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Zwar bin auch ich der Ansicht, dass die Situation eine Aussetzung der Schuldenbremse rechtfertigen würde, aber …
Erstens: Es ist meines Erachtens heuchlerisch von SPD und Grünen (sowie vielen Medien), der FDP das Festhalten an ihrem Markenkern vorzuwerfen, nachdem die FDP das Festhalten der anderen Koalitionsparteien an deren Markenkernen (z.B. bei Bürgergeld und Atomausstieg) mitgetragen hatte, obwohl sie anderer Meinung war. Aber das nur nebenbei.
Zweitens: Die deutschen Steuereinnahmen sind in den letzten zwanzig Jahren von €442,8 Mrd. auf (heuer voraussichtlich) €964,1 Mrd. gestiegen. Es ist bezeichnend, dass Deutschland trotz Rekordeinnahmen nicht ohne Schuldenaufnahme fähig gewesen sein soll, nächstes Jahr €15 Mrd. mehr für Verteidigung auszugeben.
Zum Vergleich: Um dieses Geld aufzubringen, hätte man im Haushalt 2023 den anderen Ressorts 3,7% ihrer Mittel nehmen müssen. Das soll nicht möglich gewesen sein? Dann verzichtet das Kanzleramt halt mal auf €4000 teure Bürostühle, Asylbewerber erhalten nach dänischem Vorbild keinen vollen Bürgergeldsatz mehr, und das Entwicklungshilfeministerium vergibt keine Kredite mehr für Radwege in Peru. Zack. Problem gelöst.
Denn das Problem ist nicht das Geld. Wir haben genug Geld. Unsere Regierungen gehen nur gräuslich damit um, weil seit 2005 die ideologisch inkompatiblen Regierungskoalitionen zur Norm geworden sind, die ihre internen Differenzen unter Geldscheinen verdecken. Die Ampel hat sich in dieser Hinsicht als besonders undiszipliniert im Umgang mit Steuergeldern erwiesen (und darüber die Wirtschaft abgewürgt).
Drittens: Mehr Geld hilft nur bedingt. Natürlich ist es dringend nötig, den Wehretat zu erhöhen, allein schon um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte abzuarbeiten. Doch sehen wir am Beispiel des Sondervermögens, wie schwer sich unsere verknöcherten Institutionen damit tun, überhaupt Geld auszugeben. Da wurde freilich viel falsch priorisiert und viel Wirtschaftsförderung betrieben, das ist wahr; aber wahr ist auch, dass sowohl der Industrie in vielen Bereichen die Kapazität fehlt, den Bedarf zeitnah zu bedienen, als auch der Bundeswehr die Kapazität, neues Gerät in Dienst zu nehmen und überhaupt genügend Personal dafür zu finden.
Du wirst in Deutschland mittlerweile schneller 44 Leopard 2 für ein Panzerbataillon produziert (Zeithorizont: mind. 3 Jahre nach Auftragsvergabe) als eine neue Kaserne mit der entsprechenden Infrastruktur gebaut und die ~180 Jockel angeheuert haben, die die Böcke bedienen sollen.
Wir brauchen eine Wehrpflicht. Wenn ein Aufwuchs der Bundeswehr zur Sicherheit des Landes erforderlich ist, führt kein Weg darum herum, den Personalstand zu erhöhen und eine ausreichende Reserve zu generieren. Wenn dies auf freiwilliger Basis nicht möglich ist, muss eben eine Dienstverpflichtung ergehen.
Wir brauchen eine Entbürokratisierung (eigentlich des ganzen Landes, aber vor allem der Bundeswehr). Die Streitkräfte sollten gerade bei Infrastruktur- und Beschaffungsvorhaben so weit wie möglich von "zivilen" Vorschriften ausgenommen werden, die vielfach nur Geld und Zeit kosten. Ähnliches sollte für die Rüstungsindustrie gelten. Es kann nicht wahr sein, dass von der Regierung als sicherheitsnotwendig dargestellte Projekte sich verzögern, weil ein brütender Turmfalke den Bau einer Fabrik verhindert.
Wir brauchen eine komplette Neuordnung des Systems, zur Not auch gegen innere Widerstände (§ 50 SG), hin zu einer klassischen Streitkräftegliederung mit nur drei Teilstreitkräften ohne unnötige querschnittliche Organisationen, einer klaren Kommandostruktur und der Rückführung der kompletten Nutzungsverantwortung für das Gerät in den Verantwortungsbereich der Teilstreitkräfte selbst.
Wir brauchen ein Umdenken im Bundestag, was die Wahrung seiner Budgethoheit anlangt, wo diese mit notwendigerweise langfristig finanziell zu hinterlegenden Projekten im Bereich nationale Sicherheit kollidiert. Meiner Ansicht nach sollte man versuchen, die Investitionen aus dem EP14 in einen eigenen mehrjährigen Haushalt zu überführen, der z.B. im ersten Jahr der Legislaturperiode verabschiedet wird und bis zum Ende gilt.
Und ich denke, dass man darüber nachdenken sollte, den Bundeskanzler de jure auch in Friedenszeiten zum Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt zu machen (er kann sie ja immer noch delegieren). Die Bundeswehr ist nicht zuletzt da, wo sie jetzt ist, weil die Kanzler keinen emotionalen Bezug zu ihr haben.
Es ist doch bezeichnend, dass für durch Unterfinanzierung entstandene Probleme immer die Verteidigungsminister verantwortlich gemacht werden, und nicht die Finanzminister und Kanzler, die die Rahmenbedingungen des Problems schaffen und perpetuieren.
Aber es wird keine nennenswerten Reformen geben, solange wir uns als Nation nicht hinsetzen und uns fragen:
Wo ist unser Platz in der Welt?
Wo liegen unsere Interessen?
Was wollen wir einsetzen, um unsere Interessen zu verteidigen?
Und warum würde (je nach Umfrage) nur etwa ein Viertel der Deutschen für ihr Land kämpfen?