Söldner(un)wesen
Aus aktuellem (naja, besser: auch aus wieder aufgewärmtem) Anlass möchte ich diesen schon etwas älteren Thread gerne wieder ausgraben. Was sich bereits vor Jahren abgezeichnet hatte - vom Jemen über Syrien bis nach Libyen -, gewinnt derzeit immer mehr an Intensität und Rasanz.

Vor allem Russland, die Türkei und auch der Iran bedienen sich zunehmend angeheuerter Kämpfer (und auch Nicht-Kämpfer) aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens und verschieben diese nach Bedarf an die entsprechenden Kriegsschauplätze. Hierdurch entsteht die Situation, dass Konflikte quasi endlos in schwelendem Zustand gehalten werden können; sind staatliche Akteure erschöpft, so halten nachgeführte Söldner den Konflikt am Laufen. Neben einer kleinen Gruppe von professionellen Kriegern besteht der überwiegende Teil dieser "Hiwis" aus unzulänglich ausgebildetem Kanonenfutter.

Letztlich bleibt zudem auch der Westen hinter dieser Entwicklung zurück bzw. er hätte keine richtige Antwort darauf. Denn in den demokratischen Staaten der westlichen Hemisphäre dürfte es schwerfallen, einen Krieg, der zunehmend als sinnlos erachtet wird, mit eigenen Söhnen und Töchtern der eigenen, regulären Streitkräfte zu bestreiten. Einerseits.

Andererseits hat sich der Westen schon länger einem Verbot des Söldnerunwesens unterworfen. Das Outsourcen auf private Sicherheitsfirmen à la Blackwater hatte zwar schon stattgefunden - mit entsprechend negativem Widerhall in der eigenen Presse (die in Iran, Russland und der Türkei wohl keiner der Drahtzieher wirklich fürchten muss) -, aber selbst hierbei hatte es sich nur um eine recht überschaubare Anzahl von Profis gehandelt. Kurzum: Eine Antwort hätte der Westen nicht, es sei denn, er bedient sich ähnlicher Mittel, was aber eine verhängnisvolle Spirale der Gewalt in Gang setzen könnte. Ferner könnte jeder Politiker, der in einen solchen Orlog verwickelt wäre, egal ob in Brüssel, Berlin oder Washington, seinen Hut nehmen, wenn die Sache auffliegt...

Zudem: Der aktuelle Söldnerkrieg der oben genannten Staaten ist hingegen quasi kein Krieg mit wenigen Profis von Privatfirmen (z. B. die russische Wagner-Gruppe), sondern ein "billiger" Krieg mit massenhaft angeworbenem, eingesetztem und entwurzeltem und wohl auch "entbehrlichem" Strandgut des Krieges.

Hierbei zeichnet sich zudem das Problem ab, dass irgendwann ein rein rechtliches Problem auftreten könnte (vom Verbot des Söldnerwesens an sich einmal abgesehen), weil sicherlich von den hier genannten Protagonisten - die nicht gerade für ihr skandinavisches Verständnis der Menschenrechte bekannt sind - auch die Grenzen des Kriegsrechtes aufgeweicht werden könnten. Ist der Söldner, der meistens - wie in Libyen etwa - ohne erkennbare Abzeichen unterwegs ist, noch ein Soldat, der den allgemeinen Regeln des Kriegsvölkerrechts unterliegt? Oder ist vielmehr nicht ein Freischärler? Ich denke die Sache lieber nicht zu Ende...

Insofern könnte die aktuelle Entwicklung nicht nur einen "endlosen" 30-jährigen Krieg in Nahost bedingen, sondern auch einen Abgrund von möglichen Kriegsverbrechen zumindest begünstigen.

Hierzu:
Zitat:Syrien: Reise in den unbekannten Krieg

Aus Syrien werden junge Menschen auch mit russischer Hilfe als Söldner angeworben und nach Libyen geschickt. Doch kampferfahren sind nicht alle der Männer. [...] Mit Hochdruck rekrutieren die Russen in den vergangenen Monaten junge Syrer aus regimetreuen Gebieten in Syrien, um für Libyens General Khalifa Haftar zu kämpfen. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden im Mai mehr als 900 Syrer von Russland angeworben. Noch vor Kurzem sah es danach aus, dass der endgültige Sieger im ölreichen Bürgerkriegsland ausgemacht war. General Haftar, der von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird, erlitt mehrere militärische Niederlagen bei dem Versuch, die Hauptstadt Tripolis einzunehmen.

Doch zu einem Waffenstillstand kam es nicht. Stattdessen ebnete Ägyptens Parlament Anfang der Woche den Weg für einen Militäreinsatz im Nachbarland. Dort liefert sich Russland einen Stellvertreterkrieg mit der Türkei, die Libyens Regierungschef Fayez al-Sarradsch unterstützt. Auf beiden Seiten kämpfen Tausende syrische Söldner. In den meisten Fällen sind diese durch den jahrelangen Syrienkrieg kampferprobt. [...]

So erhalten die Familien der gefallenen Söldner 5000 Dollar sowie eine monatliche Zahlung von 500 Dollar, die sich nach der geleisteten Einsatzdauer richtet. "Möge Gott davor bewahren", steht im Vertrag. Auch im Falle einer Kriegsverletzung werden die jungen Männer entschädigt. Je nach Schweregrad 20 bis 500 Dollar Einmalzahlung. Falls einer der Söldner der Arbeit ohne Bescheid zu geben fernbleibt, darf der Vorgesetzte ihn verfolgen. Was genau das beinhaltet, bleibt offen. [...]

Erfahrungsberichten zufolge sollen diese Ausbildungskurse an Standorten der syrischen Armee stattfinden - mit Trainern der russischen Wagner-Gruppe, einer eng mit dem Kreml verbundenen privaten Militärfirma. Die Ausreise findet wohl über die russische Luftwaffenbasis Hmeim in der syrischen Stadt Latakia statt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/syri...-1.4977878

Schneemann.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: