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So, wie am Freitag versprochen, hier einmal der erste Teil.
Vorab: Das ganze Thema ist recht schwierig zu erfassen. Ich muss dazu sagen, dass man natürlich die rein biblischen Quellen nicht als gesichert ansehen kann und darf. Sie sind sehr interessant hinsichtlich der Schaffung eines Rahmens um die Thematik herum, aber sie können nicht als gesicherter Beweis gelten, zumal auch archäologisch eine direkte Erfassbarkeit nicht immer möglich ist.
Ich werde Elemente, die nur in biblischen Texten erfasst sind, kursiv setzen zwecks besserer Abgrenzung.
- um 9.000 v. Chr./Neolithikum: Gründung der Stadt Jericho (manche Fundstücke, die aber nicht "städtisch" zu werten sind, könnten bis zu 12.000 Jahre alt sein). Diese Zahl ist ein Schätzwert, Festungs- und Mauerbauten lassen sich erst ab ca. 8.200 v. Chr. nachweisen. Die Besiedlung des Gebietes, eine Oase im Jordangraben, erfolgte vermutlich durch Jäger und Sammler, die vom Karmelgebirge her stammten. Nachweisbar ist, dass das Klima am Jordangraben - nach dem Ende der letzten Eiszeit - lange Zeit relativ mild und für den Anbau von Getreide geeignet war. Bis ca. 8.000 v. Chr. wächst die Stadt an zu einer Fläche von rund vier Hektar.
- bis 7.000 v. Chr.: Im Gebiet westlich des Jordan lassen sich fast 40 Siedlungen nachweisen, die aber oftmals auch wieder aufgegeben werden.
- um 3.000 v. Chr.: Gründung der Stadt En Esur (im heutigen Nordisrael, nahe Haifa).
- 2.166 bis 1.991 v. Chr.: Nach chronologischem Eichmaß und entsprechend der Angaben im 1. Buch Mose (Genesis) wären dies die Lebenseckdaten des Urvaters Abraham. Gemeinsam mit seinem Sohn Isaak und Jakob (seinem Enkel) ist er einer der drei Väter des Volkes Israel - zumindest gemäß der biblischen Überlieferung. Es handelt sich um mythologische Daten, die nicht anhand realer Funde belegbar sind. Hier haben wir aber ein Quellenproblem und auch ein erhebliches Problem auf der Zeitschiene (siehe unten). Darüber hinaus gibt es auch andere Unschärfen - so berichtet die Bibel, dass Abraham Kamele gehütet habe. Das Kamel wurde vom Menschen jedoch erst ab ca. 1.700 v. Chr. genutzt, die direkte Domestizierung erfolgte noch später. Zudem soll Abraham ein Zeitgenosse des Philisterkönigs Abimelech (König von Gerar) gewesen sein. Die Philister lassen sich aber erst um 1.300 v. Chr. archäologisch nachweisen.
- etwa um 1.600 v. Chr.: Der Begriff Kanaan lässt sich erstmals in babylonischen und hethitischen Schriftzeugnissen nachweisen. Mit Kanaan kann grob das Gebiet westlich des Jordan und zwischen den Südausläufern des Libanon bis zum mittleren Negev umrissen werden. Die Herkunft des Begriffes selbst ist unsicher bzw. umstritten. Möglicherweise bezieht sich der Namen auf umherziehende, nomadisierende Völkerschaften in dieser Region, in altägyptischen Texten wird der Begriff auch teils abwertend verwendet, da mit ihm ein gewisses Wegelagerer- und Räuberunwesen in Verbindung bringt. Als Namen im biblischen Kontext lässt sich der Begriff erstmals im 1. Buch Mose (Genesis) finden. Hier ist Kanaan jenes Gebiet, das Abraham und seinen Nachkommen von Gott versprochen wird (Gelobtes Land). Bevölkert, nach dem 5. Buch Mose (Deuteronomium), ist das Gebiet von Hethitern, Hiwitern, Jebusitern, Girgaschitern, Amoritern, Perisitern und Kanaanitern - wobei sich jedoch manche Völkerstämme in der Definition und im Namen überschneiden.
- um 1.800 v. Chr.: Der Stamm der Jebusiter, ein vermutlich kanaanitisches Volk, gründet die Stadt Jebus. Aus dieser kleinen Siedlung wird später Jerusalem werden.
- 1.446 v. Chr.: Gemäß Chronologie im 2. Buch Mose (Exodus) Auszug des Volkes Israel unter Mose aus Ägypten. Dieses Datum ist ein rein rechnerischer Wert, denn zwischen dem Tod Abrahams (1.991 v. Chr.) und dem Auszug aus Ägypten sollen 545 Jahre liegen - bzw. lt. dem 1. Buch der Könige fand der Auszug 480 Jahre vor dem Bau des ersten (salomonischen) Tempels statt. Dies kann aber rein chronologisch nicht stimmen, denn die Israeliten verließen Ägypten vermutlich im 13. Jhdt. v. Chr. bzw. wirkten lt. Bibel als Sklaven an den Bauten des berühmten Pharaos Ramses II. mit. Dieser historisch erfasste Herrscher lebte von 1.303 bis 1.213 v. Chr. Insofern haben wir hier eine Diskrepanz von rund 200 Jahren. Und i. d. T. könnte ein Auszug rund 200 Jahre später eher wahrscheinlicher sein (siehe unten).
- um 1.350 v. Chr.: Ägyptische Überlieferungen berichten von einem Volk von Halbnomaden, die als Apiru bezeichnet wurden, das - von Hunger infolge einer Dürre getrieben - um Hilfe gebeten haben soll und in Ägypten angesiedelt wurde. Die ägyptischen Quellen sprechen von Halbnomaden, die vom Sinai kamen und die vom Pharao zu Zwangsarbeiten eingesetzt wurden. Manche Theorien sagen aus, dass dies die frühen Hebräer gewesen sein könnten. Interessant hierbei ist, dass diese Nomaden angeblich einem Gott Jahwe huldigten, der wiederum bei Völkern des Sinai bekannt gewesen sein soll. Ob dies nun eine Umdeutung der Bibelgeschichte ist oder aber ob die Bibel die Geschichte wiederum umdeutete, ist unsicher. Die früheste Nennung des Begriffes Apiru (auch teils Hapiru) geht bis ins 17. Jhdt. v. Chr. zurück.
- zwischen 1.250 und 1.200 v. Chr.: Laut der Überlieferung im 2. Buch Mose (Exodus) dauerte die Wanderung der Hebräer über den Sinai 40 Jahre - eine kaum vorstellbare Zeit angesichts des Umstandes, dass es nur wenige hundert Kilometer Landweg sind. Dies lag auch am Zorn Gottes, denn in einem Augenblick, als Mose auf dem Berg Sinai Zwiesprache mit Gott hielt, errichtete sein Bruder Aaaron auf Bitten seines Volkes, das ob seiner langen Abwesenheit in Sorge war, ein Götzenbild - das berühmt-berüchtigte Goldene Kalb. Um dieses tanzten die Hebräer zur Ablenkung herum, als Mose wieder mit den Gesetzestexten eintraf. Ob dieses Frevels war Gott voll des Zornes und es gelang Mose nur mit viel Mühe, diesen wieder zu besänftigen. Gleichwohl verdonnerte er die Israeliten, dass sie 40 Jahre brauchen würden, um das Gelobte Land zu erreichen. (Mose selbst hat es übrigens nie erreicht.) So die Legende. Interessanterweise lassen sich auf dem Sinai um diese Zeit Siedlungsspuren nachweisen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten ausgebreitet haben müssen. War dies also die Rückwanderung von halbnomadisierenden Apiru, der frühen Hebräer? Und wurde aus dieser Wanderung die Legende vom Auszug aus Ägypten?
- um 1.200 v. Chr.: Es lassen sich Spuren einer verstärkten Einwanderung in die zentralen Gebiete von Kanaan nachweisen. Diese Landnahme erfolgte allem Anschein nach friedlich, bspw. gibt es keine Brandschichtnachweise oder entsprechende Knochenfunde. Aus dieser Zeit könnte (auch) die biblische Legende von den Trompeten vor Jericho stammen - wobei, wenn denn die Mauern tatsächlich gefallen wären, eher ein Erdbeben eine Rolle gespielt haben könnte. Um 1.200 v. Chr. sind im kanaanäischen Bergland bereits rund 200 bis 300 verschiedene Siedlungsorte nachweisbar. Möglicherweise waren diese Einwanderer jene Apiru (vgl. Hebräer), die zuvor in Ägypten sich aufgehalten hatten, von dort wieder ausgezogen waren und die Ende des 13. Jhdts. v. Chr. schließlich Kanaan erreichten. Dass die Einwanderung nach dem bergigeren (d. h. im Landesinneren) Kanaan stattfand, wäre zudem denkbar, da die Orte dort weitgehend unabhängig waren, während in Gaza ein Statthalter des Pharao saß. Zu diesem Zeitpunkt, wenn man die Apiru als die Hebräer ansehen will, hatte diese Gemeinschaft ganz klar eher einen Volkscharakter und nicht alleine jenen einer religiösen Gemeinschaft, zumal die Verehrung eines Gottes Jahwe lt. ägyptischen Quellen auch in anderen Volksgruppen zu finden gewesen sein soll.
- 1.208 v. Chr.: Auf einer Stele des Pharaos Merenptah (regierte bis 1.203 v. Chr.) ist erstmals der Name "(Isra)-(el)" nachweisbar. Es ist dies die älteste Nennung des Namens überhaupt. Darüber hinaus finden sich weitere ägyptische Zeugnisse aus dieser Zeit, die berichten, dass der Pharao ein Volk besiegt habe, das Israel heißt. Dieser Widerspruch konnte bislang nicht aufgelöst werden, denn einerseits nennt der Pharao ein unterworfenes Volk Israel, andererseits aber auch ein Gebiet Israel in Kanaan, das derart ausgedörrt und unwirtlich gewesen sei, dass seine Armee einen Bogen darum herum geschlagen habe (?).
Fortsetzung folgt...
PS: Kritik und Anregungen sind natürlich gerne erwünscht.
Schneemann
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Leider nur ganz kurz: und vieles was ich da jetzt schreibe ist lediglich eine These:
Hapiru oder Apiru wurde mehrfach von den Ägyptern für Söldner / Hilfstruppen verwendet, die in ägyptischen Diensten kämpften und welche sich höchstwahrscheinlich aus semitischen Beduinenstämmen und Banden von Räubern und sonstigen asozialen ausgestoßenen Elementen (Kriminellen) rekrutierten.
In diesem Kontext ist relevant, dass das Gebiet in welchem heute Israel liegt über sehr lange Zeit unter ägyptischer Kontrolle stand. Es war Bestandteil des ägpytischen Reiches und wurde von diesem aus kontrolliert, bis zur Seevölkerwanderung.
Die Einfälle der Seevölker führten dann zum Zerfall der ägyptischen Macht in diesem Gebiet. Man muss sich das ein wenig so vorstellen wie den Verfall der Macht / Kontrolle des römischen Reiches über den Voralpenraum. Entsprechend versuchten Städte dort sich selbst als eigenständige Staaten zu etablieren und wurden Gebiete dort de facto unabhängig. Dies schuf einen ständigen Kampf aller gegen alle und es bildeten sich alle Folgen eines solchen Dauerkonfliktes, insbesondere Wegelagerei, Räuberbanden, Einfälle von Nomaden, Zerfall der Ordnung, und schließlich allgemeines Chaos.
Dem folgend verblieben dort natürlich diese ägyptische Hilfstruppen (Nomaden, Räuber, Asoziale), so wie beispielsweise germanische Söldner im Voralpenraum zurück blieben, als das römische Reich dort die Kontrolle verlor.
Die Ägypter setzten bewusst diese Wüstenomaden / Räuberbanden als Hilfstruppen gegen die dort ansässigen Völker ein, die sesshaft waren und als Bauern lebten. Diese Wüstennomaden / Räuber bildeten Banden, welche nicht durchgehend in ägyptischen Diensten standen, sondern dazwischen als Räuber / Wegelagerer und durch eigene Kriegszüge sich refinanzierten. Diesen Banden schlossen sich dann auch zunehmend einheimische Männer an, von Kriminelle und sonstigen Asozialen Elementen bis hin zu übrig gebliebenen früheren Milizen / Militäreinheiten.
Mit dem Verfall der ägyptischen Macht / Kontrolle über diese Gebiete, ergriffen diese Söldner / Hilfstruppen / Banden / Banditen dort zunehmend die Macht und beherrschten ab da dieses Gebiet de facto selbst, wenn auch etwaig anfangs noch de jure im Namen / Auftrag Ägyptens.
Das war meine Ansicht nach der Anfang von Israel bzw. des jüdischen Volkes. Ein guter Vergleich wäre die Machtübernahme in Süditalien durch die normannischen Söldner im Frühmittelalter, wobei die Normannen dort ja auch sowohl als Söldner für alle dort vorher ansässigen Mächte kämpften, als auch eigenständig als Räuber und Banditen unterwegs waren. Analog wie aus diesem Söldner / Banditentum dann das normannische Königreich in Italien entstand, entstand hier aus diesem Unwesen dann das Königreich Israel. Historische Könige wie David hätten damit ihre Analogie in Söldnerführern / Räubern wie beispielsweise Robert Guiscard. Ergänzend:
https://de.wikipedia.org/wiki/Landnahme_...iten#Apiru
Zitat:Die 1887 entdeckten rund 379 Amarna-Briefe an den Pharao Amenophis III. (1388–1350 v. Chr.) dokumentieren die ägyptische Beherrschung der Stadtstaaten Kanaans und die Konflikte lokaler Vasallenfürsten untereinander und mit halbnomadischen sozialen Gruppen. Diese nannten die Autoren Apiru und stellten sie stets als bedrohliche Räuber, Banditen, Plünderer und Erpresser dar, auch um Konflikte mit anderen Stadtkönigen zu bagatellisieren und dem Pharao devote Loyalität zu beweisen. Die Apiru tauchen auch in vielen anderen Texten des 2. Jahrtausends v. Chr. als „Unruheherd“ für Stadtstaaten auf. Sie tauchen nach dem Niedergang der Stadtkultur Kanaans und Besiedlung des Berglands nicht mehr in damaligen Quellen auf. Daher wird angenommen, dass diese Gruppen an diesem Umbruch mitwirkten, die neuen Siedlungen mitgründeten und bewohnten.
Die biblische Bezeichnung „Hebräer“ kann sprachlich mit der Wortwurzel 'hpr verwandt sein, doch waren die Apiru keine ethnische Gruppe, und ihre Bezeichnung war schon lange vor den Belegen für ein Volk Israel im ganzen vorderen Orient verbreitet.[22] So erwähnt eine Stele des Amenophis II. 3600 deportierte ʿapiru. Der Ausdruck wurde in ägyptischen Texten oft auch für Sklaven, Fron- oder Landarbeiter verwendet,[23] in Texten aus Ugarit, Babylon, Mari, Nuzi und Alalach auch für Halbnomaden, die als Arbeitskräfte oder für militärische Dienste eingesetzt wurden.[24]
Kürzestmöglicht:
Ägypten verliert seine Macht in diesem Gebiet.
Eine Reihe von unabhängigen Stadtstaaten liegt im ständigen Konflikt untereinander und mit Ägypten.
Söldner / Banditen / Nomaden die vorher teilweise in ägyptischen Diensten standen erlangen dort die Macht.
Daraus entsteht das Volk der Hebräer.
Dieses gründet das Königreich Israel.
Analogie zu Italien / Sizilien im Frühmittelalter:
Byzanz verliert dort seine Macht.
Eine Reihe von unabhängigen Staaten (Stadtstaaten) liegt im Dauerkonflikt untereinander und mit Byzanz.
Söldner / Banditen / Räuberbanden aus dem Ausland (Normannen) die vorher teilweise in byzantinischen Diensten standen erlangen dort die Macht.
Daraus entstand das Königreicher beider Sizilien.
Der primäre Unterschied wäre nun allein der, dass die Normannen keine neue Religion mitbrachten, und diese und ihre Sprache der größeren Menge an Süditalienern nicht aufgezwungen haben. Entsprechend lag der Unterschied darin, dass in Süditalien einfach mehr Einheimische lebten, während nach den Wirren der Seevölkerwanderung und dem Totalzusammenbruch der städitischen Kulturen in Kanaan dort viel weniger von dem übrig war, was vorher gewesen ist.
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In diesem Kontext ein Film über die ersten nachweisbaren Söldner der Geschichte:
https://www.youtube.com/watch?v=8pUxn5EFXcY
Insbesondere ab 20:06
Die Hebräer / Juden / Israel entstanden daher (These) aus einer Machtübernahme vormaliger ägyptischer Söldner in Kanaan in Folge des Zusammenbruches der ägyptischen Herrschaft und dem folgend dem Untergang der Stadtkulturen dort. Aus den Überresten dieser zerfallenen Stadtkultur sowie den in weiten Teilen aus Nomaden rekrutierten Söldner- und Räuberbanden entstand dann das Königreich Isarel. Und breitete die bedingt monotheistische / proto-monotheistische Religion dieser Nomaden in seinem Herrschaftsgebiet aus.
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@Schneemann
Nur ein paar lose Bemerkungen:
- Das Abraham keine Kamele hätte haben können ist ein Mythos. Kamele wurden von Menschen wahrscheinlich schon zwei, dreih Jahrtausende vor Christus genutzt, halt nicht universal sodass es kaum archäologische Beweise dafür gibt, anders als dann in späteren Jahrhunderten. In Ägypten gibt es Felszeichnungen und Protohyroglyphen mit Kamelen die wenigstens so alt sind wie Abraham. In Saudiarabien gibt es in behauene Felsen in Form von Kamelen die aus prähistorischen Zeiten stammen und bis zu 8000 Jahren alt sein sollen.
