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(10.12.2024, 21:53)Quintus Fabius schrieb: Zitat:(2) Im Sinne des Absatzes 1 bedeutet ‚Angriffshandlung‘ die gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen anderen Staat. Unabhängig von dem Vorliegen einer Kriegserklärung gilt in Übereinstimmung mit der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974 jede der folgenden Handlungen als Angriffshandlung:
Also danach sind im Nahen Osten so ziemlich alle, insbesondere der Iran, eines ‚Verbrechens der Aggression‘ schuldig. Man sollte schon Rechtsnormen nehmen die auch auf den Konflikt anwendbar sind. Das was du zitierst hast ist es meiner Meinung nach nicht bzw. hätte weitreichende Konsequenzen.
Nehmen wir z.B. den Libanon. Der beschiesst Israel regelmässig mit Raketen etc., eine eindeutige Angriffshandlung. Das obig zitierte Recht sieht aber nicht vor, dass es nicht der Staat Libanon ist sondern eine Terrorgruppe die zu allem Überfluss auch noch aus dem Ausland unterstützt wird. Diese Recht passt einfach nicht auf die Situation bzw. wenn man es anwendet muss man sich auch gleich fragen ob man dem Libanon nicht die Staatlichkeit absprechen muss. Er ist schliesslich nicht Herr über sein Territorium. Dazu kann man auch zu dem Schluss kommen, dass der Iran einen Angriffskrieg durch Proxies gegen den Libanon führt, etc. Was von der UN auch irgendwie ignoriert wird...
Das passt einfach nicht.
Israel wird dauernd mit solchen Vorwürfen konfrontiert aber z.B. den Schlächter Assad hat noch niemand vor den internationalen Strafgerichtshof gestellt. Ja, der Westen und Israel misst teils mit zweierlei Mass, aber der Rest im Nahen Osten ist noch deutlich schlimmer. Bei uns können Dinge auch aufgedeckt werden, du kannst dagegen Politik machen und du kannst sogar Leute verklagen. In Syrien, Iran, etc wirst du für so eine Idee zu Tode gefoltert.
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(10.12.2024, 21:53)Quintus Fabius schrieb: Israel argumentiert aber, dass das Syrien mit welchem man Abkommen hatte (Stichwort Vertrag von 1974) nicht mehr existiert und wegen dieser Nicht-Existenz beispielsweise die Pufferzone nicht mehr anerkannt wird, man mit Truppen in diese vordringen darf usw usf
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Islamisten die da jetzt gesiegt haben überhaupt Rechtsnachfolger des Assad-Regimes sind. Ist das Verhältnis noch das gleiche? Mit welchem Recht erklärt dann Israel geltende Verträge für null und nichtig mit der Begründung dass dieses Verhältnis nun ein völlig anderes sei. Es ist erstmal nur eine Übereinkunft, kein völkerrechtlicher Vertrag im engeren Sinne und grundsätzlich hat jedes souveräne Völkerrechtsubjekt das inhärante Recht sich aus Abkommen und Verträgen zurückzuziehen.
Anbsonsten Clausula rebus sic stantibus - mit Art. 62 der Wiener Konventionen erwächst schon aus dem Völkervertragsrecht die Möglichkeit, aus geschlossenen Verträgen auszusteigen wenn sich die Umstände gravierend ändern.
Offensichtlich ist das hier der Fall, es existiert (jedenfalls im Moment) kein Syrischer Staat mit regulären Streitkräften mehr, der das Abkommen einhalten könnte.
(10.12.2024, 21:53)Quintus Fabius schrieb: Darüber hinaus erlaubt ein rein juristischer Kriegszustand nicht nach belieben Jahrzehnte (!) später offen mit militärischer Gewalt zuzuschlagen, nur weil de jure der Krieg nicht beendet wurde.
Nur weil auf dem Papier kein Friedensvertrag geschlossen wurde, gibt dies nicht nach Belieben das Recht den anderen beliebig anzugreifen. Besteht ein Kriegszustand ohne weitere Übereinkommen kann im Rahmen des Kriegsvölkerrechts durchaus nach Belieben angegriffen werden.
Das ist aber eine philopsophische Diskussion, schließlich hat es über die letzten 20 Jahre Kampfhandlungen mit Syrien gegeben. Die Aktion jetzt ist insofern eben keine irgendwie neue besonders zu würdigende Angriffshandlung sondern schlicht eine weitere Volte in einem laufenden zwischenstaatlichen Konflikt.
(10.12.2024, 21:53)Quintus Fabius schrieb: Und bisher hat Israel sich ja auch nie zu den Angriffen in Syrien bekannt, diese waren bis dato immer de jure von einer unbekannten Partei. Das stimmt doch einfach nicht. Die hatten sogar ganz offiziell eine Deconfliction Hotline mit den Russen am Laufen um über Syrien nicht in Konflikt zu geraten.
Daneben haben sie sich über die Jahre mehrmals zu Angriffen auf Infrastruktur der Iraner und der Hezbollah bekannt, hunderte Angriffe während des Bürgerkrieges eiungeräumt, ganz offiziell erklärt den Reaktor bombardiert zu haben etc. Von einer de jure unbekannten Konfliktpartei kann da keine Rede sein.
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In historic campaign across Syria, IDF says it destroyed 80% of Assad regime’s military
https://www.timesofisrael.com/idf-says-i...abilities/
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Laut Berichten hat Israel die syrische Marine sowie viele Waffenlager komplett zerstört und mehrere Luftabwehrsysteme ausgeschaltet.
Ich habe noch nicht weiter recherchiert, aber vermutlich waren "die Marine" maximal einige Raketenschnellboote mit zweifelhafter Einsatzbereitschaft. Israel möchte natürlich vermeiden, daß sowas in die Hände von Islamisten fällt.
Andererseits könnte die systematische Zerstörung der militärischen Infrastruktur Syriens auch irgendwann nach hinten losgehen - ohne solche Infrastruktur dürfte es einer neuen Zentralregierung schwer fallen, widerspenstige Gruppen unter ihre Kontrolle zu bekommen. Und eine neue Zentralregierung wird auf lange Zeit damit beschäftigt sein, ihre Strukturen und (hoffentlich) das Land wieder aufzubauen.
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Ich glaube den Israelis wäre es ganz recht, wenn die neue Zentralregierung widerspenstige Gruppen nicht unter ihre Kontrolle bekommen würde. Schließlich ist ja gerade die Gruppierung, die gerade die Zentralregierung stellt für Israel am problematischsten.
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Kos:
Absolut richtig was du hier schreibst, jedes einzelne Wort. Natürlich sind in dieser Region ALLE schuldig, die einen mehr, die anderen weniger, aber alle gleichermaßen. Deshalb schreibe ich ja gelegentlich, dass das heutige Israel halt auch nur einer dieser orientalischen Gewaltstaaten ist, das formuliere ich schon ganz bewusst so. Und das andere noch schlimmer sind, gar keine Frage.
Auch das ständige legalistische Beharren auf irgendwelche Verklausulierungen um sich selbst damit zu pseudolegitimieren ist ja ebenso typisch für diese Staaten, da geben sich der Iran wie Israel nichts.
Werter Nightwatch:
Zitat:Besteht ein Kriegszustand ohne weitere Übereinkommen kann im Rahmen des Kriegsvölkerrechts durchaus nach Belieben angegriffen werden.
Das ist eine Auffassung, die keineswegs so eindeutig ist wie du es hier darstellst. Dieser Graubereich wird teilweise sehr kontrovers diskutiert. Das wesentlichste aber lässt du meiner Meinung nach außen vor:
Ich schrieb ja ausdrücklich, dass der syrische Staat mit welchem man de jure im Krieg war nicht mehr existiert. Und auch du räumst dies ein und du selbst wie Israel begründen ja den Ausstieg aus der Übereinkunft gerade eben damit, dass der syrische Staat mit welchem man diese hatte nicht mehr existiert.
Erben völlig neue Staaten völkerrechtlich automatisch den De Jure Kriegszustand den ihr Vorgängerstaat vor Jahrzehnten mal hatte und sind damit dem Verbrechen der Aggression beliebig ausgeliefert?! Keineswegs ist das Völkerrecht so gedacht, denn damit wird bereits die Intention der Idee des Verbrechens der Aggression völlig konterkariert.
Zitat:Daneben haben sie sich über die Jahre mehrmals zu Angriffen auf Infrastruktur der Iraner und der Hezbollah bekannt,
Aber üblicherweise nicht zu Angriffen auf die Syrer, und dies nur dann, wenn ohnehin so viele Beweis vorlagen, dass man es nicht leugnen konnte. Der Angriff auf den Reaktor ist ein gutes Beispiel:
Der Reaktor wurde 2007 bombardiert. Aber erst 2018 hat man sich dazu bekannt.
https://www.jpost.com/Israel-News/Liberm...nts-546640
Und was für eine geniale Logik: da Israel seit 20 Jahren völkerrechtswidrig Verbrechen der Aggression gegen Syrien begeht, darf Israel dies nach belieben auch weiterhin tun.
Gegenfrage: wieviele Angriffe der syrischen Regierungstruppen auf Israel gab es in diesen letzten 20 Jahren ?
Ach ja ich vergass: im Jahr 2017 hat Syrien es gewagt mit Boden-Luft Raketen auf israelische Flugzeuge zu schießen die auf dem Weg nach Palmyra waren, was von den Israelis als Aggression gegen Israel bezeichnet wurde.....
Und sicher wirst du da noch ein paar mehr kennen die mir nicht bekannt sind.
Zweifelsohne: ein Nachbarland mit welchem man 1973 Krieg geführt hat, darf man auch 51 (!) Jahre später nach belieben angreifen und kurz und klein schlagen, und dies auch dann, wenn es den Staat der da vor 51 Jahren angegriffen hat gar nicht mehr gibt.
Denn irgendeine beliebige juritische Konstruktion wird man halbgarig dafür schon in den Raum stellen können und überhaupt: Recht ist was der Starke daraus macht und Antisemiten haben so oder so keine Rechte.
Und noch ein kleiner Punkt: die Islamisten der HTS sagen selbst, dass sie die Rechte- und Pflichten des Assad-Regimes nicht übernehmen werden, und betonen die Diskontinuität zum vorherigen Regime. Und noch darüber hinaus sind sie international nicht als Regierung Syriens anerkannt (noch nicht). Allein schon aus dieser Nicht-Anerkennung besteht eine eindeutige Diskontinuität. Und auch nach einer Anerkennung will die HTS die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Assad Regimes nicht übernehmen. Diskontinuität aber bedeutet, dass das neue Syrien sich de jure nicht mehr im Kriegszustand mit Israel befand als das Assad-Regime endete.
Da die Israelis aber umgehend massiv das neue Syrien angegriffen haben, so haben sie einen neuen anderen Staat militärisch angegriffen und damit ein Verbrechen der Aggression begangen. Und dies obwohl Netanyahu maximalst heuchlerisch noch von der Zielsetzung einer friedlichen, guten und stabilen Nachbarschaft gefaselt hat.
Mit dem Ende Assads ist Syrien eine neue rechtliche Einheit, und damit der Kriegszustand von 1973 beendet gewesen. Nun hat Israel diesen Kriegszustand neu eröffent, mit Israel als völkerrechtswidrigem Aggressor.
Nun könnte noch beschließend das Gegenargument kommen, dass Syrien ja hier und jetzt gar kein Staat ist, sondern zersplittert und auch die HTS ja nur einen Teil kontrolliert usw usf. Aber sollte dies der völkerrechtliche Zustand sein (!) dann gilt erst recht nach dem Völkerrecht, dass dann eine Diskontinuität gegeben ist. Ein in mehrere Gruppen / Gebiete zerfallener Staat hat keine Kontinuität zu seinem Vorgänger-Staat per definitionem und auch dann wäre damit der Krieg in diesem Moment zu Ende gewesen, weil das Rechtssubjekt welches in diesem Kriegszustand war aufgehört hat zu existieren.
Wie man es also dreht und wendet, hat das neue Syrien hier und heute keine Rechtsnachfolge zum Assad-Regime und damit war der Krieg gegen Israel beendet, bis er von Israel völkerrechtswidrig neu begonnen worden ist. Nun mit Israel als Aggressor.
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(10.12.2024, 23:28)Quintus Fabius schrieb: Wie man es also dreht und wendet, hat das neue Syrien hier und heute keine Rechtsnachfolge zum Assad-Regime und damit war der Krieg gegen Israel beendet, bis er von Israel völkerrechtswidrig neu begonnen worden ist. Nun mit Israel als Aggressor.
Naja, solange die Revolutionsführer das syrische Territorium nicht aufteilen oder abtreten sondern die Kontrolle darüber ausüben und solange es in den territorialen Grenzen eine (syrische) Bevölkerung gibt, besteht der syrische Staat nach internationalem Recht weiter. Entsprechend sind auch geschlossene Verträge und Abkommen nicht hinfällig. Auch ein begonnener Krieg oder eine Waffenruhe sind mit dem Regimewechsel nicht automatisch beendet.
Israel scheint pragmatisch gehandelt zu haben, ohne auf vorherige Abkommen zu achten. Selbstverständlich ist die Souveränität des syrischen Territoriums dabei verletzt worden.
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Die "Revolutionsführer" kontrollieren aber nur einen Teil von Syrien und nur einen Teil der Bevölkerung. Sie sind weder in Syrien als neue Regierung des Gesamtlandes anerkannt noch ist dies international der Fall.
Der syrische Staat besteht hier und jetzt nicht mehr - folglich erzeugt dies völkerrechtlich eine Diskontinuität.
Allgemein:
Die israelische Strategie zur Aufteilung und Ausschaltung Syriens als Machtfaktor und Bedrohung für Israel folgt eigentlich seit Jahren schon ziemlich exakt dem Yinon Plan, in welchem die aktuelle Entwicklung schon in den frühen 90er Jahren für Syrien explizit vorher gesagt wurde.
Zielsetzung war und ist gerade eben die Fragmentierung und Aufsplitterung der Araber in möglichst viele kleine Mikro-"Nationen" und sonstige Herrschaftsgebiete, um damit die Sicherheit Israels dauerhaft zu gewährleisten.
Deshalb ist es durchaus so wie auch Nightwatch es hier ja schon angerissen hat, dass Israel überhaupt kein Interesse daran hat, dass in Syrien ein neuer Staat entsteht, und die HTS das ganze Land unter Kontrolle kriegt, sondern das soll dort immer so weitergehen, jeder gegen jeden, während alle dort fortwährend schwächer werden.
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(10.12.2024, 23:28)Quintus Fabius schrieb: Wie man es also dreht und wendet, hat das neue Syrien hier und heute keine Rechtsnachfolge zum Assad-Regime und damit war der Krieg gegen Israel beendet, bis er von Israel völkerrechtswidrig neu begonnen worden ist. Nun mit Israel als Aggressor.
Über rechtliche Sachen bei der Auslegung des Völkerrechts kann man sich beliebig streiten, bringt aber eigentlich nichts, da man den anderen quasi nie überzeugen kann.
Ich kann die Vorgehensweise Israels absolut nachvollziehen. Zerstörte Waffen können nicht mehr eingesetzt werden, weder gegen Israel noch gegen die anderen Gruppe in Syrien. Auf der anderen Seite sind Bombardierungen kein guter Start für eine nachbarschaftliche Beziehungen. Ob die Bombardierungen jetzt gut sind oder nicht hängt also von der HTS ab und was die in Zukunft machen. Die HTS sind Islamisten, auch wenn der Anführer sich aktuell moderat gibt. Dazu haben da sehr viele noch offene Rechnungen und die werden in der Gegend normal mit Blut vergolten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das in Syrien gut ausgeht ist gering, wenn doch hat Israel die zukünftige Beziehung belastet aber darüber kann man hinwegkommen. Die zukünftige syrische Regierung wird kaum ein Interesse daran haben sich militärisch mit Israel auseinanderzusetzen wg. der jetzt zerbombten militärischen Ausrüstung und Israel kann ja auch Hilfe anbieten.
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Kos:
Ja natürlich. Von einer rein praktischen Warte aus gesehen ist es natürlich absolut sinnvoll Syrien immer noch weiter zu schwächen, zu verhindern dass ein neuer geeignter syrischer Staat überhaupt entstehen kann und das Gemetzel dort weiter zu schüren damit dort alles immer noch weiter und weiter den Bach runter geht.
Israel hat deshalb in Wahrheit überhaupt keine Interessen an nachbarschaftlichen Beziehungen, sondern Syrien bzw. jedwede Gruppe in Syrien ist weiterhin der Feind und die Zielsetzung weiterhin nur diese Feinde immer weiter zu zersplittern und immer weiter abzunutzen. Deshalb ist das ganze verlogene Geheuchel von Netanjahu eben nur dies, eine Show für den Westen TM um die eigentliche israelische Strategie damit vor dem naiv-kindlichen Westen zu verbergen:
https://www.youtube.com/watch?v=7rAVMUoZWa0
Man könnte dem Yinon Plan folgend sagen, alles läuft nach Plan für Israel. In diesem Kontext mal eine Israel-Kritische Position:
https://www.youtube.com/watch?v=EEzd-quomSU
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(10.12.2024, 23:28)Quintus Fabius schrieb: Das ist eine Auffassung, die keineswegs so eindeutig ist wie du es hier darstellst. Dieser Graubereich wird teilweise sehr kontrovers diskutiert. Man kann alles kontrovers diskutieren. Entscheidend ist aber die Rechtsauffassung der handelnden Völkerrechtssubjekte, nicht die irgendwelcher Rechtsgelehrten, die in das Völkerrecht gerne Agenden hineinlesen wollen die sich daraus garnicht ergeben.
