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Okay, klare Ansage vorab: Ja, ich weiß, dass dies ein äußerst provokanter, schwieriger und mehrdeutig missverständlicher Titel für einen Strang ist und sein kann. Schon einmal alleine aus historischen Gründen bzw. Hintergründen.
Und bevor der Verdacht irgendwelcher völkisch-rechtsrelativierender Kreise sich einschleichen mag (hier wird auch die Moderation ohne Vorwarnung eingreifen und ggf. Löschungen vornehmen): Ja, ich weiß, dass wir Polen 1939 in einem (auch damals) völkerrechtswidrigen Angriffskrieg plattgewalzt haben, dass danach (bereits im Herbst 1939, und mit dem Wissen und unter Beteiligung der Wehrmacht) erste Massenmorde an polnischer Intelligenzija, regulären polnischen Soldaten (!), Juden und Kommunisten stattgefunden haben, dass dies die finsteren Vorzeichen des Vernichtungskrieges im Osten bzw. der UdSSR nach Sommer 1941 waren und dass am Ende vermutlich 6-7 Mio. polnische Bürgerinnen und Bürger (die jüdische Bevölkerung inkludiert) tot waren und Warschau final nach dem von SS und Dirlewanger-Brigade niedergeschlagenen (nationalen) AK-Aufstand Bór-Komorowskis 1944 ein Schutthaufen und Massengrab war...
Das ist Fakt.
Ich bin selbst ein großer Freund der Idee des Weimarer Dreiecks - was ich auch hier im Forum schon geschrieben hatte - und sehe den Kern Europas auch in einer engen (auch militärischen) Zusammenarbeit zwischen Paris, Warschau und Berlin. Ich schätze Polen. Dies muss alleine schon geschehen, um der Bedrohung durch Russland entgegenwirken zu können.
Aber: Die Agitation der polnischen Rechten von der PiS gegen Deutschland ist diesem Ideal m. M. n. zutiefst abträglich, und letztlich auch aus deutscher Sicht nicht akzeptabel. Es empört mich sogar und ich merke selbst, wie mich die Provokationen polnischer Offizieller zunehmend auf die Palme bringen...
Zitat:Scholz in Warschau
Geliebtes Feindbild
Polen hat derzeit kein Interesse daran, das Verhältnis zu Deutschland zu verbessern. Daran ändert auch eine neue Bundesregierung erst einmal nichts. [...] Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Worten empfangen, nun werde ein neues Kapitel in den deutsch-polnischen Beziehungen aufgeschlagen. Damit hat er eigentlich nur insofern recht, als man sich in Warschau wie überall sonst in Europa an die Christdemokratin Angela Merkel gewöhnt hatte.
Der Antrittsbesuch des Sozialdemokraten Scholz hat gezeigt, dass sich im Verhältnis zu Polen allenfalls Nuancen ändern. Im Umgang mit wenigen Ländern ist der Spielraum so eingeschränkt wie in dem mit Polen. Er kann sich nur bewegen im engen Korridor zwischen historischer Verantwortung, europapolitischen Zwängen und rechtsstaatlicher Prinzipientreue. [...]
Das Streben nach guten Beziehungen zum größten und wichtigsten östlichen EU-Nachbarn, der unter dem NS-Terror so furchtbar gelitten hat, ist Teil der deutschen Staatsräson. Der Schutz der Union vor Zerstörung durch den autokratischen Virus ist es aber ebenso. [...] Zu wertvoll ist dem eigentlichen Machthaber Jarosław Kaczyński und seiner Anhängerschaft Deutschland als Feindbild. Zu besichtigen ist das auf Plakaten, die deutsche Politiker und den deutschen Botschafter verunglimpfen. Zu hören ist es, wenn Kaczyński die im Koalitionsvertrag der Ampel beschriebene Vision eines europäischen Bundesstaates als "Viertes Reich" schmäht und Ministerpräsident Morawiecki vor "Gleichschaltung" warnt. Die Angstmache vor Deutschland und die Demontage von Demokratie und Rechtsstaat gehen in Polen seit Jahren Hand in Hand. [...]
In diesem Wechselspiel ging Scholz allerdings zu weit, als er die polnische Forderung nach Reparationen für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg mit dem Verweis auf Wohltaten dank deutscher EU-Zahlungen ins Leere laufen ließ. So etwas klingt für viele Polen nach genau jener germanischen Überheblichkeit, die Kaczyński in die Hände spielt.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/deut...-1.5486866
Schneemann
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Das ganze Geschehen wird nicht zuletzt auch von unserer Seite aus sinnfrei eskaliert und voran getrieben. Niemand in Polen kann deutsche Kritik daran dass die Polen die EU Außengrenzen halten noch nachvollziehen und man empfindet den Umgang mit Polen in diesem Kontext als himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Ich würde das ganze Zurück-Getrete der Polen (und nichts anderes ist es) auch nicht überbewerten. Das sind ganz bewusste Provokationen welche man als Reaktion auf empfundene deutsche Aktionen hin gestartet hat.
Die Kulturunterschiede sind erheblich und in Polen kann man viele Entwicklungen in dieser Bundesrepublik nicht mehr nachvollziehen und fühlt sich davon gelinde gesagt belästigt. Beispielsweise ist die scharfe Ablehnung von Homosexualität - insbesondere aber von offen gelebter Homosexualität - keine Sache einer Minderheit und man will diesen Weg welchen wir da zur Zeit beschreiten nicht mitgehen.
Im Prinzip will man in Ruhe gelassen werden und nicht dafür auch noch massiv kritisiert und angegangen und geschädigt werden, weil man das tut worin man tatsächlich auch seine historische Rolle sieht, nämlich der Schild Europas zu sein.
Man könnte hier durch intelligente Diplomatie ganz viel Druck rausnehmen, aber da unsere "Diplomatie" viel zu sehr von Ideologie und Menschenrechtsgedöns durchsetzt ist und zu wenig von Realpolitik sehe ich da ziemlich schwarz. Eigentlich könnte man sich durchaus mit Polen aussöhnen und wieder in die gleiche Richtung ziehen, dass wird aber zur Zeit mehr durch uns als durch die Polen verhindert.
Das führt halt auch zu der Frage, was konkret die EU sein soll? Die kulturellen Unterschiede sind einfach zu groß, als dass man das was wir unter Europäischer Kultur verstehen (nämlich unsere Gegenwartskultur) einfach direkt so auf Polen und andere Länder übertragen könnte. Man empfindet daher zurecht in Osteuropa ein großes Unbehagen davor, dass diese Bundesrepublik und andere Westeuropäer über die EU den osteuropäischen Völkern eine Kultur regelrecht aufzwingen wollen, welche diese mehrheitlich (!) zutiefst ablehnen und die sie eben nicht im eigenen Land haben wollen.
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(13.12.2021, 23:15)Schneemann schrieb: Aber: Die Agitation der polnischen Rechten von der PiS gegen Deutschland ist diesem Ideal m. M. n. zutiefst abträglich, und letztlich auch aus deutscher Sicht nicht akzeptabel. Es empört mich sogar und ich merke selbst, wie mich die Provokationen polnischer Offizieller zunehmend auf die Palme bringen...
Ich teile deine Einstellung zum Weimarer Dreieck usw. Letztendlich kann ich dazu nur sagen: lass das Ganze nicht zu dich an dich herankommen - zeige Langmut. Wir müssen einfach Geduld haben und stoisch über lange Zeit beweisen, dass von uns keine Gefahr für Polen ausgeht, sondern Hilfe. Also über Jahrzehnte das Gegenteil dessen beweisen, was uns von den polnischen Rechtspopulisten unterstellt wird, um sie zu konterkarieren und damit auch zu delegitimieren. Dann wird auch der Zuspruch in Polen auf Dauer zu deutschfeindlichen Positionen abnehmen. Sie werden aber eh nie auf null kommen, man kann sie nur vermindern. Diese Herangehensweise entspricht der deutschen Versöhnungspolitik der letzten 70 Jahre und sie hat uns sehr weit gebracht.
Es wird auch gerne versucht das Thema Argwohn gegenüber Deutschland und Deutschenfeindlichkeit mit anderen Themen zu vermischen. Wie Liberalität, Abtreibung, Homosexualität, Gleichberechtigung, Minderheitenrechte usw. Aber das ist nur eine Ablenkung. Das sind austauschbare Argumente ist es nicht das, ist es was anderes.
Im Kern hat Deutschland in Europa das gleiche Problem wie die USA weltweit: Es wird als große Macht misstrauisch beäugt und angefeindet. Insbesondere bei Nachbarn und Nationen denen man hilft. Angst vor Vereinnahmung bzw Verlust von Identität sind da die Stichworte. Bei Deutschland kommt im Gegensatz zu den USA noch erschweren unser Erbe der Weltkriege und der Völkermorde hinzu.
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Die Aktionen der rechtsradikalen polnischem Regierung mit der polnischen Kultur gleich zu setzen halte ich für mehr als fragwürdig. Die polnische Regierung ist auf dem Weg in eine Defakto Diktatur. Die Medien werden gleichgeschaltet, Oppositionelle aus dem Verkehr gezogen und die Trennung der Politik und Gerichtsbarkeit abgeschafft. Minderheiten werden diskriminiert und müssen als Sündenböcke herhalten um vom Politikversagen abzulenken.
Dies hat nichts mit kulturellen Unterschieden zu tun. Dies auch in Zusammenhang mit dem Schutz der Außengrenzen zu bagatellisieren halte ich für sehr schwierig. Die Menschenrechtsverletzungen dort halte ich auch nicht für ein unvermeidlichen Übel, was den deutschen ganz Recht ist.
Was in Polen, Ungarn oder auch der Türkei passiert ist widerlich.
Gerne wird ja auch argumentiert dass diese Volksvertreter gewählt sind und das die Bevölkerung hiermit zum Großteil zufrieden ist. Das entspricht nicht der Wahrheit. Die Bevölkerung wird durch gleichgeschalteten Medien manipuliert, statt informiert.
Ich sehe hier klare Kante als die richtige herangehensweiße. Aberkennen des Stimmrechts, einfrieren aller Gelder etc.
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Sehe ich nicht so. Gegenargumente in ausführlicher Form (selbst leider keine Zeit mehr):
https://www.nzz.ch/meinung/polen-diktatu...ld.1551834
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@spotz
Zitat:Letztendlich kann ich dazu nur sagen: lass das Ganze nicht zu dich an dich herankommen - zeige Langmut.
Vielleicht sollte ich dies tatsächlich. Allerdings muss ich dazu sagen, dass mir dies zunehmend schwerfällt. Ich verstehe sicherlich mache Regung in Polen und kann auch nachvollziehen, dass man sich nach den Jahrzehnten bzw. quasi einem Jahrhundert der Gängelung durch die stärkeren Nachbarn - obgleich es Phasen gab, da hat Polen sich gegenüber kleineren Nachbarn im Baltikum umgekehrt genauso verhalten - irgendwie nationalistisch freischwimmen will.
Genau genommen ist dieses Revival des neosarmatisch-katholischen Rechtskonservativismus eine Folge des vergangenen Jahrhunderts und der Unterdrückungen durch Russen/Sowjets und Deutsche. Das bedeutet aber nicht, dass man deswegen jeden aktuellen und noch so sinnfreien Ausfall gegen Deutschland oder die EU oder die liberale Demokratie nachvollziehen kann und sollte oder dass bestehende Verträge umgangen werden dürfen. Und zu einer Partnerschaft und wünschenswerter Weise auch irgendwann einer engen Freundschaft - und hier wären wir dann bei einer Vertiefung des Weimarer Dreiecks - gehört eben auch, dass man sich gegenseitig kritisieren darf, ohne dass z. B. Bundespräsident Steinmeier mit Goebbels dann gleich auf Plakaten auf eine Stufe gestellt wird. Aber zu dieser objektiven Kritikbefähigung wird es nicht gereichen, wenn ich jedwede solche Kritik gleich als Angriff auf das nationalkatholische Polentum interpretiere. Und genau das macht die PiS eben. Und ob ich hier mit reiner Verständnisbereitschaft allen Seiten einen Gefallen tue, daran habe ich Zweifel...
@Leuco
Zitat:Die Aktionen der rechtsradikalen polnischem Regierung mit der polnischen Kultur gleich zu setzen halte ich für mehr als fragwürdig. Die polnische Regierung ist auf dem Weg in eine Defakto Diktatur.
Das ist nun doch eine heftige Kritik. Ich denke, dass Polen nicht auf dem Weg in eine Diktatur ist und auch wirklich rechtsradikal ist die PiS-Regierung ebenso nicht - wobei der Maßstab da vllt. bei jedem unterschiedlich angelegt wird -, wohl aber zeichnet sich ab, dass das Land leider auf dem Weg in Richtung Intoleranz und unvollständiger Demokratie (den Kampfbegriff "Illiberale Demokratie" mag ich nicht sonderlich, da er schwammig ist und nach Belieben genutzt wird) ist.
Die Frage die sich daraus ergibt, ist eher, inwieweit dies mit den gängigen EU-Reglements zu vereinbaren ist und wie man hier wieder eine gemeinsame Basis finden kann, ohne dass polnische Nationalisten gleich die schwarze Madonna von Tschenstochau um Hilfe bitten, um den verklärend kolportierten Untergang Polens abwenden zu können...
Schneemann
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Schneemann:
Zitat:gehört eben auch, dass man sich gegenseitig kritisieren darf, ohne dass z. B. Bundespräsident Steinmeier mit Goebbels dann gleich auf Plakaten auf eine Stufe gestellt wird.
Verwechsle doch mal bitte nicht Plakataktionen einer kleinen Gruppe (genau genommen eines Radikalinskis) mit der Mehrheitsmeinung der polnischen Bevölkerung - das was da auf dem Plakat dargestellt wurde entspricht nicht einmal der Mehrheitsmeinung der PiS.
Sonst könnte man umgekehrt ganz genau so irgendwelche radikalen Einzelpositionen in Deutschland hernehmen und behaupten, diese würden die Bundesrepublik repräsentieren.
Diese Plakataktion ist in keinster Weise repräsentativ für die polnische Nation und wird dort mehrheitlich auch nicht ernst genommen. Und selbst die (wenigen) Befürworter sehen darin ein Zurück-Treten, also eine Reaktion auf so empfundene deutsche Übergrifflichkeiten. Man will einfach mehrheitlich tatsächlich nicht, dass bestimmte Dinge die bei uns anders laufen in Polen auch so laufen. Das wird sicher auch durch die Staatsmedien so geschürt, trifft aber tatsächlich die sozialkulturelle Grundströmung.
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Naja, diese Plakataktion wurde m. W. angeschoben - zumindest hat das Kulturministerium in Warschau sie vermutlich unterstützt (wird zwar von dort die Sache mit einer Formalienformulierung abgestritten, dennoch steht der Vorwurf im Raum) -, um der Reparationendebatte Nachdruck zu verleihen, die die Regierung bzw. maßgebende Personen in dieser (u. a. von Kaczynski) derzeit benutzen, um Stimmung zu machen. Eine Distanzierung ist bislang nicht offiziell erfolgt, und das wäre zumindest äußerst sinnvoll gewesen, um die Wogen zu glätten.
Da fehlt mir dann doch irgendwie das Verständnis; ich frage mich auch, wie es sein kann, dass ein Land, das wie kein zweites unter der NS-Herrschaft gelitten hat, selbst derart geschichtsvergessen und quasi auch selbstverleugnend sein kann, dass man scheinbar ungerührt solche Vergleiche anstellt?
Schneemann
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@Quintus Der Goebbelsvergleich ist ja kein Einzelfall, sondern ein Beispiel des deutschfeindlichen Grundtons der PIS seit eh und je.
(15.12.2021, 10:51)Schneemann schrieb: Und zu einer Partnerschaft und wünschenswerter Weise auch irgendwann einer engen Freundschaft - und hier wären wir dann bei einer Vertiefung des Weimarer Dreiecks - gehört eben auch, dass man sich gegenseitig kritisieren darf, ohne dass z. B. Bundespräsident Steinmeier mit Goebbels dann gleich auf Plakaten auf eine Stufe gestellt wird. Aber zu dieser objektiven Kritikbefähigung wird es nicht gereichen, wenn ich jedwede solche Kritik gleich als Angriff auf das nationalkatholische Polentum interpretiere. Und genau das macht die PiS eben. Und ob ich hier mit reiner Verständnisbereitschaft allen Seiten einen Gefallen tue, daran habe ich Zweifel...
Ich bin absolut deiner Meinung. Sowohl bei der historischen Betrachtung bei Polen wie auch bei der Forderung das man unter Freunden kritisieren darf, ohne das eine Seite derart feindselig und ausfallend wird.
Allerdings wird es immer Menschen geben, die die eigene nationale Identität so deuten, bei der sie europäische Feindbilder brauchen. Das ist nicht nur bei der PIS in Polen so, sondern - Stichwort Weimarer Dreieck - auch in Frankreich beim Rassemblement National oder auch in Deutschland bei der AfD so. Das wird es auch immer geben. Mit Langmut bei dem wir stets unsere Freundschaft, Hilfe und Zusammenarbeit unter Beweis stellen, können wir nur die Anzahl der Menschen verringern, die von tiefem Mißtrauen und einer Sehnsucht nach Erbfeindschaft geprägt sind. Es gilt sie durch ausdauernde Freundlichkeit zu delegitimieren.
Wenn wir verbal mit eskalieren, dann spielen wir ihnen in die Hände. Denn sie wollen polarisieren und Hysterien verursachen, um den Gegensatz zwischen den Europäern zu verschärfen. Das würde ihr Bild, ihre Deutung der jeweiligen nationalen Identität, die auf feindselige Ablehnung eines oder mehrerer europäischer Nachbarn basiert, nur bestätigen. Daß heißt wenn wir widersprechen, sollten wir ruhig und sachlich im Ton bleiben und nicht heißblütig drohen oder beleidigen. Das bedarf Langmut und stoischer Ruhe, auch wenn man mal dem Gegenüber gerne die Meinung deutlich sagen würde. Ist konzeptionell Teil der deutschen Versöhnungspolitik seit 70 Jahren, die uns echt weit gebracht hat. Da sollten wir bei Polen und Ungarn nun keine Ausnahme machen. Man vergisst es gerne, aber neben der PIS gibt es auch jede Menge Menschen in Polen, die deren deutschfeindliche Einstellung áusdrücklich nicht teilen. Irgendwann werden auch die wieder eine politische Mehrheit erlangen. Für die sollten wir uns ruhig, sachlich und kooperativ verhalten.
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Zitat: ich frage mich auch, wie es sein kann, dass ein Land, das wie kein zweites unter der NS-Herrschaft gelitten hat, selbst derart geschichtsvergessen und quasi auch selbstverleugnend sein kann, dass man scheinbar ungerührt solche Vergleiche anstellt?
Im Gegensatz zu uns wird die NS Zeit in anderen Ländern teilweise ganz anders bewertet. Spezifisch auf Polen muss man beispielsweise feststellen, dass dort in vielen Kreisen ein erheblicher Anti-Semitismus grassiert. Man überhöht dann die Verbrechen der Nationalsozialisten an den Polen, redet aber zugleich die an den Juden (oder gerade in Mode: an den Homosexuellen, Zigeunern usw) klein. Das reicht so weit dass nationalistische Polen sich darin versteigern den Holocaust an den Juden zu leugnen, was besonders irrwitzig ist. Nach deren Lesart waren die Polen die Hauptopfer und ist der Rest eine Erfindung um von den Verbrechen gegen die Polen abzulenken usw usw usf
Kurz und einfach: man hat eine teilweise ganz andere Sichtweise auf diese Zeit und kommt daher auch zu ganz anderen Schlußfolgerungen.
spotz:
Zitat:Man vergisst es gerne, aber neben der PIS gibt es auch jede Menge Menschen in Polen, die deren deutschfeindliche Einstellung áusdrücklich nicht teilen.
Das kann man sogar nur unterstreichen. Tatsächlich ist die schwindende Macht und der nachlassende Einfluss der PiS einer der primären Gründe für diese rethorische Eskalation. Das ist selbst vom harten Kern schlußendlich nicht wirklich ernst gemeint, es soll einfach nur dem Machterhalt dienen, ist am Ende eine Verzweiflungsmaßnahme weil einem genau diese Macht langsam aber sicher aus den Händen gleitet, obwohl man ja wirklich viel unternommen hat sie zu zementieren.
Die ganze Krise an der weißrussischen Grenze war fast schon eine Art Gottesgeschenk für die PiS. Da konnte man jetzt die Scharen nochmal hinter sich scharen.
Zitat:@Quintus Der Goebbelsvergleich ist ja kein Einzelfall, sondern ein Beispiel des deutschfeindlichen Grundtons der PIS seit eh und je.
Na ja, sicher gibt es da schon seit geraumer Zeit allerlei rethorische Ausfälle, aber in Wahrheit ist nichts davon wirklich tiefergehend ernst gemeint. Das ist halt ein ständiges vors Schienbein treten weil man glaubt man könne so irgendwelche Vorteile hervor zaubern. Ich würde das eben nicht überbewerten und man könnte auch problemlos einfach darüber hinweg sehen, weil es zum einen irrelevant ist, und zum anderen aus den von dir hier auch schon genannten Gründen: Wenn wir uns gar nicht darauf einlassen, läuft das alles ins Leere.
Deshalb würde ich auch Polen keine EU Gelder streichen. Das ist genau das was die PiS mit ihren ganzen Maßnahmen erreichen will. Die sind mehr als zufrieden über die Strafmaßnahmen der EU welche sie selbst provoziert haben. Ich würde wann immer die polnische Regierung sich dergestalt aufplustert stattdessen lächelnd mit einem weiteren bilateralen Freundschaftsabkommen daher kommen, wir sollten auch mehr Schüleraustausch, mehr gemeinsame Kulturveranstaltungen und mehr gemeinsame Militärübungen veranstalten. Man würde schon mittelfristig so sehr viel mehr erreichen als durch "Sanktionen" und den Versuch hier etwas zu erzwingen.
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@Quintus
Ich stimme dir zu bzgl. des Mittelteils deiner Ausführung (grassierender Antisemitismus in Polen, Homosexuelle, Umdeutung des Holocaust etc.), deswegen habe ich ihn in der Zitation rausgenommen...
Zitat:Im Gegensatz zu uns wird die NS Zeit in anderen Ländern teilweise ganz anders bewertet. [...] Kurz und einfach: man hat eine teilweise ganz andere Sichtweise auf diese Zeit und kommt daher auch zu ganz anderen Schlußfolgerungen.
Das mag so sein, ja, aber es ist nur eine Erklärung und sollte keine Entschuldigung sein.
Liebe Güte, wenn ich es auf die Spitze treiben wöllte, dann könnte ich auch hergehen und den Warschauer Aufstand 1944 eben als eine (dezent leicht) "entgleiste" COIN-Operation darstellen, wobei halt bedauerlicherweise als Kollateralschaden geschätzt 150.000 Zivilisten starben. Wenn man das einem der PiS-Politiker ins Gesicht sagt, würde diesem wohl das verknitterte Lachen aus dem Gesicht fallen und wir hätten sehr wahrscheinlich einen diplomatischen Eklat sondergleichen (berechtigt). Insofern: Nein, es ist nicht einfach nur "eine Frage der Sichtweise".
@spotz
Zitat:Wenn wir verbal mit eskalieren, dann spielen wir ihnen in die Hände. Denn sie wollen polarisieren und Hysterien verursachen, um den Gegensatz zwischen den Europäern zu verschärfen. Das würde ihr Bild, ihre Deutung der jeweiligen nationalen Identität, die auf feindselige Ablehnung eines oder mehrerer europäischer Nachbarn basiert, nur bestätigen.
Ja, ich weiß. Ich gebe dir recht. Dennoch fällt es teils sehr schwer.
Allerdings weise ich darauf hin, dass eine zu sehr ausformulierte und umgesetzte Verständnislogik und -politik auch als Schwäche fehlgedeutet werden kann und dann letztlich die Sachlage nur noch schlimmer machen kann. Auch stellt sich die Frage, ob denn eine hier umgesetzte (wie auch immer geartete) Strategie des Nicht-Einsteigens auf Provokationen das eigene Ansehen EU-weit nicht doch beschädigt und somit andere Staaten animiert zu versuchen, von der vorgelebten deutschen Toleranz als einer Art von Schwäche auszugehen bzw. die Reaktionen dahingehend zu deuten?
Schneemann
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Natürlich kann man das auch als Schwäche deuten, aber es gibt hier keine Axiome. Jede Problemstellung ist einzigartig und bedarf einer eigenen Lösung. Speziell auf Polen - und nur auf Polen (!) - ist weitreichende Nachsicht der bessere Weg. Der PiS bricht aktuell die Macht weg und ohne die Flüchtlingskrise an der Grenze stünde sie jetzt schon mit dem Rücken zur Wand. Die haben ja nicht mal mehr die politische Mehrheit in den entscheidenden Gremien.
Man bedenke auch wie eng Polen und Deutschland inzwischen miteinander wirtschaftlich verwoben sind und wie wesentlich diese Wirtschaftsbeziehungen sind! Diese muss man einfach ausbauen. Polen will zudem massiv in Photovoltaik, erneuerbare Energien und Digitalisierung investieren. Genau unser Feld. Wenn man sich jetzt nicht von solchem Unfug wie den Plakaten irre machen lässt, könnten wir mit Polen endlich wieder dahin kommen wohin beide Länder gehören - zu einer historischen unverbrüchlichen und dauerhaften Freundschaft.
Da wir ja gerade das 30jährige Jubiläum unseres Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit haben, wäre es meiner Überzeugung nach das beste von deutscher Seite unilateral einen weitreichenden Freundschaftsvertrag anzubieten. Das würde die PiS mehr ärgern als alles andere.
Vor allem aber wäre es wesentlich wieder viel mehr direkte Kommunikation zu betreiben. Die ganze scheinbare Krise ist meiner Einschätzung nach mehr ein Kommunikationsproblem als alles andere.
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Man kann nach dem Motto verfahren: "Hart in der Sache und freundlich im Ton". Dennoch wird dem immer eine gewisse Schwäche anhaften, gerade bei Leuten die wollen das man mal deutlich zurück poltert. Das sind dann halt Leute die Stärke mit Kraftmeierei verbinden.
Ansonsten bin ich auch komplett eurer Meinung, was ihr so geschrieben habt. Auch ich bin bei Geldstrafen gegenüber Polen skeptisch ob es richtig ist sachfremde Dinge mit einander zu verbinden. Wenn wir Probleme mit dem polnischen Justizwesen haben, warum sollten dann Corona Wiederaufbauhilfen oder Subventionen für erneuerbare Energien gekürzt oder komplett zurückgehalten werden? Macht aus meiner Sicht keinen Sinn und ist auch nicht gut zu vermitteln.
Zu dem was Quintus zur belarussischen Grenze geschrieben hat, kann ich nur unterstützen. Ich glaube auch das dies ein vorweihnachtliches Geschenk an die PIS war. Allerdings muss ich auch eingestehen das ich da selbst ein wenig zwiespältig bin. Einerseits tut es mit um die Flüchtlinge leid, die haben echt ein hartes Los. Andererseits habe ich selbst auch eine gewisse Sympathie für die harte und konsequente polnische Haltung, das man sich nicht so einfach erpressen und ausspielen lässt.
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(16.12.2021, 19:45)spotz schrieb: Einerseits tut es mit um die Flüchtlinge leid, die haben echt ein hartes Los. Andererseits habe ich selbst auch eine gewisse Sympathie für die harte und konsequente polnische Haltung, das man sich nicht so einfach erpressen und ausspielen lässt.
Mich würde mal interessieren welches "harte Los" die Menschen denn genau hatten, die viele tausend Dollar pro Person gezahlt haben um überhaupt erst in die Situation an der Grenze zu geraten. Nach dem was bisher bekannt ist sind es hauptsächlich Kurden aus dem Nordirak und Nordsyrien gewesen. Beide Regionen werden quasi von Kurden selbst verwaltet und sind wesentlich demokratischer als der Rest der Region. Geldmittel hatten sie scheinbar auch genügend, wesentlich mehr als so mancher Mitteleuropäer auf der hohen Kante hat.
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Dann lime versuche doch mal deren Lage nachzuempfinden: Du gibst dein eigenes Vermögen und ggf das deiner Familie für eine Tour ins Paradies aus, um dann festzustellen das du dir wochenlang den Arsch in irgendwelchen bitterkalten Wäldern abfrierst und als Bonus beziehst du noch von zwei Seiten Prügel. Du bist betrogen und instrumentalisiert worden. Aus deinen Hoffnungen ist ein Alptraum geworden. Ich glaube wenn du dich in deren Lage hineinversetzt, würdest auch du das als ein "hartes Los" bezeichnen.
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