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Es stehen 75.000 Tote im Raum.
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Was niemand bestreitet.
Schneemann.
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(28.05.2021, 13:39)Schneemann schrieb: Ob es nun die Dimension eines Völkermordes hat, ist indessen schwieriger festzustellen.
Mir ist schleierhaft wie du zu dieser Beurteilung kommst, wo du doch die wesentlichen Faktoren, die allesamt eindeutig für einen Völkermord sprechen, selbst nennst? Die Intention von Berlin ändert weder etwas an der Dimension noch an der Bewertung.
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Was passiert mit einem Volk, wenn man alle seine Männer erschiesst? So lautet dieser Befehl. Die Relativierung „Massenmord“ erfasst den Kern des Geschehens nicht, und die Dimension schon gar nicht. Whataboutism schliesslich a la „aber die haben doch auch“ vernebelt und führt vom Thema weg. Das Haager Abkommen existierte im übrigen bereits zu diesem Zeitpunkt.
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Es ist doch ganz einfach: Das Ziel eines „normalen“ Krieges ist den Willen des Feindes zu brechen, nicht ein Volk zu zerstören. Ich tue mich etwas schwer mit dem folgenden Begriff, aber das ist, was zwischen unmenschlich oder nicht unterscheidet (plus die Diskriminierung von Kombattanten und Zivilbevölkerung).
Und wie gesagt: Was der andere an Unrecht verübt haben mag ist eine andere Geschichte, die einer eigenen unabhängigen Würdigung bedarf. Ein Unrecht hebt eben bekanntlich nicht ein anderes auf. Anders formuliert: Beim Thema bleiben, nicht ablenken. You break it, you own it.
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@Quintus: Meines Erachtens verrennst du dich da ganz gewaltig, und das gleich in mehrerer Hinsicht.
1) Natürlich ist der Begriff "teilweise" in der UN-Konvention rechtlich problematisch, weil er keine Dimension vorgibt und damit immer ausgelegt werden muss. Diese Unsicherheit im Detail kann aber doch deiner Meinung nach nicht ernsthaft dazu führen, dass die Unvollständigkeit komplett an Relevanz verliert und damit nur noch die Zielsetzung einer völligen Zerstörung maßgebliches Kriterium für einen Völkermord sei. Denn das würde umgekehrt dazu führen, dass sich quasi kein Verbrechen als Völkermord qualifiziert.
Wenn man sich nun die Dimension anschaut, dann sprechen wir eben nicht von ein paar Männern oder viele Männern, sondern von der aktiven und passiven Vernichtung eines großen Teiles der Herero und der Nama. Das ist so deutlich entfernt von einer Zweifelhaftigkeit, dass dieses Argument schlicht nicht haltbar ist.
2) Du führst zurecht an, dass die Mitteilung und der Befehl von Trothas immer nur verkürzt wiedergegeben wird und die Langform doch ein anderes Bild der Absichten zeichnet, aber waren diese tatsächlich anders als gemeinhin und auch aufgrund der Aussagen kolportiert? Von Trotha hat mehrfach seine Ansicht mitgeteilt, dass das Volk der Herero am besten zu vernichten sei, es zu vertreiben sei nur eine akzeptable Notlösung, weil sie richtig durchgeführt quasi ebenso zu einer Vernichtung des Volkes führt. Zwar hat er immer wieder betont, dass es nicht statthaft sei, wenn deutsche Soldaten auf Frauen und Kinder schießen (was ihn bzw. seine Truppen nicht davon abhielt, es trotzdem zu machen), es daher aber die beste Lösung sei, dafür zu sorgen, dass diese von selbst umkommen. Dies waren nicht nur klare Willensbekundungen bspw. gegenüber dem Generalstab, sondern tatsächlich so dann auch umgesetzte Aktionen. Insofern ist auch das Argument der Absicht weit von einer Zweifelhaftigkeit entfernt.
3) Wie von Ottone schon angesprochen spielen die als Whataboutism einzuordnenden Hinweise hinsichtlich der Verbrechen der Herero keine Rolle für die Frage, ob es sich um einen Völkermord gehandelt hat oder nicht. Der falsche Umgang mit einem Aspekt der Geschichte rechtfertigt nicht den falschen Umgang mit anderen Aspekten. Davon abgesehen ist das von dir angesprochene Narrativ vom Edlen Wilden eher ein sozio- oder sogar popkulturelles Problem, dass in der Wissenschaft schon seit Jahrzehnten anders betrachtet wird.
Abschließend sei noch anzumerken, dass die Betrachtung der Handlungen als Völkermord nicht nur eine aktuelle Interpretation ist, sondern vielmehr selbst zeitgenössische deutsche Quellen diese Ansicht, wenn auch unter anderen Begrifflichkeiten, unterstützen. Beispielhaft dafür sind die Briefe Leutweins zu nennen, der gegenüber Berlin immer wieder gegen die Absicht von Trothas, das Volk der Herero zu vernichten, egal ob direkt oder indirekt, argumentierte.
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Ohne mich mit diesem Fall speziellen Fall tiefer beschäftigt zu haben, ein kleine Anmerkung:
(29.05.2021, 10:28)Quintus Fabius schrieb: Zunächst mal lautet der Befehl nicht alle Männer zu erschießen, sondern alle Männer innerhalb deutscher Grenzen, also alle Männer auf deutschem Gebiet.
Tatsächlich kann aus diesem Befehl alleine die Qualität des "Völkermords" nicht abgeleitet werden, so wie Quintus es argumentiert. Der Befehl kann als eine Vertreibung ausgelegt werden, wenn auch eine unmenschliche.
(29.05.2021, 11:29)Helios schrieb: Von Trotha hat mehrfach seine Ansicht mitgeteilt, dass das Volk der Herero am besten zu vernichten sei, es zu vertreiben sei nur eine akzeptable Notlösung, weil sie richtig durchgeführt quasi ebenso zu einer Vernichtung des Volkes führt.
Setzt man ihn jedoch in diesen Kontext, sofern hierzu belastbare Quellen vorliegen, und berücksichtigt dabei noch den Aspekt, dass seine Befehlsgewalt sich ja auch nur auf deutsches Gebiet erstreckte (korrigiert mich, falls ich da falsch liege), so kann man durchaus eine Vernichtungsabsicht feststellen. Er hat all das dazu veranlasst, was in seiner Macht lag.
Zudem ist der Punkt "ganz oder teilweise" auf genau diesen Aspekt ausgerichtet, dass sich ein Völkermord auch auf eine regionale Untergruppe beziehen kann. Die Türkei hat auch keine armenischen Auswanderer in den USA getötet.
Schwammig formuliert ist das natürlich, vor allem für Erbsenzähler wie uns. Aber wie überall, gibt es auch im Völkerrecht eine Rechtsprechung, die anzunehmende Intentionen bei der Gesetzgebung in die Urteilsfindung mit einbezieht.
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I respectfully disagree: Von Trotha konnte nur seinen Truppen Befehle erteilen, und die befanden sich Südwest (aka in den Deutsche Grenzen). Die Vernichtung ausserhalb dieser Grenzen zu befehlen wäre damit genauso sinnvoll gewesen wie Herero auf Hawai oder in Kamtschatka zu jagen. Den anderen Kolonialmächten im südlichen Afrika hätten zudem Grenzüberschreitungen der Schutztruppen nicht gefallen, abgesehen davon gab es nur wenige Herero ausserhalb von Südwest.
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(29.05.2021, 12:43)Ottone schrieb: I respectfully disagree: Von Trotha konnte nur seinen Truppen Befehle erteilen, und die befanden sich Südwest (aka in den Deutsche Grenzen)....
Das habe ich ja gerade als Argument FÜR eine Wertung als Völkermord angeführt:
(29.05.2021, 12:34)Broensen schrieb: Setzt man ihn jedoch in diesen Kontext, ... , und berücksichtigt dabei noch den Aspekt, dass seine Befehlsgewalt sich ja auch nur auf deutsches Gebiet erstreckte ..., so kann man durchaus eine Vernichtungsabsicht feststellen. Er hat all das dazu veranlasst, was in seiner Macht lag.
Vielleicht war dieser Satz etwas missverständlich: Die zuvor genannte Interpretation des Befehls als Vertreibung wäre stimmiger, wenn Trotha z.B. die Befehlsgewalt über ein größeres Gebiet gehabt hätte, seinen Befehl aber explizit nur auf eine bestimmte Region beschränkt hätte.
Da er aber für das gesamte Gebiet, in dem er Befehlsgewalt hatte, den Tötungsbefehl gegeben hat, spricht dies FÜR eine Vernichtungsabsicht.
(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Seit wann gibt es einen menschlichen oder einen normalen Krieg? Jedem Krieg und sei er noch so beschränkt wohnt im Prinzip die Abwesenheit von Recht und die Abwesenheit von Menschenrechten inne. Ich glaube daher von tiefstem Herzen nicht an den gerechten Krieg, den in keinem Krieg gibt es Gerechtigkeit.
Es gibt etwas, das nennt sich Völkerrecht. Das hat man erfunden, um genau das zu regeln. Zugegebenermaßen gestaltet sich das, nicht zuletzt aus den von dir genannten Gründen, nicht so ganz einfach. Aber es existiert und MUSS für jede Diskussion in diesem Zusammenhang den Maßstab darstellen. Sonst wäre es ja auch völlig egal, ob man nun von Völkermord spricht oder nicht. Denn diesen Begriff gibt es ja nur wegen dem Völkerrecht.
(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Ziel der damaligen deutschen Führung war es übrigens in Wahrheit ! die Herero aus ihrem bisherigen Siedlungsgebiet zu vertreiben. Das war das wahre Ziel, nicht die Vernichtung der Herero! Nach heutiger Definition ist das durchaus Völkermord, denn nach heutiger Defition sollen Staatsgrenzen wie Siedlungsgebiete von Völkern für alle Ewigkeit Sakrosankt bleiben, völlig gleich ob diese abstruse Forderung realistisch ist oder nicht oder ob sie irgendwelchen realen Anforderungen entspricht.
Die einfache Wahrheit ist, dass dies alles was hier zur Zeit diskutiert, gesprochen und getan wird einfach nur der sozialkulturellen Grundströmung der Gegenwart entspringt und nichts anderem. Es entbehrt damit jedem historischen und geschichtswissenschaftlichen Kontext und ist damit eine reine Glaubensfrage.
Auch das Völkerrecht entwickelt und wandelt sich mit der Zeit. Und daher muss man natürlich auch unterscheiden, ob eine Aktion zu ihrer Zeit bereits dem damaligen Stand des Völkerrechts widersprach, oder ob sie das erst nach heutigen Maßstäben tut. Allerdings kann man auch eine zu einem früheren Zeitpunkt legale Aktion aus heutiger Sicht für unmoralisch erachten.
(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Umgekehrt war es das Ziel der Herero die deutschen Siedler für immer aus ihrem Gebiet zu vertreiben. Und damit per definitionem nach heutiger Ansicht ebenfalls ein Völkermord. Die Herero hatten also nach heutiger Definition ebenso einen Völkermord an den Deutschen in Süd-West-Afrika vor.
Die Verbrechen der Herero welche nachweislich diesen Krieg angefangen haben spielen durchaus eine Rolle, nicht nur für das historische Verständnis der Gegenreaktion der deutschen Streitkräfte, für den historischen Kontext sondern sie sind auch Relevant für die Frage warum die deutsche Führung überhaupt die Herero vertrieben werden sollen.
Dieser Argumentation kann man nur dann folgen, wenn man davon ausgeht, dass die europäische Kolonisation und Unterwerfung der einheimischen Bevölkerungen völkerrechtlich zulässig war. Nach damaliger Vorstellung war sie das zwar, nur kann die Rechtswirksamkeit damaligen Völkerrechts stark in Frage gestellt werden, da es einseitig europäisch aufgestellt worden war und die indigenen Bevölkerungen der Kolonialgebiete benachteiligte.
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(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Habe ich das so geschrieben? Ich habe erklärt, dass gemäß der aktullen Definition jeder Krieg ein Völkermord ist. (...) Ich lehne einfach diesen ebenso lächerlichen wie verachtenswerten Neusprech ab.
Dieser "Neusprech" ist über siebzig Jahre alt, und auch wenn er wörtlich genommen die von dir genannte Konsequenz mit sich bringen würde, so versteht und interpretiert die Allgemeinheit genauso wie die Wissenschaft offensichtlich die hinter der Formulierung stehende Definition dann doch anders, denn es ist ja eben nicht das gängige Narrativ, jeden Krieg als Völkermord zu bezeichnen. Von daher weiß ich gar nicht, wo du mit deiner Argumentation hin möchtest, denn die Konvention wurde ja von hier als maßgebliche Grundlage zur Bewertung der Frage, ob es sich um einen Völkermord handelt, genannt. Worum geht es also: die Konvention ist schlecht formuliert, akzeptiert, aber was ist die daraus entstehende Konsequenz? Wohl das:
Zitat:Zweifelsohne gibt es Völkermorde. Aber wir sollten hier die Kriterien enger anlegen und nicht dem gegenwärtigen Narrativ folgend und aus dem Kontext gerissen jedes frühere Geschehen einfach als Völkermord deklarieren.
Dann nenne doch einfach die deiner Meinung nach bessere Definition, dann können wir darüber diskutieren, und ob diese eben im Fall der Herero zutreffen ist.
Zitat:Ziel der damaligen deutschen Führung war es übrigens in Wahrheit ! die Herero aus ihrem bisherigen Siedlungsgebiet zu vertreiben. Das war das wahre Ziel, nicht die Vernichtung der Herero!
Das ist so verkürzt schlicht falsch, denn der damaligen deutschen Führung war klar, dass dieses "wahre Ziel" nicht erreichbar war. Die Grenze konnte noch nicht einmal temporär gegen Übertritt gesichert werden, und die Herero wurden auch in den britischen Gebieten derart behandelt, dass sie dort nicht freiwillig bleiben würden. Da eine Vertreibung als dauerhafte Lösung unrealistisch war, blieben nur die zwei Alternativen, die von Trotha selbst nannte: entweder man findet einen Weg für Frieden mit den Herero, was er als unrealistisch bezeichnete, oder man vernichtet sie, was er dann ja auch machte (wenn auch nicht vollständig).
Zitat:Die Verbrechen der Herero welche nachweislich diesen Krieg angefangen haben spielen durchaus eine Rolle, nicht nur für das historische Verständnis der Gegenreaktion der deutschen Streitkräfte, für den historischen Kontext sondern sie sind auch Relevant für die Frage warum die deutsche Führung überhaupt die Herero vertrieben werden sollen.
Richtig, sie spielen aber keine Rolle dafür, ob es ein Völkermord war oder nicht. Zumindest nicht nach der gängigen Betrachtung und meiner persönlichen Definition davon, deine kenne ich ja nicht.
Zitat:Wenn man die deutschen Reakionen hier derart aus dem Kontext reißt, verstellt das nicht nur die Sicht auf die damaligen Ereignisse, es zerstört völlig den Kontext. Es ist daher absurd hier die deutsche Reaktion für sich allein ohne den Kontext zu betrachten.
Auch richtig, aber das kann nur erklären, warum von Trotha die Absicht hatte, das Volk auszulöschen, nicht, wie dies zu bewerten ist. Wie gesagt, nach der gängigen und meiner persönlichen Definition.
Zitat:Die einfache Wahrheit ist, dass dies alles was hier zur Zeit diskutiert, gesprochen und getan wird einfach nur der sozialkulturellen Grundströmung der Gegenwart entspringt und nichts anderem. Es entbehrt damit jedem historischen und geschichtswissenschaftlichen Kontext und ist damit eine reine Glaubensfrage. BlackLivesMatter!
Meines Erachtens ist das völliger Quatsch, eine heute einfach zu treffende Behauptung, die das Ergebnis der eigentlichen Diskussion vorweg nehmen soll.
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Ich denke die Diskussion lässt sich abkürzen: Es kamen 80% der Herero um (lt. Wikipedia).
Die Haager Landkriegsordnung widerspricht Deiner Vorstellung vom totalen, vernichtenden Krieg als einzige Form des Krieges.
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(29.05.2021, 10:28)Quintus Fabius schrieb: Laut Artikel 2 ist es Völkermord absichtlich eine Gruppe teilweise zerstören zu wollen. Eine quantitative Grenze wird dabei nicht genannt. Damit wäre jeder Krieg automatisch Völkermord, würde man Artikel 2 wortwörtlich anwenden. Man könnte also gar nicht Krieg führen - da jeder Krieg Völkermord wäre, da es in jedem Krieg Absicht ist eine Gruppe teilweise zu zerstören. (29.05.2021, 17:13)Quintus Fabius schrieb: Dessen ungeachtet ist der totale vernichtende Krieg das schlußendliche Endresultat jeden Krieges - wenn dieser nicht vor diesem Endzustand beendet wird. ... Er ist daher die wahre, einzige und schlußendliche Natur des Krieges als Entinität.
Das halte ich für einen problematischen Fehlschluss.
Dem Krieg ist doch nicht das Ziel immanent, eine andere Gruppe zu zerstören oder zu vernichten.
Ein Krieg verfolgt ein bestimmtes Ziel mit bestimmten Mitteln innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen. Und er endet dann, wenn eine Seite ihr Ziel erreicht oder ihr Ziel aufgibt. Aber auch, wenn keins von beiden eintritt, läuft der Krieg doch nicht automatisch in die totale Vernichtung. Wenn sich z.B. beide Seiten konsequent daran halten, keine Nicht-Kombattanten zu töten, kann keine Seite vernichtet werden. Nur ein Weiterführen des Krieges ist vielleicht irgendwann mangels Kombattanten nicht mehr möglich.
Das Ziel eines Krieges KANN zwar sein, eine andere Gruppe zu vernichten, es kann aber auch sein, eine Gruppe lediglich zu unterwerfen, zu vertreiben oder zu entwaffnen. Oder sogar nur, ein Gebiet unter die eigene Kontrolle zu bringen. Somit kann ein Krieg auch enden ohne Vernichtung oder Aufgabe des Gegners. Genauso kann ein Krieg von vornherein auf bestimmte Mittel begrenzt sein. Ein reiner Seekrieg z.B. Der endet dann, wenn eine Seite nicht mehr in der Lage ist, den Seekrieg zu führen. Und dafür muss auch weder Vernichtung noch Aufgabe erfolgen, da reicht Spritmangel.
Du ziehst in diesem Kontext immer die Eskalationsspirale heran, die in den sogenannten "totalen Krieg" und noch weiter führt, aber das ist nun mal ein Sonderfall des Krieges, der zum Glück selten eintritt.
Und nochmal: "Völkermord" ist ein Begriff aus dem Völkerrecht. Dieses Völkerrecht bildet genau die Rahmenbedingungen der Kriegsführung, die dafür sorgen sollen, dass der von dir aufgezeigte "Endzustand" des Krieges durch totale Vernichtung eben nicht eintritt. Somit macht es gar keinen Sinn, über die Dimension des Völkermords zu diskutieren, wenn man davon ausgeht, dass das gesamte Völkerrecht eigentlich nicht funktionieren kann.
Nur weil die komplett von Regeln und Gesetzen befreite Kriegsführung die militärisch zielführendste sein mag, so kann sie doch nicht zwangsläufig der Maßstab sein, an dem sich alles in diesem Kontext messen lassen muss.
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(29.05.2021, 18:02)Quintus Fabius schrieb: Von Trotha hat die Kapitulation keineswegs vollständig ausgeschlossen, das stimmt einfach nicht.
Er hat keine Maßnahme getroffen, die eine Kapitulation möglich gemacht hätte, aber sehr beständig dafür gesorgt, eine solche zu verhindern. Aus keinem mir bekannten Dokument wird ersichtlich, dass er eine solche überhaupt für erstrebenswert oder auch nur für realistisch hält, in etlichen drückt er hingegen das Gegenteil aus. Insofern hält sich die Relevanz meines Erachtens doch stark in Grenzen.