In Mesopotamien (da wo der Typ ja herkam) gibt es einiges an archäologischen Funden das klar belegt, dass die dort schon 2000BC (gerne vor den Ägyptern) gehalten haben.
- Hinsichtlich der sogenannten Philister, im Hebräischen vom Wortstamm her bedeutet der Name irgendwas zwischen Eindringling und Fremdling. Also eine ziemlich generische Bezeichnung. Interessant nun, Abimelech soll ja Bürgermeister von Gerar gewesen sein. Gerar hat man ausgegraben, liegt irgendwo bei Beerheba. Ausgegraben hat man dabei Funde, die die Präsenz Mionischen Kultur belegen. Die Mionesen (oder so) kommen aus Kreta. Insofern macht es schon Sinn, dass wenigstens der Autor der Tora die dann dort halt mit dem generischen (und geographisch dann später auch passenden) Eigennamen für Fremdlinge betitelt hat.
- Es gibt auch die recht populäre Theorie, dass die ganze Exodus Geschichte sich nicht auf der Sinai Halbinsel abgespielt hat, sondern auf der arabischen Halbinsel zwischen Jordanien und Saudi-Arabien. Da ist von alters her das Gebiet Midian, wo Mose der Überlieferung nach schon in seinen jüngeren Jahren unterwegs gewesen ist. Jebal-al Makla wäre der Berg Sinai der Bibel. Macht jedenfalls mehr Sinn als die These, dass die da 40 Jahre lang im Sinai durch die Wüste im Kreis gelaufen wären. Wobei meiner persönlichen Meinung nach die Annahme, dass die klimatologischen Verhältnisse damals den heutigen entsprochen haben, eh ziemlich schwierig ist.
- Zum genauen Zeitpunkt des kolportierten Exodus gibt es zwei gegenläufige Theorien. Es könnte während der Regierungszeit Ramses II gewesen sein, andere meinen jedoch, dass der 200 Jahre früher lebende Amenhotep II deutlich besser passt. Das würde zeitlich dann auch perfekt zu der Theorie passen, dass Mose tatsächlich Senenmut und seine ägyptische Adoptivmutter Hatshepsut gewesen ist. Wobei die offiziellen Datierungen der ägyptischen Dynastien eh ein Thema für sich sind und auch sehr falsch sein können.
- Im ägyptischen Museum in Berlin gibt es ein Sockelrelief das Ashkelon, Canaan und auch Israel erwähnen soll. Das Ding ist sehr wahrscheinlich nochmal deutlich älter als die erwähnte Merentah Stele.
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Zitat:Die Mionesen (oder so)
Klugscheißmodus an: Minoer.
Zitat:Hinsichtlich der sogenannten Philister, im Hebräischen vom Wortstamm her bedeutet der Name irgendwas zwischen Eindringling und Fremdling.
Wobei man hier auch auf den Stamm der Seevölker verweisen kann, der sich Peleset nannte und/oder in ägyptischen Quellen als Peleset bezeichnet wird. Die Bezeichung dieses Volkes ging dann meinem Verständnis nach in das hebräische über. Es gab also schon bevor es der Begriff für Fremde / Eindringlinge wurde die Philister, so meine These. Analog dazu, wie beispielsweise sich aus dem slawischen Stamm der Sklavenoi dann das Wort Sklave entwickelte. Man hat hier den Namen eines Volkes als Begriff für etwas anderes übernommen.
Und die sogenannten Seevölker waren Eindringlinge in diesen Raum. Von daher passt das ganz gut. Im übrigen weiß man heute auch, dass bedeutende Anteile der Seevölker aus dem minoischen Kulturraum stammten, der ja durchaus weit über Kreta hinaus reichte, wenn auch nicht flächenmässig, so doch streckenmäßig. Entsprechend ist der Übergang von Seevölkern zu Minoern unscharf und fließend.
Zitat:Macht jedenfalls mehr Sinn als die These, dass die da 40 Jahre lang im Sinai durch die Wüste im Kreis gelaufen wären
Sind sie ja nicht. Sie haben dort schlicht und einfach gelebt, und sie kamen wahrscheinlich sogar schon vorher von dort.
In diesem Kontext eine interessante Randbemerkung: im Zuge der Seevölkerwanderung drangen etliche Stämme von der Sinai Halbinsel nach Norden vor und machten sich in dem Machtvakuum danach dort breit. Das hatte viele interessante Folgen: Beispielsweise ist so gut wie nicht bekannt, dass die ersten Buchstaben welche Vorläufer des phönizischen Alphabetes waren auf der Sinai Halbinsel gefunden wurden und älter sind als die Phönizier als Volk im heutigen Libanon. Deshalb kann man davon ausgehen, dass auch die Phönizier zu den Stämmen gehörten welche einen Ursprung auf der Sinai Halbinsel hatten.
Demzufolge war die Sinai Halbinsel als Ursprungsort der dann entstehenden Völker an der östlichen Mittelmeerküste viel bedeutender als dies gemeinhin wahrgenommen wird.
Zitat:Zum genauen Zeitpunkt des kolportierten Exodus gibt es zwei gegenläufige Theorien.
Meiner Ansicht nach hat es diesen Exodus so wie er in der Bibel dargestellt wird nicht gegeben. Und entstand das Volk der Hebräer auf andere Weise und zwar erst mit dem Zerfall der ägyptischen Macht in der Levante und auch auf der Sinai Halbinsel im Zuge der Seevölkerwanderung.
Entsprechend liegt die Entstehung der Hebräer - im Sinne der Enstehung eines Volkes im Gebiet des heutigen Israel - also die Landnahme welche Mose zugeschrieben wird - meiner Meinung nach in der Zeit des Seevölkersturmes und damit zur Zeit von Ramses dem III fort folgend. Dass es die Proto-Juden natürlich schon vorher gegeben hat, und sie ihren Ursprung in semitischen Nomaden und Halbnomaden auf der Sinai Halbinsel hatten ist davon völlig unabhängig. Entsprechend kann es natürlich durchaus Vorfahren der während der Seevölkerwanderung entstehenden Hebräer in Ägypten gegeben haben und diese sind dann etwaig auch von dort wieder zurück auf die Sinai Halbinsel gekehrt.
Zitat:Im ägyptischen Museum in Berlin gibt es ein Sockelrelief das Ashkelon, Canaan und auch Israel erwähnen soll. Das Ding ist sehr wahrscheinlich nochmal deutlich älter als die erwähnte Merentah Stele.
In diesem Kontext muss man erwähnen, dass die Ägypter manchmal Inschriften auf solchen Reliefs, Stelen usw. im Laufe der Zeit erneuerten, veränderten, ausmeißelten und andere Inschriften an deren Stelle setzten.
Beispielsweise war die Merenptah-Stele ursprünglich für Amenophis III gedacht, und würde damit aus der Zeit um 1360 v Chr. stammen. Aber schon Sethos der I ließ den ursprünglichen Text teilweise ausmeißeln und einen neuen drauf setzen. Und schließlich wurde sie von Merenptah verwendet, welcher bis 1204 v Chr regierte, und zu dieser Zeit wurde dann die Inschrift zugefügt, welche von den Seevölkern, aber auch von Kanaan und Israel berichtet. Im übrigen bezeichnet Israel auf dieser Stelle kein Land und insbesondere keinen Staat, sondern wird als Bezeichnung für ein Volk verwendet.
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Zitat: Meiner Ansicht nach hat es diesen Exodus so wie er in der Bibel dargestellt wird nicht gegeben. Und entstand das Volk der Hebräer auf andere Weise und zwar erst mit dem Zerfall der ägyptischen Macht in der Levante und auch auf der Sinai Halbinsel im Zuge der Seevölkerwanderung.
Entsprechend liegt die Entstehung der Hebräer - im Sinne der Enstehung eines Volkes im Gebiet des heutigen Israel - also die Landnahme welche Mose zugeschrieben wird - meiner Meinung nach in der Zeit des Seevölkersturmes und damit zur Zeit von Ramses dem III fort folgend. Dass es die Proto-Juden natürlich schon vorher gegeben hat, und sie ihren Ursprung in semitischen Nomaden und Halbnomaden auf der Sinai Halbinsel hatten ist davon völlig unabhängig. Entsprechend kann es natürlich durchaus Vorfahren der während der Seevölkerwanderung entstehenden Hebräer in Ägypten gegeben haben und diese sind dann etwaig auch von dort wieder zurück auf die Sinai Halbinsel gekehrt.
Der Übergang vom Proto-Juden (wohl eher doch: Proto-Hebräer) zu den Hebräern erscheint mit da doch eher gekünstelt um um das biblische Narrativ des Exodus herumzukommen.
Nach dem biblischen Mythos migrierte die Jakob-Sippschaft (eben Nomanden und Haldnomaden) aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten. Logischerweise werden sie nicht die einzigen gewesen sein die auf diese Idee gekommen sind.
Anzunehmen ist übrigens, dass diese in Ägypten über den einwandernden Nomaden die Hyksos gewesen sind. Die Ägyptischen Überlieferungen passen da gut mit zusammen.
