29.11.2015, 14:56
Obgleich die Problematik des aktuellen russisch-türkischen Disputs auch in den Kontext des NATO- oder des Syrien-Strangs verortet werden könnte, habe ich mich dennoch zu entschlossen, hierüber einen eigenen Strang aufzumachen, auch weil manche Komponenten des Streits eben doch nur auf die beiden Länder zugeschnitten werden sollten und die Angelegenheit einer in sich geschlossenen Analyse wert ist.
Die Ursachen des Streits sind vordergründig, zumindest im Groben, einerseits die recht durchschaubare russische Unterstützung Assads, die als Kampf gegen den IS verkleidet wird, und andererseits die undurchsichtige Rolle der Türkei, die Assad am liebsten loswerden möchte und zugleich einigen salafistischen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg, die wiederum Assad bekämpfen, auf türkischem Gebiet bzw. in Schutzzonen im syrisch-türkischen Grenzgebiet Rückzugsräume einräumt/e.
Die Intensivierung der russischen Luftkampagne gegen Ziele in Syrien hat in den letzten Wochen immer wieder auch zu Verletzungen des türkischen Luftraumes durch russische Flugzeuge geführt. Obgleich hier nur schwer eine Absicht oder Provokation unterstellt werden kann, handelte es sich nicht nur um Einzelfälle, teils räumte Moskau auch selbst gewisse Fehler ein.
Hierzu eine Meldung von Oktober:
Dies hat u. a. dazu geführt, dass am vergangenen Dienstag (24. November) eine russische Sukhoi 24 (ein taktischer Bomber) von einer türkischen F-16 abgeschossen wurde - es ist der erste Abschuss eines russischen Flugzeuges durch ein NATO-Land seit einem halben Jahrhundert...
Streit gibt es noch darüber, wo der Abschuss erfolgt sein soll. Verschiedene Quellen nennen sowohl den türkischen als auch den syrischen Luftraum (vorzugsweise entsprechend der Version, die der jeweiligen Seite lieber ist). Indessen könnten beide Behauptungen m. Mn. n. zutreffen (spekulativ meinerseits). Und zwar aus dem Grund, dass die syrisch-türkische Grenze in der Region Hatay sehr bergig und unübersichtlich bzw. "ausgefranst" ist, d. h. die Sukhoi 24 könnte sich kurzzeitig über türkischem Gebiet befunden haben und wurde darauf beschossen, bis sie die Rakete allerdings dann traf, war sie aber schon wieder über syrischem Terrain. (Und das Wrack landete ja auch in Syrien.) Bei einer Geschwindigkeit von 720 km/h oder mehr (und sie flog sehr wahrscheinlich sogar schneller) bspw. legt die Maschine in 5 Sekunden rund einen Kilometer zurück; wenn zwischen dem Abfeuern der Rakete (und es war eine Sidewinder) und dem eigentlichen Raketentreffer z. B. 20 Sekunden vergehen, so wären dies also schon vier Kilometer.
Als Folge dieses Abschusses hat Putin zunächst mit der Stationierung bzw. der Ankündigung der Stationierung von S-400-Flugabwehrraketen in Syrien reagiert (Meldung vom 25. November)...
Aktuell scheint sich die türkische Regierung derzeit eher um Entspannung zu bemühen, zumindest hat man aus der früheren Wortwahl einiges an verbaler Schärfe herausgenommen und sogar Erdogan, der sich in der Vergangenheit keiner Entgleisung zu schade war, hat zudem sein Bedauern über den Abschuss geäußert:
In Moskau sind die türkischen Versuche, wenigstens etwas Wind aus der Affäre zu nehmen, allerdings bislang nicht gehört worden, auch weil sich Putin diese Demütigung, und eine solche dürfte es für ihn bzw. seinen nationalen Kurs auch gewesen sein, schlicht nicht gefallen lassen will (es wäre auch ein Gesichtsverlust, nachdem er sich bislang als der "starke Mann" gegeben hat). Dass er dabei die ganze Sache u. U. noch mehr anrührt...
...und der ganze Stapel an Sanktionen, auch zusammen mit den Ukraine-Sanktionen, auch vor allem die Russen selbst in ihrer Lebensqualität trifft, scheint ihn nicht zu interessieren. Aber vllt. ist dies auch Absicht, dieses nationale Einigeln scheint letztlich bzw. bislang auch ganz gut zu funktionieren. Nur sehe ich hier große geopolitische Risiken...
Schneemann.
Die Ursachen des Streits sind vordergründig, zumindest im Groben, einerseits die recht durchschaubare russische Unterstützung Assads, die als Kampf gegen den IS verkleidet wird, und andererseits die undurchsichtige Rolle der Türkei, die Assad am liebsten loswerden möchte und zugleich einigen salafistischen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg, die wiederum Assad bekämpfen, auf türkischem Gebiet bzw. in Schutzzonen im syrisch-türkischen Grenzgebiet Rückzugsräume einräumt/e.
Die Intensivierung der russischen Luftkampagne gegen Ziele in Syrien hat in den letzten Wochen immer wieder auch zu Verletzungen des türkischen Luftraumes durch russische Flugzeuge geführt. Obgleich hier nur schwer eine Absicht oder Provokation unterstellt werden kann, handelte es sich nicht nur um Einzelfälle, teils räumte Moskau auch selbst gewisse Fehler ein.
Hierzu eine Meldung von Oktober:
Zitat:Turkey 'cannot endure' Russian violation of airspace, president says<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.theguardian.com/world/2015/oct/06/nato-chief-jens-stoltenberg-russia-turkish-airspace-violations-syria">http://www.theguardian.com/world/2015/o ... ions-syria</a><!-- m -->
Recep Tayyip Erdoğan condemns Moscow as Nato says incursions into Turkish airspace do not appear to be accidental. [...] Separately, the armed forces said a Mig fighter plane had harassed a Turkish squadron of F-16s patrolling the border with Syria, locking its radar on the Turkish warplanes. [...] The Russian ministry of defence said a SU-30 fighter plane briefly entered Turkish airspace by accident as a result of weather conditions and said its Syria Command had taken the necessary measures to prevent such an incident from reoccurring.
Dies hat u. a. dazu geführt, dass am vergangenen Dienstag (24. November) eine russische Sukhoi 24 (ein taktischer Bomber) von einer türkischen F-16 abgeschossen wurde - es ist der erste Abschuss eines russischen Flugzeuges durch ein NATO-Land seit einem halben Jahrhundert...
Zitat:Abgeschossenes Kampfflugzeug<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/abgeschossenes-kampfflugzeug-putin-droht-mit-ernsten-konsequenzen-13928945.html">http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 28945.html</a><!-- m -->
Putin droht mit „ernsten Konsequenzen“
„Helfershelfer von Terroristen“: Russlands Präsident hat die Türkei nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs heftig kritisiert. Die Nato hat ein Sondertreffen anberaumt. [...] Türkische Jets hatten nach Angaben der Regierung in Ankara nahe der Grenze zu Syrien ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen. Die türkischen Streitkräfte teilten mit, ein Flugzeug unbekannter Herkunft habe den türkischen Luftraum verletzt und zehn Warnungen innerhalb von fünf Minuten ignoriert. Zwei türkische F-16-Kampfflugzeuge hätten das fremde Flugzeug den Einsatzregeln entsprechend am Morgen in der Grenzregion Hatay abgeschossen.
Streit gibt es noch darüber, wo der Abschuss erfolgt sein soll. Verschiedene Quellen nennen sowohl den türkischen als auch den syrischen Luftraum (vorzugsweise entsprechend der Version, die der jeweiligen Seite lieber ist). Indessen könnten beide Behauptungen m. Mn. n. zutreffen (spekulativ meinerseits). Und zwar aus dem Grund, dass die syrisch-türkische Grenze in der Region Hatay sehr bergig und unübersichtlich bzw. "ausgefranst" ist, d. h. die Sukhoi 24 könnte sich kurzzeitig über türkischem Gebiet befunden haben und wurde darauf beschossen, bis sie die Rakete allerdings dann traf, war sie aber schon wieder über syrischem Terrain. (Und das Wrack landete ja auch in Syrien.) Bei einer Geschwindigkeit von 720 km/h oder mehr (und sie flog sehr wahrscheinlich sogar schneller) bspw. legt die Maschine in 5 Sekunden rund einen Kilometer zurück; wenn zwischen dem Abfeuern der Rakete (und es war eine Sidewinder) und dem eigentlichen Raketentreffer z. B. 20 Sekunden vergehen, so wären dies also schon vier Kilometer.
Als Folge dieses Abschusses hat Putin zunächst mit der Stationierung bzw. der Ankündigung der Stationierung von S-400-Flugabwehrraketen in Syrien reagiert (Meldung vom 25. November)...
Zitat:Russische S-400-Flugabwehr: Hightech-Raketen verschärfen Situation in Syrien<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-verlegt-flugabwehrraketensystem-s-400-nach-syrien-a-1064527.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/r ... 64527.html</a><!-- m -->
Nach dem Abschuss seines Jagdbombers will Russland hochmoderne Flugabwehrraketen des Typs S-400 nach Syrien verlegen. Sie wären für fast alle westlichen Kampfflugzeuge eine Bedrohung - und auch für Israels Luftwaffe. [...]
Aktuell scheint sich die türkische Regierung derzeit eher um Entspannung zu bemühen, zumindest hat man aus der früheren Wortwahl einiges an verbaler Schärfe herausgenommen und sogar Erdogan, der sich in der Vergangenheit keiner Entgleisung zu schade war, hat zudem sein Bedauern über den Abschuss geäußert:
Zitat:Ärger zwischen Türkei und Russland<!-- m --><a class="postlink" href="https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-russland-105.html">https://www.tagesschau.de/ausland/tuerk ... d-105.html</a><!-- m -->
Erdogan bedauert Flugzeug-Abschuss
Der türkische Präsident Erdogan hat sein Bedauern über den Abschuss eines russischen Kampfjets zum Ausdruck gebracht. Er hoffe, so etwas werde nicht wieder passieren. Zugleich riet die Regierung ihren Bürgern, wenn möglich nicht mehr nach Russland zu reisen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat "Trauer" über den Abschuss eines russischen Militärflugzeugs vor wenigen Tagen geäußert. "Wir wünschten, es wäre nicht passiert, aber es ist passiert. Ich hoffe, so etwas wird nicht noch einmal geschehen", sagte er. [...] Seit dem Zwischenfall sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern angespannt. Russlands Präsident Wladimir Putin fordert eine Entschuldigung für den Abschuss. Diese blieb bislang jedoch aus.
In Moskau sind die türkischen Versuche, wenigstens etwas Wind aus der Affäre zu nehmen, allerdings bislang nicht gehört worden, auch weil sich Putin diese Demütigung, und eine solche dürfte es für ihn bzw. seinen nationalen Kurs auch gewesen sein, schlicht nicht gefallen lassen will (es wäre auch ein Gesichtsverlust, nachdem er sich bislang als der "starke Mann" gegeben hat). Dass er dabei die ganze Sache u. U. noch mehr anrührt...
Zitat:Streit mit der Türkei<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.n-tv.de/politik/Putin-verhaengt-weitreichende-Sanktionen-article16455366.html">http://www.n-tv.de/politik/Putin-verhae ... 55366.html</a><!-- m -->
Putin verhängt weitreichende Sanktionen
Das Verhältnis zwischen Moskau und Ankara spitzt sich weiter zu: Kremlchef Putin verfügt Sanktionen gegen die Türkei. Diese betreffen große Teile der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen. Auch russische Urlauber werden sie zu spüren bekommen. [...] Mit einem Ukas verbietet oder begrenzt der russische Präsident vorübergehend die Einfuhr bestimmter türkischer Waren, wie der Kreml mitteilte. Putin wies seine Regierung an, eine entsprechende Liste zu erstellen.
Zudem müssen türkische Unternehmen bestimmte, von der Regierung festgelegte Aktivitäten in der Russischen Föderation einstellen. Russische Unternehmen dürfen vom 1. Januar 2016 an vorübergehend keine türkischen Bürger mehr einstellen.
Der Erlass des Präsidenten sieht auch verschärfte Kontrollen des Verkehrs zwischen beiden Länder vor. Türkische Lastwagen sowie Schiffe sollen an den Grenzen und in den Häfen stärker überprüft werden. Russland begründet dies mit Sicherheitsbedenken. Besonders stark dürfte die Tourismusbranche leiden. Russische Reiseveranstalter können künftig keinen Urlaub in der Türkei mehr anbieten. [...]
Putin fordert von Erdogan eine Entschuldigung für den Abschuss als Voraussetzung für die Wiederaufnahme von Gesprächen. Erdogan äußerte inzwischen sein Bedauern über den Vorfall, entschuldigte sich jedoch nicht.
...und der ganze Stapel an Sanktionen, auch zusammen mit den Ukraine-Sanktionen, auch vor allem die Russen selbst in ihrer Lebensqualität trifft, scheint ihn nicht zu interessieren. Aber vllt. ist dies auch Absicht, dieses nationale Einigeln scheint letztlich bzw. bislang auch ganz gut zu funktionieren. Nur sehe ich hier große geopolitische Risiken...
Schneemann.