Sechster Nahostkrieg
Sind sie aber nicht - per definitionem.

Allgemein:

Zitat:Mit zuwarten ist einfach nichtsgewonnen, was heute nicht eingesetzt ist, kann morgen mit großer Wahrscheinlichkeit zerstört sein.

Was ja exakt meine These ist. Deshalb ist die Zurückhaltung der Hisbollah unverständlich und ich kann mich eben nicht der These anschließen, dass sie nicht viel mehr könnte. Unter der Annahme, dass sie eben kein Papiertiger ist und massiv zuschlagen könnte, wenn sie es JETZT tun würde, stellt sich also gerade eben die Frage, warum sie es nicht tut, sondern zu ihrem Schaden zuwartet. Jeder Tag der verstreicht, schwächt die Hisbollah immens, und die Intensität der israelischen Angriffe ist sehr hoch, und es wird einfach von zu vielen nicht verstanden, dass Israel hier in Wahrheit längst einen offenen großen Krieg führt. Der große offene Krieg mit maximaler Eskalation hat also schon angefangen. Er wird halt weiterhin nur einseitig geführt und dass ist das Rätsel dabei. Wenn Israel jetzt wie aktuell jeden Tag vierstellige Zahlen von Angriffen fliegt, dann ist dies bereits der offene große Krieg.

Ein solcher Krieg der aber nur von einer Partei aus geführt wird, wird von der anderen, sich zurück haltenden Partei de facto automatisch verloren. Die Zurückhaltung ergibt also keinen Sinn.
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Eben deshalb meine These, dass sie aktuell nicht mehr können.
Aktuell sieht es bei denen so aus: https://x.com/Osint613/status/1838653068...29/photo/1
Wahrscheinlich sieht es auf den darunter liegenden Ebenen nicht viel besser aus. Das Pagerdesaster hat Hunderte getroffen und ich denke, dass der Effekt stark unterschätzt wird. Was nützen Zehntausende von Raketen, die irgendwo in Lagerhäusern liegen, wenn die Abschussrampen zerstört wurden und von Nasrallah bis hinunter zu den einfachen Kämpfer kaum noch jemand in der Kette übrig ist, um irgendetwas zu koordinieren? Das flickt sich schon alles mit der Zeit wieder zusammen, aber sicher nicht von heute auf morgen unter massivem Feuer.

Ein weiterer Punkt: Die Hisbollah ist nicht die Hamas, und der Libanon ist nicht Gaza. Wenn man sich das so überlegt, hat die Hisbollah wenig praktische Erfahrung mit einem Raketenkrieg. 2006 ist lange her, und die israelische Armee von heute ist nicht mehr die von damals. Im Gegensatz dazu hatte die Hamas in den Jahren vor dem jetzigen Krieg vier größere Auseinandersetzungen und obendrein jahrelanges Gekabbel. Ohne Zweifel haben sie dabei viel gelernt und ihre Methoden immer weiter verfeinert – bis hin zu dem Punkt, an dem sie am 7. Oktober innerhalb weniger Stunden Tausende Geschosse abgefeuert haben. Das war angesichts ihrer Möglichkeiten schon eine bemerkenswerte Leistung. Die Hisbollah hingegen hat diese Erfahrungen schlicht nicht. Ich würde nicht einmal wetten wollen, dass sie sich intensiver mit der Hamas ausgetauscht und wichtige Lehren übernommen haben.
So kännte es in meinen Augen gut sein, dass sie ihre Strukturen auf den Erfahrungen von 2006 aufgebaut haben und jetzt feststellen, dass sie nicht resilient genug sind, um der aktuellen israelischen Kriegsführung standzuhalten.
Ein vielleicht simpler, aber entscheidender Punkt: Verglichen mit Gaza ist der Libanon riesig, und die Gebiete, die die Hisbollah kontrolliert, sind weitläufig. Es könnte gut sein, dass sie ihre Arsenale zu sehr über die Fläche verteilt haben und strukturell nicht genügend Abschussrampen besitzen, um sie nach vielleicht in ihren Erwartungen zu effektiven israelischen Luftangriffen ohne größere Umgruppierungen in relevanter Größenordnung einsetzen zu können. Demgegenüber hatte die Hamas ihre Raketen nur über kurze Entfernungen verlegen, im Zweifel tragen müssen und man hatte in ganz Gaza an jeder Ecke Abschussrampen. Die Hezbollah hat dagegen auch noch viel mehr größere, unhandlichere Wirkmittel zu bewegen, die wmgl komplexere Startvorrichtungen benötigen. Kann sein, dass sich das unter israelischer Luftherrschaft nicht so einfach bewerkstelligen lässt wie gedacht.
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Um diesen Gedanken aufzugreifen und eine Analogie zu verwenden: im Feuergefecht der Infanterie kann man einen Gegner niederhalten, indem man die eigene Feuerkraft gegen ihn einsetzt. Die immense Anzahl von israelischen Luftangriffen und die Heftigkeit dieser Luftangriffe könnten daher einen entsprechenden niederhaltenden Effekt auf die Kampfkraft der Hisbollah haben, und deren Fernkampffähigkeiten damit analog niederhalten.
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Hisbollah konnte in einem Krieg mit Israel nie von irgendeinem anderen Szenario ausgehen, als dass eine überlegene israelische Luftwaffe mit unangefochtener Lufthoheit alles zerbombt, was ihnen so einfällt. Israel bombardiert Häuser, plättet ganze Dörfer und natürlich auch bekannte Positionen von Startrampen. Auch mit einem erneuten Eindringen Israels rechnet man schon lange. Insofern erkenne ich allenfalls in der Pager Attacke einen Aspekt, den man grundsätzlich neu kalkulieren muss. Auch was die 100% Wahrscheinlichkeit betrifft, dass man intern ausmisten und israelische Assets identifizieren muss die weiterhin schlafen. Das verlangsamt die Fähigkeit zur aktiven Konfliktführung, dessen Strategie es allerdings auch nie gewesen ist, irgend etwas zu beschleunigen.
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Zitat:Die Hisbollah ist 1982 ursprünglich aus einer Art "Fremdenlegion", nämlich iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) im Kampf gegen die israelischen Besatzungstruppen im Südlibanon entstanden...
Nein. Ihre Ursprünge lassen sich bis in die späten 1970er verfolgen und sie entstand eigentlich als Schutzorganisation der Schiiten des Südlibanon gegen das größenwahnsinnige und gehässige Treiben der Palästinenser von PLO und PFLP etc. 1982 und die Folgen kamen erst später hinzu.
Zitat:...und hat 1985 auch den Schutz sunnitischer palästinensischer Flüchtlinge in den Llagern Sabra und Schatila gegen die syrisch unterstützte schiitische Miliz "Amal" übernommen.
Nein. Die AMAL war sogar die ältere von beiden Schiitenorganisationen. Nachdem es aber zwischen beiden immer wieder zu Machtkämpfen kam und die AMAL immer mehr zur rein politischen Organisation wurde, und auch immer mehr in der libanesischen Korruption versumpfte, wurde die Hisbollah im Verlauf der 1980er zum Lieblingskind Teherans.
Zitat:Seit 1992 ist die Hisbollah in der libanesischen Nationalversammlung vertreten. Seitdem hat sie sich zu einem militärischen, sozialen und politischen Machtfaktor entwickelt.
Nein. Ihren sozialen Faktor (ggü. den verarmten Schiiten des Libanon) hatte sie seit den 1970ern inne, der politische Teil kam erst in den frühen 1990ern zum Tragen und der militärische Kampf galt von Beginn an.
Zitat:Die Hisbollah ist - unbestreitbar - für zahlreiche Anschläge gegen die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) verantwortlich. Das könnte man aber immer noch als Bestandteil des "Widerstands gegen die Besatzung" sehen.
Nein. Die Hisbollah war seit den frühen 1980ern nicht nur für verheerende Anschläge innerhalb des Libanon verantwortlich, sondern auch für das Verschwindenlassen von Personen, Folter, Erpressungen und Entführungen. Der Zoff mit den Israelis im Südlibanon spielte erst später eine Rolle.
Zitat:Ich möchte nicht ausschließen, dass die Hisbollah auch Mittel und Wege nutzt, die offiziellen Streitkräften eher versperrt sind...
Z. B. die Befreiung Südamerikas? Oder so ähnlich... https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_v...Aires_1994

Schneemann
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Israel wird höchstwahrscheinlich in Kürze in den Libanon einmarschieren:

https://web.de/magazine/politik/nahostko...n-40167246

Zitat:Israels Militärchef kündigt Einmarsch im Libanon an

Israel bereitet sich nach Worten des Generalstabschefs Herzi Halevi auf eine mögliche Bodenoffensive im Libanon vor. "Wir greifen den ganzen Tag an. Zum einen, um den Boden für einen möglichen Einmarsch vorzubereiten, zum anderen aber auch, um die Hisbollah weiter anzugreifen", sagte er laut einer Erklärung am Mittwoch bei einer Panzerbrigade.

Mit Blick auf den ersten Raketenangriff der Hisbollah auf Tel Aviv sagte Halevi: "Die Hisbollah hat heute die Reichweite ihres Feuers vergrößert und sie wird später am heutigen Tag eine sehr starke Reaktion erhalten. Bereitet euch vor."

Israel wolle erreichen, dass Bewohner aus dem Norden dorthin zurückkehren können, sagte Halevi. "Um das zu erreichen, bereiten wir den Prozess eines Manövers vor, was bedeutet, dass eure Militärstiefel feindliches Gebiet betreten werden." Dabei werde man "in Dörfer eindringen, die Hisbollah als große militärische Außenposten vorbereitet hat". Die Soldaten seien "viel stärker und viel erfahrener" als die Hisbollah-Kämpfer und würden dort "den Feind und seine Infrastruktur zerstören".

Israelische Soldaten sollen Infrastruktur zerstören

Israel werde nicht aufhören, betonte Halevi. "Wir werden sie weiterhin angreifen und ihnen überall Schaden zufügen." Das "gewaltsame Eindringen" der Soldaten werde der Hisbollah-Miliz zeigen, "wie es ist, auf eine professionelle Kampftruppe zu treffen". Weiter sagte der Armeechef: "Gehen Sie rein, zerstören Sie den Feind dort, und zerstören Sie die Infrastruktur".

https://www.zeit.de/politik/ausland/2024...stkonflikt

Rein persönlich dachte ich, dass sie mit der Bodenoffensive noch bis nach den US Wahlen warten werden. Aber eventuell findet diese nun auch schon vorher statt.
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Sie haben heute zwei Reservebrigaden mobilisiert. Im Norden stehen zwei reguläre und zwei Territorialdivisionen. Allen Verbänden sind Reservebrigaden angegliedert, die soweit überschaubar auch jetzt nur teilweise mobilisiert sind.
Sprich, die aktuell aufgebotenen Verbände sind für raumgreifende Operationen nicht ansatzweise ausreichend. Maximal könnte man sich mit dieser Orbat blutige Grenzscharmützel liefern. Also genau das was man nicht machen sollte.
Eine Entscheidung für eine Bodenoffensive macht nur dann Sinn, wenn man tatsächlich die Entscheidung sucht, sprich die Hezbollah aus dem Gebieten südlich des Litani herauswirft. Hierfür wären aber eigentlich alle Kräfte von Nöten die man hat, idealerweise müsste man die 162. Division in Gaza durch maximal drei Reservebrigaden ablösen und zusätzlich nocheinmal zwei Reservedivisionen mobilisieren. Das ist alles darstellbar und wurde Ende letzten Jahres in Gaza auch so gemacht, aber das ist ein enormes Unterfangen für das politische Entschlossenheit und Zielstrebigkeit notwendig ist.
Leider sehe ich die nicht und insofern ist die Gefahr groß, dass wir in den kommenden Wochen ein taktisches Spektakel und gleichzeitiges operatives Gewürge sehen werden.
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Israel bombardiert weiter irgendwelche Ziele im Libanon. Währenddessen -soviel zum Thema "Niederhalten" - hat die Hisbollah ihren Raketenbeschuss eben nicht reduziert, sondern die Schlagzahl von ~100 auf ~400 Raketen pro Tag erhöht und dabei die eingesetzten Kaliber von vormals 122mm ("Katjusha" Raketen) auf bis zu 200-300mm ("Fadi" Raketen) vergrößert. Damit bewegen sich die Kosten pro Rakete für die Hisbollah meiner Einschätzung nach inzwischen bei einem mittleren 4-stelligen "Euro Betrag" pro Stück. Das heißt auf Materialverluste und Materialeinsatz bezogen inzwischen durchaus >40 mal so teuer vor vielleicht 1-2 Wochen noch würde ich daraus ableiten. Die häufiger erwähnten Artillerieraketen mit der Bezeichnung "Fadi" (1/2/3) sind unterschiedlich zu den iranischen Fajr-3 oder Fajr-5 Raketen. Fadi könnte demnach libanesischer oder syrischer Produktion sein.

Erstmals wurde auch eine ballistische Rakete mit der libanesischen Bezeichnung "Qadr-1" eingesetzt, konnte jedoch von der israelischen Raketenabwehr über Tel Aviv (!) abgefangen werden. Vermutlich handelt es sich bei der Qadr-1 um eine Hisbollah-Variante entweder einer syrischen Tishreen oder der verwandten iranischen Fateh-110 Mod 2. Kosten für diesen Typ ordne ich im niedrigen 6 stelligen Bereich ein.

Die Startrampen der Artillerieraketen sind quasi zusammengeschweißte Rohre, die mit einer Handkurbel zum aufrichten versehen sind. Mehr ist das nicht. Keine Elektronik, keine besonderen Materialien. Kann jeder Schuster zusammennieten. Der Verlust von leeren Startrampen ist logistisch betrachtet ein relativ geringer Verlust, für einen im Vergleich erheblich größeren Aufwand bei der Bekämpfung. Kosten tragen beide Kriegsparteien allerdings selbst für Militärgüter ja nicht. Bei Israel fallen für die Flugzeuge und Bomben fast keine eigenen Kosten an. Das ist USA sponsored. Auch die im Inland produzierten Flugabwehrsyteme, Panzer, usw.. fallen ja ein gutes Stück weit unter die Militärhilfe bilanziell. Insofern ist diese Wirtschaftlichkeitsrechnung auf Kriegsgüterebene natürlich auch irgendwo unwichtig am Ende für die Kriegsparteien selbst.

Ich meine dass die israelische Strategie der "Kollektivstrafe" an der Zivilbevölkerung genau aus dieser recht cleveren low-cost Strategie der Widerstandsachse heraus erwächst. Denn nur so entstehen wirkliche "Kosten". Das gleiche kann man sicherlich über den Raketenbeschuss auf Siedlungen durch die Hisbollah ableiten. Da setzt dann wiederum die Gegenseite - Sponsoren und Freunde - politisch, diplomatisch an. Trotzdem wird sich die humanitäre Lage im Libanon weiterhin katastrophal und deutlich überproportional verschlechtern, wenn Israel so weiter macht. Zweifelsohne.

Irakische Milizen haben mitgeteilt, gestern eine israelische Armeebasis im Golan mit einem dutzend Drohnen angegriffen zu haben. Ein israelischer Soldaten hat verbotenerweise ein Video veröffentlich und daraus ist mindestens ein direkter Treffer ersichtlich. Heute gegen Abend soll im Hafen von Eilat eine Drohne in einem Verladebereich eingeschlagen haben. Auch hiervon kursieren, gemäß Zensur eigentlich verbotene, Aufnahmen auf X. Nein ich suche jetzt nicht die Quellen. Hat meinetwegen nicht stattgefunden. Ist alles spekulativ.
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