Hinsichtlich des Exodus - eine ziemliche Glaubensfrage, ist die biblische Erzählung doch von vorne bis hinten mit einem übernatürlichen Eingreifen verbunden. Darüber kann man schwerlich auch nur pseudowissenschaftlich diskutieren.
Aber warum nicht? Warum sollte es nicht wenigstens irgendwelche Proto-Hebräer gegeben haben, die in Ägypten genug von ihrem niederangigen Status hatten und vielleicht sogar mit einem hochrangigen Ägyptischen Adoptivprinzen zu grüneren Ufern aufgebrochen sind. Ich denke nicht, dass man den Exodus archäologisch widerlegen kann, erst recht nicht wenn man die Geschehnisse auf den Kern der Erzählung reduziert.
Zitat:
In diesem Kontext muss man erwähnen, dass die Ägypter manchmal Inschriften auf solchen Reliefs, Stelen usw. im Laufe der Zeit erneuerten, veränderten, ausmeißelten und andere Inschriften an deren Stelle setzten.
Ja. Besonders lustig/spannend in der Ausprägung die schönsten und präzisesten Statuen von irgendwelchen Bozoa mit der gerade angesagten Königskartusche verunstalten zu lassen. Aber wohin diese Kleinigkeiten archäologisch führen ist ein ganz anderes Thema.
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Zitat:Aber warum nicht? Warum sollte es nicht wenigstens irgendwelche Proto-Hebräer gegeben haben, die in Ägypten genug von ihrem niederangigen Status hatten und vielleicht sogar mit einem hochrangigen Ägyptischen Adoptivprinzen zu grüneren Ufern aufgebrochen sind.
Ich schrieb im Prinzip eigentlich das gleiche. Es ist nicht nur denkbar, es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass semitische Halbnomaden (Proto-Hebräer) welche unter ägyptischer Herrschaft lebten zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt aus Ägypten wieder abzogen und sich dann auf der Sinai Halbinsel niederließen bzw. auf diese zurück kehrten - das wäre dann der Auszug der Juden aus Ägypten.
Und dort lebten sie dann, erhebliche Zeit. Das erklärt auch die Darstellung in der Bibel, warum die Juden solange durch die Wüste "irren".
Entsprechend bestreite ich gar nicht, dass es eine solche Rückwanderung semitischer Nomaden aus Ägypten heraus gegeben hat, und darunter die Vorfahren der heutigen Juden waren. Sondern was ich bestreite ist, dass unter einem Mose der aus Ägypten auf den Sinai auszog es dann einige Dekaden später zur Landnahme in Kanaan kam (ja ich weiß, er stark unmittelbar davor). Die Zeitdauer war länger, und das waren zwei voneinander getrennte Ereignisse.
Die Landnahme im Gebiet des heutigen Israel selbst erfolgte meine Meinung nach erst zur Seevölkerzeit, und war eine Folge dieser Wirren. Durch diese entstand dort dann das Volk der Hebräer, aus eben jenen Proto-Hebräern welche erst dann dort einwanderten.
Dazu gibt es übrigens eine interessante Verbindung aus der Bibel, den Fall der Mauern Jerichos. Man weiß inzwischen, dass es in dieser Zeit (Seevölkersturm) als die bronzezeitlichen Reiche und Kulturen im gesamten östlichen Mittelmeerraum zusammen brachen dort zugleich sehr viele Erdbeben in kurzer Zeit gab. Es gibt sogar einzelne Forscher die diese Erdbeben als Faktor für den Vortex der zu dieser Zeit alles niederriß eine große Bedeutung zumessen.
Wenn man den Fall der Mauern als Erdbeben sieht, würde auch dies perfekt in diese Zeit passen. Etliche Stadtstaaten erlitten genau zu dieser Zeit erhebliche Verheerungen durch Erdbeben, insbesondere auch an ihren Befestigungsanlagen.
Um meine Aufassung dazu noch mal zusammen zu fassen:
1. Es gab in Ägypten die Präsenz semitischer Nomaden / Halbnomaden welche durchaus auch als Arbeiter herangezogen wurden (dafür gibt es ägyptische Quellen). Teilweise wurden diese Semiten auch als Hilfstruppen / Söldner verwendet und zwar insbesondere um im Norden des ägyptischen Reiches zur Grenzsicherung eingesetzt zu werden, und das heißt, genau dort wo heute Israel liegt.
2. Teile diese Semiten wanderten zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt dann wieder zurück auf die Sinai Halbinsel woher sie auch vorher gekommen waren, und wohin sie wahrscheinlich auch weiter Stammeskontakte, kulturelle Kontakte, sprachliche Kontakte hatten.
3. Die Ägypter verwendeten durchgehend weiter semitische Söldnerbanden zur Sicherung im Norden, insbesondere im Bereich Kanaans.
4. Mit dem Zerfall der ägyptischen Macht dort entstand ein Machtvakuum. Die kannaitischen Stadtstaaten bekämpften sich untereinander und verwendeten dazu eben diese Söldner und Reste ägyptischer Truppen in ihrem Gebiet.
5. Das Machtvakuum, in dieser Zeit auftretende Dürren (dazu gibt es Hinweise), die Kette von Erdbeben und die Verheerungen durch die Seevölker führen dann dazu, dass diese Söldner aus den Reihen der semitischen Nomaden in Kanaan die Macht an sich reißen, zugleich findet eine Einwanderung der Stämme zu welchen sie gehören in dieses Gebiet statt.
Und exakt das ist die beschriebene Landnahme.
Und alles entspricht sehr weitgehend der Bibel, nur dass halt Mose nicht die gleiche Person ist, welche zum einen diese Proto-Hebräer aus Ägypten heraus führt, und zugleich dann die Landnahme einleitet. Dazu passt übrigens ebenfalls, dass Mose stirbt bevor er das Gelobte Land betritt. Auch das deutet darauf hin, dass dies zwei getrennte Prozesse waren. Das war ein längerer / länger andauernder Prozess und dafür gibt es eindeutig archäologische und sonstige Hinweise.
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Noch ein paar lose Anmerkungen zu den "Juden in Ägypten".
Es gibt in ägyptischen Quellen die mehrfache Nennung von Nomaden / Beduinen / Räubern welche SCHASU genannt wurden und die primär auf der Sinai Halbinsel und im südlichen Teil des heutigen Israel lebten , also auch in der Negev Wüste etc. Diese Nomaden waren nachweislich Semiten und kamen vermutlich mit den Hyksos nach Süden und siedelten sich dann im Sinai und in der Negev Wüste an.
Aus den Reihen der Schasu bildeten sich dann zunehmend Banden / Gruppen von Habiru (Söldner / Räuber) welche sowohl in Kanaan kämpften, als auch von den Ägyptern für Feldzüge angeheuert wurden. Desweiteren wird berichtet, dass die Schasu in Zeiten der Dürre nach Ägypten selbst nomadisierten bzw. sich dann in Ägypten aufhielten. Der Grund für dieses Räuber / Söldnertum war vermutlich die Verschlechterung des Lebensraumes auf dem Sinai und in der Negevwüste.
Das würde alles extrem gut zum Ursprung der Geschichte von den Juden in Ägypten passen. Beispielsweise wird Josef als Sklave nach Ägypten verkauft, und Menschenraub und Sklavenhandel waren ebenfalls klassische Aktivitäten der Habiru. Es gibt daher auch aktuell Archäologen, welche wegen dieser ägyptischen Quellen und auch wegen des archäologischen Befundes in der Region den Ursprung der Hebräer in den Reihen dieser Schasu genannten Völker sehen.
Aber noch darüber hinaus: Wir wissen heute aus Inschriften von Ramses dem II, dass dieser die Schasu nach Ägypten deportieren ließ, um sie dort als Arbeiter einzusetzen ! und um dadurch zugleich die Überlandrouten nach Norden zu sichern, weil die Schasu dort für immer mehr und immer drastischere Überfälle sorgten (es gab reihenweise Hilfeersuchen und Briefe an den Pharao von Kanaatiern deswegen) und etwaig galten sie auch als potentielle Kollaborateure für die Hethiter. In Ortsnamenslisten von Ramses dem II wird dabei im Kontext mit den Schasu das Wort Yhw verwendet. Beispielsweise wird von den Schasu-Yhw gesprochen als einer Gruppe der Schasu. Ebenso wird im Kontext mit den Schasu der Begriff Jhwjw verwendet. Der Bezug zu Jahwe sollte offensichtlich sein. Im Mittelägyptischen hat dieses Wort aber auch einen geographischen Bezug und bezeichnet explizit Gebiete auf der Sinai Halbinsel.
Das alles deckt starkt die Darstellung, dass die Proto-Hebräer mit den Hyksos nach Süden gelangten, und dann auf der Sinai Halbinsel und in der Negev Wüste usw. lebten. Von dort flohen sie wegen Dürren / Desertifikation nach Ägypten bzw. bildeten aufgrund der Verschlechterung der Lebensbedingunen Banden welche ein Problem auf dem Weg nach Norden darstellten. Diese bewaffneten Räuberbanden wurden als Söldner von den kannaitischen Stadtstaaten wie den Pharaonen angeheuert. Zumindest Ramses der II deportierte daher die Schasu oder zumindest große Teile von ihnen nach Ägypten um sie dort als Arbeiter zu verwenden und das Problem auf dem Sinai und im Süden Kanaans zu lösen. Zur Zeit der Seevölkerwanderung aber - spezifischer noch höchstwahrscheinlich unter Ramses dem III zogen die Schasu (Proto-Hebräer) wieder aus Ägypten ab oder wurden von dort ausgewiesen / vertrieben / konnten im Zuge der Invasion der Seevölker fliehen.