Quintus Fabius schrieb:Ich schrieb ja ausdrücklich, dass der syrische Staat mit welchem man de jure im Krieg war nicht mehr existiert. Und auch du räumst dies ein und du selbst wie Israel begründen ja den Ausstieg aus der Übereinkunft gerade eben damit, dass der syrische Staat mit welchem man diese hatte nicht mehr existiert.
Erben völlig neue Staaten völkerrechtlich automatisch den De Jure Kriegszustand den ihr Vorgängerstaat vor Jahrzehnten mal hatte und sind damit dem Verbrechen der Aggression beliebig ausgeliefert?! Keineswegs ist das Völkerrecht so gedacht, denn damit wird bereits die Intention der Idee des Verbrechens der Aggression völlig konterkariert. Das Völkerrecht ist auch nicht so gedacht, dass Al Quaida nahe Terroristen einen Diktator stürzen. So wie ich die israelische Position verstehe (wenn man ihnen überhaupt eine tiefergehende rechtliche Würdigung unterstellt, was ich nicht zwingend tun würde), argumentieren sie nicht, dass der Staat Syrien nicht mehr existiert, sondern dass durch den Fall des Assad-Regimes eine so grundlegend andere Situation eingetreten ist, dass sie das Abkommen kündigen. Ich hätte da Regime statt Staat schreiben sollen.
Realpolitisch heißt dass, das sie einen Deal mit dem Assad-Clan bezüglich der Entflechtung zwischen syrischen und israelischen Bodenstreitkräften hatten. Jetzt gibt es keinen Assad-Clan und keine regulären syrischen Streitkräfte mehr, die Partner des Abkommens sind weggefallen, die Umstände haben sich entscheidend geändert.
Kriege enden durch diplomatische Übereinkünfte, nicht durch Regimewechsel. Im vorliegenden Fall obliegt es beiden Konfliktparteien diesbezüglich diplomatische Initiativen zu starten. Geschieht dies nicht oder werden die Initiativen ausgeschlagen existiert der Kriegszustand weiter fort.
Quintus Fabius schrieb:Und was für eine geniale Logik: da Israel seit 20 Jahren völkerrechtswidrig Verbrechen der Aggression gegen Syrien begeht, darf Israel dies nach belieben auch weiterhin tun. Die Logik ist schlicht, dass ein Kriegszustand seit 1948 existiert und Israel sich vorbehält gegen Aktivitäten auf syrischen Staatsgebiet vorzugehen wenn seine Sicherheitsinteressen berührt sind.
Assad hatte sich das mit seiner Allianz mit dem Iran unter seiner Unterstützung der Hezbollah und diverser palästinensischer Terrororganisationen selbst zuzuschreiben.
Quintus Fabius schrieb:Gegenfrage: wieviele Angriffe der syrischen Regierungstruppen auf Israel gab es in diesen letzten 20 Jahren ?
Ach ja ich vergass: im Jahr 2017 hat Syrien es gewagt mit Boden-Luft Raketen auf israelische Flugzeuge zu schießen die auf dem Weg nach Palmyra waren, was von den Israelis als Aggression gegen Israel bezeichnet wurde.....
Und sicher wirst du da noch ein paar mehr kennen die mir nicht bekannt sind.
Es gab regelmäßig syrisches Flugabwehrfeuer gegen israelische Jets. Prominent wurde 2018 auch eine F-16I über israelischen Territorium abgeschossen.
Während des syrischen Bürgerkrieges kam es auch zu direkten Auseinandersetzungen zwischen regulären syrischen Streitkräften und der IDF auf dem Golan.
Quintus Fabius schrieb:Zweifelsohne: ein Nachbarland mit welchem man 1973 Krieg geführt hat, darf man auch 51 (!) Jahre später nach belieben angreifen und kurz und klein schlagen, und dies auch dann, wenn es den Staat der da vor 51 Jahren angegriffen hat gar nicht mehr gibt. Die Angriffe erfolgten spezifisch weil das Assad-Regime stürzte und die reale Gefahr besteht, dass sich Al Quaida nahe Terroristen sind der Assets der syrischen Streitkräfte bemächtigen.
Insofern hat das Vorgehen jetzt streng genommen wenig mit dem vorangegangenen israelisch-syrischen Konflikt im Kontext der Auseinandersetzungen mit dem Iran zu tun. Die Angriffe hätten auch stattgefunden wenn es mit Assad einen weitergehenden Friedensvertrag ohne wenigstens Kalten Frieden gegeben hätte.
Die letzten großen Kampfhandlungen zwischen Israel und Syrien gab es übrigens 1982 im Rahmen des Libanonkrieges, lange nach dem Abkommen von 1974.
Quintus Fabius schrieb:Und noch ein kleiner Punkt: die Islamisten der HTS sagen selbst, dass sie die Rechte- und Pflichten des Assad-Regimes nicht übernehmen werden, und betonen die Diskontinuität zum vorherigen Regime. Und noch darüber hinaus sind sie international nicht als Regierung Syriens anerkannt (noch nicht). Allein schon aus dieser Nicht-Anerkennung besteht eine eindeutige Diskontinuität. Und auch nach einer Anerkennung will die HTS die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Assad Regimes nicht übernehmen. Diskontinuität aber bedeutet, dass das neue Syrien sich de jure nicht mehr im Kriegszustand mit Israel befand als das Assad-Regime endete.
Da die Israelis aber umgehend massiv das neue Syrien angegriffen haben, so haben sie einen neuen anderen Staat militärisch angegriffen und damit ein Verbrechen der Aggression begangen. Und dies obwohl Netanyahu maximalst heuchlerisch noch von der Zielsetzung einer friedlichen, guten und stabilen Nachbarschaft gefaselt hat.
Es gibt aber keinen neuen Staat. Es gibt entweder Syrien das von Al Quaida nahen Terroristen übernommen wurde oder diese Al Quaida nahen Terroristen haben Syrien zerstört und dort existiert gar kein Staat mehr.
Faktisch ist es jedoch so, dass ebene keine Debellation stattgefunden hat, die Rebellen haben schlicht den syrischen Machtapparat übernommen haben und Syrien besteht weiter fort.
Und damit auch alle Rechtszustände die das alte Syrien betreffen.
Quintus Fabius schrieb:Nun könnte noch beschließend das Gegenargument kommen, dass Syrien ja hier und jetzt gar kein Staat ist, sondern zersplittert und auch die HTS ja nur einen Teil kontrolliert usw usf. Aber sollte dies der völkerrechtliche Zustand sein (!) dann gilt erst recht nach dem Völkerrecht, dass dann eine Diskontinuität gegeben ist. Ein in mehrere Gruppen / Gebiete zerfallener Staat hat keine Kontinuität zu seinem Vorgänger-Staat per definitionem und auch dann wäre damit der Krieg in diesem Moment zu Ende gewesen, weil das Rechtssubjekt welches in diesem Kriegszustand war aufgehört hat zu existieren. Ist ja nicht der Fall, aber wenn Syrien zerfällt ist die HTS Truppe genausowenig Völkerrechtssubjekt wie es etwa der islamische Staat gewesen ist oder irgendwelche Rebellen in Libyen oder die Houthis. Sie können überhaupt nur den Status eines Völkerrechtssubjekts erhalten, wenn sie die Rechtsnachfolge des Assad-Regime antreten. Was ja effektiv geschieht.
Quintus Fabius schrieb:Wie man es also dreht und wendet, hat das neue Syrien hier und heute keine Rechtsnachfolge zum Assad-Regime und damit war der Krieg gegen Israel beendet, bis er von Israel völkerrechtswidrig neu begonnen worden ist. Nun mit Israel als Aggressor. Syrien hat ein neues Regime. Für das neue Regime gelten alle Rechtszustände die Syrien als Staat betreffen weiter fort.
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(11.12.2024, 08:13)Nightwatch schrieb: Es gibt aber keinen neuen Staat. Es gibt entweder Syrien das von Al Quaida nahen Terroristen übernommen wurde oder diese Al Quaida nahen Terroristen haben Syrien zerstört und dort existiert gar kein Staat mehr.
Faktisch ist es jedoch so, dass ebene keine Debellation stattgefunden hat, die Rebellen haben schlicht den syrischen Machtapparat übernommen haben und Syrien besteht weiter fort.
Und damit auch alle Rechtszustände die das alte Syrien betreffen.
Den syrischen Staat gibt es doch noch, nur seine Repräsentanten werden aktuell ausgetauscht.
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(11.12.2024, 09:21)lime schrieb: Den syrischen Staat gibt es doch noch, nur seine Repräsentanten werden aktuell ausgetauscht.
Dann wäre ein Bankräuber der legitime Repräsentant der von ihm überfallenen Bank.
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Zitat:Syrien hat ein neues Regime. Für das neue Regime gelten alle Rechtszustände die Syrien als Staat betreffen weiter fort.
Das behauptest du lediglich. Ob die Rechtszustände weiter gelten oder nicht, hängt allein davon ab, ob es eine Kontinuität gibt oder ob man den Zustand als eine Diskontinuität einstufen muss. Und völkerrechtlich besteht hier sogar recht eindeutig eine Diskontinuität, zum einen weil das Land in verschiedene Bereiche zerfallen ist und die HTS nicht ansatzweise das ganze Land regiert, zum zweiten weil die HTS weder von Israel noch sonst international anerkannt wird als neue Regierung Syriens, zum dritten weil die HTS selbst erklärt nicht der Rechtsnachfolger des Assad-Regimes zu sein und weil das Assad-Regime nicht mehr existiert. Diskontinuität bedeutet, die Rechtszustände gelten eben nicht mehr.
Zitat:Es gab regelmäßig syrisches Flugabwehrfeuer gegen israelische Jets. Prominent wurde 2018 auch eine F-16I über israelischen Territorium abgeschossen.
Ich schrieb es ja explizit: diese ach so pöse syrische Aggression gegen israelische Kampfflugzeuge welche Syrien angreifen und bombardieren - ich meine natürlich welche sich gegen Syrien verteidigen, ist eindeutig eine syrische Aggression. Und deshalb, weil syrische Luftraumverteidigung der nicht mehr existenten Regierungstruppen eines nicht mehr existenten Staates versuchte vor 6 Jahren gegen die fortwährenden israelischen Bombardierungen in Syrien vorzugehen, ist es natürlich absolut Legal hier und jetzt in Syrien alles kurz und klein zu schlagen. Zweifelsohne, denn alles andere wäre ja einfach antisemitisch.
Zitat:Die Logik ist schlicht, dass ein Kriegszustand seit 1948 existiert und Israel sich vorbehält gegen Aktivitäten auf syrischen Staatsgebiet vorzugehen wenn seine Sicherheitsinteressen berührt sind.
Wozu also überhaupt irgendeine Diskussion über Recht? Denn Israel behält sich ja ohnehin vor in präventiver Selbstverteidigung absolut jeden nach Belieben anzugreifen der seine Sicherheitsinteressen berührt. Das ist ja immer Notwehr, per definitionem. Wenn jemand Waffen besitzt, berührt er Sicherheitsinteressen, also darf man ihn nach belieben angreifen. Also darf jedes Land der Welt jedes andere Land der Welt angreifen wenn dort Waffen sind, denn damit sind ja dann Sicherheitsinteressen gegeben.
Was Israel hier halt praktiziert ist reine Anarchie und das bloße Recht des Stärkeren. Dann hoff mal darauf, dass Israel unbegrenzt weiter der Stärkste sein wird, auch wenn es irgendwann völlig allein und unter Sanktionen stehend sein wird. Aber egal, man hat ja noch Atomwaffen und alle anderen müssen halt nachgeben oder sterben, denn dass ist der Kern der israelischen "Rechts"auffassung.
Zitat:Ist ja nicht der Fall, aber wenn Syrien zerfällt ist die HTS Truppe genausowenig Völkerrechtssubjekt wie es etwa der islamische Staat gewesen ist oder irgendwelche Rebellen in Libyen oder die Houthis.
Und nicht-Völkerrechtsubjekte kann man also nach belieben angreifen? Denn die Intention der Charta der Vereinten Nationen ist es, dass nur Staaten irgendwelche Rechte haben, aber alles sonstige völlig rechtlose nach belieben tötbare Masse von Vogelfreien ist ?!
Assad hatte sich das mit seiner Allianz mit dem Iran unter seiner Unterstützung der Hezbollah und diverser palästinensischer Terrororganisationen selbst zuzuschreiben.
Assad ist aber nicht mehr. Aber ich habe schon verstanden: die Vogelfreien in Syrien müssen für alle Zeiten nach belieben israelische Angriffe erdulden, weil ihre Vorfahren irgendwann mal gegen Israel Krieg geführt haben und Israel keinen Frieden mit ihnen schließt.
Wie extrem bequem. Man kann also nach belieben die rechtlosen nach belieben tötbaren Subjekte eliminieren, solange man selbst keinen Frieden schließt, ist dies immer legal. Und Verteidigungskriege können über Jahrzehnte nach belieben weiter geführt werden, denn dass ist die Intention des Völkerrechts.
Genau genommen wäre Israel dumm jemals wieder mit irgend jemanden Frieden zu schließen, denn damit verbaut man sich ja die Möglichkeit auch nach 76 (!) Jahren noch nach Belieben das Freiwild niedermetzeln zu dürfen.
Und da jeder Krieg Israels so oder so immer präventive Selbstverteidigung ist, wäre es doch dann am besten, wenn Israel jetzt einfach alle bombardieren würde, absolut alle Staaten rundherum und den Iran noch dazu. Schließlich ist dies immer präventive Selbstverteidigung, also ein gerechtfertigter Verteidigungskrieg.
Und dem folgend endet der Kriegszustand nie, auch nicht nach 76 Jahren und Israel kann ab da völlig legal und wie es will die nächsten 76 Jahre jedes Land nach Belieben angreifen, denn dass ist die Intention des Völkerrechtes und der UN Charta ?
Das ist mal wirklich elegant. Da kann man ja nur für Israel hoffen, dass man sobald wie möglich rundherum den gerechtfertigten Selbstverteidigungskrieg anfängt, damit dieser niemals enden möge.
Und sollten die lieben Partner Israel irgendwann ausstoßen und trotz alles Antisemitismusgeheules nicht mehr unterstützen, kann man ja immer noch alles rundherum mit Nuklearwaffen auslöschen.
Was so oder so das langfristige Ende der aktuellen israelischen politischen Strategie sein wird und sein muss.
Und gerade eben deshalb ärgere ich mich so sehr über die israelische Unfähigkeit und Dummheit: denn Israel hat überhaupt keinerlei Plan oder Vision über wir schmeißen Bomben auf alles und jeden hinaus. Wie ein beschränkter Hinterhofschläger der glaubt unbegrenzt mit seinem Verhalten davon kommen zu können. Es ist diese Visionslosigkeit, Strategielosigkeit und dümmliche Schlägermentalität welche mich aufregt. Staat Chancen wie in Syrien und in Gaza jetzt zu nutzen, ist die einzige Idee von Zukunft, nicht weiter als bis morgen Vormittag zu denken und möglichst viele Bomben abzuwerfen.
Dieses Whack-an-Antisemit-Enemy Spiel wird aber eben auf Dauer nicht funktionieren und am Ende wird kein Großisrael vom Euphrat bis zum Nil herrschen, sondern es wird kein Israel mehr geben.
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(11.12.2024, 09:34)Pogu schrieb: Dann wäre ein Bankräuber der legitime Repräsentant der von ihm überfallenen Bank.
Ein Bankräuber in der Bank ist (vorübergehend) Besitzer der Bank, aber nicht Eigentümer der Bank.
Verträge mit z.B. der Sowjetunion sind nach deren Zerfall nicht mehr gültig, da das Staatsgebilde nicht mehr existiert. Dass Russland als „Erbe“ der SU angesehen wurde, beruhte auf Goodwill der UN.
Verträge mit Assad als Staatsführer wurden nicht mit Assad gemacht, sondern mit dem syrischen Staat. Er war nur der Vertreter. Der Staat existiert ja weiter, eben mit einem neuen vorläufigem Vertreter ad interim bis zu den angekündigten Wahlen. Es könnten in einem nicht mehr existierenden Staat auch keine Wahlen abgehalten werden. Entsprechend müssten auch die Verträge weiter gültig sein, solange sie nicht einseitig aufgekündigt oder gebrochen werden.
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(11.12.2024, 12:19)Zardo schrieb: Der Staat existiert ja weiter, ....
Eben nicht!!!
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