01.04.2022, 20:39
Russland vs. Ukraine
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01.04.2022, 20:57
Werter Nightwatch:
Zitat:Ich habe hier schon am Mittwoch vor einer Woche geschrieben, dass die Ukrainer an der Westflanke des Vorstoßes soviel Druck aufbauen, dass eine Einkesselung der Russischen Verbände im Raum Irpin durch Kappung der wenigen Verbindungsstraßen bei Iwankiv über den Teteriw möglich ist und eine Kollabierung der kompletten Nordwestfront möglich ist. An dieser Stelle sollte ich anmerken, dass ich zu diesem Zeitpunkt deine Ausführungen für unrealistisch angesehen habe und hier schrieb, dass es nicht so kommen wird. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch eine Menge russischer Artillerie vor Ort und das Artilleriefeuer erheblich. Die Russen ersetzten da Truppen und Bewegung durch Feuer, sind doch alle drei Faktoren gegeneinander verrechenbar. Nun ist in den letzten Tagen das russische Artilleriefeuer erlahmt, wie ebenfalls von dir vorher gesagt - offenkundig hat das logistische Gründe. Damit war der Raum nicht mehr zu halten, da die Truppen dafür zu stark ausgeblutet waren und eben kein Artilleriefeuer als Substitut für Truppenzahl und/oder Bewegung mehr aufrecht erhalten werden konnte. Ich finde diesen Krieg derart spannend und faszinierend, vor allem auch weil ich mich jetzt schon mehrfach geirrt habe in meinen Annahmen über das was da als nächstes geschieht bzw. was die Russen leisten können und was nicht. Das aktuelle Geschehen nordwestlich von Kiew ist gerade so ein Fall. Die ukrainischen Stellungen am Fluss Irpin entlang waren gut, ich habe nicht erwartet dass der Russe sie nehmen kann. Aber umgekehrt hätte ich noch vor wenigen Tagen ausgeschlossen, dass umgekehrt die Ukrainer die Irpin Linie nehmen können. Ich ging fest davon aus, dass die Russen zumindest in der Defensive bzw. in einem Stellungskrieg mit ihrer Artillerie die Linien halten könnten und dass sie die Versorgung ihrer Artillerie in den Griff kriegen würden. Stattdessen wie von dir vorher gesagt der Totalzusammenbruch der russischen Front in diesem Abschnitt. Das ist einfach spektakulär ! Es ist wirklich sehr lehrreich für mich, wie ich mich dermaßen hier geirrt habe. Schneemann: Zitat:d. h. wohl grob 20% bis 25% je der Panzerfahrzeuge und Mannschaften, die dort an- und eingesetzt wurden. Das ist vergleichsweise viel, aber im Grunde nicht ausreichend, um eine halbwegs funktionierende Armee zu einer derartigen Flucht zu nötigen. Rein militärwissenschaftlich brechen die meisten Armeen bei ca. 1/5 bis 1/4 Verluste in sich zusammen, ebenso die meisten Kampfverbände. Das ist ganz normal. Es gibt in der Kriegsgeschichte viele Streitkräfte die schon bei geringeren Verlusten kollabiert sind, und nur sehr selten welche (wie die kaiserlich japanische Armee) welche Verluste weit über das genannte Maß einstecken konnten. Dessen ungeachtet ist die Frage, ob die Verluste im Raum Kiew überhaupt diese Schwelle erreicht haben, oder ob sie niedriger waren oder ob sie sogar höher waren. Das ist alles höchst unklar. Unabhängig davon ist die russische Kampfmoral anscheinend auf dem Tiefpunkt angekommen, so dass trotz überlegener Artillerie selbst in der Defensive nichts mehr erreicht werden konnte.
01.04.2022, 21:05
(01.04.2022, 20:57)Quintus Fabius schrieb: An dieser Stelle sollte ich anmerken, dass ich zu diesem Zeitpunkt deine Ausführungen für unrealistisch angesehen habe und hier schrieb, dass es nicht so kommen wird. Nun, bedenke: Die Moral war vorher schon im Keller, als man noch (halbwegs) in der Offensive war. Dass diese vollständig zusammenbrechen "muss", wenn dann auch noch ein Rückzug angeordnet wird bzw. man zurückgedrängt wird, ist fast schon ein Automatismus oder? Es wäre jedenfalls zutiefst menschlich. Wo soll jetzt noch die Kraft für irgendeine Disziplin herkommen?
01.04.2022, 21:09
@ Schneemann
Ukrainer in Ivankiv: https://twitter.com/jphilli88/status/150...2388327427 https://twitter.com/TWMCLtd/status/1509956415296835586 Diese Karte stellt ungefähr die Situation da, wobei die Ukrainer jetzt auch in Bucha und Hostomel stehen. Da sind keine russischen Verbände mehr. https://twitter.com/mhmck/status/1509861...36/photo/1 Alternative: https://twitter.com/War_Mapper/status/15...7207070727 Die Frage ist jetzt, ob jetzt noch größere russische Verbände im Raum Südlich von Ivankiv verblieben sind oder ob sie (die überlebenden) mobilen Verbände alle rechtzeitig rausbekommen haben. Mindestens viel Material wird aber aufgegeben worden sein. Für mich sieht das nach einem mehr oder weniger geordneten Rückzug aus, die Masse der russischen Verbände ist jetzt definitiv nicht überrannt worden, mindestens die Nachhut ist aber von den nachrückenden Ukrainern angegriffen und teils aufgerieben worden. Wie gesagt, mich wundert dieser Rückzug nicht. Es mag ja sein, dass irgendwie X Verbände mit Y Panzerfahrzeugen im Raum vor Irpin gestanden haben. Nur standen die da halt am Ende einer 100km langen Nachschubroute über nicht viel mehr als eine größere Straße und ein paar bessere Waldwege. Vier Wochen steht man dann da, das mit dem Umfassungsversuch war effektiv nach der ersten Woche gelaufen nachdem sich die Vorstöße südwestlich von Irpin festgefressen hatten. Nachschubsituation dann bekanntermaßen schlecht – mit zu wenig Munition und Treibstoff wird maximal die Stellung gehalten. Wetter dann wahlweise zu kalt oder zu schlammig, Brücken über den Iprin gesprengt, massig motivierte Infanterie schon in den Vororten, exorbitante Verluste und für Kiev hätten die Kräfte eh nie gereicht – die Initiative lag damit effektiv seit der zweiten, spätestens seit der dritten Kriegswoche bei den Ukrainern. Und die haben sich halt nicht bitte lassen und in den letzten Wochen an der Westflanke des Vorstoßes / der Versorgungslinie mit immer mehr Kräften Druck aufgebaut. Die Russen hatten dann noch versucht die Lage mit Vorstößen nach Westen zu stabilisieren, aber diese Vorstöße sind mit bestenfalls minimalen Geländegewinnen schnell zusammengebrochen. Am Ende ist es dann einfach eine Frage der geographischen Gegebenheiten. Egal wie viele Einheiten die Russen um Hostomel stehen hatten – der Nachschub läuft ziemlich singulär über Ivankiv. Dort verläuft die einzige vernünftige, russisch kontrollierte Straße nach Weißrussland und die Ukrainer standen in den Dörfern westlich davon schon in Artilleriereichweite (die sie wohl nicht hatten). Da man das Äquivalent von ein paar Brigaden im dauerhaften Gefecht nicht über ein paar matschige, mit SOF verseuchte Waldwege versorgen kann, dürfen die Ukrainer die Straße bei Iwankiv halt keinesfalls unterbrechen. Oder gerne halt auch weiter nördlich. Nachschubkonvois zusammenzuschießen bekommt halt auch jede bessere Heimwehr hin und geeignete Munition fließt ja aus der Westukraine mittlerweile in Masse zu. Insofern – was will man machen. Oder besser: Was wollte man überhaupt noch dort?! Die Kräfte sind zur Einnahme von Kiew völlig unzureichend, Umfassung ist genauso ausgeschlossen, eigene Ausfälle mittlerweile erheblich, Versorgungslage kritisch und die Flanken sind hart bedrängt. Der Abzug ist nur folgerichtig. Einzig erstaunlich, dass sich auf russischer Seite jemand gefunden hat, der diesen Rückzug befehlen konnte.
01.04.2022, 23:48
Parallel zum Rückzug aus dem Raum um Kiew haben die Russen im Osten angeblich Izyum eingenommen:
https://mil.in.ua/en/news/the-russians-a...ed-forces/ https://liveuamap.com/en/2022/1-april-ru...kiv-region Das gefährdet etliche ukrainische Verbände in der Ostukraine. Und die folgende Live Karte hatten wir auch schon länger nicht mehr: https://liveuamap.com/ Zudem für heute beschließend noch ne Analyse: https://www.theatlantic.com/ideas/archiv...ns/629418/ Good equipment and clever doctrine reveal little about how an army will perform in a war.
02.04.2022, 11:20
Zitat:@Facilier - Ich würde da sehr vorsichtig sein. Manchmal reicht schon eine warme Suppe, um die Moral wieder zu verbessern. Die Russen haben den Rückzug rund um Kiev anscheinend gut durchgezogen. Rückzugskämpfe gehören zu den schwierigsten Standardsituationen einer Truppe, also Vorsicht vor zu schellen Urteilen. Das zurückgelassene Material zählt nicht, das kann schon seit einiger Zeit zerstört oder kaputt sein.Und ich bin mir nicht sicher ob unsere Truppen diese Schlammschlacht so viel besser durchgezogen hätten.
02.04.2022, 13:14
Es dürfte auch interessant sein und werden, wie sich andere bzw. Drittstaaten positionieren. Die zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken rudern ja schon langsam weg von Moskau, da sie eben ein Interesse daran haben, mit dem Westen weiterhin Geschäfte machen zu können. Peking laviert herum und stellt sich einerseits teils demonstrativ an die Seite Moskaus, lässt dann aber wiederum wenig Taten folgen, zumal man ja auch nicht so wirklich glücklich ist, dass die "neue Seidenstraße" in Mitleidenschaft gezogen wird. Zudem will man auch in China den Westen als Handelspartner nicht verlieren (aus den USA und der EU gab es da schon deutliche Hinweise).
Spannend auch, welchen Weg Indien beschreiten wird... Zitat:Tauziehen um Indienhttps://www.tagesschau.de/ausland/asien/...e-101.html Diese Staaten müssen sich natürlich auch darüber im klaren sein, dass ihnen ihre eigene Politik auf die Füße fallen könnte. Wenn man sich nun nicht dazu durchringen kann, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg als solchen zu benennen, so kann es durchaus sein, dass, wenn einmal Indien oder China ein derartiges Problem haben, der Rest des Planeten in der UN sich auch nicht dazu durchringen kann, das Problem beim Namen zu nennen. Und sowohl Indien als auch China haben keine ruhigen Grenzen bzw. beäugen sich ja selbst gegenseitig sehr kritisch, teils feindselig... Weiterhin: Im Kontext der russischen Absetzbewegungen scheint es wohl so zu sein (zumindest bislang gemäß ukrainischer Quellen), dass die von Russland geräumten Gebiete gezielt (d. h. unabhängig von den Kämpfen) und unnötig stark verwüstet und auch mit Sprengfallen gepflastert wurden und werden. Quasi also eine Art verminte und "verbrannte Erde". Sollte das stimmen, so wäre es ein weiterer Beleg dafür, dass die russische Armee eben nicht hastig flüchtet, sondern zuvor sich noch die Zeit nimmt, das Gelände "unbrauchbar" zu machen. Und es wäre übrigens ein klarer Völkerrechtsbruch bzw. Bruch der Haager Landkriegsordnung... Zitat:Ukraine war: Russia creating 'complete disaster' with mines around homes and corpses, President Zelenskyy warnshttps://news.sky.com/story/ukraine-war-r...s-12580120 Schneemann
02.04.2022, 13:51
Kurzes OT dazu:
Ich erwarte eigentlich, dass sich die zentralasiatischen Staaten zunehmend an China orientieren werden, was von Peking ja bereits seit einiger Zeit vorangetrieben wird. Wenn jetzt Russland an militärischem und wirtschaftlichen Einfluss verliert, wird sich der Trend fortsetzen und letztendlich auch Russland selbst treffen. Das Zentrum der östlich-autoritären Welt verschiebt sich einfach nur. Indien stellt aus westlicher Sicht meiner Meinung nach hier die große Chance dar, diese Entwicklung in Grenzen zu halten und gleichzeitig die eigenen Abhängigkeiten von China zu verringern, indem wir unsere verlängerte Werkbank auf den Subkontinent verlegen. Daher sollte man jetzt verstärkt darauf setzen, Indien aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Ich bin generell kein Freund von Rüstungsexporten außerhalb eigener Bündnissysteme, aber Indien wäre mir da deutlich lieber als die arabischen Länder, sofern Indien sich dann auch wirklich von Russland löst. Tut man das jetzt nicht, sehe ich die Gefahr, dass Russland bei seinem anstehenden Absturz Indien hier mit sich reißt. Je stärker die Abhängigkeit Moskaus von Peking werden wird, desto weniger kann die Kooperation mit Russland Indien gegen China schützen.
