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(25.10.2022, 12:12)Schneemann schrieb: Also so richtig überzeugt bin ich von diesen Bauten immer noch nicht
“Fixed fortifications are monuments to man’s stupidity. If mountain ranges and oceans can be overcome, anything made by man can be overcome.” - George S. Patton
Es gibt von Hindenburg bis Bar-Lev in der Geschichte des modernen Krieges keine Linie die einem ernsthaften Angriff standgehalten hat.
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Zitat:“Fixed fortifications are monuments to man’s stupidity. If mountain ranges and oceans can be overcome, anything made by man can be overcome.” - George S. Patton
Es gibt von Hindenburg bis Bar-Lev in der Geschichte des modernen Krieges keine Linie die einem ernsthaften Angriff standgehalten hat.
Wenn man schon Hindenburg anführen möchte: die Linien des Ersten Weltkriegs hielten sehr oft den allerheftigsten feindlichen Angriffen stand. Genau deshalb stand damals die Front.
Und analog dazu (da ja ohnehin das Kriegsgeschehen in Teilen der Ukraine eher 1WK artig ist) - Die Befestigungsanlagen der Ukrainer gegenüber Donezk haben von Kriegsbeginn an bis jetzt durchgehend gehalten.
Zudem ist die Zielsetzung einer solchen befestigten Linie nicht unbedingt den Feind aufzuhalten, sondern die eigene Kampfkraft zu stärken, so dass der Feind mehr von allem aufwenden muss um einen zu überwinden. Wenn man nicht genug Mann hat und nicht genug Feuerkraft, können Befestigungen - WENN sie richtig angelegt sind - die eigene Kampfkraft gegenüber dem Feind relativ sehr stärken.
Man nehme als vergleichsweise neues Beispiel die Befestigungssysteme der Hisbollah im Libanon. Die Israelis verloren nicht nur etliche Zeit durch diese, sondern sie mussten auch immens viel stärkere Kräfte einsetzen um die Befestigungen abzuarbeiten, weil die Kampfkraft der Hisbollah durch diese sehr gestärkt wurde.
Das was die Russen da aber jetzt bauen, ist nichtmal eine ernsthafte Befestigungslinie, da klauen lediglich die Offiziere den größten Teil des Beton und die Stahlarmierung und setzen Karikaturen von Sperranlagen einfach so ins Feld ab, zu klein, nicht miteinander verbunden, ohne Stahl im Inneren und nicht einmal im Boden eingelassen.
Das ist eine Karikatur einer Befestigungslinie.
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(25.10.2022, 19:49)Quintus Fabius schrieb: Das ist eine Karikatur einer Befestigungslinie.
Das ist noch nicht die echte Linie. Die bauen gerade erstmal noch ein Modell in 1:1 oder 1:2.
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@Quintus Fabius
Bei zugespitzte Aussagen lassen sich in der näheren Betrachtung immer erhebliche Unschärfen feststellen.
Trotzdem:
Die Hindenburg-Linie ist durchaus mit Bedacht gewählt. Schließlich markierte eben der Durchbruch dieser Linie im Herbst 1918 als Abschluss der Hundert-Tage-Offensive die Rückkehr des Bewegungskrieges und das Ende des Primats der Defensive.
Linien als gar strategisches Element der Kriegsführung sind im Wesentlichen nicht nur eine Erfindung des ersten Weltkriegs (höchstens noch Amerikanischer Bürgerkrieg, arguably), sondern wurden bereits in diesem Krieg durch eine Evolution der Landkriegsführung überwunden. Und daran hat sich seitdem nichts geändert.
Es geht mir dabei weniger um irgendwelche lokalen befestigten Punkte mit taktischer oder bestenfalls operativ-taktischer Relevanz als um ausgedehnte Befestigungssysteme die gedacht sind, den Feind in seinen operativ-strategischen Bewegungen zu stören bzw. zu stoppen oder aufzuhalten. Insofern gehen die gebrachten Beispiele etwas ins Leere bzw. stärken meine Position.
Die (mythischen) Befestigungsanlagen der Ukrainer gegenüber Donezk sind nur von lokaler Relevanz und in ihrer Effektivität allein dem Umstand geschuldet, dass Russland keine Versuche startet diese Befestigungen zu umgehen oder mit ausreichenden Kräften zu zerschlagen und stattdessen die schlecht ausgerüsteten und schlecht motivierten Verbündeten stupide dagegen anrennen lässt. SideNote: Ich möchte die mal sehen. Mein Eindruck ist das ist weniger ausgeklügelte Befestigung als Not gegen Elend.
Weiter gefasst waren auch diese Befestigungsanlagen aber keineswegs geeignet den operativ-strategischen Prozess der Gegenseite zu beherrschen. Die Erwartungshaltung der Ukrainer (‚wir halten gegen den Russen im Donbas‘) konnten sie mitnichten erfüllen, die Russen suchten sich schlicht andere, schlechter verteidigte Räume und trugen von dort aus den Krieg über den Dnjepr und bis vor Kiev. Inwieweit das verbissene Halten im Donbass die richtige Entscheidung gewesen ist kann man separat diskutieren. Wahrscheinlich war es das, aber auch nur weil die ukrainische Armee noch nicht zu einer beweglicheren Kriegsführung in der Lage war/ist.
Hinsichtlich den Befestigungsanlagen der Hisbollah im Libanon teile ich deine Einschätzung so nicht. Unbestritten, natürlich stärkten diverse Befestigungen die Kampfkraft der Hisbollah auf taktischer Ebene. Das ist jetzt keine bahnbrechende Erkenntnis.
Aber darüber hinaus? Das grundlegende Problem des zweiten Libanonkrieges war, dass Israel mit falschen Vorstellungen ohne operativen Plan für einen militärischen Sieg in diesen Konflikt gestolpert ist und sich erst wenige Tage vor Ende der Kampfhandlungen dazu durchringen konnte, raumgreifende Bodenoperationen jenseits der Grenzortschaften durchzuführen. Die dann prompt nach anfänglichen Verlusten nach wenigen Tagen Kampf nicht weiter fortgeführt und politirscherseits durch den Waffenstillstand beendet wurde.
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@Nightwatch / Quintus
Auch wenn der Aspekt der Befestigungen in der Ukraine hier im Strang Sinn ergibt, so ist der Ausflug in dieses durchaus spannende Thema, zumal wenn wir über den US-Bürgerkrieg, die Hindenburg-Linie und den Libanon reden, dazu geeignet, das Thema doch sehr auszufasern.
Aus dem Grund möchte ich auf den Strang von Quintus zum Tschechoslowakischen Wall verweisen, wo wir ggf. weiterdiskutieren könnten: https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=6406
Ich habe es mal nun nicht verschoben - nur als Vorschlag.
Schneemann
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Hab die Beiträge jetzt mal hierhin verschoben. Es gab ja mal einen Strang über Bunkeranlagen,
https://www.forum-sicherheitspolitik.org...keranlagen
aber die Diskussion ist meiner Meinung nach ganzheitlicher und dreht sich ja nicht nur um Bunker und insbesondere nicht über den tschechoslowakischen Wall.
Werter Nightwatch:
Zitat:Bei zugespitzte Aussagen lassen sich in der näheren Betrachtung immer erhebliche Unschärfen feststellen.
Zweifelsohne, und daher im Vorab meinen Dank für die Ausführlichkeit, mit der du deine Aussagen nun detailliert hast!
Zitat:Schließlich markierte eben der Durchbruch dieser Linie im Herbst 1918 als Abschluss der Hundert-Tage-Offensive die Rückkehr des Bewegungskrieges und das Ende des Primats der Defensive.
Zitat:Linien als strategisches Element der Kriegsführung .......wurden bereits in diesem Krieg durch eine Evolution der Landkriegsführung überwunden. Und daran hat sich seitdem nichts geändert.
Zunächst müsste ich hinterfragen, was genau du mit einer strategischen Linie meinst ?! Klassischerweise waren dies natürliche Hindernisse über erhebliche Strecken (Gebirge, Flüsse etc) und nun könnte man natürlich auch argumentieren, dass ausgedehnte Befestigungen (beispielsweise die Maginot Linie) analog eine solche strategische Linie darstellen.
Nur: ob es strategische Linien gibt oder nicht, ist zunächst mal völlig unabhängig von der Frage ob es ein Primat der Defensive gibt oder nicht. Und zu keinem Zeitpunkt, nicht einmal auf dem Höhepunkt der Überlegenheit der Defensive vor der Offensive, galten Linien als nicht überwindbar. Sie waren immer schon überwindbar, denn ihr Wert ergab und ergibt sich nicht daraus, dass man sie nicht überwinden (oder umgehen) kann, sondern aus ganz anderen gründen. Sie entstanden zudem weder durch die Evolution in der Kriegsführung, noch wurden sie durch diese entwertet. Der Wert einer strategischen Linie (im weiteren Sinne) liegt eben nicht darin, dass sie gehalten werden kann. Sondern darin, dass sie auf der eigenen Seite Truppen frei setzt, oder dass sie die Kampfkraft der Truppen entlang der Linie erhöht. Das ist ihr eigentlicher Zweck und Sinn, dazu unten noch mehr.
Spezifisch auf die Gegenwart müsste man zudem fragen, ob das Primat der Defensive nicht zurück gekehrt ist, da Angreifer heute erhebliche Nachteile zu vergegenwertigen haben. Das allein ist schon eine sehr umfangreiche Diskussion, deshalb verschob ich die Beiträge auch hierher, da sie ja weit über die Frage bloßer Befestigungen hinaus gehen.
Meiner Ansicht nach hat sich in diesem Kontext durchaus etwas seit dem Ende des 1WK geändert, und gibt es heute beispielsweise erneut ein Primat der Defensive - und dass strategische Linien heute nicht mehr in diesem Maße wie im 1WK gehalten werden können liegt nicht daran, dass man dies nicht rein theoretisch durchaus immer noch könnte, oder genauer gesagt: wieder könnte, sondern das resultiert aus einem ganzen Faktorenbündel heraus, in welchem die evolutionäre Weiterentwicklung der Kriegsführung nur einer ist.
Gerade in dieser Frage würde ich mich nicht so festlegen wollen und ich verneine zudem, dass es hier Axiome gibt. Es wäre beispielsweise gegenüber Russland (als einem praktischen Beispiel) sowohl möglich Linien zu etablieren (entsprechende Konzepte vorausgesetzt) welche gehalten werden können, als auch ganze andere Formen der Kriegsführung diesbezüglich anzuwenden.
Zitat:Es geht mir dabei weniger um irgendwelche lokalen befestigten Punkte mit taktischer oder bestenfalls operativ-taktischer Relevanz als um ausgedehnte Befestigungssysteme die gedacht sind, den Feind in seinen operativ-strategischen Bewegungen zu stören bzw. zu stoppen oder aufzuhalten.
Kein Befestigungssystem konnte jemals einen Feind in seiner operativ-strategischen Bewegung nachhaltig stoppen. Aber wie schon angerissen ist dass nicht das Ziel, nicht der eigentliche Zweck eines solchen ausgedehnten Befestigungssystems. Und Effekte auf der taktischen Ebene oder der operativ/taktischen Ebene wirken auch auf die strategische Ebene hinein. Und ebenso hat eine strategische Linie (ich verwende mal im weiteren den Begriff einer strategischen Befestigung) auch dann eine strategische Wirkung, wenn sie den Feind in seiner Bewegung nicht stoppt. Selbst wenn er diese gar nicht angeht, sondern deshalb gerade eben andere Räume aufsucht, so ist das ein strategischer Effekt von erheblicher Bedeutung. Lenkt man doch so den Feind und nimmt Einfluss auf sein Handeln und macht zugleich Truppen frei, welche man andernortens gegen ihn einsetzen kann.
Zitat:Die (mythischen) Befestigungsanlagen der Ukrainer gegenüber Donezk sind nur von lokaler Relevanz und in ihrer Effektivität allein dem Umstand geschuldet, dass Russland keine Versuche startet diese Befestigungen zu umgehen oder mit ausreichenden Kräften zu zerschlagen und stattdessen die schlecht ausgerüsteten und schlecht motivierten Verbündeten stupide dagegen anrennen lässt.
https://tass.com/world/809845
https://www.globalsecurity.org/military/...-fence.htm
https://9gag.com/gag/a71nEAw
http://www.indiandefencereview.com/news/...ussia-war/
Natürlich könnte Russland diese Anlagen umgehen, aber das haben sie eben nicht getan, sondern stattdessen den Vorstoß in Richtung Kiew gemacht. Und sie haben anfangs gerade eben die Befestigungs- und Grabenanlagen der Ukrainer gegenüber Donezk nicht frontal bestürmt und auch heute versuchen sie es eher an deren Flanken bzw. dort wo diese auslaufen, nur dass inzwischen die Kräfte zu schwach geworden sind, um diese Grabensysteme der Ukrainer auch nur von der Seite her aufrollen zu können.
Zitat:Weiter gefasst waren auch diese Befestigungsanlagen aber keineswegs geeignet den operativ-strategischen Prozess der Gegenseite zu beherrschen. Die Erwartungshaltung der Ukrainer (‚wir halten gegen den Russen im Donbas‘) konnten sie mitnichten erfüllen, die Russen suchten sich schlicht andere, schlechter verteidigte Räume und trugen von dort aus den Krieg über den Dnjepr und bis vor Kiev.
Wir wissen natürlich jetzt nicht, was für eine Rolle diese Befestigungen bei den strategischen Plänen der Russen hatten (wenn es denn überhaupt irgendwelche sinnvollen strategischen Pläne gab), aber hier und heute ermöglichen diese Systeme es den Ukrainern gegenüber Donezk mit vergleichsweise wenigen Truppen zu halten, während diese dort zugleich russische Truppen binden und man hat eine sichere Stellung von der aus man später auch in andere Richtungen operieren könnte. Der strategische Wert der Stellungssysteme gegenüber von Donezk ist daher erheblich und resultiert gerade eben daraus, dass die Russen diese nicht einnehmen konnten und nicht einnehmen können.
Die Gründe dafür sind unerheblich. Ob die Russen rein theoretisch diese Stellungssysteme hätten umgehen, von der Seite und von hinten aufrollen und zerschlagen können, ist völlig irrelevant für den strategischen Wert dieser Stellungssysteme. Fakt ist, dass es nicht dazu gekommen ist, aus welchen Gründen auch immer, und damit diese Stellungen einen erheblichen strategischen Wert erlangten.
Was alles hätte sein können, ist eine davon völlig losgelöst Frage. Beispielsweise hätten die Russen mit nur einem Schwerpunkt alle ihre Truppen konzentriert über Charkiw in Richtung Dnipro und dann von dort an den Fluss angelehnt in Richtung Saporischja - Melitopol - Küste angreifen können. Damit wäre die ukrainische Armee welche in mit ihren besten Einheiten und größten Anteilen zu diesem Zeitpunkt östlich davon stand in der Ostukraine eingekesselt worden, womit entsprechend die Stellungssysteme gegenüber Donzek nur zu einer Falle für diese Verbände geworden wären. Aber so ist es eben nicht gelaufen.
Zitat:Das grundlegende Problem des zweiten Libanonkrieges war, dass Israel mit falschen Vorstellungen ohne operativen Plan für einen militärischen Sieg in diesen Konflikt gestolpert ist
So wie Russland auch. Aber dessen völlig ungeachtet, wäre die Hisbollah ohne die von ihr angelegten Befestigungsanlagen weitgehend vernichtet worden. Das Ungleichgewicht zwischen den Israelis und der Hisbollah war extrem und trotzdem gelang es der israelischen Armee nicht, hier einen wirklich entscheidenden Sieg zu erringen. Nun kann man argumentieren, dass ein solcher ja noch gekommen wäre, wenn der Konflikt immer weiter gegangen wäre, aber so ist es eben nicht gelaufen.
Die Befestigungsanlagen der Hisbollah, die von ihr errichtete strategische "Linie" ermöglichten es ihr nicht nur diesen Krieg in ausreichender Stärke zu überleben, sie ermöglichten es ihr auch durch die Folgen dieses Krieges im Libanon erheblich an Macht und Bedeutung zu gewinnen und schlußendlich gestärkt aus diesem Kampf hervor zu gehen. Die strategische Bedeutung dieser Befestigungen reichte daher über die bloße militärisch-strategische Bedeutung hinaus.
Zitat:Unbestritten, natürlich stärkten diverse Befestigungen die Kampfkraft der Hisbollah auf taktischer Ebene. Das ist jetzt keine bahnbrechende Erkenntnis.
Alles im Krieg ist in Wahrheit einfach. Eine Stärkung der Kampfkraft auf der taktischen Ebene kann aber auf der strategischen Ebene Effekte erzeugen. Beide Bereiche daher so klar voneinander zu trennen wie du es hier meiner Ansicht nach propagierst halte ich für verfälschend. Damit es überhaupt eine strategische Wirkung geben kann, muss eine Befestigung zunächst mal auch taktisch funktionieren. Entsprechend haben die aktuellen russischen "Befestigungs"anlagen allein schon daraus keinerlei strategischen Wert.
Zitat:Inwieweit das verbissene Halten im Donbass die richtige Entscheidung gewesen ist kann man separat diskutieren. Wahrscheinlich war es das, aber auch nur weil die ukrainische Armee noch nicht zu einer beweglicheren Kriegsführung in der Lage war/ist.
Eine bewegliche Kriegsführung gegen einen Feind der eine extrem überlegene Artillerie besitzt und der hochgradig mechanisiert ist, macht keinen Sinn, weil sie einfach zu risikoreich ist. Die Russen waren anfangs sehr viel kampfstärker als die Ukrainer und ihre Einheiten viel stärker mechanisiert. Entsprechend war die Entscheidung in Stellungssystemen zu halten, leichte Infanterie infiltrierend einzusetzen und auch sich überrollen zu lassen richtig.
Und da komme ich zu einem meiner Meinung nach wesentlichen Punkt: man darf sich eine strategische Linie nicht zu steif als eine Linie von geringer Tiefe vorstellen. In der heutigen modernen Kriegsführung ist eine Verteidigungs-Linie ohne Reserven dahinter, ohne ausreichende Tiefe und ohne eine Staffelung der Verteidigung in die Tiefe hinein wertlos. Und das war sie schon früher. Auch im 1WK hatte man eben keineswegs nur einen Graben und dahinter nichts weiter, sondern recht schnell kam man auf eine gestaffelte, sich nach hinten erst verdichtende Verteidigung, und schon immer waren hochbewegliche und massive Reserven notwendig, um eine Verteidigung entlang einer Linie möglich zu machen.
Heute könnte man ein Primat der Defensive postulieren, und entsprechende Netzartige Strukturen als Verteidigungslinien etablieren. Man müsste dann vielleicht eher von Verteidigungsräumen sprechen, als dezidierten Linien, aber wie gerade eben schon geschrieben waren selbst die "Linien" des 1WK ganz genau so eher Räume. Lediglich die Frage wie tief diese gestaltet werden und wie Netzartig die Verteidigungssstrukturen sind welche diese Räume einnehmen ist heute aufgrund der anderen Umstände eine andere.
Wie so eine Verteidigung durch ein Netz aus Befestigungen und im Jagdkampf agierender leichter Infanterie aussehen könnte, beispielsweise im Baltikum, zeigten die Bücher: "Defensive Verteidigung" und "Die Praxis der defensiven Verteidigung" von Afheldt et al bereits vor Dekaden auf. Die Schlussfolgerungen dieses Autors wären für eine solche Strategie meiner Ansicht nach immer noch gültig, oder vielmehr heute sogar teilweise gültiger als damals.
Ebenso könnte man die Werke von Emil Spannocchi (Verteidigung ohne Schlacht), Guy Brossollet (Das Ende der Schlacht) und in Teilen auch Franz Uhle-Wettler (Gefechtsfeld Mitteleuropa) anführen, welche ebenso Konzepte für eine defensive Verteidigung aufzeigen, welche wenn sie konsequent durchgeführt würden, durchaus das Halten von strategischen "Linien" ermöglichen würden.
Gerade in Bezug auf das Baltikum wäre es meiner Meinung nach wesentlich, solche Konzepte noch einmal hervor zu holen und auf ihre praktische Anwendbarkeit hin gründlich zu prüfen. Eine strategische "Befestigung", welche das Baltikum vor einem russischen Zugriff so weitgehend abschirmt, dass die Russen dort nicht die baltische Zivilbevölkerung ad hoc zu Geißeln machen können, hätte einen erheblichen strategischen Wert. Man muss sich da natürlich von der Vorstellung klassischer endlos ausgedehnter Grabensysteme lösen, wie sie aktuell auch wieder in der Ukraine vorkommen. Sondern man stelle sich ein entsprechendes Netz aus Stay-Behind Gruppen, Jagdkampf leichter Infanterie und vielen verstreuten dezentralen Befestigungen vor, in welchem sich die gegnerischen Einheiten verfangen und bis zur Einsatzunfähigkeit ausbluten.
Zitat:Mein Eindruck ist das ist weniger ausgeklügelte Befestigung als Not gegen Elend.
Bezüglich des allgemeinen 1WK Reenactments in der Ukraine kann ich dir hier zustimmen. Aber das macht weder eine defensive Strategie im allgemeinen wertlos, noch ist deshalb jedwede Art von strategischen Befestigungen sinnlos. Nur weil etwas in der Ukraine aufgrund bestimmter Umstände ist, heißt dass nicht, dass man daraus verallgemeinernd Schlussfolgerungen für alle anderen Situationen und Umstände schließen sollte. Im Gegenteil: gerade eben weil es Not gegen Elend ist, gerade eben deshalb ist die Übertragbarkeit von vielem was man in der Ukraine sieht höchst fragwürdig.
Entsprechend sollte man die Frage des Wertes strategischer Befestigungen meiner Ansicht nach nicht aufgrund der Umstände in der Ukraine diskutieren, sondern eher davon gelöst betrachten.
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Es wäre an dieser Stelle auch gut, wenn wir eine Eingrenzung vornehmen hinsichtlich des zeitlichen Rahmens. Nightwatch erwähnte "moderne" Befestigungen in diesem Kontext, führte aber zugleich auch das Beispiel des US-Bürgerkrieges ein in den Diskurs (man denke an den Stellungskampf vor Petersburg 1864). Die Frage ist, ob dieses Zeitfenster der Moderne entsprechen soll, und wo ziehen wir die Linie der Abgrenzung? Wären also z. B. auch die (erfolgreich verteidigten) Festungslinien von Torres Vedras, wo es den Briten 1809 gelang den französischen Vormarsch auf der iberischen Halbinsel zu stoppen, noch in die Diskussion einzubeziehen? Oder bleiben wir im 20. Jahrhundert? Oder bauen wir die Diskussion auf auf dem Umstand, dass bereits entsprechend starke Luftwaffenkräfte bereitstünden?
Schneemann
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Man könnte auch den russisch-japanischen Krieg anführen, oder die Kämpfe um Iwo Jima und Okinawa oder Verdun als wesentliche Verteidigungssstellung der Franzosen im 1WK oder den Grenzzaun den die Franzosen im Algerienkrieg im Osten bauten und der dort erhebliche Wirkung erzielte, oder vieles vieles weitere. Wo zieht man da dann die Grenze ? Ältere Erfahrungen könnten dabei moderner sein als zeitlich jüngere Erkenntnisse. Nicht alles ist bedeutsam nur weil es zeitlich näher an uns ist und manches andere ist vielleicht lange her, aber trotzdem hochaktuell für die moderne Kriegsführung.
Meiner rein privaten Ansicht nach - und da bin ich einfach immer noch zu weitgehend ein Anhänger Jominis - ist die militärische Strategie weniger Änderungen unterworfen als andere Bereiche der Kriegsführung. Das steht im krassen Gegensatz zu Clausewitz und anderen diesem näher stehenden Militärwissenschaftlern. Deshalb würde ich diese ganze Diskussion nicht zeitlich begrenzen wollen. Gerade aus dem Vergleich früherer Zeiten und heutiger Ereignisse wird sich meiner Meinung nach heraus stellen, dass gewisse Erkenntnisse und Aussagen über den Wert strategischer Befestigungssysteme und der strategischen Linien sich als roter Faden quer durch die Kriegsgeschichte ziehen.
Und zwar unabhängig davon ob eine Evolution in der Kriegsführung dann jeweils ein Primat der Defensive oder der Offensive zur Folge hatte (was man auch noch in Frage stellen sollte, weil es eine zu weitgehend zentralreduzierte Hypothese ist), und aus welchen Gründen diese "Linien" jeweils funktionierten oder nicht funktionierten, was sich immer aus einem ganzen Faktorenbündel ergab und nicht aus einer monokausalen Ursache ala jetzt herrscht halt der Bewegungskrieg vor etc
Es ginge mir also eher um die unabhängig von der geschichtlichen Epoche und unabhängig von der technologischen Entwicklung gleichbleibenden strategischen Grundsätze und Wirkmechanismen. Da ich ja davon ausgehe, dass solche viel weitergehend unabhängig von der Evolution der Kriegsführung gleich bleiben.
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In diesem Zusammenhang sind für den Zweiten Weltkrieg auch das belgische Sperrfort Eben Emael, eines der (kolportierten) stärksten Forts in Westeuropa, sowie die russische bzw. sowjetische Festung Sewastopol durchaus interessant. Ersteres fiel durch einen Luftsturmangriff einer recht kleinen deutschen Spezialtruppe, letzteres war eine der stärksten Festungen der Welt, dennoch fiel sie 1942 nach massiven Artillerie- und Luftangriffen an die Deutschen.
Dazu auch eine recht interessante Meldung - zwar nicht direkt Teil der Verteidigung von Sewastopol, aber auch eine Bunkeranlage:
Zitat:Russian Navy Moving Back Into Cold War Fortress In Crimea
The narrow inlet of Balaklava, on the south coast of Crimea, was once the Russian Navy's secret base in the Black Sea. A tunnel was built to hide submarines. Now, with the war in Ukraine going against Russia, intelligence suggests that it may once again provide protection to Russia's Black Sea Fleet. [...]
Balaklava is a small inlet 5 miles south of Sevastopol. Steep hills provide natural protection against storms and, up to a point, reconnaissance. So, despite its narrow confines, it was the site of a major naval base during the Cold War. In the 1950s the Soviets dug a submarine tunnel into the mountain on the west side.
The submarine tunnels fell into disuse after the collapse of the USSR and the base was inherited by the newly formed Ukrainian Navy. Although some small warships were present from time to time, the base was largely forgotten. And, after years of abandonment, the submarine tunnels were turned into a museum. An old Romeo class submarine, S-49, was added in 2021.
https://www.navalnews.com/naval-news/202...balaklava/
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@Schneemann
Die Bemerkung hinsichtlich des Bürgerkrieges zielte lediglich darauf ab, dass der Amerikanische Bürgerkrieg vor allem in seiner späteren Phase schon eine Vorschattung des Triumphes der Defensive im Ersten Weltkrieg gewesen ist. Der springende Punkt jedenfalls, ein Vergleich des strategischen Wertes von Befestigungen der napoleonischen Ära (oder noch früher) ist wenig belastbar, weil die evolutionäre Entwicklungsschritte der Landkriegsführung ausgehend von der Endphase des Ersten Weltkriegs machte zur grundlegenden Paradigmenwechseln geführt haben.
Die dann aber halt bis in die heutige Zeit ihre Gültigkeit haben, weshalb ein Blick bis zum ersten Weltkrieg zurück lohnt, noch weiter in die Vergangenheit allerdings nicht. IMO
@Quintus Fabius
Zitat:Zunächst müsste ich hinterfragen, was genau du mit einer strategischen Linie meinst ?!
Das ist wohl tatsächlich die Gretchenfrage hier, wir liegen ansonsten garnicht so weit auseinander.
Strategische Linien wären hier raumgreifende Befestigungsanlagen, die nicht unter taktischen Geschichtspunkten oder taktisch-operative Gesichtspunkten errichtet wurden, sondern zum Ziel haben die strategische oder strategisch-operative Kriegsführung des Gegners im eigenen Sinne zu beeinflussen. Wechselwirkungen natürlich inbegriffen.
Oder einfach und plakativ ausgedrückt: Linien sind gedacht Armeen aufzuhalten, aufzureiben, umzulenken, zu verzögern… Befestigte Punkte sind dagegen das Problem des örtlichen Bataillonskommandanten. Relevant vor Ort, aber nicht in einem größeren operativen oder strategischen Kontext.
Zur Frage ob Linien als nicht überwindbar galten – sicherlich nicht, sonst, so würde man annehmen, hätte man schwerlich versucht sich zu überwinden. Allerdings bezeugt das Erstarren der Westfront in den strategischen Befestigungen im ersten Weltkrieg eben davon, dass sie mit den damaligen Mitteln und Fähigkeiten für eine kurze Zeit ‚dem Höhepunkt der Überlegenheit der Defenive‘ nicht (oder meinetwegen nicht mit strategisch akzeptablen Verlusten) überwindbar gewesen sind.
Mit der dem Erstarren der Front resultierenden und schon in der Endphase des ersten Weltkriegs umgesetzten Evolution der Landkriegsführung wurde das Primat der Defensive aber bereits wieder überwunden. Und das ist der Stand, nach meiner Auffassung bis heute.
Was auch daran liegt, dass seitdem der Panzer als Element der Offensivkriegsführung in seinen Grundsätzen in spätestens den dreißiger Jahren verstanden wurde nichts mehr Grundsätzliches an der Landkriegsführung geändert hat. Das wäre aber ein anders Thema.
Jedenfalls, der beginnend mit der Landkriegsevolution des ersten Weltkriegs möglichen Konzentration von Feuerkraft gepaart mit den Ein- und Durchbruchfähigkeiten der Panzerwaffe kann keine raumgreifende Befestigung standhalten. Heute haben wir vielleicht noch das Sturmgeschütz in seiner engeren Einsatzphilosophie durch Luftnahunterstützung ersetzt, aber im Wesentlichen ist es beim dem Geblieben was John Monarch im Sommer im Juli 1918 bei Hamel an der Somme erfolgreich demonstrieren konnte.
Oder beispielhafter formuliert: Es gab auch dieseits der Atombombe im Kalten Krieg gute Gründe, an der Innendeutschen Grenze keinen Ostwall zu errichten und bei der beweglichen Verteidigung zu bleiben.
In diesem Sinne, ich würde mich der These, dass heutzutage wieder die Defensive regiert nicht zwingend anschließen wollen. Andererseits würde ich der These, dass in einem fiktiven Großkonflikt in den Neunziger und meinetwegen auch den Nuller-Jahren die Defensive regiert hätte, wenn es damals zu größeren symmetrischen Auseinandersetzungen gekommen wäre, nicht unbedingt wiedersprechen wollen.
Der Grund hierfür wäre in erster Linie der Verbreitung leistungsfähiger Panzerabwehrwaffen gewesen, mit denen in Weitesten Sinne eingegrabene Infanterie in viel effektiven Maße als früher gegen konzentrierte Panzerkräfte hätte wirken können.
Nur der Springende Punkt – wie wären heutzutage durch die Verwendung Aktiver Schutzsysteme bereits wieder einen evolutionären Schritt weiter, genau genommen ließe sich gar die These aufstellen, dass wir mit modernen Waffenplattformen, enormer Steigerung der Luftnahunterstützung und sich exponentiell entwickelnden Aufklärungsmöglichkeiten vor einem Primat der Offensive stehen.
Das sehen wir aber in der Ukraine natürlich nicht, weil die russische Armee technisch irgendwo in den Siebzigern verblieben ist und im operativen Handeln geradezu degeneriert ist.
Am ehesten vielleicht noch bei den jüngeren Ausflügen der Israelis, wobei die Übertragbarkeit dieser Kleinskriege immer sehr relativ ist.
Deshalb noch ein Wort zum aktuellen Krieg, ich sehe da gegenüber Donezk nichts was auch nur in Ansätzen geeignet sein sollte in einem modernen Bewegungskrieg auch nur Wochen auszuhalten. Gräben können mit konzentrierten Panzerangriffen buchstäblich überrollt werden. Bunkeranlagen leicht zerstört werden, sei es durch direkten, gezielten Beschuss, Luftnahunterstützung oder moderner, zielgenauer Artillerie. Es gibt für mich auch nach sechs Monaten Krieg keine einleuchtende Erklärung dafür, warum die russische Armee diese Grabenstellungen nicht einfach lokal aufgerissen und anschließend in der Tiefe in den rückwärtigen Raum gebrochen ist – außer das man es nie ernsthaft versuchte, weil diese Bataillonsrumpfverbände zu zusammenhängenden Operationen nicht in der Lage sind.
Insofern fällt es mir auch schwer, diesen Befestigungssystemen einen höheren strategischen Wert zuzuschreiben. Der Feind hat sie umgangen und man hätte sie russischerseits im Prinzip auch vollständig ignorieren können (wie du ja auch beschreibst). Das man sich auf das Spiel der Ukrainer einlässt ist kein Argument für Befestigungsanlagen sondern für die Lehrunfähigkeit /willigkeit der russischen Führung.
Auf die Dummheit des Gegenübers zu setzen ist aber grundsätzlich kein vernünftiger Ansatz. Insofern in Falle der Ukraine – Glück gehabt, dass man jetzt was davon hate.
Zitat:Kein Befestigungssystem konnte jemals einen Feind in seiner operativ-strategischen Bewegung nachhaltig stoppen.
Da das eigentlich der ganze Inhalt meiner überspitzte Aussage mit einem tollen Patton-Zitat (*sigh*) gewesen ist, können wir die Diskussion an dieser Stelle auch beenden ,)
Natürlich ist der Wirkungsbegriff bei strategische Linien weiter zu fassen als das bloße Stoppen des Gegners, da gar kein Widerspruch.
Nur scheinen mir die Erbauern derartiger Linien regelmäßig der verqueren Vorstellung anheim zu fallen, dass der Feind sich doch bitte auch genau so verhalten möge das es dem beabsichtigten Nutzen dieser Linien entspricht. Das dann schon die Schaffung solcher Linien gerne dazu führt, dass das Gegenüber selbst das Denken anfängt und sich anpasst, scheint mir viel zu oft eine zu hohe Vorstellung gewesen zu sein.
Auch wenn der russischen Führung im aktuellen Fallbeispiel in weiten Teilen jedes operative Denken verlustig gegangen ist.
Zitat: Aber dessen völlig ungeachtet, wäre die Hisbollah ohne die von ihr angelegten Befestigungsanlagen weitgehend vernichtet worden.
Eben das sehe ich so nicht. Relatives Ungleichgewicht hin oder her, der Libanonkrieg erreichte sozusagen nie das Niveau einer primär militärischen Auseinandersetzung sondern wurde von Politik und (!) Generalität unter sehr eingeengten politischen Vorstellungen betrachtet und geführt.
Dies führte unter anderem zu einer weitgehenden operativen Ratlosigkeit (abgesehen vielleicht von der letzten Kriegswoche) und einem Unwillen Kampf auf- sowie Verluste hinzunehmen.
Damit wäre der Ausgang ohne Befestigungsanlagen sehr ähnlich gewesen. Natürlich hätte die Israelischen Einheiten den Hisbollah-Kämpfern so höhere Verluste zufügen können, da die politische und militärische Führung aber kein Konzept, keine Zeit und keinen Willen hatte den Konflikt auszukämpfen wäre noch jede Offensive lange vor dem Erreichen militärischer Ziele abgebrochen und in einen Waffenstillstand übergeführt worden.
Oder anders gesagt: Nachdem man in den Krieg stolperte führte man ihn um einen günstigen Waffenstillstand zu erreichen und um politisch an der Heimatfront einigermaßen ungeschoren davonzukommen. Die militärische Situation und der Nutzen irgendwelcher Befestigungen spielte eine deutlich nachrangige Rolle, man scheiterte an der eigenen Erwartungshaltung im Prinzip schon bevor der erste Schuss gefallen war.
Heute würde ein dritter Libanonkrieg sehr anders ablaufen, schon allein und vor allen Dingen weil sich Politik und Bevölkerung der Situation viel besser bewusst sind und die Erwartungen ganz andere sind. (Und natürlich weil die Panzer aktive Schutzsysteme haben und die PALRs der Hisbollah kein Faktor mehr sind )
Zitat: Eine bewegliche Kriegsführung gegen einen Feind der eine extrem überlegene Artillerie besitzt und der hochgradig mechanisiert ist, macht keinen Sinn, weil sie einfach zu risikoreich ist.
Streiche beweglich setze symmetrisch.
Der Ansatz anstatt auf die starre, befestige Linie (mit natürlich auch gewisser Tiefe, versteht sich von selbst) und stattdessen auf eine verdichtende Verteidigung in Räumen mit erheblicher Tiefe zu setzen ist genau das worauf man als Gegenentwurf zur Linie vernünftigerweise auch heutzutage setzt.
Tatsächlich existierten diese Ideen schon im ersten Weltkrieg (jenseits von: wir ziehen hinter dem ersten Graben einen zweiten) und man wäre in der Endphase des Krieges auch deutscherseits von den Linien in der Verteidigung wieder abgekommen. Der Krieg war aber vorbei bevor sich diese Evolution in der Verteidigung hat etablieren können. Herfried Münkler hat das mal irgendwo schön herausgearbeitet, ich finde den Vortrag aber auf die Schnelle nicht. Egal.
Verteidigung in Räumen ist jetzt nicht viel mehr als das klassische Verzögerungsgefecht bei dem halt der Bunker durch den Panzer als beweglichen Bunker ersetzt wurde. Beziehungsweise abhängig von Räumen und Möglichkeiten variieren die Mittel - auf dem Golan war es halt der massive Einsatz gepanzerter Kräfte, in baltischen Wäldern mag es die leichte Infanterie im Jagdkampf sein.
Ich würde auch argumentieren, dass gerade im Ukrainekriege jenseits der Veranstaltung vor Donzek die verzögernde Verteidigung in Räumen durch die ukrainische Armee in Teilen eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde. Und gleichzeitig stellt auch der Ansatz der Hisbollah im Libanonkrieg viel eher eine Verzögerung im Raum dar als ein Festhalten an Linien. Wenn man sich dem Libanonkrieg aus dieser rein militärischen Sicht überhaupt nähern will, der Konflikt war in dieser Beziehung wie herausgearbeitet vorbei, bevor es in dieser Beziehung interessant wurde.
Insgesamt, ich fürchte auch hier wieder eher eine Diskussion um Spitzfindigkeiten in der Formulierung als ein tiefergehender inhaltlicher Dissens.
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Zitat:Allerdings bezeugt das Erstarren der Westfront in den strategischen Befestigungen im ersten Weltkrieg eben davon, dass sie mit den damaligen Mitteln und Fähigkeiten für eine kurze Zeit ‚dem Höhepunkt der Überlegenheit der Defenive‘ nicht (oder meinetwegen nicht mit strategisch akzeptablen Verlusten) überwindbar gewesen sind.
Mit der dem Erstarren der Front resultierenden und schon in der Endphase des ersten Weltkriegs umgesetzten Evolution der Landkriegsführung wurde das Primat der Defensive aber bereits wieder überwunden. Und das ist der Stand, nach meiner Auffassung bis heute.
Was auch daran liegt, dass seitdem der Panzer als Element der Offensivkriegsführung in seinen Grundsätzen in spätestens den dreißiger Jahren verstanden wurde nichts mehr Grundsätzliches an der Landkriegsführung geändert hat. Das wäre aber ein anders Thema.
Meiner Ansicht nach nicht. Denn wie soll man klären warum jeweils scheinbar ein Primat der Defensive bestand oder warum dieses "überwunden" wurde, wenn man solche Faktoren außen vor lässt?
Meiner Ansicht nach wird der Panzer im 1WK als Mittel heillos überschätzt und kam der Bewegungskrieg eben nicht aufgrund des Panzers zurück, sondern weil man begann die Infanterie anders einzusetzen und weil man erfolgreich in großem Stil auf Infiltrationstaktiken zurück griff. Zum Ende hin kamen auch die ersten Gedanken zu wirklich großen Luftlandungen auf um so die Front unmittelbar zu überwinden. Es gab entsprechende Pläne der Alliierten der Umgehung durch die Luft.
Die Panzer hingegen waren im Vergleich dagegen wenig wirksam. Das Erstarren der Westfront (die Ostfront erstarte ja eben nicht) zeigt nun meiner Auffassung eben nicht einen Höhepunkt des Primat der Defensive, bzw. den Höhepunkt der Defensive, sondern sie resultierte aus einem ganzen Faktorenbündel heraus. Meiner Überzeugung nach wird ganz allgemein diese Idee, dass jeweils technologisch bedingt die Offensive oder die Defensive stärker sind sehr stark überhöht. Stephen Biddle hat in seinem Buch Military Power mit blanken Zahlen sehr klar dargelegt, dass dieser scheinbare Zusammenhang einer genaueren Überprüfung nicht standhält.
Oder kurz und einfach: meiner Meinung nach überschätzt du für diese Frage die Technologie als Faktor (auch wenn sie zweifelsohne wichtig ist). Deine Auffassungen machen daher auf mich den Eindruck, dass sie zu sehr von der Entwicklung der Militärtechnologie geprägt sind. Das kann natürlich jetzt leicht auch ein falscher Eindruck sein.
Zitat:Jedenfalls, der beginnend mit der Landkriegsevolution des ersten Weltkriegs möglichen Konzentration von Feuerkraft gepaart mit den Ein- und Durchbruchfähigkeiten der Panzerwaffe kann keine raumgreifende Befestigung standhalten.
Könnte sie schon. Ich verwies explizit auf eine ganze Reihe von Werken die sehr detailliert darstellen wie das vonstatten gehen könnte. In einer Netzartigen Verteidigung wäre es möglich, ganze Panzerarmeen in diesem Netz sich verfangen und verbluten zu lassen. Aber um bei schnöden Linien zu bleiben: selbst die Maginot Linie wäre frontal durch Panzerwaffe und Artillerie nicht zu durchbrechen gewesen, sie musste entsprechend umgangen werden !
Zitat:Oder beispielhafter formuliert: Es gab auch dieseits der Atombombe im Kalten Krieg gute Gründe, an der Innendeutschen Grenze keinen Ostwall zu errichten und bei der beweglichen Verteidigung zu bleiben.
Genau genommen war die NATO Strategie der Vorwärtsverteidigung gar nicht so beweglich wie es hier den Anschein haben mag, oder allenfalls dahingehend beweglich, als dass man sich bewegend nach vorne in feindliches Gebiet hinein vorstoßen wolle.
Zuvorderst aber war die Entscheidung gegen einen "Ostwall" eine politische, und eine der Strukturextrapolierung. Wehrmachtsoffiziere versuchten hier ein "Making Yesterday perfect", nicht mehr und nicht weniger. Entsprechend wollte man 12 mechanisierte Divisionen, und eigentlich noch viel mehr mechanisierte Großkampfverbände, weshalb man die 12 Divisionen dann entsprechend mit mechanisierten Brigaden überfrachtete, als de facto Mini-Divisionen (im übrigen auf einen Vorschlag Guderians hin). Und auch das wieder vor allem anderen aus rein politischen Gründen und nicht weil es militärisch das sinnvollste gewesen wäre.
Sowohl in Frankreich, wie auch bei einigen wenigen anderen deutschen Denkern gab es aber auch ganz andere Konzepte und Ideen hierzu: siehe Afheldt, siehe Guy Brossollet.
Nur der Springende Punkt – wie wären heutzutage durch die Verwendung Aktiver Schutzsysteme bereits wieder einen evolutionären Schritt weiter, genau genommen ließe sich gar die These aufstellen, dass wir mit modernen Waffenplattformen, enormer Steigerung der Luftnahunterstützung und sich exponentiell entwickelnden Aufklärungsmöglichkeiten vor einem Primat der Offensive stehen.
Um das nochmal zu betonen: meiner Meinung nach überbetonst du diese Frage, ob Defensive oder Offensive das Primat haben. Ich spreche dieser Betrachtung rein persönlich gar nicht so die Wichtigkeit zu, sondern sehe sie als eine Art Nebenkriegsschauplatz.
Mein Argument für ein Primat der Defensive heute ist der Kampf um die Aufklärung. Es spielt gar keine Rolle ob man abstandsaktive Schutzssysteme hat, die man in einem wirklich ernsthaften konventionellen Krieg so gar nicht ausreichend im Dienst einsatzfähig halten kann (Abnutzung) oder ob die Luftnahunterstützung so immens geworden ist, sondern die primäre Frage vor allem anderen ist der aktive Kampf um die Frage wer die Hoheit in der Aufklärung gewinnt. Wer den anderen aufklärt, aber nicht selbst aufgeklärt wird, der gewinnt querschnittlich, so einfachst ist das.
Nun hat aber derjenige welcher sich in der Defensive befindet meiner Auffassung nach erhebliche Vorteile in diesem Kampf um die Aufklärung. Die Überlegenheit der Defensive (als Frage die ich aber eben nicht überbewerten würde) ergibt sich daher meiner Auffassung nach vor allem aus diesen Vorteilen des Verteidigers in der Aufklärung und in der Bekämpfung der feindlichen Aufklärung.
Zitat:Das sehen wir aber in der Ukraine natürlich nicht, weil die russische Armee technisch irgendwo in den Siebzigern verblieben ist und im operativen Handeln geradezu degeneriert ist.
Deshalb noch ein Wort zum aktuellen Krieg, ich sehe da gegenüber Donezk nichts was auch nur in Ansätzen geeignet sein sollte in einem modernen Bewegungskrieg auch nur Wochen auszuhalten.
Ich schrieb ja explizit, dass man den aktuellen Krieg nicht überbewerten darf und dass man vor allem nicht anfangen sollte daraus zu weitgehend Schlußfolgerungen für einen selbst ziehen zu wollen, und dass die Erkenntnisse dieses Krieges nur bedingt übertragbar sind, dennoch:
Zitat:Gräben können mit konzentrierten Panzerangriffen buchstäblich überrollt werden. Bunkeranlagen leicht zerstört werden, sei es durch direkten, gezielten Beschuss, Luftnahunterstützung oder moderner, zielgenauer Artillerie.
Du selbst schreibst ja schon explizit, dass dies Wochen dauern könnte. Und genau in dieser Zeit tobt der Kampf um die Aufklärung, und wenn der Verteidiger diesen gewinnt, wird das Überrollen der Gräben und dass passiseren der Bunkeranlagen eben nichts anderes als zu einem Schlachtfest dem der Angreifer zum Opfer fällt. Der Wert strategischer Linien liegt daher vor allem auch darin, eine gewisse Verzögerung sicher zu stellen, welche die Vorteile welche der Verteidiger im Kampf um die Aufklärung ohnehin genießt noch verstärkt.
Und um das nochmal zu betonen: du denkst hier meiner Meinung nach zu linear. Moderne strategische Linien haben eher den Charakter eines Netzes in einem Raum und nicht den einer Linie.
Zitat:Nur scheinen mir die Erbauern derartiger Linien regelmäßig der verqueren Vorstellung anheim zu fallen, dass der Feind sich doch bitte auch genau so verhalten möge das es dem beabsichtigten Nutzen dieser Linien entspricht.
Dann ist aber der erhebliche Nutzen dieser Linien eben falsch bzw. fehlinterpretiert. Verquere Vorstellungen davon was der Nutzen eigentlich ist, ändern aber doch nichts an diesem selbst.
Zitat:Zitat:Kein Befestigungssystem konnte jemals einen Feind in seiner operativ-strategischen Bewegung nachhaltig stoppen.
Da das eigentlich der ganze Inhalt meiner überspitzte Aussage mit einem tollen Patton-Zitat (*sigh*) gewesen ist, können wir die Diskussion an dieser Stelle auch beenden ,)
Das war jetzt nicht ganz glücklich von mir formuliert. Da ich jede Art von Axiomen im Krieg ablehne, bin ich der Überzeugung, dass solche strategischen Befestigungssysteme durchaus die Niederlage des Feindes herbei führen können, bzw. einleiten können. Und es kann natürlich auch sein, dass der Feind sie nicht überwinden kann, aus welchen Gründen auch immer. Das Patton Zitat (eines alten Kavalleristen) reicht aber weiter als über die Frage ob strategische Befestigungen einen Gegner tatsächlich komplett stoppen können hinaus:
Zitat:Fixed fortifications are monuments to man’s stupidity. If mountain ranges and oceans can be overcome, anything made by man can be overcome.
Sie sind eben nicht zwingend ein Monument für menschliche Dummheit. Und dass etwas (theoretisch !) überwunden werden kann, heißt eben nicht, dass es zwingend überwunden werden wird. Theoretisch können heißt nicht praktisch real tun.
Zitat:Oder anders gesagt: Nachdem man in den Krieg stolperte führte man ihn um einen günstigen Waffenstillstand zu erreichen und um politisch an der Heimatfront einigermaßen ungeschoren davonzukommen. Die militärische Situation und der Nutzen irgendwelcher Befestigungen spielte eine deutlich nachrangige Rolle, man scheiterte an der eigenen Erwartungshaltung im Prinzip schon bevor der erste Schuss gefallen war.
Dem kann ich zustimmen. Der Libanonkrieg war von mir kein gut gewähltes Beispiel.
Zitat:Heute würde ein dritter Libanonkrieg sehr anders ablaufen..... weil die Panzer aktive Schutzsysteme haben und die PALRs der Hisbollah kein Faktor mehr sind
Meiner Meinung nach überhöhst du den Wert abstandsaktiver Schutzmaßnahmen. Diese lassen sich meiner Meinung in einem ernsthaften Krieg nicht in dem notwendigen Maße aufrecht erhalten - vereinfacht gesagt fehlt ihnen die Durchhaltefähigkeit in einem ernsthaften Krieg. Spezifisch in Bezug auf einen Krieg im Libanone gegen die Hisbollah stimme ich dir zwar zu, aber ich würde diese Aussage eben nicht verallgemeinern wollen.
Zitat:Der Ansatz anstatt auf die starre, befestige Linie (mit natürlich auch gewisser Tiefe, versteht sich von selbst) und stattdessen auf eine verdichtende Verteidigung in Räumen mit erheblicher Tiefe zu setzen ist genau das worauf man als Gegenentwurf zur Linie vernünftigerweise auch heutzutage setzt.
Das primäre Problem scheint hier unser unterschiedliches Verständnis davon zu sein, was eine Linie ist. Es entsteht für mich der Eindruck, dass du darunter ein durchgehendes miteinander verbundenes "Grabensystem", also eine Linie von direkt miteinander verbundenen Festungen verstehst, während ich diesen Begriff weiter fasse und auch weiter definiere. Deshalb ist für mich eine strategische Linie auch in der Form eines sich verdichtenden Netzes gegeben. Dieses ist meiner Ansicht nach ebenso eine strategische Linie.
Zitat:Verteidigung in Räumen ist jetzt nicht viel mehr als das klassische Verzögerungsgefecht
Das teile ich in einer solchen Aussschließlichkeit nicht. Zwischen dem was beispielsweise Afheldt hier an Konzepten entwickelte und einem klassischen Verzögerungsgefecht liegen Welten. Ein primärer Unterschied ob eine Verteidigung in einem Raum eine strategische Linie darstellt, oder ob sie eine Verzögerung darstellt liegt meiner Auffassung nach darin, wie dieser Raum militärisch gestaltet wird und was für Einheiten in diesem Raum mit welchem Ziel kämpfen. Die Zielsetzung ist hier verschieden:
Die Verzögerung hat andere Ziele. Sie versucht eben nicht eine Entscheidung herbei zu führen, sondern sie soll die Voraussetzungen für einen Gegenangriff schaffen, oder sie soll die Voraussetzungen für eine Entscheidung herbei führen.
Hingegen ist die Verteidigung eines Raumes als strategische Linie daraufhin ausgerichtet, die Entscheidung herbei zu führen.
So weit meine Definition davon, darin sehe ich den primären Unterschied.
Verzögerung = Keine Entscheidung; stattdessen Voraussetzungen für anderes schaffen
Strategische Linie = Herbeiführung einer Entscheidung durch die Verteidigung im Raum selbst
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Um die wesentlichen Punkte aus dem von mir zu spät nächtens verfassten Sermon vielleicht noch etwas klarer und kürzer zusammen zu fassen:
Zusammenfassung:
1. Es gibt zwar je nach den Umständen ein Primat der Defensive oder der Offensive, aber dieses ist kein so wesentlicher Faktor im Vergleich mit anderen Umständen. Auch in scheinbar extremen Fällen wie dem 1WK nicht.
2. Eine strategische Linie ist eigentlich ein Gebirgszug, ein großer Fluss mit angrenzendem von ihm beeinflussten Gelände, ein umfangreiches Waldgelände. Man könnte daher ein ausgedehntes Befestigungssystem durchaus auch eine strategische Linie nennen (und damit analog zu den genannten Geländehindernissen benennen, welche Patton ja auch explizit nennt); rein persönlich bevorzuge ich für das was du unter einer solchen Linie definiert hast jedoch den Begriff einer strategischen Befestigung.
3. Eine „strategische Linie“ ist daher auch immer ein Raum. Sie hat immer eine Tiefe und muss auch eine solche haben. Allein schon daraus handelt es sich bei der aktuellen russischen „Befestigungs“-Linie eben nicht um eine wirkliche „strategische Linie“. Dafür fehlt dieser Karikatur einer Befestigung jedwede Tiefe.
4. Wenn man nun einen Raum verteidigt, so gibt es dafür unterschiedliche Konzepte, und nicht alle entsprechen der Verzögerung. Ich weiß schon, dass gerade bei der Bundeswehr sehr viel unter Verzögerung subsumiert wird, aber auch wenn jede Verzögerung eine Art der Raumverteidigung ist, so ist nicht jede Raumverteidigung eine Verzögerung.
5. Den primären Unterschied sehe ich darin, dass eine strategische Befestigung das Ziel hat eine strategische Entscheidung herbei zu führen, während eine Verzögerung eben keine Entscheidung herbei führen soll.
6. Nur weil jede strategische Befestigung theoretisch durchbrochen werden kann, bedeutet dass nicht, dass sie damit wertlos ist, oder sinnlos ist, oder ein Monument menschlicher Dummheit etc. Die Frage ob eine „strategische Linie“ Sinn macht oder nicht hängt davon ab, ob sie ihren Zweck erfüllte, nämlich eine strategische Entscheidung herbei zu führen. Dafür ist es unerheblich ob sie langfristig gesehen gehalten werden kann oder nicht.
7. Nicht jede strategische Befestigung kann real praktisch durchbrochen werden, nur weil man es theoretisch könnte.
Fallbeispiel Baltikum:
Und beschließend noch zu einer praktischen Überlegung diesbezüglich: meiner Überzeugung nach wäre es sinnvoll das Baltikum mit einer solchen strategischen Befestigung zu schützen. Dies würde sowohl einen überraschenden russischen Zugriff verhindern, als auch analog zu einer Verzögerung Zeit gewinnen, als auch es verhindern, dass zu große Anteile der baltischen Zivilbevölkerung den Russen de facto als Geißeln in die Hände fallen.
Rein persönlich glaube ich an die Machbarkeit einer strategischen Befestigung des Baltikums, welche es ermöglichen würde die Russen so weit zu verlangsamen und „draußen zu halten“, bis Verstärkungen und weitere Truppen und Luftwaffeneinheiten vor Ort zur Wirkung kommen. Für eine bloße Verzögerung ist der Raum dort meiner Meinung nach ungeeignet und sind die Wehrstrukturen vor Ort anfangs ungenügend und das bewusste Räumen unter Abnutzung des Gegners führt eben dazu, dass die Russen baltische Zivilbevölkerung in ihre Hände kriegen würden und sich auf baltischem Gebiet dann eingraben könnten.
Eine solche auf eine extreme Defensive ausgerichtete Vorwärtsverteidigung wäre zudem keine offensive Bedrohung für die russische Föderation und würde daher weniger Spannungen nach sich ziehen als ein fortwährend im Baltikum stehendes Offensivpotential (was sowohl für eine zunächst erfolgende Verzögerung, als auch für die dann notwendigen Gegenangriffe in jedem Fall vorgehalten werden müsste).
Noch darüber hinaus wäre eine solche strategische Befestigung weniger anfällig für einen überraschenden Erstschlag. Und sie könnte sogar kostengünstiger sein als äquivalent wirkende mechanisierte Großkampfverbände welche hier zunächst Verzögern sollen. Das würde aber natürlich im Baltikum ganz andere Wehrstrukturen, eine vollständig andere Ausrichtung und eine andere Doktrin erfordern. Davon sind wir weit weg. Aus diesen Gründen kritisiere ich ja auch seit Jahren was da im Baltikum getan wird, beispielsweise den Kauf von GTK Boxer durch baltische Streitkräfte.
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@Nightwatch
Zitat:Die Bemerkung hinsichtlich des Bürgerkrieges zielte lediglich darauf ab, dass der Amerikanische Bürgerkrieg vor allem in seiner späteren Phase schon eine Vorschattung des Triumphes der Defensive im Ersten Weltkrieg gewesen ist. Der springende Punkt jedenfalls, ein Vergleich des strategischen Wertes von Befestigungen der napoleonischen Ära (oder noch früher) ist wenig belastbar, weil die evolutionäre Entwicklungsschritte der Landkriegsführung ausgehend von der Endphase des Ersten Weltkriegs machte zur grundlegenden Paradigmenwechseln geführt haben.
Die dann aber halt bis in die heutige Zeit ihre Gültigkeit haben, weshalb ein Blick bis zum ersten Weltkrieg zurück lohnt, noch weiter in die Vergangenheit allerdings nicht. IMO
Danke für die Klarstellung und Eingrenzung, damit haben wir die Rahmenparameter schon klarer definiert.
Indessen jedoch: Wenn wir bis zum Ersten Weltkrieg zurückgehen, so haben wir nicht nur die Abgrenzung, sondern können auch Bsp. sammeln, die Festungslinien nicht immer als "sinnlos" oder "überflüssig" erscheinen lassen, sondern die auch belegen, dass solche Linien durchaus einen Nutzen hatten.
Ein interessantes Beispiel dazu ist die sog. XYZ-Linie aus der Zeit des spanischen Bürgerkrieges. Im Jahr 1938 rannten die Nationalisten mit deutlicher Übermacht, vor allem an Artillerie, Panzern und Flugzeugen, gegen diese Linie an. Der Angriff scheiterte, wobei die Angreifer etwa viermal so hohe Verluste erlitten (zur Info: https://en.wikipedia.org/wiki/XYZ_Line).
Der hervorzuhebende Aspekt dabei ist - das würde auch Quintus' These der netzartigen Anlage von Defensivlinien stützen -, dass diese Linie keine schwer befestigte Linie aus Betonbunkern, Tunneln und gepanzerten Artilleriekuppeln war (zum Bau einer solchen Verteidigungsanlage hatten die Republikaner auch gar keine Zeit, geschweige denn die notwendigen Ressourcen), sondern es war quasi ein in die Tiefe ausgreifendes Netz aus recht einfach gehaltenen Feldbefestigungen - die damaligen spanischen Soldaten waren in ihrer Mentalität mehrheitlich auch keine großen Freunde des Verschanzens (was z. T. erhebliche Verluste in früheren Kämpfen des Bürgerkrieges mit sich gebracht hatte) -, das zumeist aus MG-Nestern, leichten Geschützen und Minenriegeln bestand. Zudem wurde diese Linie gut eingefügt in die dortige, durchaus sehr bergige Topographie (Maestrazgo, nördlich Valencia). Kurzum: Die nationalistische Feuerkraft verpuffte und die Linie hielt...
@Quintus
Zitat:Aber um bei schnöden Linien zu bleiben: selbst die Maginot Linie wäre frontal durch Panzerwaffe und Artillerie nicht zu durchbrechen gewesen, sie musste entsprechend umgangen werden !
Das Thema Maginot-Linie hatten wir ja schon mal besprochen. Die Frage wäre aber hier: Wäre die Linie wirklich mit Panzern und Artillerie nicht zu durchbrechen gewesen? Oder aber hat man sie deswegen umgangen, weil der Durchbruch zu zeitintensiv gewesen wäre, was dann wiederum den deutschen Zeitplan beim Sichelschnitt durch Belgien gen Ärmelkanal schlicht durcheinander gebracht hätte?
Insofern: Ich denke, man hätte die Linie durchaus durchbrechen können, die Mittel dazu hätte man zweifelsohne gehabt, aber da dieses Vorhaben dann vermutlich rund ein bis zwei Wochen gedauert hätte, was dann wiederum einen "Rattenschwanz" von anderen, der eigenen Strategie entgegen wirkenden Entwicklungen (bis hin zu Umgruppierungen beim Gegner und der Heranführung von Ersatzkräften) bedingt hätte, hat man den rascheren Weg des Umgehens gewählt.
Schneemann
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Über das wachsende Übermaß an Führung - welches ja nicht nur die Bundeswehr betrifft, sondern in fast allen westlichen Streitkräften zu einem Problem geworden ist, hier mal am Fallbeispiel der USA:
https://www.mikesdefensetalk.com/post/90...ectiveness
Zitat:during World War II, ....the United States had 1,360, including 21 four-stars, in charge of roughly 12 million men and 350,000 women, more than 7,000 ships, nearly 300,000 airplanes, 86,000 tanks, 650,000 jeeps, etc., ....This worked out to each general or admiral commanding just more than 9,000 service personnel and each four-star commanding 571,000.
Zitat: In sharp contrast, today’s military has 1.3 million active-duty personnel, fewer than 300 combat-ready Navy warships, 42 auxiliary ships, just more than 13,000 aircraft, and far fewer than 8,000 battle-ready tanks. This works out to each general/admiral commanding 1,440 service personnel, and each four-star officer commands an average of 31,700 service personnel.
Zitat:Diving in a bit deeper, at the start of World War II, there was 1 officer for every 13 enlisted personnel.
Today, commissioned officers make up 18 percent of the armed forces, or about 1 officer for every 5 to 6 enlisted personnel.
Aber es ist eben nicht nur die bloße Anzahl der Offiziere, dass ganze reicht noch wesentlich tiefer. Buchempfehlung in genau diesem Kontext:
https://www.amazon.de/Something-Rotten-L...1912440326
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Über die Frage was die Robotorisierung der Kriegsführung für Nebeneffekt und Rebound-Phänomene erzeugen kann:
https://warontherocks.com/2024/02/automa...nd-forces/
Zitat:It has become fashionable — in the face of recruitment challenges across Western militaries — for military leaders to assert that the impact of falling troop numbers is mitigated by the declining requirement for mass, owing to the promise offered by robotic and autonomous systems being introduced into the force. The problem with this argument is that, as far as land forces are concerned, it is entirely without evidence to justify it. As I have seen in Ukraine and have observed in other theaters, the introduction of robotic and autonomous systems into the force is liable to increase both the number of people and the diversity of skills necessary within the force.
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