@Quintus Fabius
2014 war es so, dass die Ukraine sich faktisch selbst gespalten hat - in einen russisch- und einen ukrainischsprachigen Teil. In deinen Worten könnte man sagen, die Ukraine hat es nicht vermocht, nach den Maidan-Proteste eine gemeinsame Meta-Idee zu schaffen, die auch die russischsprachigen Teile der Bevölkerung mitnahm.
Eine weitere Mitschuld gebe ich auch der EU mit ihrer ungebremsten Expansion, man wollte die Ukraine nicht als Brücke nach Russland (und seinen Ressourcen), sondern sich ganz einverleiben. Ich denke, man hat da seitens der EU gerade in Russland Misstrauen geschaffen.
Russland hat eine traditionell starke emotionale Bindung an die Ukraine, und der aktuelle Krieg ist hier auch - so verrückt es klingen mag - das Resultat von beleidigter Liebe.
Ich denke, Russland konnte nicht wirklich anders handeln. Die Krim ist traditionell russisches Gebiet, und ich wage sehr zu bezweifeln dass die Übergabe der Krim an die Ukraine 1955 völkerrechtlich legitim war, und ob sie mit den Gesetzen der Sowjetunion wirklich konform war. Die Mehrheit der Bevölkerung der Krim war schon damals gegen den Anschluss an die Ukraine.
Zudem hat die Krim für Russland noch einen emotional höheren Wert als die Ukraine an sich. Man hatte schon vor 160 Jahren einen Krieg um sie geführt, und noch davor das Osmanische Reich von dort verdrängt. Ich frage mich, warum ukrainische Politiker nicht erklären, im Falle eines Sieges die Krim an die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches zu übergeben.

Russland konnte natürlich auch aus emotionaler Bindung nicht der Diskriminierung und schlechten Behandlung der russischsprachigen Bevölkerung zusehen. Franzosen, Briten und Deutschen würde es trotz gegenteiliger Beteuerung nicht anders gehen.
Wohl auch deshalb hat der Wertewesten TM nicht eingegriffen, Russland leistete eigentlich nur einer ihm zugewandten Bevölkerungsgruppe Unterstützung, wieviel davon russisch und wieviel russo-ukrainisch war sei dahingestellt. Es war einfach eine mehr oder weniger verdeckte Intervention.
Der Fehler, den Putin 2022 gemacht hat war der, den Krieg ohne wirklichen Kriegsgrund auszulösen. Die Empörung darüber kann ich etwas nachvollziehen. Wenn ich etwa auf offener Straße jemandem ohne einen offensichtlichen Anlass eine 'reinhaue heißt es ja auch: "Was hat der denn? Was ist Tiger für ein A....?"
Klüger wäre es von Putin gewesen, wenn er gewartet hätte bis die Ukraine sich selbst gehängt und ihm einen wirklichen Anlass für einen Krieg gegeben hätte.
Im Zweifelsfall hätte man mit den russischen Truppen an der Grenze und in Belarus noch Manöver abhalten können - damit hätte man sich mit ihnen gutgestellt, afaik mögen Soldaten nichts lieber als Manöver, man sitzt ja nicht in der Kaserne 'rum oder riskiert gerne seine Haut in einem echten Krieg. Zudem hätte man dadurch Misstände bei den eigenen Truppen aufdecken oder ihnen modernere Bewaffnung zukommen lassen - genug von ihnen waren ja aus dem Fernen Osten verlegt worden, und kaum besser ausgerüstet als zu Zeiten der Sowjetunion.
Ich war übrigens schon vor Kriegsbeginn 2022 der Meinung, dass sich Putin übernimmt.