(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis?
Das Problem mit der Bürokratie und aus dem Ruder laufenden überkomplexen Prozessen ist, dass diese teilweise leider notwendig sind, weil man ansonsten von der Industrie skrupellos über den Tisch gezogen wird.

Tatsächlich war es noch vor gar nicht so langer Zeit ein Hauptproblem bei der Beschaffung, dass die Verträge eben nicht allumfassend waren und absolut jede nur irgendwie vorhandene Lücke und Möglichkeit von der Industrie in jeder nur denkbaren Weise ausgenutzt und zur persönlichen Bereicherung verwendet wurde.

Das heißt wir haben hier ein ganz grundsätzliches Problem das weit über das Beschaffungsamt bzw. die Seite der Bundeswehr hinaus geht. Und wir "lösen" Probleme indem wir durch die "Lösungen" weitere Probleme schaffen, ohne dass dieser gordische Knoten einfach durchgeschlagen wird.

Und gerade deshalb meine bewusst so radikal wie möglich gewählte Ausdrucksweise. Wir müssen den gordischen Knoten durchschlagen. Nur radikale Maßnahmen können hier Veränderungen herbei zwingen, und herbei gezwungen werden müssen sie.

Helios:

Zitat:erscheint mir nicht nur reaktionär, sondern aufgrund der martialischen Wortwahl recht pubertär (Entschuldige bitte Quintus, damit meine ich nicht dich, sondern nur das was du sagst).

Diese Relativierung ist gar nicht notwendig. Bezieh das bitte absolut auf mich als Person. Die martialische Wortwahl ist ganz bewusst, sie soll das notwendige Ausmaß der Radikalität abbilden, was notwendig wäre um hier ausreichend schnell die zwingend notwendigen Veränderungen herbei zu führen. Und als Infanterist stehe ich ohnehin zur Wortherkunft des Begriffs für meine Waffengattung Wink

Zitat:schlicht, weil es gar kein Instrument dafür gibt, einen solchen zu bestimmen

Das gäbe es durchaus. Ein entsprechender ziviler Verteidigungsminister müsste einen geeigneten höheren Offizier bestimmen, und dieser erhält dann de facto die Macht, indem er zwar de jure nicht den Posten hat, de facto aber außerhalb der Hierarchie gestellt über den Verteidigungsminister bestimmen kann was geschieht, indem entsprechend alles was er will vom Verteidigungsminister angeordnet wird. Nur ein Beispiel von mehreren wie man entsprechend diese Problematik umgehen bzw. angehen könnte.

Der erhält halt dann den Titel eines direkten Beraters des Verteidigungsministers und real praktisch aber bestimmt er über die Bundeswehr. Nur eine Möglichkeit von mehreren.

Zitat:Insofern erscheint mir diese ganze Betrachtung eher als Sehnsucht nach einem Erlöser in einer Heilsgeschichte, nach einem schönen Märchen, als einer realistischen Möglichkeit - selbst wenn man diese auf die Theorie beschränkt. Schon dieses ständige bemühen des imaginären "man", der das alles umsetzen soll, macht dies deutlich und zeigt gleichzeitig, wie unsinnig und unrealistisch derlei Gedanken sind. Einen solchen "man" gibt es in der Demokratie nicht, und kann es in der notwendigen Form auch nicht geben.

Wie sind dann jemals überhaupt in Demokratien Militärreformen durchgeführt worden? Als ein Beispiel möchte ich an dieser Stelle dann mal George C. Marshall anführen.

Und nein, es geht nicht um eine Erlöserfigur, um einen "Führer" oder was auch immer, sondern um einen militärischen Posten der nur indirekt, über die zivilen Inhaber der Befehlsgewalt die Reform durchführen kann und dazu von diesen uneingschränkte Rückendeckung erhält, so wie bei Marshall auch.

Schneemann:

Zitat:in der Nachkriegszeit mit die schlimmsten Skandale bei der Truppe verursachte übrigens auch kein Linker - sondern ein Hr. Strauß von der CSU, welchem man keine übermäßige Sympathie für den Sozialismus unterstellen kann.

Insofern: Man höre auf mit ......diesem nervigen Gejammere über die hiesige Koalition

Ich hatte explizit angeführt, dass die aktuelle untragbare Situation durch die Regierung Merkel und spezifischer noch durch die CDU Verteidigungsminister_ixe herbei geführt wurde.

Das Problem mit der aktuellen Koalition ist, dass diese eben kein Abriß dieser CDU Herrschaft ist, sondern mit Scholz et al weiterhin Personen an der Macht sind, die schon in exakt dieser Vorgängerregierung bereits ebenfalls mitverantwortlich für die desaströsen Fehlentwicklungen der letzten Dekade waren.
Zitieren
ich bin ja "nur" Zuschauer/Mitleser in diesen Fragen. Wo wie schon geschrieben, ich nicht immer verstehe , was ich auf dem Bildschirm lese.
Also eine Verständnisfrage:
Das Bundeswehrbudget wird vom Ministerium vorbereitet, wird vom Bundestag genehmigt, aber dann kommt der Haushaltsausschuss für quasi (25 Millionen Vorlage) jeden Einkauf ins Spiel, und bestellt wohl manchmal etwas ganz anderes als von der Bundeswehr gewollt.
Sehe ich das falsch ???
Zitieren
Der Bundestag genehmigt nur (oder auch nicht), kann aber nicht selbst etwas "bestellen".
Zitieren
Neue Heeresstruktur?

https://web.archive.org/web/202208081156...sstruktur/

"....Bei der 10. Panzerdivision fällt die Rolle Mittlerer Kräfte der bisherigen Deutsch-Französischen Jägerbrigade zu. Bei der 1. Panzerdivision werden dazu die Panzerbrigade 21 und die Panzergrenadierbrigade 41 komplett umstrukturiert. Im Zielbild wird dies deutlich durch das taktische NATO-Zeichen für „Medium Infantry Brigade“. Unter anderem gibt die Panzerbrigade 21 ihr Panzerbataillon 203 an die Panzerlehrbrigade 9 ab. Die Noch-Panzergrenadierbrigade 41 ist jene mit dem Auftrag, die neue multinationale Kampfbrigade in Litauen aufzubauen, die dort um einen deutschen Kern entstehen soll. Interessant wird, ob und wie die Panzerwaffen-Verzahnung mit Polens Landstreitkräften weiter läuft. Deren Träger auf Seiten der Bundeswehr ist bis jetzt die Panzergrenadierbrigade 41.

....Die große Veränderung in der kommenden Heeresstruktur sind Verbände in Bataillonsstärke auf Divisionsebene sowie der Aufbau von Korpstruppen....

Weitere markante Änderungen: Die Gebirgsjäger wechseln von der 10. Panzerdivision zur Division Schnelle Kräfte. Das Fallschirmjägerregiment 23 der Luftlandebrigade 1 wird in drei Bataillone aufgelöst...."
Zitieren
Drei erste Gedanken:

Dass man aus den deutschen Verbänden der XD/F eine vernünftig ins Heer integrierte Brigade machen will, die unabhängig von französichen Einheiten ist, finde ich tatsächlich vernünftig.

Dass man jetzt mit der X21 eine dritte Brigade für die "Mittleren Kräfte" hergibt - ist das jetzt Ambitionslosigkeit oder eine bedenkliche Vernarrtheit in eine fixe Idee?

Von den Artillerieverbänden aus dem Bühler-Papier ist auch nicht mehr viel geblieben.
Zitieren
Äh ja. Wird die Wehrpflicht damit wieder eingeführt oder welche Ämter wollen sie auflösen?
Das sind mal eben round about 10 Bataillonsequivalente allein an Kampftruppen zusätzlich. Ich würde mal sagen mit der jetzigen Personaldecke nicht darstellbar.

Die Gliederung ist aber überraschend gefechtsauglich / positiv, auch wenn ich das mit den mittleren Kräften gelassen hätte. Statt der zwei mittleren Brigaden der 1. Panzerdivision eine Panzerbrigade und dafür Brigadartillerie für die Luftlandebrigad 1 und Gebirgsjägerbrigade 23. Wäre auch realistischer.
Das Fallschirmjägerregiment 31 als Kräftedispotiv Nationale Krisenvorsorge gefällt. Wobei man da strukturell auch noch die die beiden (neuen) Fernspähkompanien hätte verwursten und der Verband wieder als Brigade hätte betreiben können.
Zitieren
Die offensichtlicheste Lösung der Personalfrage: Die Bataillone müssen kleiner werden.
Zitieren
(08.08.2022, 17:51)Ottone schrieb: Die offensichtlicheste Lösung der Personalfrage: Die Bataillone müssen kleiner werden.

Darauf könnte es hinauslaufen…
gerade mittlere Kräfte Battaillone könnten personell kleiner ausfallen als schwere Kräfte Battaillone
Zitieren
(08.08.2022, 12:41)Quintus Fabius schrieb: Das Problem mit der Bürokratie und aus dem Ruder laufenden überkomplexen Prozessen ist, dass diese teilweise leider notwendig sind, weil man ansonsten von der Industrie skrupellos über den Tisch gezogen wird.

Tatsächlich war es noch vor gar nicht so langer Zeit ein Hauptproblem bei der Beschaffung, dass die Verträge eben nicht allumfassend waren und absolut jede nur irgendwie vorhandene Lücke und Möglichkeit von der Industrie in jeder nur denkbaren Weise ausgenutzt und zur persönlichen Bereicherung verwendet wurde.
[...]

"persönlichen Bereicherung" Ernsthaft? Es ein Unternehmen muss Gewinn erwirtschaften. Vom kleinen Bäcker um die Ecke bis hin zu Rüstungskonzernen.


Das Grundproblem ist doch, dass die Bundeswehr nicht in der Lage ist MOTS (Military off-the-shelf) zu beschaffen.
Kleines Beispiel, damals die Beschaffung des Zielfernrohres für das G22:
Irgendjemand in Hammelburg wollte unbedingt, dass die Höhenverstellung des ZF im Absehen angezeigt wird. Also ein kleines Chevron das sich im Absehen bewegt... Hatte und hat bis heute kein anderes Zielfernrohr... Zeiss/Hensold hat dies für das 3-12x56 SSG-P extra entwickelt. Bei den kleinen Stückzahlen schlagen sich solche Entwicklungskosten natürlich auf den Endpreis durch.
Man hätte auch einfach (wie dann KSK und KSM) ein marktverfügbares ZF wie das S&B PMII nehmen können für weniger Geld.

Das gleiche haben wir bei Schutzwesten, Uniformen und exponentiell bei komplexeren System (Stichwort: Farbmonitore Puma). Es ist daher auch falsch die Schuld alleine bei den Sauerstoffdieben des BAAINBw zu suchen. Die 120% Vorgaben kommen aus der Truppe und das BAAINBw muss es ausbaden.
Zitieren
(07.08.2022, 21:21)Quintus Fabius schrieb: Dem folgend die KASTE zerschlagen (vernichten) welche diese zwingend notwendige organisatorische Veränderung verhindert. Und erst wenn dies erreicht wird kann man dann auch mal anfangen an der militärischen Kultur zu arbeiten.
(08.08.2022, 12:41)Quintus Fabius schrieb: Ein entsprechender ziviler Verteidigungsminister müsste einen geeigneten höheren Offizier bestimmen, und dieser erhält dann de facto die Macht...

Ich möchte da mal etwas unorthodoxes ins Gespräch bringen: Demokratie.

Angenommen, man würde (evtl. bei gleichzeitiger Auflösung der TSK) alles oberhalb einer bestimmten Ebene - z.B. Brigadeführung - tatsächlich aus dem Dienst "entfernen" und danach die verbleibenden Führungskräfte der Ebenen III/X die höheren Positionen demokratisch bestimmen lassen. Würde das jemand hier für machbar und ggf. sogar sinnvoll erachten, oder lässt sich das grundsätzlich nicht mit militärischen Strukturen vereinbaren?
Zitieren
Delta:

Eine wesentliche Frage ist, ob man angesichts der Verfasstheit der verbliebenen Rüstungsindustrie diese nicht verstaatlichen sollte, um sie gerade eben von ihrer Gewinnerzielungsabsicht abzubringen. Entsprechend kann man dann auch wesentlicher leichter das Beschaffungsamt und die dazugehörigen Beamtenstrukturen im Ministerium deutlich kürzen und vollständig anders an die ganze Sache heran gehen.

Deine Kritik an den Vorgaben der Truppe teile ich im weiteren durchaus, ganz vieles was da seitens der Soldaten selbst gefordert wird, ist einfach nicht sinnvoll. Wer aber identifiziert was tatsächlich sinnvoll ist und was nicht? Wer kann dies überhaupt, und das über so viele höchst verschiedene Themenkomplexe hinweg? Wer hat überhaupt derartige Kenntnisse? Beispielsweise könnten du und meine Wenigkeit eventuell etwas sinnvolles über Schützenwaffen darlegen, aber wie sollten wir dann beispielsweise erkennen können, was in Bezug auf Kampfflugzeuge tatsächlich sinnvoll ist?

Die Komplexität der ganzen Materie ist einfach derart hoch, dass ganze System derart komplex, dass zum einen Friktionen unvermeidbar sind - das gilt auch für alle anderen Streitkräfte die es so gibt mehr oder weniger. Und dass man angesichts der Beschränktheit der Mittel die Grundidee einer ganzheitlichen Armee hinterfragen muss. Diesen Aspekt hatten ja beispielsweise Helios und meine Wenigkeit in einem Strang Bundeswehr vs USMC diskutiert.