Zitat:Und deshalb meine Frage: warum ist die heutige Bundesrepublik verantwortlich für die Taten eines Einzelnen, wenn doch die deutsche Regierugn wie das deutsche Volk wie die deutsche Militärführung damals von Trothas Befehl ablehnten, weshalb diese ausdrücklich durch den Kaiser wie durch den Generalstab wiederrufen wurde ?!
Zum einen kann man von der Verantwortung sprechen, weil er per Amtes berechtigt war, diese Befehle und Handlungen vorzunehmen, zum anderen natürlich auch, weil dieses Widerrufen keinesfalls unmittelbar nach der Kenntnisnahme von Befehl und Handlung erfolgte, sondern erst etliche Wochen später. Insofern hat die damalige Regierung diese Handlungen grundsätzlich erst ermöglicht und zumindest zeitweise stillschweigend geduldet. Die Rolle der Bundesrepublik ergibt sich aus der völkerrechtlichen Kontinuität.
Darüber hinaus aber gilt die bekannte Antwort, dass mir diese Frage und diese Diskussion völlig egal ist und ich den wesentlichen Kern, nämlich die juristische Verantwortung und damit einhergehend die Frage nach Reparationen oder meinetwegen auch "Wiedergutmachungen" weiterhin ordinär finde.
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(29.05.2021, 20:08)Quintus Fabius schrieb: Das ist nicht das Ziel, es ist stattdessen die zwingende Konsequenz wenn man das Ziel erreichen will. Die andere Gruppe zu vernichten ist daher im Prinzip systeminhärent.
Nein, ist es nicht. Die gegnerische Gruppe muss nicht zwingend vernichtet werden. Sie muss der Möglichkeit zum Widerstand gegen die eigenen Ziele beraubt werden. Das hat nichts mit Vernichtung zu tun.
Unzählige Kriege in der Vergangenheit wurden mit dem Ziel geführt, nach einem Sieg Macht über den besiegten Gegner auszuüben. Die Vernichtung eben dieses Gegners hätte das eigene Ziel zunichte gemacht.
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(29.05.2021, 23:46)Quintus Fabius schrieb: Wir reden leider aneinander vorbei. Vermutlich drücke ich mich mal wieder zu unverständlich aus.
Nicht wirklich. Ich verstehe schon, worauf du hinaus willst. Ich bin nur einfach davon überzeugt, dass du damit falsch liegst.
(29.05.2021, 23:46)Quintus Fabius schrieb: Definition der Natur des Krieges:
Jeder Krieg hat aber eine von diesem Kriegsziel unabhängige eigene Natur, ein eigenes Wesen der Dinge. ...
Die Vernichtung ist daher nicht das politische Kriegsziel, sondern das Ziel des Krieges selbst.
Das ist mir zu philosophisch: "Der Krieg" an sich hat kein eigenes Wesen und er verfolgt auch keine eigenen Ziele. Der Krieg ist eine Form, in der Menschen miteinander umgehen. Quasi die härteste denkbare Kommunikation.
Menschen begehen aus ihrer Natur, ihren Trieben heraus bestimmte Handlungen. Und Menschen, die sich im Krieg befinden, handeln anders als sonst. Aber es sind immer noch die Menschen, die handeln, nicht der Krieg an sich.
Du hast ja recht mit den Eskalationsstufen. Aber die Aussage, dass der Krieg, sofern man ihn nicht vorzeitig abbricht, immer zur totalen Vernichtung mindestens einer Seite führen muss, der kann ich einfach nicht folgen. Wenn das in der realen Welt passiert, dann liegt das daran, wie der individuelle Mensch im Krieg handelt. Wie weit er z.B. bereit ist, die selbst auferlegten Regeln (oder halt Ritualisierungen) zu überschreiten, um seine oder die Ziele seines Kollektivs zu erreichen. Und ja: viele Menschen handeln so, wie du es beschreibst. Aber halt nicht alle.
(29.05.2021, 23:46)Quintus Fabius schrieb: Wenn der Krieg keine eigene unabhängige Entwicklungsrichtung hätte, wäre die Ritualisierung nicht einmal notwendig.
Diese Ritualisierung ist nötig, um den kriegführenden Menschen zu regulieren. Denn der ist es letztendlich, der entscheidet, wie er handelt und wie weit er die Eskalation treibt.
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