westen.“ Weitreichendere geopolitische Ziele wären in der Tat eine mögliche Erklärung. Doch mir erscheint das zu weit ausgeholt.
Mal abgesehen davon, dass ich wirklich nicht erkennen kann, wo Russland denn noch große Reserven in petto hätte, erinnere ich an das Balkendiagramm weiter oben. Die Russen mussten für in der Gesamtbetrachtung geringfügige Geländegewinne einen irrsinnig hohen Preis bezahlen. Allein die vollständige Eroberung der formell annektierten Gebiete könnte ohne Mobilmachung schon unmöglich sein.
Milchmädchenrechnung:
Mediazona meldet, dass die russischen Verluste seit August gut 250 Gefallene pro Tag betragen. [Ich erinnere daran, dass die Güte ihrer Schätzungen anhand geleakter Dokumente verifiziert werden konnte.] Im Monat Oktober wären das also 250 × 31 = 7.750 Tote, gegenüber einem Geländegewinn von 480 km².
Derzeit kontrolliert Russland rund 18% bzw. etwa 108.654 km² des ukrainischen Territoriums. Das Gebiet, dessen Abtretung verlangt wird, ist aber größer: Mykolajiw mit 24.598 km², Donetsk mit 26.517 km², Luhansk mit 26.684 km², Saporischschja mit 27.180 km², Cherson mit 28.461 km² = 133.440 km².
Es müssen also noch 133.400km² – 108.654km² = 24.746 km² erobert werden, um das Minimalziel zu erreichen.
Zur Erinnerung: Rechnerische 7.750 Gefallene entsprachen im Oktober 480 km².
Gehen wir einfach mal davon aus, dass der Krieg mit der gleichen Intensität und mit dem gleichen Tempo wie bisher weitergeht.
Teilt man 7.750 durch 480, kommt man auf 16,14. Das sind 16 Gefallene pro Quadratkilometer. Für 24.746 km² müsste Russland also mit Stand heute fast 400.000 Gefallene erwarten.
Wie gesagt, das ist nur eine Milchmädchenrechnung – die zudem sogar dann, wenn diese Zahlen den genauen Werten entsprechen sollten, schon morgen hinfällig werden könnte (z.B. durch den Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung). Dennoch zeigt sie meines Erachtens, dass sogar der sogenannte "schonende" Ressourceneinsatz die russische Manpower erschöpfen muss, wenn man sich wirklich nur darauf verlassen sollte, die Ukrainer langsam auszubluten.
Das kann so nicht funktionieren.
Man muss entweder einen Durchbruch erzielen, der die Front aufrollt, oder die Rahmenbedingungen so verändern, dass die Ukrainer die Gebiete kampflos räumen. (11.11.2024, 18:38)Pogu schrieb: Russlands real erkennbare Taktik deutet darauf hin, daß Ressourcen bewußt geschont werden, was gleichermaßen mit einem strategischen Kalkül oder dem Bewußtsein, diese Mittel nicht zwingend einsetzen zu müssen (dem Umstand, daß Russland es sich schlichtweg leisten kann), erklärt werden könnte. Die Führung dieses Krieges füllt die Habenseite der russischen Regierung mit jedem Tag mehr. Von den menschlichen Kosten ganz abgesehen, bergen die vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verbindlichkeiten das Risiko der Destabilisierung. Mindestens einmal wird es für die Regierung schwieriger, das Land zu beherrschen, doch prinzipiell ist es auch denkbar, dass ihr eines Tages die Herrschaft entgleitet; 1917 und 1991 lassen grüßen. Soweit, so unstreitig.
Es muss also nach dem Motiv gesucht werden, dem in Aussicht stehenden Gewinn, der das Eingehen dieses Risikos rechtfertigt.
Weitreichendere geopolitische Ziele wären eine etwas glaubwürdigere Erklärung als der schon an anderer Stelle vorgeschlagene soziale Umbau. Ich halte aber auch das nicht für sonderlich überzeugend.
Gehen wir mal davon aus, dass Russland Kräfte aufspart, um für eine erwartete künftige Konfrontation (bspw. mit der NATO) gewappnet zu sein – auch wenn das heißt, den Krieg in die Länge zu ziehen. Doch den Krieg in die Länge zu ziehen, heißt auch, dem künftigen Rivalen mehr Zeit für seine Vorbereitungen zu geben.
