Es ist sogar sehr fragwürdig, ob es je eine solche Einwanderung (Exodus) gab, bzw. ob dieser nicht völlig falsch verstanden wird. Aktuell gibt es eine Reihe führender israelischer Archäologen, welche durch ihre Ausgrabungen ganz klar eine durchgehende Besiedelungskontinuität nachweisen konnten.
Was sich veränderte, und zwar erst mit dem Seevölkersturm, war die Lebensweise. Vor diesem gab es eine klare Zweiteilung zwischen den Stadtstaaten in der Küstenebene, den flacheren Gebieten, und den Nomadisch / Halbnomadisch lebenden Kanaaitern im Hochland / in den Bergen. Beide Gruppen unterschieden sich durch die Lebensweise, und durch die Religion. Vor der Seevölkerwanderung dominierten die Stadtstaaten, nach dieser verfiel diese Kultur und erlangten die kanaaitischen Nomaden die Übermacht und begannen von Osten nach Westen Kanaan unter Kontrolle zu kriegen.
Auch wenn ich rein persönlich - wie beschrieben - von einer zusätzlichen Einwanderung nach Kanaan durch einen Stamm ausgehe, welcher vorher auf dem Sinai lebte, so muss man doch festhalten, dass die archäologischen Fakten klar belegen, dass die Proto-Hebräer in weiten Teilen Kanaaiter waren, und dass die Hebräer daraus entstanden, dass nomadische / halbnomadische Kanaaiter aus dem Hochland zusammen mit den aus dem Sinai eingewanderten Nomaden eine gemeinsame Religion teilten.
Beide kannten sich zudem schon vorher aus einer längeren gemeinsamen Geschichte, da entsprechende Söldner / Kämpfer / Räuber aus den Reihen dieser Nomaden sowohl aus dem Sinai als auch aus dem Osten von Kanaan (Hapiru) schon vorher lange in diesem Raum vorhanden waren.
Die Hebräer sind also entweder: Kanaaiter mit einer anderen Lebensweise (Nomaden statt Stadtkultur) oder: eine Mischung aus Kanaaitern mit einer anderen Lebensweise und eingewanderten Nomaden aus dem Sinai. Wobei beide in diesem Fall schon vorher eine längere gemeinsame Geschichte hatten und dazu die gleiche Religion teilten.
Wie man es dreht und wendet: es gibt eine ganz klare, eindeutige Besiedelungskontinuität. Hier wurde also selbst wenn man die Einwanderung (Exodus) annimmt eben nicht ein Volk durch ein anderes ersetzt, sondern von der Abstammung her entstammten die Hebräer größtenteils den Kanaaitern. Die Hebräer sind also praktisch gesehen in jedem Fall vor allem die Nachfahren der vor ihnen dort lebenden Kanaaiter.
So kurz wie möglich: die Hebräer sind Kanaaiter von der Abstammung her. Sie unterschieden sich von den anderen Kanaaitern nur durch ihre Lebensweise und ihre Religion. Damit sind die Hebräer keine Invasoren aus einem anderen Land, sondern sie sind die Ureinwohner. Was sich lediglich änderte war, dass die Religion auch in die Stadtstaaten hinein ausgebreitet wurde und dass diese wiederum durch die Seevölkerwanderung ihre vormalige beherrschende Stellung verloren.
Die Hebräer kann man daher überspitzt als die kanaaitische Landbevölkerung verstehen.
Werter Nightwatch:
Zitat:Die Theorie des späten Exodus geht hauptsächlich auf einen Vers in Exodus zurück, wonach man die Stadt Ramses erbaut habe. Man schließt daraus, dass die Herbräer in ihrem Narrativ während des Regierungszeit Ramses II in Ägypten gelebt haben mussten.
Wenn man mal die Bibel beiseite lässt, dann lässt sich aus rein ägpytischen Quellen nachweisen, dass Ramses der II explizit Nomaden vom Sinai und auch aus Kanaan in Ägypten als Arbeiter verwendet und diese zu seiner Zeit dort von ihm auch angesiedelt wurden. Unter seinen Nachfolgern aber sind diese dann verschwunden.
Das passt einfach so perfekt zum Exodus, dass eine frühere Verortung meiner Meinung nach deutlich unwahrscheinlicher ist.
Erich:
Zitat:die Philister oder "Seevölker" könnten - so die neuere These - auch aus der westlichen Küste Kleinasiens gekommen sein.
Vielen Dank dass du die sogenannte luwische These hier vernetzt hast. Ich wollte eigentlich schon selbst darauf hinweisen, aber dachte, es ginge eventuell zu weit weg vom eigentlichen Thema hier.
Die Luwier waren in viele Stämme und kleine Staaten aufgespalten. Das passt auch gut zu den Seevölkern, da diese ja aus vielen verschiedenen "Völkern" zusammen gesetzt waren. Entsprechend waren die Phillister nur eines dieser Völker. Zur luwischen These passt auch die Verbindung der späteren Etrukser (Tyrsener) nach Lemnos und die pelasgische Frage.
Spezifischer zu den Phillistern da diese ja bei der Ethnogenese der Hebräer eine gewisse Rolle spielten: hier ist der archäologische Bezug zu Zypern offensichtlich. Nun nahmen die Seevölker ja explizit Zypern ein und dem folgend die damals sehr bedeutende Metropole Ugarit. Deshalb waren die Phillister höchstwahrscheinlich Flüchtlinge aus Zypern mit einem gewissen Anteil an Luwiern unter ihnen.