Dem folgend nahmen sie ihr Leben als Habirua wieder auf, und kämpften nach dem Zerfall der ägyptischen Macht in Kanaan dort erneut als Söldner für und gegen jeden. Und übernahmen dann schleichend dort die Macht, wobei sie ihre Stammesverwandten dann stückweise aus der Wüste nachholten und diese siedelten dann zunächst primär in den Gebirgen Kanaans.
Mit dem Zerfall der kanaatischen Stadtkultur und dem sozialen und wirtschaftlichen Kollaps dort flohen dann auch viele Kanaaiter in diese Berge und beide Gruppen vermischten sich dort zunehmend. So wie auch vorher schon sich immer wieder Kanaaiter den Habiru angeschlossen hatten über lange Zeit (als Söldner / Räuberbanden). Und andersherum übernahmen die Nachfahren der Schasu von den Bergen aus langsam stückweise auch Kannaitische Städte und Siedlungen, gar nicht unbedingt mit Gewalt, sondern höchstwahrscheinlich weil sie von den Einheimischen zu deren Schutz freiwillig herbei gerufen worden waren. Darauf deutet auch der archäologische Bestand, nach welchem ein Gros von Kanaan langsam aber überwiegend friedlich von den Bergen aus stückweise übernommen wurde.
Auch wenn diese Darstellung von mir hier in Teilen der Bibel wiederspricht, so deckt sie sich in Wahrheit mit dieser gar nicht so schlecht und wenn man die Bibel hier mal einfach nicht wortwörtlich nimmt: 40 Jahre in der Wüste auf dem Weg ins gelobte Land (in Wahrheit war diese Wüste die eigentliche Heimat) und Mose sieht noch das gelobte Land usw. dann wird klar, dass der von mir beschriebene Ablauf die Beschreibungen in der Bibel sogar sehr gut erklärt und belegt, dass diese tatsächlich stattgefundene Prozesse wiedergeben. Er steht also nicht im Widerspruch zur biblischen Erklärung, sondern er zeigt auf, wie diese zustande gekommen sein könnten.
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Die Landnahme ist ein archäologisch umstrittenes Thema zu dem das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist.
Verschwörungstheoretisch möchte ich dazu bemerken, dass die Hauptmotivation etlicher Akteure in diesem Wissenschaftlichen Feld gewesen zu sein scheint, durch ihre Interpretationen das biblische Narrativ möglichst zu widerlegen. Ob da alles was dazu archäologisch so festgelegt wurde auch zutrifft halte ich für sehr fragwürdig. Ähnliches sehe ich auch für die Datierung der Ägyptischen Dynastien, sodass ich persönlich mit um Diskrepanzen von *200 Jahren* eh keinen Kopf machen würde.
Ich will eigentlich nur darauf hinaus, dass es keine archäologischen Beweise gegen den biblischen Exodus gibt / geben kann und die Gesamtumstände sowie auch einige Details erstaunlich gut zu diesem Mythos passen. Insofern spricht eigentlich nichts dagegen in den Ereignissen einen auch potentiell erstaunlich wahren Kern zu sehen.
Was nun die Eroberung Kanaans und speziell Jericho angeht - folgt man der Theorie eines frühen Exodus während der Zeit von Amenhotep II schlägt man nach dem biblischen Narrativ um das Jahr 1400BC vor Jericho auf. Es gibt etliche Archäologen, die um diese Zeit auch eine Zerstörung von Jericho sehen.
Was wiederum auch überhaupt nicht ausschließt, dass hundert, zweihundert oder dreihundert Jahre später da irgendwelche Seevölker, Ägypter oder Gestalten aus dem Jordanischen Raum eingefallen sind.
Neben Jericho wurden nach dem biblischen Narrativ überhaupt nur Ai, Makkeda, Hebron und Hazor niedergebrannt/zerstört. Wenigstens für Ai sofern man es mit Khirbet el-Maqatir identifiziert und Hazor gibt es für Zerstörungen um 1400BC herum auch klare archäologische Nachweise.
Darüber hinaus gab es bei der kolportierten Landnahme keine weiträumigen Zerstörungen. Die haben keine Schneise der Verwüstung hinterlassen, die man 3500 Jahre später hätte archäologisch nachweisen können. Es werden im biblischen Narrativ zwar viele militärische Auseinandersetzungen und Massaker erwähnt, nicht aber das man die Ansiedlungen reihenweise geschleift und alles ausgelöscht hätte.
Das wird ja dann auch später im biblischen Narrativ so thematisiert, dass es ein Problem gewesen ist die Landnahme quasi nicht zu vollenden und alle bisherigen Bewohner auszulöschen. Stattdessen ist man einfach letztlich einfach zugezogen, sesshaft geworden und hat sich vermischt.
Nach dem initialen Einfall ins Land gab es dann eine jahrhundertelange Phase der fortwährenden kleinteiligen Auseinandersetzung, bis sich dann die Hebräer soweit herausgebildet hatten, dass es zu der Etablierung der israelitischen Königshäuser um 1000BC gekommen ist.
Die später auftauchenden Seevölker wären dann auch überhaupt kein Widerspruch zum biblischen Narrativ, die Auseinandersetzungen mit derartigen Gruppen (zu denen ich auch die Apiru zählen würde) wird schließlich auch im Richterbuch beschrieben. Und interessanterweise gibt es auch dezidierten biblischen Aussagen zu Eroberung der Küstenregion während der Landnahme. Das Siedlungsgebiet der Hebräer damals war Nomadenstämmen entsprechend eher das fruchtbare Hochland was heutzutage als Galiläa und Judäa bekannt ist bis nach Jordanien hinein. Wahrscheinlich schlicht weil die Küstenregionen schon vor den Seevölkern weiterhin von Ägypten kontrolliert wurden.
In meinen Augen fügt sich das alles erstaunlich gut zusammen.
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Um die Begrifflichkeiten nochmal klar zustellen und zu definieren:
Schasu - Bezeichnung für Stämme auf der Sinai-Halbinsel sowie im südlichen Teil des heutigen Israel, diese flohen bei Dürren / bzw. Aufgrund der stetigen Verschlechterung ihres Lebensraumes teilweise nach Ägypten, oder bildeten Banden von Räubern / Söldnern und kämpften in angrenzenden Ländern
Schasu-Yhw - ein Teil dieser Stämme oder ein Stamm der Schasu, welcher nachweislich als Arbeiter nach Ägypten deportiert wurde, dann aber im Zuge der Seevölkerwanderung dort nicht mehr erwähnt wird
Yhw oder Jhwjw - ägyptische Bezeichnung für ein geographisches Gebiet auf der Sinai-Halbinsel, in welchem Schasu leben
Israel - in ägyptischen Quellen ein Begriff für ein Volk bzw. einen Stamm, nicht aber für ein geographisches Gebiet, etwaig identisch mit einem der Stämme der Schasu
Habiru - keine Volksgruppe, sondern eine soziale Gruppe, im Sinne von Söldnern / Räubern, welche sich primär aus semitischen Nomadenstämmen rekrutierte und welche insbesondere von den kanaaitischen Stadtstaaten und von Ägypten rekrutiert wurden um die Nordgrenzen zu sichern (gegen die Hethiter etc)
Wie man sieht, passt das erstaunlich gut zu den Überlieferungen in der Bibel.
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Werter Nightwatch:
genau genommen widersprechen wir uns überhaupt nicht.
Zitat:Ich will eigentlich nur darauf hinaus, dass es keine archäologischen Beweise gegen den biblischen Exodus gibt / geben kann und die Gesamtumstände sowie auch einige Details erstaunlich gut zu diesem Mythos passen. Insofern spricht eigentlich nichts dagegen in den Ereignissen einen auch potentiell erstaunlich wahren Kern zu sehen.
Es gibt schriftliche Quellen der Ägypter, welche von einer Deportation von Schasu nach Ägypten durch Ramses den II sprechen, und dass diese dann später zur Zeit Ramses des III Ägypten wieder verlassen haben. Desweiteren gibt es parallel dazu archäologisch nachweisbare Ein-Wanderungsbewegungen in Kanaan bzw. Verschiebungen dort. Von daher gibt es zwar keine archäologischen Beweise für den Exodus selbst, aber durchaus archäologische Beweise für Einwanderung in Kanaan wie auch für die Präsenz von Proto-Hebräern in Ägypten davor.
Zitat:Was nun die Eroberung Kanaans und speziell Jericho angeht - folgt man der Theorie eines frühen Exodus während der Zeit von Amenhotep II schlägt man nach dem biblischen Narrativ um das Jahr 1400BC vor Jericho auf. Es gibt etliche Archäologen, die um diese Zeit auch eine Zerstörung von Jericho sehen.
