Beiträge: 11
Themen: 2
Registriert seit: Oct 2016
Hallo zusammen,
hab mich mal gefragt ob eine Bunkerverteidigungslinie in einem heutigen Ost - West Konflikt noch effektiv ist.
Könnten uns in Europa ein befestigter ""Ostwall"" vor einer Russischen Invasion schützen bzw. könnte man dadurch einen klaren strategischen Vorteil gewinnen.
Freue mich auf euere Meinungen.
Gruß
Franz
Beiträge: 12.917
Themen: 209
Registriert seit: May 2006
Wenn wir mal einen Atomkrieg außen vor lassen: In einem Krieg mit kombinierten Kräften, die rasch reagieren bzw. vorstoßen, sind Bunker nicht mehr zeitgemäß, sie würden entweder umfahren oder - wenn sie dementsprechend groß und als Ziel wichtig sind - rasch erkannt (wenn sie nicht schon im Vorfeld "markiert" wurden) und durch Luftangriffe zerstört werden. Das Problem ist also auch die Größe. Sind die Bunker so groß, dass sie Einwirkkapazitäten hätten, sind sie im Fadenkreuz der Luftwaffe/n und durch ihre "mangelnde Flexibilität" zum Status eines Ziels auf Abruf verdammt, sind sie wiederum zu klein - so dass sie uninteressant für einen Luftangriff wären -, sind ihre Kapazitäten zum Stoppen eines großangelegten Vorstoßes wiederum beschränkt bis marginal.
Insofern: Zum Schutz kleinerer Trupps ("Unterstände") könnten sie in unübersichtlichem Terrain und im Infanteriekampf vllt. etwas nutzen - man darf allerdings die Einschränkungen im Sichtfeld und die bunkerbrechenden Waffen der Infanterie auch nicht unterschätzen -, in einem großangelegten Ost-West-Szenario indessen würden Panzersperren, das taktische Einbinden geographischer Hindernisse und Minenfelder bzw. verminte Gebiete vermutlich die gegnerischen Vorstöße mehr behindern als eine Bunkerlinie.
Schneemann.
Beiträge: 11
Themen: 2
Registriert seit: Oct 2016
Wenn man sich anschaut was die deutschen 1942 bei Sewastopol für einen Aufwand betreiben mussten.
Auch die Bautechnik und die Baumaterialien haben sich entwickelt.
Beiträge: 12.917
Themen: 209
Registriert seit: May 2006
Der deutsche Aufwand vor Sewastopol war sicher enorm, aber man darf nicht vergessen, dass es nicht die Großbunker wie "Maxim Gorki" etc. waren (mit ihren 30,5-cm-Geschützen), die die Deutschen aufhielten oder große Verluste verursachten. Die meisten Verluste der Deutschen entstanden bei Angriffen auf "normale" Schützengrabenlinien, durch Häuserkämpfe, durch Minen und beim Ausheben kleinerer Bunker (oder von Bunkerkavernen der oberflächlich zerschlagenen Einrichtungen).
Ferner: Die großen sowjetischen Sperrwerke wurde zumeist durch Bomberangriffe und - in einigen seltenen Fällen - durch Volltreffer schwerer Belagerungsartillerie im Vorfeld schon ausgeschaltet. Wirklich effektiv waren die großen Bunker jedoch nicht. Das Zeitraubenste an diesen war nicht das Ausschalten, sondern das "Ausputzen" der mehrere Stockwerke tiefen Kavernen im Nachhinein. Dieses Ausheben behinderte den eigentlichen deutschen Vormarsch jedoch nicht, sondern band nur Einheiten "dahinter". Das Ergebnis waren indessen aber a) nicht nur deutsche Verluste, sondern b) auch recht sinnlose sowjetische Verluste. Diese (durchaus sehr tapferen) Sowjeteinheiten waren hoffnungslos abgeschnitten in hinterletzten Winkeln der Anlagen und verschanzten sich dort bis zum eigenen Tod durch Flammenwerfer oder geballte Ladungen - und hierbei waren die sowjetischen Verluste höher als die der Deutschen.
Ähnliches kann man übrigens auch an anderen Orten des Zweiten Weltkrieges beobachten. Man denke z. B. an die japanischen Bunkeranlagen auf den Marianen, auf den Philippinen oder auf Okinawa. Die Bunker waren zwar "nervig", änderten jedoch nichts am Sieg der US-Streitkräfte und sie bewirkten letztlich sogar, dass die Verluste der Verteidiger um ein Vielfaches höher lagen als die der Angreifer.
Auch das Festhalten der Deutschen an "festen Plätzen" an der Ostfront 1944/45 bewirkte, dass die Verluste der Wehrmacht teils höher waren als die der Sowjets - zumindest im Kampf um diese "festen Plätze" -, aber das der Ansturm der Roten Armee nicht wirklich gebremst wurde. Hier wurden also, ähnlich wie im Pazifik, die letzten Einheiten in sinnlosen Haltepositionen "verbrannt" und strategisch aufgegeben (da die abgeschnittenen Kampfgruppen faktisch verloren waren).
Einen richtigen Nutzen von diesen Bunkern erkenne ich also nicht. Und mit der Technik des Jahres 2017 ist es sicher noch unrealistischer, hier eine Eindämmungsfunktion sich zu erhoffen, als 1942 oder 1945.
Schneemann.
Beiträge: 494
Themen: 2
Registriert seit: Aug 2008
Es kommt darauf an, was man mit Bunkern bezwecken will.
Ich persönlich würde z.B. die Stellungen eigener schwerer Luftabwehreinheiten verbunkern - nicht um sie vor gegnerischen Luftangriffen zu schützen, sondern vor gegnerischem Langstrecken-Artilleriefeuer. Stationäre Systeme kann man darüber hinaus auch wesentlich besser gegen gegnerische Luftangriffe sichern (multi-layer-defense), sie verfügen über wesentlich mehr Munition und können leistungsstärkere Radargeräte verwenden.
Am Boden können Bunker durchaus Sinn ergeben, um sich vor gegnerischem (Artillerie-)Feuer zu schützen. Wie der Konflikt in der Ostukrainie zeigt ist es z.B. glatter Selbstmord, sich in Schützenpanzern und auf offenem Feld von einer russischen Artillerieeinheit aufklären zu lassen.
Gleichzeitig gilt allerdings auch Schneemanns Einwand, das eine Befestigungslinie durchstoßen oder umfahren werden kann/werden wird. Hiergegen hilft a) eine sehr tiefe und sehr komplexe durchgehende Festungslinie im Zusammenwirken mit einer starken mobilen Heereseinheit die Einbrüche abriegelt und von einer eigenen Luftabwehr geschützt wird, oder b) die Armierung von Städten. Da die Kosten für eine wie in a) beschriebene Linie in Osteuropa absurd hoch wären (ginge es z.B. um eine Bar-Lev-2.0 oder eine neue Maginot-Linie wäre ich da wesentlich zuversichtlicher), ziehe ich option b) vor. Unter "Armierung" verstehe ich, dass man Neubauten mit "Bunkerartigen" Kellern und starken Wänden versieht, dass man die Keller durch Tunnel miteinander verbindet, Brücken zur Sprengung präpariert, bei der Anlage von Neubauvierteln auf Schussfelder achtet usw. usf.