02.04.2022, 15:45
https://michaelrasche.eu/putin/
Eine interessante Analyse von Putins Ideologie und Denken anhand seiner eigenen Texte, Aussagen und der Vordenker, auf die er immer wieder Bezug nimmt.
02.04.2022, 21:27
Impressionen
Die Panzer einer kompletten BTG steht im Raum Irpin zerstört am Straßenrand https://twitter.com/OzKaterji/status/151...0712624133 Ukrainische Truppen auf dem Flugplatz Hostomel https://twitter.com/COUPSURE/status/1510327264566726657 Die Ukrainer melden 280 aufgesammelte tote Zivilisten allein in Bucha, etliche offensichtlich hingerichtet (graphic) https://twitter.com/visegrad24/status/15...1340780549 Austausch von Kriegsgefangenen - den weiblichen Soldaten wurden die Haare abgeschnitten https://twitter.com/gil_iryna/status/151...2631011328 Überholung russischer Beutefahrzeuge durch Ukrainer: https://twitter.com/Arslon_Xudosi/status...0235216903 Grabenkrieg, 21st century edition https://twitter.com/seth_hettena/status/...6051672066 Tschernobyl wieder Ukrainisches Territorium https://twitter.com/InnaSovsun/status/15...1773774849
02.04.2022, 23:11
Und mal noch ein Insider: ich hatte heute mal wieder Kontakt mit meinen Freunden im Fernen Osten und sie wurden jetzt verlegt. Sie gingen davon aus, dass es für sie auch in Richtung Ukraine gehen würde, stattdessen wurden sie auf die Kurilen verlegt, wo anscheinend ein größeres Manöver stattfindet. Es wird alles immer seltsamer.
Und noch ein interessantes Fundstück: Da ich ja immer Strelkov folge bin ich darüber gestolpert wie er davon berichtet, dass russische Berufs- und Zeitsoldaten einfach den Dienst quittieren und kündigen wenn sie in die Ukraine verlegt werden sollen. Was legal möglich ist, da Russland sich ja nicht im Krieg befindet und sie daher einfach völlig legal kündigen und die Armee verlassen können. Wenn er davon öffentlich spricht, muss es ein ernsthaftes größeres Problem sein https://twitter.com/kamilkazani/status/1...2365056008
03.04.2022, 01:15
Die Weigerung für einen Einsatz in der Ukraine betrifft gleichermassen Rosgvardia, was dann eine Entlassung zur Folge hat gegen die nicht wenige (200+) laut Meduza nun klagen. Die Begründing ist die gleiche: Weil es (ganz bewußt) aus juristischer Sicht kein Krieg in der Ukraine ist dürfen Rosgvardia Mitglieder nicht zu diesem Einsatz gezwungen werden - sonst wäre das für die Dauer von 6 Monaten zulässig.
03.04.2022, 09:11
Hinweis darauf, dass die Russen bei ihrem Abzug nicht nur die Taktik der verbrannten Erde anwenden, sondern dass sie auch zahlreiche andere Kriegsverbrechen begangen haben. In der 25.000-Einwohner-Stadt Bucha, etwa 30 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew, sollen nach der Rückeroberung über 200 Leichen gefunden worden sein...
Zitat:‘They were all shot’: Russia accused of war crimes as Bucha reveals horror of invasionhttps://www.theguardian.com/world/2022/a...f-invasion Minengefahr vor den Küsten: Durchaus realistisch, bereits vor einigen Tagen haben rumänische Marineeinheiten Treibminen im Schwarzen Meer unschädlich gemacht (u. a. hier: https://www.reuters.com/world/europe/rom...022-03-28/). Ob das nun nur alleine russische Minen sind, sei mal dahingestellt, auch die Ukrainer haben Defensivsperren vor bspw. Odessa geworfen - schon vor Wochen... Zitat:+++ Liveticker +++https://www.n-tv.de/politik/08-03-Britis...43824.html Dazu auch: Zitat:Is There A Serious Sea Mine Threat In The Black Sea?https://www.navalnews.com/naval-news/202...black-sea/ Zu den russischen Versuchen, Rekrutierungen in Syrien vorzunehmen: Zitat:In Syria, Russia leads effort to recruit fighters for Ukrainehttps://www.aljazeera.com/news/2022/4/1/...or-ukraine Es scheint wohl also so, als wenn bislang die Rekrutierungsbemühungen nicht sonderlich erfolgreich waren und zudem teils unter fadenscheinigen Versprechen, ja beinahe Bestechungsversuchen, erfolgen. Und auch wenn bislang wohl keine Syrer in der Ukraine aufgetaucht sind, so frage ich mich, wie es denn überhaupt im russischen Selbstverständnis funktionieren sollte - man definiert sich ja auch als christliches Bollwerk gegen z. B. die radikalen Islamisten im Kaukasus -, wenn man nun Muslime für sich und gegen die christlichen Ukrainer kämpfen lassen würde... Schneemann
03.04.2022, 10:29
@Schneemann
Keine Sorge, die Tschetschenen sind allesamt Muslime. Und von denen werden viele in der Ukraine eingesetzt.
