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(30.04.2021, 21:19)Quintus Fabius schrieb: Wer glaubt Krieg nach bürokratischen Vorgaben und Normen führen zu können der kann ihn nicht siegreich führen. Wir normieren zu viel und zu weitgehend und ebenso ist das Übermaß an bürokratischer Regulierung einer der primären Gründe unserer aktuellen militärischen Schwäche.
Ohne direkten Bezug zum Boxer (augenscheinlich sind da die geforderten/gewünschten Anpassungen ja nicht bekannt, weshalb hier munter spekuliert wird?), dem zweiten Satz würde ich zustimmen, der erste ergibt aber in Anbetracht der Militärgeschichte keinen Sinn. Ohne "bürokratische Vorgaben und Normen" gäbe es kein modernes Militär, keine moderne Militärtechnik und dadurch eine deutlich geringere Kampfkraft, als wir sie heute haben. Es ist heute, da wir (wie du sagst) viel zu viel Wert und Augenmerk auf "bürokratische Vorgaben und Normen" legen und diese sinnvolle Entwicklungen eher blockieren einfach und populär, einfach diese stets als negativ auszulegen, dadurch kann sich aber sehr schnell eine ebenso schlimme Fehlentwicklung geben. Denn auch die moderne Militärgeschichte ist voll von technischen Gemischtwarenläden, in denen allein die Versorgung komplette Armeen lahmgelegt hat.
Auch wenn ich bei solchen Aussagen "deutsche Variante" oder "Anpassungen an deutsche Anforderungen" auch immer zusammenzucke, so ist es meines Erachtens sinnvoll, erstmal genau zu prüfen, um was es dabei konkret wirklich geht und ob diese nicht doch jeweils sinnvoll ist. Auch dafür gibt es ja Beispiele im Bereich aktueller Rüstungsprojekte.
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Helios:
Zitat:Zitat:Wer glaubt Krieg nach bürokratischen Vorgaben und Normen führen zu können der kann ihn nicht siegreich führen.
der erste ergibt aber in Anbetracht der Militärgeschichte keinen Sinn. Ohne "bürokratische Vorgaben und Normen" gäbe es kein modernes Militär, keine moderne Militärtechnik und dadurch eine deutlich geringere Kampfkraft, als wir sie heute haben. Es ist heute, da wir (wie du sagst) viel zu viel Wert und Augenmerk auf "bürokratische Vorgaben und Normen" legen und diese sinnvolle Entwicklungen eher blockieren einfach und populär, einfach diese stets als negativ auszulegen, dadurch kann sich aber sehr schnell eine ebenso schlimme Fehlentwicklung geben. Denn auch die moderne Militärgeschichte ist voll von technischen Gemischtwarenläden, in denen allein die Versorgung komplette Armeen lahmgelegt hat.
Zweifelsohne und gerade die Deutschen sind beispielsweise im Zweiten Weltkrieg ja ein Musterbeispiel dafür, wohin eine zu große Typenvielfalt und eine zu weitgehende Prototypisierung ohne dann einen Schwerpunkt zu setzen führen kann. Ganz allgemein ist dass aber immer ein Widerspruchspaar. So wie Qualität vs Quantität. Und man kann diesen Widerspruch nicht so einfach auflösen. In Bezug auf Normierung meine ich damit, dass eine weitgehende Prototypisierung es auch ermöglicht in Friedenszeiten sich militärisch schneller weiter zu entwickeln und dann eher tatsächlich die Systeme vor Kriegsbeginn identifizieren zu können welche es wert sind exploriert zu werden. Keine Frage: ohne jedwede Normen wäre der moderne Krieg nicht möglich, aber trotzdem kann es von Vorteil sein, in bestimmten Fällen intentional weitgehend auf Normierung zu verzichten und das schreibe ich als jemand der immer eher für den Generalisten und für eine möglichst weitgehende Standardisierung ist. Je weiter die Standardisierung (Normierung etc) reicht, desto mehr Quantität hat man und gerade diese Quantität benötigt man für die Eröffnungsschlacht, ohne ausreichende Quantität kann man die notwendige Simultanität welche meiner Meinung nach den Ausschlag gibt nicht erzielen. Aber: auch wenn ich der Ansicht bin, dass man jedes System auf möglichst vielfältige Weise einsetzen sollte und Systeme mit denen man mehr verschiedene Dinge tun kann besser sind - dessen ungeachtet haben wir es heute eben mit einem immens hohen Grad an Spezialisierung zu tun.
In diesem hochkomplexen System von Spezialisten besteht dann meiner Ansicht nach die Gefahr, dass man die Spezialisten welche in Bezug auf die Qualität dann den Ausschlag geben werden nicht vor Kriegsbeginn identifiziert und daher diese dann zwingend notwendigen Fähigkeiten nicht hat, weil man sie der Normierung geopfert hat. Nur durch eine bewusste Nicht-Normierung kann man ausreichend herumexperimentieren und sich so eher auf das noch unklare Kriegsbild des nächsten größeren konventionellen Krieges einstellen. Umgekehrt senkt dies leicht die Quantität und die Normierung hatte kriegsgeschichtlich ja primär die Aufgabe eben diese herzustellen.
Diese Quadratur des Kreises kann man nur dahin gehend auflösen, dass man zwar eine größere Typenzahl zulässt, von den meisten Typen aber nur wenige vorhält und unabhängig von dieser ganz bestimmte Systeme in großen Stückzahlen beschafft. Gerade die Systeme welche möglichst vielfältig eingesetzt werden können und welche eher als Generalisten verwendbar sind. Ein solches System führt natürlich zu höheren Kosten, bietet aber meiner Meinung nach militärische Vorteile.
Zudem sollte man die erhöhten Anforderungen an die Logistigk/Versorgung usw auch nicht überschätzen, denn diese sind so oder so immens, gerade weil wir heute eine so weitgehende Spezialisierung mit so vielen extrem unterschiedlichen Systemen haben. Wir müssen so oder so eine immense Vielzahl von völlig unterschiedlichen Ersatzteilen usw vorhalten. Der einzig verbliebene real-praktische Vorteil der Normierung ist nun die größere Stückzahl. Weshalb die Typenvielfalt gerade eben bei Systemen angesetzt werden sollte, die möglichst weitgehend modular sind und gerade da schließt sich der Kreis zum GTK - den wir nutzen die Modularität dieses Panzers bisher noch gar nicht aus. Gerade beim GTK ließe sich mit viel geringerem Aufwand als bei anderen Systemen eine größere Typenvielfalt herstellen.
Vor Kriegsbeginn könnte man dann so viele verschiedene Konzepte und Systeme ausführlich in Manövern und Auslandseinsätzen austesten und so identifizieren welche davon tatsächlich praktisch real von Nutzen sein werden und welche nicht und seine Rüstung dann auf diese konzentrieren. Ansonsten kann es einem eben eher passieren, dass man trotz weitgehender Normierung auf die falschen Pferde setzt und dann die größere Quantität auch nichts mehr nützt, weil andere Systeme vonnöten gewesen wären.
Desweiteren lässt sich eine größere Typenvielfalt zum Identifizieren und Austesten der für den nächsten Krieg notwendigen Systeme auch dadurch eher bewerkstelligen, dass man einfach Systeme welche fertig bereits stehen so übernimmt wie sie sind, ohne größere Änderungen daran. Gerade dies senkt dann die Kosten dieser Vorgehensweise deutlich.
Zitat:so ist es meines Erachtens sinnvoll, erstmal genau zu prüfen, um was es dabei konkret wirklich geht und ob diese nicht doch jeweils sinnvoll ist.
Dem kann ich natürlich nur zustimmen und die Betonung wollte ich immer auf größere verstanden wissen. Wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelt stellt das kein Problem dar. Aber nehmen wir mal das Beispiel von Wodan, weil es gerade so gut passt:
Wodan:
Zitat:Und jetzt komme ich und führe noch auf, dass ich am liebsten einen Boxer mit Puma- statt mit Lance-Turm hätte.
Es ist ja eben nicht einfach nur ein Lance Turm. Es ist ein Lance Turm mit einer hochkomplexen Sensorik von Northrop Grumman und der dazugehörigen Elektronik usw. Ein PUMA Turm wäre hier Standardisierung und Normierung, aber man müsste in ihn erstmal die gleiche Sensorik usw einbauen und da der Turm ganz anders ist wäre es fraglich ob dies überhaupt so möglich ist.
Nehmen wir hingegen das Fahrzeug so wie es ist, haben wir zwei verschiedene Türme. Auf den ersten Blick also weniger Normierung. Andererseits können wir so beide Türme vergleichen und viel eher feststellen ob wir in Zukunft nicht auch noch andere Fahrzeuge mit dem Lance Turm bewaffnen sollten - oder eben nicht. Beide Systeme parallel zu betreiben ist vom Aufwand her in Wahrheit eben nicht so viel größer wie es die meisten vermuten, es ermöglicht aber wenn man es als Konzept insgesamt so betreibt eben viel eher dann bei Kriegsbeginn die richtigen, weil geeigneteren Systeme zu haben.
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Es geht mir nicht nur um "Vereinheitlichung des Arsenals", und die Versorgung war dahingehend nur ein Beispiel, sondern schon um eine ganzheitliche Betrachtung inklusive (theoretisch) bürokratischer Hürden, die vielleicht nur dem kranken Geist eines Beamten entsprungen sind, vielleicht aber eben auch einen tiefergehenden Grund haben. Das gilt es insgesamt zu prüfen, bevor ein Urteil über die Sinnhaftigkeit gefällt wird. Die Tatsache, dass wir es leider häufig mit völlig unsinnigen Anforderungen zu tun haben (übrigens nicht erst in der letzten Zeit, das durchzieht die Bundeswehr seit ihrer Gründung, es früher ist davon nur viel weniger bekannt geworden), darf nicht darüber hinweg täuschen, dass dieser ganze Themenkomplex durchaus sehr sinnvoll ist - wenn er zweckgebunden verwendet wird.
Dafür ist es im übrigen allerdings auch notwendig, nicht die rein militärischen, oder noch präziser, kriegerischen Erfordernisse als Referenz zu verwenden, weil das ein völlig irrealer Maßstab ist, an dem jedes System nur scheitern kann. Soll heißen, man kann sich ja beispielsweise durchaus darüber lustig machen, dass militärische Fahrzeuge den Erfordernissen der Straßenverkehrsordnung genügen sollen, so dumm ist es aber nicht, sowohl aus Effizienz wie auch Effektivitätsgründen.
Langer Rede kurzer Sinn, bevor man verurteilt, dass es eine deutsche Version geben soll, muss man prüfen, warum es diese geben soll. Auch wenn es in Anbetracht so mancher Anekdote schwer fällt, den "Beißreflex" zu unterdrücken.
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(01.05.2021, 22:56)Broensen schrieb: Wobei hier zu unterscheiden ist zwischen der von euch diskutierten "Normierung" in Form einer Vereinheitlichung des Arsenals und den von mir ursprünglich angesprochenen bürokratischen Hürden in Form von "DIN EN"-Normen und Arbeitsstättenrichtlinien. Ersteres hat ja durchaus einen Mehrwert. Letztere sind militärisch betrachtet eher ein Klotz am Bein. Das DIN Normen ein Klotz am Bein sind, möchte ich stark bezweifeln. Das Arbeitsstättenrichtlinien militärisch sinnvoll sind, kommt auf den Einzelfall an. Da muss man im Einzelfall entscheiden ob eine Richtlinie sinnvoll ist oder nicht. Bei der berühmten Schwangeren, die im Puma ins Gefecht fahren kann, hat man es wahrscheinlich übertrieben. Denn auch Im zivilen Leben fährt eine schwangere Lagerarbeiterin keinen Stapler mehr und die Schwangere Feuerwehrfrau fährt keine Einsatze.
Und eine Instandsetzung freut sich, wenn sie nur Werkzeuge für metrische Schrauben vorhalten muss und nicht noch zwei imperiale Werkzeugsätze benötigt.
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(02.05.2021, 13:36)ede144 schrieb: Das DIN Normen ein Klotz am Bein sind, möchte ich stark bezweifeln. Ich auch. Ich arbeite täglich damit und weiß ihre Existenz zu schätzen. Es ging mir bewusst um Fälle von krampfhaftem Festhalten an Normen aus dem zivilen Bereich, die militärisch keinerlei Relevanz haben. Deine Beispiele treffen es recht gut.
Und letztendlich möchte ich mich dem hier anschließen:
(02.05.2021, 10:13)Helios schrieb: Langer Rede kurzer Sinn, bevor man verurteilt, dass es eine deutsche Version geben soll, muss man prüfen, warum es diese geben soll. Auch wenn es in Anbetracht so mancher Anekdote schwer fällt, den "Beißreflex" zu unterdrücken.
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Helios:
Zitat:Dafür ist es im übrigen allerdings auch notwendig, nicht die rein militärischen, oder noch präziser, kriegerischen Erfordernisse als Referenz zu verwenden, weil das ein völlig irrealer Maßstab ist, an dem jedes System nur scheitern kann.
Könntest du diesen Aspekt noch etwas mehr ausführen, da völlig konträr dazu meiner Meinung nach die kriegerischen Erfordernisse die einzig gültige Referenz sein sollten. Vielleicht definieren wir hier Begriffe auch verschieden?! Warum ist dieser Maßstab (wie definierst du hier) irreal, respektive soll jedes System daran scheitern?
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(02.05.2021, 16:22)Quintus Fabius schrieb: Helios:
Könntest du diesen Aspekt noch etwas mehr ausführen, da völlig konträr dazu meiner Meinung nach die kriegerischen Erfordernisse die einzig gültige Referenz sein sollten. Vielleicht definieren wir hier Begriffe auch verschieden?! Warum ist dieser Maßstab (wie definierst du hier) irreal, respektive soll jedes System daran scheitern? Bestes Beispiel welche Maßstäbe man anlegen muss, ist doch das STH Programm. Man hat alles an Anforderungen reingepackt, was man sich vorstellen konnte und hat vergessen auf das Preisschild zu achten.
Also welche Fähigkeiten brauche ich (Qualität)
Wieviel brauche ich (Quantität)
Habe ich die technische Expertise, sprich kann ich es selbst bauen
Wenn ich es woanders kaufen kann, ist es politisch sinnvoll da zu kaufen
Habe ich genug Geld um es zu bezahlen
Diese Fragen sind auszutarieren
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Und inwiefern sollten all diese Fragen nicht ausschließlich von den kriegerischen Erfordernissen her beantwortbar sein?
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(02.05.2021, 18:11)Quintus Fabius schrieb: Und inwiefern sollten all diese Fragen nicht ausschließlich von den kriegerischen Erfordernissen her beantwortbar sein?
Dafür ist TLVS vielleicht ein gutes Beispiel. Wir können ein solches System entwickeln, aber der Preis ist so hoch dass wir uns das finanziell nicht leisten können. Ähnliches wird auch bei der QE2 kolportiert
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(02.05.2021, 10:13)Helios schrieb: Soll heißen, man kann sich ja beispielsweise durchaus darüber lustig machen, dass militärische Fahrzeuge den Erfordernissen der Straßenverkehrsordnung genügen sollen, so dumm ist es aber nicht, sowohl aus Effizienz wie auch Effektivitätsgründen.
Das zeigt es doch eigentlich schon ganz gut: Auch wenn die StVZO nichts mit (direkten) kriegerischen Erfordernissen zu tun hat, ist sie doch sehr wohl relevant für die Ausgestaltung militärischen Geräts. Denn wenn wir jedes noch so banale militärische Fahrzeug mangels StVO-Zulassung immer nur per Tieflader von der Kaserne zum Truppenübungsplatz bringen können, dann interessiert das zwar im Krieg niemanden, nur hat uns das vorher soviel Geld gekostet, dass wir uns den Krieg dann gar nicht mehr leisten können.
Wenn du jetzt aber die Vermeidung solcher Effekte ebenfalls als (indirekte) kriegerische Erforderniss betrachtest, dann habt Ihr wohl eine Definitions-Differenz.
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Zitat:Dafür ist TLVS vielleicht ein gutes Beispiel. Wir können ein solches System entwickeln, aber der Preis ist so hoch dass wir uns das finanziell nicht leisten können.
Also ist es die kriegerische Erfordernis dass System nicht selbst zu entwickeln sondern woanders her zu beschaffen. Inwiefern soll das also ein Gegenbeispiel sein? Wenn man jedes System allein von der Frage des Krieges selbst angeht und von keiner anderen, dann beinhaltet das natürlich auch ökonomische Fragen.
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(02.05.2021, 22:02)Quintus Fabius schrieb: Also ist es die kriegerische Erfordernis dass System nicht selbst zu entwickeln sondern woanders her zu beschaffen.
Ich finde den Begriff "kriegerische Erfordernis" sehr irreführend, da er einfach zu weit greift.
Nur mal das Beispiel externer Rüstungskauf vs. Eigenentwicklung: Es kann zugleich kriegerisch erforderlich sein, uns heute das beste marktverfügbare System einzukaufen, während es auch kriegerisch erforderlich ist, dass wir unsere eigenen Systeme entwickeln und bauen können, falls uns andere irgendwann nichts mehr verkaufen wollen, deren Produkte für unsere Anforderungen nicht mehr passen, oder wir kurzfristig eigene Produktionen hochfahren müssen. Und alles zusammen geht halt nicht immer. Dadurch hebelt evtl. die langfristige kriegerische Erfordernis die kurzfristige aus oder umgekehrt, wenn sich die gleiche Frage z.B. im V-Fall stellt.
Insofern würde ich es durchaus als irrealen Maßstab ansehen, da diese Erfordernis gar nicht absolut erfasst werden kann. Was verstehst du denn konkret unter "kriegerischer Erfordernis" und wie möchtest du anhand dieses einen absoluten Maßstabs alleine z.B. für Rüstungsgüter eine Abwägung zwischen Quantität, Qualität, Kosten, Personaleinsatz, Nachhaltigkeit und politischen Nebenwirkungen treffen?
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(02.05.2021, 16:22)Quintus Fabius schrieb: Vielleicht definieren wir hier Begriffe auch verschieden?! Warum ist dieser Maßstab (wie definierst du hier) irreal, respektive soll jedes System daran scheitern?
Schon bei der Definition des Begriffs wird es schwierig, am ehesten würde ich die "kriegerischen Erfordernisse" beschreiben als die Priorisierung der Maximierung der unmittelbaren Fähigkeit, Krieg zu führen. Wenn man aber den Krieg nur als Werkzeug der Politik betrachtet, bedeutet das zwingend, dass diese Priorisierung nur dann erfolgen kann, wenn der Krieg selbst priorisiert wird. Das ist aber außerhalb von Phasen seiner tatsächlichen Nutzung nicht realistisch, denn es würde die effizienteren Mittel zur Durchsetzung des eigenen Willens auf eine mit diesem unvereinbaren Weise herabsetzen. Natürlich könnte man die Definition breiter gestalten und in die Fähigkeit, Krieg zu führen, auch Aspekte der Souveränität einfließen lassen, aber damit würde man den Maßstab beliebig machen und die Kernaufgabe noch weiter verwässern, als das jetzt der Fall ist.
Was die konkreten Beispiele angeht, auch hinsichtlich der Problematik einer Definition, hat Broensen eigentlich das Relevante gesagt, so dass ich mir die Wiederholung spare.
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Das führt jetzt leider ein bißchen zu weit weg vom GTK, deshalb möchte ich euch fragen was ihr davon haltet wenn ich die Beiträge welche sich um die allgemeine strategische Ausrichtung bei militärischen Beschaffungen drehen verschiebe?
Broensen:
Zitat:Ich finde den Begriff "kriegerische Erfordernis" sehr irreführend, da er einfach zu weit greift.
Wir haben da vielleicht einfach nur ein unterschiedliches Verständnis der Begriffe und definieren diese anders. Für mich ist das ein recht enger und klar umrissener Begriff. Helios hat es eigentlich recht gut definiert:
Zitat:Die Priorisierung der Maximierung der unmittelbaren Fähigkeit, Krieg zu führen.
Von da aus muss man dann einfach im Umfang des real praktisch verfügbaren alles nur danach abfragen ob es dieser Maximierung dient. Natürlich kann man da nie die 100% Optimum erreichen, aber die Zielsetzung ist einfach immer das zu wählen, was die unmittelbare Fähigkeit Krieg zu führen stärkt.
Zitat:Es kann zugleich kriegerisch erforderlich sein, uns heute das beste marktverfügbare System einzukaufen, während es auch kriegerisch erforderlich ist, dass wir unsere eigenen Systeme entwickeln und bauen können, falls uns andere irgendwann nichts mehr verkaufen wollen, deren Produkte für unsere Anforderungen nicht mehr passen, oder wir kurzfristig eigene Produktionen hochfahren müssen. Und alles zusammen geht halt nicht immer. Dadurch hebelt evtl. die langfristige kriegerische Erfordernis die kurzfristige aus oder umgekehrt, wenn sich die gleiche Frage z.B. im V-Fall stellt.
Diesen Widerspruch zwischen den kurzfristigen Vorteilen und den langfristigen Vorteilen hast du aber immer und du hast ihn auch dann wenn du die Maximierung der Fähigkeit Krieg zu führen nicht in den Vordergrund stellst. Ganz viele Bereiche der Kriegsführung drehen sich im Prinzip immer um solche Widerspruchspaare, von daher ist die "Lösung" dieser Frage immer ganz einfach: man wägt ab was im Rahmen des real praktisch verfügbaren die wahrscheinlich beste Lösung ist und setzt diese dann so entschlossen und konzentriert wie möglich um. Und ja, dass kann dann dazu führen dass man in einem bestimmten Zeitbereich dann einen Nachteil hat oder haben wird. Dessen ungeachtet muss man halt aus dem Kontext heraus versuchen bestmöglichst die Fähigkeit Krieg zu führen zu maximieren, so gut es halt mit den begrenzten Informationen geht. Diese Unwägbarkeiten in Bezug auf das was für den nächsten Krieg überhaupt noch relevant sein wird zwingen uns meiner Meinung nach ohnehin dazu bestimmte Systeme zu forcieren welche auch unter verschiedenen Umständen noch verwendbar sind, während Systeme die sich zu konkret auf ganz bestimmte Vorstellungen vom zukünftigen Krieg beziehen ein zu großes militärisches Risiko darstellen.
Gerade der GTK mit seiner Modularität würde daher beispielsweise diese Anforderung eher erfüllen.
Zitat:wie möchtest du anhand dieses einen absoluten Maßstabs alleine z.B. für Rüstungsgüter eine Abwägung zwischen Quantität, Qualität, Kosten, Personaleinsatz, Nachhaltigkeit und politischen Nebenwirkungen treffen?
Wie trifft man diese Abwägung stattdessen? Der Vorteil einer Konzentration auf nur eine zentralreduzierte Hypothese ist, dass dies gerade eben die Abwägung stark erleichtert, weil es die Komplexität der Entscheidung reduziert. Umgekehrt erhöht dies natürlich das Risiko für Fehlentscheidungen. Mehr Risikobereitschaft ist aber ohnehin im Krieg ein Vorteil, während eine Absicherungsgesellschaft wie die unsrige im Krieg aufgrund ihrer inneren Verfasstheit drastisch im Nachteil ist. Die Risiken kann man zudem wieder abmildern, indem man konsequent auf eine Doktrin, auf Konzepte und Systeme setzt die auch mit sehr unterschiedlichen Umständen noch klar kommen und dies als eine Maximierung der Fähigkeit Krieg zu führen begreift.
Der andere wesentliche Aspekt in dieser Abwägung ist die Frage des Schwerpunktes. Ohne solche Schwerpunkte kann man die Fähigkeit unmittelbar Krieg zu führe nicht maximieren da die Mittel begrenzt sind. Jede Abwägung unter den genannten Faktoren muss also die Frage des bestmöglichen Schwerpunktes berücksichtigen.
Helios:
Zitat:Wenn man aber den Krieg nur als Werkzeug der Politik betrachtet, bedeutet das zwingend, dass diese Priorisierung nur dann erfolgen kann, wenn der Krieg selbst priorisiert wird. Das ist aber außerhalb von Phasen seiner tatsächlichen Nutzung nicht realistisch, denn es würde die effizienteren Mittel zur Durchsetzung des eigenen Willens auf eine mit diesem unvereinbaren Weise herabsetzen.
Meiner Meinung nach unterliegt ihr da einem Logikfehler. Die Aufgabe einer Armee ist es Krieg zu führen. Allein dazu sind Streitkräfte schlußendlich da. Von dieser Aufgabe aus muss daher immer zwingend eine solche Priorisierung erfolgen. Ob andere Bereiche des Staates dann andere effizientere Mittel einsetzen können oder wollen ist dafür unerheblich. Die Armee steht in einer Konkurrenz um Mittel mit diesen anderen Bereichen. In dieser Konkurrenz muss sie von ihrer Position aus daher alles darauf richten die Kriegsfähigkeit zu maximieren, den dies dient ihrer Aufgabe. Leiden dadurch andere Bereiche außerhalb der Armee so ist das nicht durch die Armee zu berücksichtigen, sondern durch die über ihr stehenden Ebenen der Politik. Die Streitkräfte selbst sollten daher in ihrer Beschaffung sich grundsätzlich nur an der Kriegsfähigkeit ausrichten und an nichts anderem.
Um alles andere sollen und müssen sich andere kümmern.
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Frage: Wie passen „small wars“, Abschreckung, langandauernde Stabilisierungsoperationen, internationale Krisenreaktion, hybride Kriegsführung, Trollfabriken und alltägliche Cyberangriffe (zumeist kriminell begründet), Überwachung des Weltraums mit mehrheitlich zivilem Schwerpunkt in das Konzept der Kriegsfähigkeit? Eine trennscharfe Linie zwischen Krieg und Frieden gibt es kaum noch, und die Polizeien mutieren unterdessen in ihrer Ausrüstung zu Militär. Umgekehrt müsste zudem gelten, dass NUR das Militär sich um „Krieg“ kümmert und das Amt für Bevölkerungsschutz und das THW nicht.
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