In Bezug auf Jericho gab es mehrere Zerstörungen, die Stadt wurde immer wieder mal angegangen. Das Jahr 1400 vChr halte ich aber eben für zu früh, weil es vor den von mir beschriebenen Geschehen liegt.
Und der Begriff der Eroberung Kanaans muss meiner Ansicht nach angesichts des archäologischen Befundes zurück gewiesen werden. Da fand keine Eroberung statt in dem Sinne, dass hier ein Volk geschlossen eingedrungen und Land erobert hätte. Die Übernahme Kanaans war vom archäologischen Befund her eher schleichend, zu weiten Teilen anscheinend kooperativ und vergleichsweise friedlich. In einem Machtvakuum übernahmen dort die Habiru dann einfach zunehmend die Herrschaft, ganz von selbst, bzw. anscheinend auch von vielen Kanaaitern gewollt.
Das deckt sich aber interessantererweise genau mit der Bibel, denn wie du es richtig betonst, wird in der Bibel nur von 3 Städten berichtet welche regelrecht erobert und zerstört wurden. Das heißt, auch die Bibel zeigt ein Bild auf, welches keine Eroberung darstellt, sondern eher eine schleichende Machtübernahme mit viel Klein-Klein, welche aber größtenteils friedlich ablief.
Zitat:Neben Jericho wurden nach dem biblischen Narrativ überhaupt nur Ai, Makkeda, Hebron und Hazor niedergebrannt/zerstört. Wenigstens für Ai sofern man es mit Khirbet el-Maqatir identifiziert und Hazor gibt es für Zerstörungen um 1400BC herum auch klare archäologische Nachweise.
Was aber rein von der Zeit her meiner Ansicht nach zu früh ist. Und gar nicht relevant, wenn die schleichende Machtübernahme und Besiedelung Kanaans überwiegend "friedlich" verlief. Also eben keine Eroberung war.
Im weiteren weiß man, dass es um 1400 v Chr durchaus regelmässig Konflikte zwischen den Kanaaitern selbst gab, also regelrechte Kriege zwischen Kanaaitischen Stadtstaaten, bei welchen diese sowohl Söldner einsetzten (Habiru) als auch in Ägypten um Hilfe nachsuchten.
Entsprechend ist eine Verlegung der Landnahme auf einen früheren Zeitraum (nach 1200 v Chr) kein Widerspruch zur Bibel und auch kein Widerspruch zu den archäologischen Funden von Zerstörungen 200 Jahre früher. Es gab früher Kriege dort in der Region unter den Kanaaitern selbst. Gerade dadurch erlangten die Stämme aus welchen die Habiru in Kanaan sich rekrutierten überhaupt erst den örtlichen Bezug in diese Region. Das passt also auch dann sehr gut zur Bibel, wenn man die Landnahme auf die Zeit nach 1200 v Chr setzt.
Zitat:Es werden im biblischen Narrativ zwar viele militärische Auseinandersetzungen und Massaker erwähnt, nicht aber das man die Ansiedlungen reihenweise geschleift und alles ausgelöscht hätte.
Das wird ja dann auch später im biblischen Narrativ so thematisiert, dass es ein Problem gewesen ist die Landnahme quasi nicht zu vollenden und alle bisherigen Bewohner auszulöschen. Stattdessen ist man einfach letztlich einfach zugezogen, sesshaft geworden und hat sich vermischt.
Exakt. Und der archäologische Befund passt sehr gut dazu. Zuerst wanderten die Proto-Hebräer, Nachfahren der Schasu, Stämme aus welchen Habiru rekrutiert worden waren in die Gebirge in Kanaan ein, dann von dort aus langsamg auch sonst in dieses Gebiet, und sie vermischten sich dabei mit den Kanaaitern oder diese schlossen sich teilweise ihnen an und dann übernahmen sie stückweise kanaaitische Städte etc. Das Bild in der Bibel ist eben nicht das einer Eroberung und passt sehr gut zu der Zeit von 1200 v chr bis 1000 v Chr und dem was man in diesem Zeitraum in Kanaan archäologisch beobachten kann.
Zitat:Die später auftauchenden Seevölker wären dann auch überhaupt kein Widerspruch zum biblischen Narrativ, die Auseinandersetzungen mit derartigen Gruppen (zu denen ich auch die Apiru zählen würde)
Habe ich ja auch nicht behauptet. Die Apiru aber zählten nicht zu den Seevölkern und bildeten überhaupt kein Volk sondern waren noch zur Zeit der Seevölker schlicht und einfach eine soziale Gruppe, die sich zwar weitgehend aus semitischen Nomaden rekrutierte, aber nicht auf diese allein beschränkt war.
Zitat:Das Siedlungsgebiet der Hebräer damals war Nomadenstämmen entsprechend eher das fruchtbare Hochland was heutzutage als Galiläa und Judäa bekannt ist bis nach Jordanien hinein. Wahrscheinlich schlicht weil die Küstenregionen schon vor den Seevölkern weiterhin von Ägypten kontrolliert wurden.
Und weil die Kanaaiter sich entlang der Küste eher halten konnten als im Hinterland und dort schon vorher weniger präsent waren. Aber das gibt ja keine Antwort darauf, woher die Hebräer gekommen sind. Sie siedelten dann dort in diesem Gebiet, aber von woher kamen sie in dieses Gebiet ?! Und da ist die Antwort, dass sie in Folge der Wirren des Seevölkersturmes von der Sinai-Halbinsel dorthin gelangt sind, bzw. in Anteilen wahrscheinlich auch aus Ägypten selbst (Exodus). Und warum dorthin? Weil sie schon lange vorher eine räumliche Beziehung zu Kanaan hatten, aufgrund der Söldnertätigkeiten für die Kanaaitischen Stadtstaaten.
Und vom Hochland aus gelang es ihnen dann im Zuge des Kollaps der bronzezeitlichen Reiche mit dem Seevölkersturm sich in Kanaan auszubreiten. Meiner Meinung nach ist dies ein gutes Argument gegen die Verortung des "Exodus" und der Landnahme in den Bereich um 1400 n Chr. Denn zu dieser Zeit war Ägypten dort in der Region noch viel zu mächtig / einflussreich und die Kanaaiter selbst ebenso. Erst der Kollaps der Stadtstaaten dort, der Untergang der bronzezeitlichen Kulturen dort und das dadurch entstehende Machtvakuum erlaubte es den Proto-Juden sich in Kanaan breit zu machen, wobei dies eben ein langsamer stückweiser Prozess war, exakt so wie es in der Bibel in Wahrheit ja auch beschrieben wird.
Zitat:Wie man sieht, passt das erstaunlich gut zu den Überlieferungen in der Bibel.
Das tut es, und zwar auch dann, wenn man die Landnahme auf einen späteren Zeitpunkt setzt.
Die wichtigste Erkenntnis sowohl aus der Bibel als auch aus dem archäologischen Befund wie auch aus ägyptischer Überlieferung sollte sein, dass es keine Eroberung Kanaans gab in dem Sinne, dass dort ein Volk von außen aus Ägypten kommend geschlossen eindrang und dieses Gebiet eroberte, sondern dass dieses Gebiet über einen längeren Zeitraum zunehmend von Nomaden und Halbnomaden übernommen wurde, wobei die Urbevölkerung nicht nur erhalten blieb, sondern zum Teil der Nomaden wurde so wie diese umgekehrt auch die vorherige Stadtkultur übernahmen. Die Hebräer entstanden also (These) aus einer Vermischung von in Kanaan vordringenden Nomaden, mit den Kanaaitern und diese Nomaden hatten schon lange vorher einen vergleichsweise engen Kontakt und ständigen Bezug zu Kanaan, da sie dort schon lange vorher als Söldner aktiv gewesen waren (sowohl in ägpytischen Auftrag als auch im Auftrag der Kanaaiter), oder als Räuber in dieses Gebiet über lange Zeit eingefallen waren.
Entsprechend ist die wesentlichste Kernerkenntnis meiner Ansicht nach die, dass es eine Bevölkerungskontiunität gab. Es wurde also nicht eine vormalige Bevölkerung durch eine neue ersetzt, sondern die Hebräer stammen in weiten Teilen direkt von den Kanaaitern ab und stellen daher eine direkte Linie von diesen aus dar. Wobei sie dann als Volk eben den vormaligen sozialen Begriff Apiru Hapiru / Habiru übernahmen, der vorher primär Söldner bedeutete. Es gab also keinen Abriß von den Kanaaitern zu den Hebräern, sondern die von den Schasu abstammenden Nomaden und Halbnomaden welche da in Kanaan ansiedelten, hatten vorher schon einen engen Bezug zu diesem Gebiet und vermischten sich dann auch weitgehend mit den Kanaaitern, bei wechselseitiger Übernahme von Kulturelementen und Religion. Entsprechend stammen die Hebräer ganz genau so von den Kanaaitern ab wie von den Schasu und entstanden gerade eben aus dem Verbund dieser beiden Gruppen, also der Integration von vormaligen Stadtkulturen in die ländlichen Nomadenkulturen und umgekehrt !