03.04.2022, 12:21
Ukraine 03. April: "Rückzug, Rückzug, Umverteilung?"
Theatrum belli (französisch) von Stéphane AUDRAND 3. April 2022 [Bild: https://theatrum-belli.com/wp-content/up...6x443.jpeg] Die russischen Streitkräfte evakuieren den Norden der Ukraine unter relativ guten Bedingungen. Das Rückzugsmanöver ist eines der heikelsten: Selten von langer Hand geplant, unter Druck und zwangsläufig vor dem Hintergrund verminderter Mittel, Müdigkeit und einer unorganisierten Führung durchgeführt, kann es zu einer Niederlage führen, wenn es schlecht ausgeführt wird und der Gegner die Gelegenheit nutzt, um es erfolgreich auszunutzen. Bisher ist dies nicht der Fall: Die ebenfalls verschlissene ukrainische Armee besetzt die Positionen vorsichtig wieder. Die nordwestliche Achse von Kyiw (1) war die operativ schwierigste. Da es keine Eisenbahnlinie gab, konnten sich die russischen Streitkräfte dort nicht dauerhaft halten. Nordöstlich der Hauptstadt (2) zogen sich die russischen Streitkräfte zurück, ohne jedoch den Druck auf Tschernihiw, einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt, dessen Verteidigung zum Scheitern der russischen Offensive im Norden beigetragen hatte, zu lockern. Weiter im Osten (3) (4) wird der Rückzug entlang der Nachschubachsen ebenfalls von Verzögerungsstellungen begleitet. Die Gefahr eines "Kollapses" des russischen Korps scheint gebannt. Um Charkiw (5) herum hält das Bombardement der russischen Artillerie an, während die ukrainische Armee ihre moderaten Angriffe fortsetzt. Im Donbass nahmen die Russen zwar Izyum (6) ein, hielten aber sofort an, um eine Pause einzulegen - ein Zeichen dafür, dass sie keine "frischen" Panzerreserven zum Ausnutzen einschleusen können, was den Verteidigern einen geordneten Rückzug ermöglicht. Die russischen Offensivbewegungen konzentrierten sich auf einen "inkrementellen" Angriff (7), der das Beste aus ihrer Artillerie herausholte, die der ukrainischen immer noch weit überlegen war. Solange die Granatenvorräte ausreichen, können sie "unter Beschuss vorrücken" und die Ukrainer langsam aber sicher aus dem Donbass drängen. Da die Ukrainer in Bezug auf schwere Artillerie und Luftangriffe unterlegen sind, können sie nicht reagieren. Mariupol (8) liegt in Trümmern, und die Russen konzentrieren sich darauf, die letzten Reste der Verteidiger zu "säubern". Die russischen Truppen wurden dort erheblich verschlissen. Weiter im Westen (9) versuchen die Russen, ihre Positionen zwischen Cherson und südlich von Krywyj Rih zu halten, während sie ihre Kräfte auf See und in Transnistrien (10) bewegen, um die Ukrainer festzuhalten. Der vor zwei oder drei Tagen begonnene Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem Norden der Ukraine wird sich durch eine lange "Regeneration" und Umgruppierung fortsetzen. In der Zwischenzeit hält der langsame, aber unaufhaltsame Vorstoß in den Donbass den Druck auf die ukrainischen Truppen aufrecht. Da die Ukrainer weder die gegnerischen Grenzen überschreiten noch in nennenswerter Tiefe zuschlagen können, können sie nicht das Risiko eingehen, die Front um Kyiw auszudünnen. Ihr defensiver Erfolg war im Norden echt, als es ihnen gelang, die russische Hauptoffensive mit weit unterlegenen Kräften zu blockieren. Doch der Mangel an mobilen Reserven und schweren ukrainischen Mitteln wirkt sich auf Dauer weiterhin negativ aus. |