@Erich
Sorry das ich so spät antworte, war in letzter Zeit ziemlich eingespannt.
Erstmal muss man feststellen, das die Streitkräfte der arabischen Expansion und ihre militärische Kultur vielleicht wenig mit jener der modernen arabischen Streitkräfte zu tun haben.
Die arabische Expansion konnte damals so erfolgreich sein, weil sowohl das byzantinische als auch das persische Reich der Sassaniden innerlich stark geschwächt waren - wie übrigens auch das Reich der Westgoten. So stand im byzantinischen Reich etwa Ägypten mit seiner Variante des Christentums im Widerspruch zur offiziellen Version, und das schon damals arabisch besiedelte heutige Syrien ging wohl aufgrund der "Blutsverwandtschaft" über.
Zudem scheinen arabische Heerführer damals mehr Autonomie gehabt zu haben als ihre byzantinischen und persischen Gegenspieler, und waren mit deren Kampfstil vertraut. Sie wussten etwa ganz genau wie sie auf die persischen Kataphrakte zu reagieren hatten.
Last not least waren die Araber in ihrer Expansionsphase auch nicht so erfolgreich: In Persien leisteten die Dalaimiten - wohl die Vorfahren der heutigen Azeris - noch 300 Jahre Widerstand, das byzantinische Reich konnte die Invasoren stoppen und stellenweise, etwa in der Ägais, sogar zum Gegenangriff übergehen, auf der iberischen Halbinsel fand die Requoncista statt, und im Pundschab wurde man von den Indern - die einige der kreativsten und professionellsten Kriegerkulturen hervorgebracht haben - gestoppt.
Aber zurück zur Gegenwart: Heute legen arabische Streitkräfte oft ein wenig aggressives Vorgehen an den Tag, das immer wieder zu Niederlagen geführt hat, schon 1948 gegen das junge Israel oder auch im Fall von Libyen gegen Tansania und den Tschad. Aber was sind die kulturellen Hintergründe für diese Niederlagen?
Zunächst einmal fällt auf, das arabische Gesellschaften häufig autoritär sind, weshalb Konformität anstelle von Kreativität bevorzugt wird. Das zeigt sich schon darin, das in den Schulen häufig einfach nur auswendig gelernt wird. Wer kreativ denkt, könnte übrigens auch den Koran neu interpretieren - was die meisten islamischen Religionsgelehrten garnicht gern sehen würden!
Als Folge davon kämpfen arabische Armeen nach dem Buch, während z.B. europäische Armeen das Buch neu schreiben.
Womit wir beim zweiten Punkt sind: Wissen wird gesammelt, aber möglichst monopolisiert und nicht weitergegeben. Im militärischen Bereich sieht das so aus, das z.B. technische Handbücher gehortet werden. Was dies für die Fähigkeit, mit den eigenen Waffensystemen umzugehen bedeutet kann man sich leicht vorstellen.
Weiterhin sind arabische Gesellschaften, ähnlich wie z.B. die japanische oder koreanische Gesellschaft sogenannte "Scham-Gesellschaften". Dadurch reagiert man schon individuell anders, als jemand der aus der deutschen oder US-amerikanischen Gesellschaft kommt, die "Schuld-Gesellschaften" sind. Wird man in einer solchen Scham-Gesellschaft zu Unrecht beschuldigt, schämt man sich trotzdem und fühlt sich durch die Überzeugung anderer entehrt. Andererseits sagt ein arabisches Sprichwort: "Eine verheimlichte Sünde ist zu zwei Dritteln vergeben".
Als Folge dieser täuscht man häufig vor etwas zu wissen, bis hin zur Lüge, schon um sich nicht schämen zu müssen. Wenn es 'rauskommt ist man eben falsch verstanden worden.
Aufgrund dieser Schamkultur wird auch häufig viel geheimgehalten. Nicht nur, das etwa technische Handbücher gehortet werden, alles was auch nur vage militärisch bedeutsam ist bleibt geheim. Das geht sogar soweit das Offiziere ohne Vorankündigung zu anderen Einheiten versetzt werden, was natürlich nicht gut für den Korpsgeist ist.
Auch ein Wettbewerb zwischen Offizieren findet deswegen in arabischen Streitkräften nicht statt. Der Verlierer würde dadurch ja gedemütigt werden! Besser man scheitert gemeinsam, als das es einen Wettbewerb gibt, selbst wenn davon jeder profitieren würde.
Womit wir beim nächsten Punkt sind: Der Kluft zwischen Offizieren und Personal. Offiziere kommen meist aufgrund ihrer Abstammung zu ihrem Posten. D.h. das in Saddam Husseins Irak die Offiziere möglichst Sunniten aus dem Raum Tikrit zu sein hatten, während sie z.B. in Saudi-Arabien meist aus der Nejd-Region stammen. Während z.B. bei der Bundeswehr ein Offizier auch in Führungsaspekten geschult wird - ganz gleich ob er ein "von" ist oder nicht - werden arabische Offiziere nur in technologischen Aspekten geschult. Man geht davon aus, das er aufgrund seiner Herkunft führen kann. Der arabische Offizier ist natürlich aufgrund seines Status privilegiert, behandelt die Truppen unfreundlich, was auch wieder nicht gut für den Korpsgeist ist. Körperliche Arbeit verrichtet er sowieso nicht. Das war bei der irakischen Armee auch zu beobachten, als einigen von den USA gefangengenommenen Offizieren die Zelte weggeblasen wurden. Diese irakischen Offiziere harrten lieber in Regen und Sturm in der Wüste im Freien aus, anstatt sich der Demütigung hinzugeben vor den Augen ihrer Mannschaften Hand anzulegen und frisch gelieferte Zelte aufzubauen!
Es kommt aber noch schlimmer: In arabischen Streitkräften blicken Offiziere oft auf ihre Soldaten hinab, die ihrerseits ihre Offiziere verachten. Der Grund dafür dürfte die tiefe Zersplitterung der arabischen Gesellschaften sein, die eigentlich sehr xenophob sind. Die Offiziere selbst vertrauen einander nicht - man verlässt sich nicht darauf, das Befehle ausgeführt werden. Während sich ein deutscher Offizier darauf verlässt, das die Artillerie zur gegebenen Zeit genau das Zielgebiet beschießt, glaubt und verlässt sich sein arabischer Pendant nicht darauf. Diese Einstellung ist natürlich fatal.
Eigeninitiative ist bei einer Gesellschaft, die auf Konformität setzt natürlich auch nicht gern gesehen, und so werden eigenständige Entscheidungen möglichst vermieden. Selbst Schlachten werden von Generälen gemikromanaget, wobei man es vorzieht lieber eine Niederlage zu erleiden als die Kontrolle über seine Untergebenen zu verlieren.
Dieser Mangel an Initiative macht es natürlich auch schwierig, Waffensysteme zu reparieren oder pünktlich zu warten. Reparatur- und Wartungstätigkeiten, die etwa bei der Bundeswehr beim jeweiligen Bataillion durchgeführt würden, wurden z.B. bei der irakischen Armee in großen, speziellen Wartungsenrichtungen durchgeführt. Das Besatzungen ihre Fahrzeuge selbst repariern und warten, wie bei der Bundeswehr, ist bei arabischen Streitkräften unvorstellbar. Dies schon deswegen, damit man nicht Autorität, Wissen oder auch Werkzeuge weitergeben muss. Im Kriegsfall wären diese Reparaturshops natürlich lohnende Ziele. Natürlich dürften auch die loyalsten Verbände Vorrang haben, auf jeden Fall werden so termingerechte Wartungen schwierig.
Da ich gerade die Artillerie erwähnte: Es ist bei der Artillerie arabischer Streitkräfte immer wieder aufgefallen das sie nicht flexibel agiert - wie übrigens auch andere Waffengattungen. Der Grund dafür dürfte sein, das Truppen möglichst wenig Kontakt miteinander haben geschweige denn zusammen trainieren. So werden etwa Besatzungen nicht flexibel ausgebildet - d.h. etwa das der Richtschütze beim Kampfpanzer NUR für diese Rolle ausgebildet wird, was die Frage aufwirft was denn passiert wenn sein Fahrer verwundet oder krank ist - und Verbände trainieren nicht zusammen. So kann natürlich militärische Kooperation nur schlecht funktionieren.
@Quintus Fabius
Das ist diese Schamkultur, die ich oben erwähnte.
Im islamischen Raum kommt noch hinzu, das bei Beschuldigungen auch die ganze Gesellschaft, sogar die Ummah selbst entehrt wird. Dabei weist der Islam eine für uns unglaubliche Regelungsdichte auf, deren Befolgung man auch in der Öffentlichkeit durchzusetzen hat.
@Nightwatch
Auch bei den arabischen Luftwaffen treten diese Probleme auf. Teilweise können die Piloten ihre Kampfflugzeuge kaum handhaben.
Zu Beginn des 1.Golfkriegs 1991 hatten die US-Piloten ziemliche Angst vor den irakischen MiG-29. Nach den ersten Begegnungen erkannten sie aber rasch, das ihre irakischen Gegenspieler mit ihren MiG-29 kaum umgehen konnten.
Auch im Iranisch-Irakischen Krieg zeigte sich bald die Schwäche der irakischen Luftwaffe. Ihre Piloten warfen ihre Bomben meist aus mittlerer bis großer Höhe ab und zielten dabei auch noch schlecht, so das Schäden etwa an Erdölraffinerien meist schnell behoben werden konnten. Auch die Luftaufklärung war schlecht.
Übrigens verlor die irakische Luftwaffe zumindest bis 1983 die meisten ihrer Flugzeuge aufgrund von Unfällen und Wartungsproblemen.
@Shahab3
Zitat:Der vorrangige Schwachpunkt der irakischen Streitkräfte lag einerseits der mangelhaften Ausbildung im Umgang mit dem beschafften Kriegsgerät
Dies war auch einer der Gründe für die hohen Verluste an Kriegsgerät. Tatsächlich wurden von den irakischen Streitkräften viele Kampfpanzer und andere Waffensysteme einfach aufgegeben, obwohl sie nur kleinere Reparaturen benötigt hätten. Dies deswegen, weil man diese Waffensysteme extra bergen und zentral hätte reparieren oder warten müssen.
Wenn bei einem irakischen Verband nur die Hälfte der Fahrzeuge einsatzbereit war wurde das als gut angesehen.
Zitat:und die extrem geringe Risiko- und Opferbereitschaft der irakischen Soldaten
Vorsicht!
Man wirft auch von arabischer Seite den eigenen Soldaten gerne Feigheit vor, aber diese angebliche Feigheit ist ein Mythos.
Tatsächlich wollten die schiitischen Araber im Iran nicht von den Sunniten im Irak beherrscht werden, weswegen sie zum Iran hielten. Umgekehrt wollten die irakischen Schiiten damals nicht unter die Herrschaft von Khomeneis Gottesstaat, und sahen sich eher als Iraker und hielten dementsprechend dem Baath-Regime die Loyalität.