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In diesem Faden führt das vielleicht zu weit, aber wenn Du meine Meinung hören willst; ich schätze, dass es bei der von Soziologen beobachteten Korrelation zwischen (relativer) Armut und der Geburtenrate nicht so sehr um materiellen Wohlstand geht, sondern um Optimismus. Wohlstand ist viel, aber nicht alles. Man kann auch in einem reichen Land zu der Ansicht gelangen, dass das nicht der Ort und das Umfeld ist, wo man Kinder aufziehen will. Das dürfte auch die großen Unterschiede selbst zwischen reichen Staaten mit niedrigen Geburtenraten erklären. Die Neuseeländer z.B. sind wohlhabender als die Deutschen, und kriegen trotzdem mehr Kinder.
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In Russland nimmt übrigens die Zahl der Frauen welche in einer Beziehung sind und arbeiten ab. Gründe die von Russinnen genannt werden warum sie keine Kinder haben, drehen sich im weiteren selten um die Frage der Finanzen bzw. nur in indirekter Form um diese. Da geht es eher darum, dass der Ehemann nur noch trinkt, dass die Ehe unglücklich ist, dass der Mann sie schlägt, dass man in so eine Welt keine Kinder gebären will usw. Von den rein materiellen Faktoren wird meist der oft sehr begrenzte Wohnraum genannt. Da geht es also nicht direkt um Geld, sondern dass man bereits zu viert auf 20 Quadratmetern lebt - also indirekt um finanzielle Möglichkeiten. Mangelnder Wohnraum ist in Russland ein weitverbreitetes Problem. Ein weiterer Aspekt der genannt wird, und der für westliche TM Ohren auch fremd klingen mag ist, das russische Frauen erklären, dass sie arbeiten müssten, wenn sie Kinder kriegen um für diese ein anständiges Leben finanzieren zu können, dass sie dies aber nicht wollen und teilweise auch nicht können, weil die Versorgung von Kindern (Krippen, Kitas, Kindergärten) unzureichend ist. Das wurde auch schon mal öfter seitens des Staates als Problem angesprochen und behauptet man wolle diesbezüglich etwas unternehmen, aber außer Steuergelder unterschlagen ist daraus natürlich nichts geworden. Ohne Kinderbetreuung können die Frauen aber nicht arbeiten und mit nur einem Einkommen dass der Mann versäuft kann man dann auch keine Kinder richtig großziehen.
Es gibt auch nicht genug Arbeit für Frauen, dass kommt dann noch dazu. Das führt dazu, dass russische Familien mehrheitlich von einem Einkommen leben und sie sind nicht zuletzt auch deshalb arm, weil sie nur ein Einkommen haben. Während Russland insgesamt gesehen seit 2000 deutlich wohlhabender geworden ist, trifft dies auf ganz viele Familien nicht zu. Der Wohlstand der einfachen Russen ist im Vergleich nur wenig gewachsen.
Und dann kommen da noch weitere rein ideele Faktoren dazu. Viele Russen sind Atheisten, so um die 40% sind religionslos. Dies und der Mangel an Werten und eine ganz allgemein weit verbreitete Melancholie und ständiger Negativismus und Zynismus in Bezug auf alles führen dazu, dass man keine Kinder zeugt, weil man darin einfach keinen Sinn mehr sieht.
Noch eine persönliche Anekdote: ich fragte mal junge Russinnen, ob sie Mütter werden wollen. Sie verneinten dies grundsätzlich und gaben als Grund an, dass es einfach keine anständigen Väter in Russland gäbe. Besser keine Kinder, da sie sonst den Vater dieser Kinder am Hals hätten und russische Männer einfach alle schlecht wären. Auf meine Frage was an russischen Männern schlecht sei wurde immer folgender Dreiklang geantwortet: die Saufen nur / sind Alkoholiker - die schlagen Frauen - die geben kein Geld selbst wenn sie welches haben. Auch so eine grundnegative Perspektive die sicher nicht hilfreich ist.
Ungeachtet dessen dass das natürlich nur anekdotische Evidenz ist, bin ich der Überzeugung, dass die allgegenwertige Gewaltkultur in Russland und der extreme Alkoholismus (beides hängt auch zusammen) ein erhebliches Problem für die Gründung von Familien mit Kindern darstellen. Misshandlung von Kindern und Schläge für diese sind auch sehr weit verbreitet.