Damit bestand ungeachtet der Zuwanderung besagter Nomaden eine durchgehende Bevölkerungs- und Siedlungskontiunität.
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Und noch ne kurze Anmerkung zur Landnahme und zum Verhältnis von Hebräern und Kanaaitern:
Wenn man sich die frühesten hebräischen Inschriften ansieht und sie mit zeitgleichen oder etwas früheren kanaaitischen Inschriften vergleicht, dann sieht man sofort eine sehr enge sprachliche (und außer auf die Religion bezogen) auch sozialkulturelle Verwandschaft. Beide Gruppen waren viel enger miteinander verbunden und verwoben als man dies gemeinhin annimmt und dies schon lange bevor dann die Hebräer die Macht in der Region übernahmen und ein Königreich bildeten.
Der primäre Unterschied war einer in der Lebensweise (Städtisch vs Halbnomadisch) und im Glauben (Baale vs Jahwe). Ansonsten reichen die Ähnlichkeiten so weit, dass man schon zur Zeit der sogenannten Landnahme weitgehend von einem Volksraum sprechen könnte und tatsächlich gibt es israelische Archäologen die dies inzwischen tun. Es gab aber in diesem Zeitraum eben auch eine Zuwanderung / Rückwanderung von Stämmen aus dem Sinai und höchstwahrscheinlich auch aus Ägypten.
Warum aber wanderten nun diese Nomaden in Kanaan ein? Warum gaben die Kanaaiter ihre Städte zunehmend auf und siedelten wie die Nomaden aus dem Sinai zunehmend in den Bergen? Die Antwort ist eine extreme und sehr langwierige Dürre in dieser Zeit und massive Desertifikation der heutigen Wüstengebiete. Man musste schlicht und einfach die bisherigen Stadtstaaten aufgeben weil sie nicht mehr wirtschaftlich und von der Nahrung her aufrecht erhalten werden konnten. Umgekehrt konnten die Nomaden nicht weiter in der rasant wachsenden Wüste leben.
In diesem Kontext noch ein interessanter Fund: der israelische Archäologe Finkelstein hat die letzten Jahre Rinderknochen untersucht. Zum einen nimmt die Zahl der Rinder in der Zeit ab 1200 n Chr in Kanaan stark zu, und die Funde verlagern sich von der Ebene weg ins Gebirge. Aber jetzt kommt das interessanteste: Finkelstein konnte nachweisen, dass die Rinderrasse sich änderte. Man verwendete ab ungefähr 1150 fort folgend fast nur noch Zebu Rinder und zwar aus Ägypten ! Wurden diese von Einwanderern mitgebracht ?! Und warum verwendete man Zebu Rinder ? Die Antwort ist, dass diese Rinderrasse wiederstandsfähiger ist und insbesondere weniger empfindlich für Dürre und Wassermangel. Die rasant um sich greifende Verwendung dieser Rinder anstelle der vorher verwendeten Rinder zeigt ebenfalls die Dürrekatastrophe auf, welche hier für viele Jahrzehnte andauerte und das vorherige Kanaaitische Stadtstaatensystem zerstörte. Und dass sich die Lebensweise von einer in Stadtstaaten mit intensiver Landwirtschaft hin zu einem Halbnomadentum veränderte, bei welchem die Viehhaltung die wichtigste Rolle inne hatte.
Aber um das zu betonen: das waren eben nicht nur Einwanderer aus dem Sinai (und aus Ägypten) welche nun dort in den Bergen so lebten, sondern auch die Kanaaiter selbst, welche diesen Lebensstil übernahmen und ihre bisherigen Stadtstaaten und die Landwirtschaft welche diese nährte weitgehend aufgeben mussten. Beide waren seit langem miteinander bekannte und eng verwandte Gruppen, welche dann versuchten zusammen zu überleben und dabei zunehmend zusammen agierten, bis hin zur Gründung eines neuen, de facto ebenfalls kanaaitischen Königreiches Israel. Ich schrieb hier bewusst kanaaitisch, weil dieses Königreich nun mal eben stark kanaaitisch geprägt war, und weil die Hebräer aus der Symbiose von Kanaaitern und zugewanderten Proto-Hebräern (Schasu) hervorgingen. Unter einer Umdeutung des früheren sozialen Begriffes Habiru welcher für die Kämpfer unter den Nomaden verwendet wurde als Volksbegriff - Hebräer.
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(20.10.2024, 21:13)Nightwatch schrieb: @Schneemann
Nur ein paar lose Bemerkungen:
- Das Abraham keine Kamele hätte haben können ist ein Mythos. Kamele wurden von Menschen wahrscheinlich schon zwei, dreih Jahrtausende vor Christus genutzt, halt nicht universal sodass es kaum archäologische Beweise dafür gibt, anders als dann in späteren Jahrhunderten. In Ägypten gibt es Felszeichnungen und Protohyroglyphen mit Kamelen die wenigstens so alt sind wie Abraham. In Saudiarabien gibt es in behauene Felsen in Form von Kamelen die aus prähistorischen Zeiten stammen und bis zu 8000 Jahren alt sein sollen.
In Mesopotamien (da wo der Typ ja herkam) gibt es einiges an archäologischen Funden das klar belegt, dass die dort schon 2000BC (gerne vor den Ägyptern) gehalten haben. Klugscheissermodus an:
Kamele haben zwei Höcker und stammen aus Zentralasien
Dromedare haben einen Höcker - und daher meinst Du wohl Dromedare, wenn Du von Kamelen schreibst
(20.10.2024, 21:13)Nightwatch schrieb: - Hinsichtlich der sogenannten Philister, im Hebräischen vom Wortstamm her bedeutet der Name irgendwas zwischen Eindringling und Fremdling. Also eine ziemlich generische Bezeichnung. Interessant nun, Abimelech soll ja Bürgermeister von Gerar gewesen sein. Gerar hat man ausgegraben, liegt irgendwo bei Beerheba. Ausgegraben hat man dabei Funde, die die Präsenz Mionischen Kultur belegen. Die Mionesen (oder so) kommen aus Kreta. Insofern macht es schon Sinn, dass wenigstens der Autor der Tora die dann dort halt mit dem generischen (und geographisch dann später auch passenden) Eigennamen für Fremdlinge betitelt hat.
.... die Philister oder "Seevölker" könnten - so die neuere These - auch aus der westlichen Küste Kleinasiens gekommen sein.
Im 12. Jh. v. Chr. gab es folgende Ereignisse:
Frühes 12. Jh. v. Chr.: Zerstörung vieler mykenischer Palastzentren auf dem griechischen Festland (u. a. Pylos, Mykene, Tiryns, Theben); damit verbunden ist der Zusammenbruch der Palastwirtschaft in Griechenland und offenbar eine starke Bevölkerungsabnahme in einigen Regionen.
12. Jh. v. Chr.: Gründung der Stadt Artacoana (das heutige Herat) durch die iranischen Aria
Zwischen 1194 und 1186 v. Chr.: Zerstörung des bedeutenden Handelszentrums Ugarit in Syrien, wahrscheinlich durch auf Schiffen operierende Feinde, vermutlich den sogenannten Seevölkern zuzuordnen.
Um 1190/80 v. Chr.: Zusammenbruch des hethitischen Großreichs, Aufgabe der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša.
1180 v. Chr. oder einige Jahrzehnte später: Zerstörung von Troja VIIa, wahrscheinlich durch Feindeinwirkung
Um 1177 v. Chr.: Ramses III. besiegt die Seevölker.
Um 1175 v. Chr.: Die Philister werden in der palästinensischen Küstenebene ansässig (siehe 1. Buch Samuel, 2. Buch Samuel, Inschriften Ramses III. in Medinet Habu, Großer Papyrus Harris)....
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(23.10.2024, 12:20)Kongo Erich schrieb: Klugscheissermodus an:
Kamele haben zwei Höcker und stammen aus Zentralasien
Dromedare haben einen Höcker
Nein, Trampeltiere haben zwei Höcker, Dromedare einen Höcker, und beides sind Kamele (deshalb auch einhöckrige und zweihöckrige Kamele genannt), Großkamele um genauer zu sein. Lamas und Alpakas sind übrigens auch Kamele und gehören zu den Kleinkamelen. Es gibt auch noch rheinische Kamelle, die sind davon zu unterscheiden.
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Fortsetzung...
Stehengeblieben war ich ja im Bereich um 1.250 bis 1.200 v. Chr.
Folgt man der Bibel und nimmt man den Auszug aus Ägypten für bare Münze, so waren die Israeliten 40 Jahre alleine auf dem Sinai unterwegs. (Übrigens ist mir da ein kleiner Fehler passiert. Die Israeliten wurden nicht deswegen von Gott zu einer Reisezeit von 40 Jahren verurteilt, weil sie das Goldene Kalb umtanzt hatten, sondern weil einige von ihnen, als Mose mit den Gesetzestexten wieder zurückgekehrt war vom Berg Sinai, wegen der Entbehrungen wieder nach Ägypten umkehren wollten - dies hat den Allmächtigen dann so erzürnt, dass er vorgab, dass die ausziehende Generation in ihrer Lebenszeit das gelobte Land nicht erreichen werde.)
Aber was kann man finden? Wenn der Auszug so stattgefunden hat, dann flohen die Israeliten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht entlang der Küste (also am Mittelmeer entlang), denn die Route zwischen dem Nildelta und Gaza war fest in ägyptischer Hand. Es gibt klare Informationen in ägyptischen Quellen, wonach die Route am Mittelmeer entlang gut ausgebaut war und in Tagesmarschabständen ägyptische Garnisonen und Versorgungspunkte angelegt waren. So gelang es bspw. Pharao Sethos I. (1.323 bis 1279 v. Chr.) mit einem Heer die Route von rund 300 Kilometern zwischen dem Nildelta und Gaza in rund zehn Tagen zurückzulegen (!) - eine für die Bronzezeit durchaus bemerkenswerte Leistung -, als er gegen Retjenu zog. Ähnliches soll Ramses II. 1.276 v. Chr. gelungen sein, als er sich mit den Mittani schlug. Die Küstenroute war also gut kontrolliert und als Fluchtweg daher nicht geeignet.
Insofern wäre es logisch, wenn die Hebräer eine Route weiter südlich über den Sinai gewählt hätten. Hier finden sich zwar auf dem Sinai selbst keine Spuren, aber im Osten des Sinai stechen zwei Orte heraus - Ezion-Geber nahe dem heutigen Eilat und Kadesch-Barnea im westlichen Negev. In letztgenanntem Ort sollen die Israeliten 38 Jahre verbracht haben (von den 40 Jahren ihrer Wanderschaft). Heute bringt man Kadesch-Barnea zumeist mit der Oase el-Quderat in Verbindung, allerdings hat man dort bei Grabungen keinerlei nennenswerte Überreste gefunden, aus der Bronzezeit überhaupt nichts. In Ezion-Geber indessen fand man bei Ausgrabungen umfangreiche Spuren einer Besiedlung - allerdings aus dem Bereich der Eisenzeit I B bis II A (d. h. ca. 1.150 bis 925 v. Chr.). Da der Auszug der Israeliten allerdings, gemaß dem Eichmaß, etwas früher stattfinden und in die Bronzezeit hätte fallen müssen, können die Funde in Ezion-Geber nicht als gesicherter Beweis gelten, allenfalls als mögliche Spur.
Im 2. Buch Mose (Exodus) wird von 600.000 Menschen gesprochen, die aus Ägypten auszogen. Das dürfte eine maßlose Übertreibung sein, wie wir sie in antiken Texten öfters finden können. Weder war das Volk der Israeliten derart groß, noch wäre es möglich gewesen, eine solche Masse an Menschen auf dem unwirtlichen Sinai mit Nahrung und Wasser zu versorgen. Und zuletzt hätte ein solcher Volkszug zwangsläufig Spuren hinterlassen müssen.
Nach 40 Jahren Aufenthalt auf dem Sinai zogen die Israeliten weiter - nun, nach dem Tode von Mose am Fuße des Berg Nebo, gemäß dem Tanach unter der Führung Josuas (siehe Buch Josua), einem durchaus wohl geschickten An- und Heerführer - und nahmen in einem "Blitzfeldzug" (den Begriff nutze ich nun, er steht so nirgends) das Land Kanaan ein. Und dabei stießen sie nicht nur überraschend schnell vor, sondern ihre mächtigen Feinde erzitterten auch vor ihnen. Es folgte Sieg auf Sieg - nach sieben Tagen brachen die Mauern Jerichos unter dem Schall der Trompeten, während der Schlacht bei Gibeon, als die Israeliten die vereinten Heere der Kanaaniter schlugen, hielt Gott die Sonne an und gewaltige Festungen wie Hazor und Lachisch zerfielen zu Ruinen und brannten nieder.
Naja, oder so ähnlich. Denn es sind reine Legenden. Um hier ein wenig uns durchzuwühlen, müssen wir wieder mal die Ägypter bemühen. Denn Kanaan stand zu weiten Teilen unter Kontrolle des Pharaos. Und die dortigen Städte - Jericho, Gibeon, Aii, Lachisch, Hazor, Debir, Megiddo, Ekron, Hebron, Bethel, Sichem und wie sie alle hießen - waren zwar begrenzt autonom, aber dem Pharao tributpflichtig. Und irgendwelche gewaltigen Heere und riesige Festungsbauten hätten sich diese Lokalkönige weder leisten können (denn die Abgaben an den Pharao waren hoch), noch hätten es die Ägypter zugelassen. Und geeint waren diese Könige auch nicht, so gibt es ägyptische Berichte, wonach man wenig glücklich über die beständigen Fehden dieser Lokalherrscher untereinander war.
Mächtige Festungen? Grabungen haben z. B. weder bei Jericho noch bei Megiddo nennenswerte Befestigungen aus der Bronzezeit hervorgebracht. Im Regelfalle handelte es sich eher um eng begrenzte und schwach befestigte Fürstensitze, in denen sich die Führungsschicht und wichtige Verwaltungsbeamte aufhielten, vielleicht einige dutzend Personen - heute würde man wohl von einem Compound reden. Die "Untertanen" jedoch siedelten im Umland in kleineren Weilern und Dörfchen. Man darf sich die Städte also nicht wie befestigte Städte des Mittelalters wie z. B. Carcassonne vorstellen, sondern es waren unbefestigte Ansiedlungshaufen mit einem zentralen, nur eher leicht befestigten Fürstensitz.
Und große Heere? Hier lohnt ein Blick in die sogenannten Amarna-Täfelchen - in diesen sind auch Berichte enthalten, über militärische Ereignisse in Kanaan vor dem Auftreten der Israeliten. Und diese Ereignisse müssen sehr überschaubar gewesen sein, denn da ist bspw. auch ein Bericht zu finden über einen "Privatkrieg" des Königs von Megiddo gegen den König von Sichem um 1.280 v. Chr. Der König von Megiddo bittet den Pharao um militärischen Beistand - und ersucht um 100 Soldaten (!), um Megiddo verteidigen zu können. Allzu groß waren die Heere also nicht. Zumal der Pharao anscheinend entgegnete, dass 50 Mann doch bitte ausreichend sein sollten (es ist aber unklar, wie viele dann letztlich geschickt wurden).
Man kann also sagen, dass die Israeliten keinen gewaltigen Heermassen und auch keinen riesigen Burgen gegenüberstanden. Aber genau dieser Umstand könnte es den Israeliten auch ermöglicht haben, in den nachfolgenden Jahren Kanaan einzunehmen - eben da ihnen nur geringer Widerstand entgegenstand. Und trotzdem dauerte die "Einnahme" Kanaans - nimmt man die verfügbaren archäologischen Quellen als Maßstab - geschätzt einhundert Jahre. Denn die wenigen Belege, die auf gewaltsame Ereignisse schließen lassen, so etwa Brandschichten in den Ruinen der Stadt Hazor, überspannen rund 100 Jahre. Und diese Spuren entwickelten sich von Ost nach West, d. h. wenn die Israeliten Kanaan einnahmen, dann kamen sie von Osten aus dem Bereich des Toten Meeres und siedelten allmählich in westlicher Richtung nach Kanaan hinein. Ob die vereinzelt aufgefundenen Brandschichten (siehe oben, in Hazor, aber auch bspw. in Sichem) nun mit einer "kampagnenartigen" Einnahme zusammenhängen oder aber Belege für Fehden der Herrscher Kanaans untereinander sind, muss offen bleiben. Zumal zwischen den einzelnen Brandereignissen in den Städten bis zu 100 Jahre liegen - sollte dies also ein Feldzug eines geeinten Volkes gewesen sein, hätte es ein "Vormarschtempo" an den Tag gelegt, das niedriger ist als jenes der Russen in der Ukraine.
Rein theoretisch könnte man also sagen: Ein Volksstamm von Halbnomaden zieht um 1.250 v. Chr. vom Sinai in den Bereich südlich des Toten Meeres, um den Truppen des Pharaos zu entgehen, die diese herumziehenden Nomaden nicht gerne sehen. Von dort, da sich herumspricht, dass die ägyptischen Vasallen in Kanaan nur schwach sind, bricht dieses Völkchen nach Norden auf und dringt von Osten kommend nach Kanaan vor. Dort lässt man sich nieder - eine weitgehend friedliche Landnahme - und siedelt sich über Jahrhunderte allmählich nach Westen voran, während sich die Könige Kanaans gegenseitig befehden. Den Ägyptern fällt diese Landnahme zwar auf, aber da die Ankömmlinge friedlich sind und zudem vieh- und landwirtschaftlich aktiv werden, lässt man sie gewähren. Zumal dem Pharao Bauern lieber sind als herumziehende Nomaden.
Um 1.200 v. Chr. hat der Pharao zudem andere, wesentlich ernstere Sorgen, denn der Sturm der Seevölker zeichnet sich ab...
Fortsetzung folgt.
Schneemann
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