Kann Russland das wirklich wollen?
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Sehr geschätzter @muck, ich sehe hier einfach nur eine Vorannahme gegen eine andere ersetzt oder mit einer Art "das ist einfach so" als sakrosankt abgetan. Zum Abtauschverhältnis (Milchmädchenrechnung) möchte ich aber noch eingehen:
(05.11.2024, 10:59)Zardo schrieb: Man könnte fast meinen, es handele sich um ein riesiges russisches Eugenik-Projekt, und der Krieg mit der Ukraine diene nur zur "Entsorgung" der "Deplorables".
Wenn (nicht weil das so ist) das so ist, daß Russland hier ein Eugenik-Projekt betreibt, dann wäre ein solches Abtauschverhältnis aus russischer Sicht schon plausibilisiert. Dann aber wäre dies kein verstetigter Zustand, sondern einfach nur eine Phase. Das Verpassen von Phasenübergängen gehört zu den folgenschwersten Fehlleistungen im Krieg. Die russische Seite kann sich mit jedem Tag dazu entscheiden diese Vorgehensweise zu ändern (die ukrainische Seite kann das nicht).
Das führt zu einer weiteren Möglichkeit, daß nämlich über ein Eugenik-Projekt hinaus ein regelrechtes Verheizen eigener Kräfte durchaus "in Kauf genommen" werden könnte. Nach russischer Rechnung könnte man zum Schluß kommen, daß dies nicht lange genug dauern würde um kriegsentscheidend zu sein. Die Feindentität hielte das nicht solange durch etwa. Wiederum also nur als Phase gedacht, die ja von russischer Seite zu jedem beliebigen Zeitpunkt beendet werden kann.
Das bloße Abtauschen ohne Verhältnismäßigkeit schätze ich persönlich für einen wesentlichen Bestandteil der gegenwärtigen russischen Vorgehensweise ein. Meine Grenze liegt darin dies als aufgezwungen, unabänderlich und als mathematisch folgerichtig einzustufen.
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Wobei man noch dazu sagen sollte, dass es ja keineswegs so ist, dass "unliebsame Elemente" aus der Gesellschaft verschwinden oder an der Front verheizt werden würden, sondern ein Teil der bereits zuvor als "unliebsame Elemente" eingestuften Personen (namentlich: ehem. Strafgefangene) ist durch die Möglichkeit, dass sie durch den Waffendienst ihre Freiheit wieder erlangen können, wieder in die russische Zivil-Gesellschaft zurückgekehrt. Und das sind keine Hehler oder Taschendiebe, sondern teils wirkliche Massenmörder und Kannibalen (!), die man eben nach dem Ukraineeinsatz wieder hat laufen lassen. Und einige von diesen Verbrechern und Psychopathen haben bereits schon wieder die ersten Morde begangen.
D. h. es wäre keineswegs so, dass der Krieg die Gesellschaft "reinigt" bzw. als "Entsorgungseinrichtung" dient, sondern er schwemmt (u. a.) den schlimmsten Bodensatz der Straflager wieder mitten in die Gesellschaft hinein. Und das stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen, zumal sie eh schon genügend Herausforderungen hat aktuell...
Schneemann
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Andererseits könnte das auch darauf deuten, daß Staatsangehörige asiatischer Abkunft am östlichsten Rande als noch viel unliebsamer gelten. Selektive Eugenik.
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Zum russischen Vorstoß im Donbass:
Das kürzlich eroberte Wuhledar als Sprungbrett nutzend, haben die russischen Streitkräfte nun das nahe Kurachowe ( hier) angegriffen. Der Damm des Stausees wurde dabei beschädigt, es drohen Überflutungen. ( Quelle)
Zur geostrategischen Lage:
Die russische Regierung hat Berichte zurückgewiesen, wonach ein Gespräch zwischen Präsident Wladimir Putin und dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump stattgefunden habe. ( Quelle) Trump-nahe Quellen hatten behauptet, dass Trump in jenem Gespräch Putin "geraten" habe, den Krieg nicht zu eskalieren. ( Quelle) Im zeitlichen Kontext des Dementis brachte das russische Staatsfernsehen einen spöttischen Bericht über Trump, in dem auch Nacktfotos seiner Ehefrau Melania gezeigt wurden. ( Quelle)
Zur Lage Russlands:
Die russische Regierung wird im kommenden Jahr 10% aller Staatsbediensteten entlassen. ( Quelle)
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(12.11.2024, 23:40)muck schrieb: Zum russischen Vorstoß im Donbass:
Das kürzlich eroberte Wuhledar als Sprungbrett nutzend, haben die russischen Streitkräfte nun das nahe Kurachowe (hier) angegriffen. Der Damm des Stausees wurde dabei beschädigt, es drohen Überflutungen. (Quelle)
Röpcke schreibt dass der Damm von der Ukraine selbst gesprengt wurde.
https://x.com/JulianRoepcke/status/1856301605454295148
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Ukrainische armee wehrt Angriff in der Region Kursk ab
https://www.ukrinform.net/rubric-ato/392...osses.html
Museumspanzer und Grabensysteme verbessern die Ausbildung der Ukraine
https://www.reuters.com/world/europe/mus...024-11-11/
Angriff in Saporischschschja erwartet ?
https://kyivindependent.com/russian-atta...tary-says/
Pentagon plant 6Mrd vor Präsidentenwechsel für die Ukraine
https://www.airandspaceforces.com/pentag...al-change/
Bericht über die Zerstörung der Eisenbahninfrastruktur
https://www.ukrinform.net/rubric-economy...arted.html
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Offenbar reduziert Russland die Auszahlungen an verwundete Soldaten:
Zitat:Putin Slashes Soldiers' Payouts as Russia's Losses in Ukraine Skyrocket
Russia will reduce payments to troops injured in Vladimir Putin's full-scale invasion of Ukraine as his government faces ballooning war costs and huge personnel losses. A Kremlin decree introduced Wednesday and signed by the Russian president restricts medical payouts of 3 million rubles ($30,000) to those who suffer severe injuries in combat.
Previously the sum was available to anyone wounded. Now those with less severe injuries will only get between one million rubles ($10,000) and 100,000 rubles ($1,000). Under the Kremlin's new guidelines, soldiers will only receive full compensation if they suffer "Section I" injuries that endanger their life or health or cause significant damage to their organs, such as severe spinal injuries, brain damage, rib fractures and broken limbs. [...] Estimates from researchers in the U.S. in July suggested that the Kremlin faces eye-watering costs for its payouts to casualties in the war.
https://www.newsweek.com/russia-ukraine-...es-1985722
Kann einerseits darauf hindeuten, dass man bereits mit niedrigeren Kostenversprechungen immer noch genügend Leute findet, die sich verheizen lassen - was ich aber nicht annehme -, oder aber dass infolge der hohen Ausfälle in letzter Zeit die Kosten schlichtweg aus dem Ruder laufen und dass Aufdrehen des Geldhahnes keine dauerhafte Lösung mehr ist. Gut möglich also, dass das erste ernsthafte Erosionserscheinungen im "Geldkrieg" sind.
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Es ist meines Erachtens eine Mischung aus Zweierlei: Geldsorgen, aber auch eine Reaktion auf Kritik als der Milblogger-Sphäre bzw. aus der Armee. Da hatten sich einige daran gestört, dass jeder Verwundete die gleiche Entschädigung bekommt*, ob er nun ein Knalltrauma hatte oder beide Beine verloren hat. Man kann das also auch als Schritt zu mehr Gerechtigkeit verkaufen.
*) Es mehren sich in letzter Zeit die Fälle, dass Leute vergeblich auf ihre Prämie warten. Sukonkin hatte vor einigen Tagen behauptet, dass die Auszahlungen bewusst verschleppt werden. Er schob das auf Korruption im Verteidigungsministerium. Wo im Übrigen die Verhaftungen weitergehen. Zuletzt hat es am 04.11. Generalmajor Mirsa Mirsajew erwischt, den Quartiermeister der Rosgwardija.
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Bewertung des Forbes Magazinen zum Einsatz der Russen bei Kursk
https://www.forbes.com/sites/davidaxe/20...ill-zones/
Kampf der 95 luftlandebrigade gegen die 810. marineinfanteriebrg
https://www.forbes.com/sites/davidaxe/20...bleeding/?
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