Ein deutlicher Schwerpunkt und eine Beschränkung der Fähigkeiten im Kontext einer europäischen Sicherheitsstruktur anstelle einer ganzheitlichen allumfassenden Armee wären angesichts der real verfügbaren Mittel und Möglichkeiten meiner rein persönlichen Einschätzung nach sinnvoller. Sie würden zugleich die besagte Komplexität zumindest etwas reduzieren.

Broensen:

Die Idee demokratischer Strukturen innerhalb der Streitkräfte vertrete ich schon seit sehr sehr langer Zeit und man könnte diese Grundidee auch noch deutlich ausweiten: das reicht von Beurteilungen die nicht von Vorgesetzten über Untergebene angefertigt werden, sondern die demokratischen Konzepten folgend von Gleichrangigen und Untergebenen durch Extrapolierung ihrer jeweiligen Wahlmeinung erstellt werden bis hin zur Wahl von taktischen Führern - statt das diese bestimmt werden. Zugleich wäre hier das Ziel auch mehr persönliche Autorität an die Stelle der verliehenen Autorität zu setzen.

Aber das führt alles hier etwas zu weit weg vom eigentlichen Thema, dass verschieben wir mal besser in Kürze ins Wunschkonzert oder dergleichen.
Zitieren
(08.08.2022, 21:48)Broensen schrieb: Würde das jemand hier für machbar und ggf. sogar sinnvoll erachten, oder lässt sich das grundsätzlich nicht mit militärischen Strukturen vereinbaren?
Basisdemokratie funktioniert in keiner Struktur, in der Vorschriften einzuhalten und nach unten hin durchzusetzen sind.

Außer natürlich für diejenigen, denen Strukturen und Vorschriften eh lästig sind.
Zitieren
Krieg nach Vorschriften führen zu wollen ist militärisch höchst nachteilig. Und wahre militärische Disziplin entsteht ebenso nicht durch Vorschriften, sondern durch Selbstdisziplin. Das ist also eine Frage der Kultur.

Eine militärische Kultur die ein Übermaß an Vorschriften benötigt, wird in einem ernsthaften Krieg zur höheren Wahrscheinlichkeit scheitern.
Zitieren
Nur ein paar Gedanken zu diversen Punkten.

Warum das BAAINBW nicht jetzt reformieren?
-weil das dann ca 1-2 Jahre mit sich selbst beschäftigt ist und dann kaum was läuft. Ist in der jetzigen Situation (Ukraine /100 Mrd) nicht der beste Zeitpunkt. Übrigens wollte die CDU unter U. v. d. L das Amt privatisieren. Rate mal, welche Partei das verhindert hat...richtig, die die jetzt regiert und so tut, als sei sie vorher nicht dabei gewesen.

Personalaufwuchs
-es gibt sehr viele Studenten, die in den Ferien arbeiten gehen.
Bei ca 6-8 Wochen im Frühjahr und 8-10 Wochen im Sommer zumindest gute Reservisten.

Entscheidung, ob eine Lösung Sinn macht oder nicht :
Im Zweifelsfall der Inspekteur der TSK, bzw seine Leute.

Was am Markt verfügbar ist, sollte im Auswahlverfahren von den Entscheidern getestet werden.
Dann entsteht mehr Bezug dazu und man sieht, was es eben nicht gibt.
Und Sonderwünsche sollten die Experten begründen, mit deren Namensnennung. Und natürlich auch der Verantwortung.
Zitieren
(08.08.2022, 22:41)kato schrieb: Basisdemokratie funktioniert in keiner Struktur, in der Vorschriften einzuhalten und nach unten hin durchzusetzen sind.

Ich rede doch auch nicht von Basisdemokratie (lehne ich insgesamt ab), sondern von einer demokratischen Postenvergabe innerhalb der Offiziersebene. Das wäre noch nicht mal eine repräsentative Demokratie, da ja die wahlberechtigten Offiziere nicht demokratisch legitimiert wären, sondern maximal von ehemals Vorgesetzten auf eine gleichgestellte Ebene befördert wurden. Man könnte also von einer hierarchischen Demokratie sprechen. Bis zu einer gewissen Ebene werden Beförderungen herkömmlich von oben im Rahmen der Laufbahn vergeben, nur halt deutlich unterhalb der Schwelle der politischen Einflussnahme. Dadurch wäre eine Führungsposition eben nicht "von oben" her gefährdet, wenn sie sich gegen die politische Führung stellt, sofern sie im Sinne der eigenen Truppe handelt.
Zitieren


Gehe zu: