Wie sich Deutschland von Frankreich entfernt
#36
Zitat:Was den Export angeht, ich denke das auch Italien, Spanien, eventuell Polen, Ungarn, Schweden einige Probleme mit den deutschen Exportideen haben.


Verteidigung: Deutschland spielt seine Differenzen mit Frankreich herunter
La Tribune (französisch=))
Trotz der Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten im Verteidigungsbereich (Kooperationen, Raketenabwehr und Rüstungsexporte) ist Berlin der Ansicht, dass sich die Positionen in einigen Dossiers zwischen Deutschland und Frankreich annähern (SCAF und Exporte).
Michel Cabirol
01 Nov 2022, 8:00

[Bild: https://static.latribune.fr/full_width/1...-l-air.jpg]
In Paris und Berlin herrscht angeblich eine "absolute Entschlossenheit", das SCAF-Programm (Future Air Combat System) zum Erfolg zu führen (Credits: Dassault Aviation / Eridia Studio / V. Almansa).

Wird es Deutschland und Frankreich gelingen, ihre derzeitigen Differenzen oder gar Missverständnisse im Verteidigungsbereich zu überwinden? Denn die Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Berlin sind zahlreich in einem Bereich, der den Kern der Souveränität beider Länder berührt (Kooperationsprogramme, Raketenabwehrschild, Export von Waffensystemen usw.). In Deutschland werden all diese Schwierigkeiten heruntergespielt, indem man daran erinnert, dass "die politischen Kulturen sehr unterschiedlich" zwischen Paris und Berlin sind und dass "die Geschichte und die Geografie" der beiden Länder sie a priori voneinander entfernen.

Aber das deutsch-französische Paar bleibt für Deutschland und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz von zentraler Bedeutung, wird in Deutschland nachdrücklich betont. Auch für Frankreich. Paris "muss seine Beziehung" zu Deutschland "vertiefen, um das Europa der Verteidigung angesichts der kürzlich geäußerten deutschen Ambitionen weiter aufzubauen", heißt es in der Revue nationale stratégique (RNS), die Emmanuel Macron am 9. November in Toulon vorstellen wird.

"Das Einzigartige an diesem deutsch-französischen Paar ist, dass wir, Frankreich und Deutschland, die absolute Entschlossenheit haben, eine Einigung zu finden, zu gemeinsamen Positionen zu gelangen oder zumindest sehr gut koordinierte Ansätze zu haben", heißt es in Berlin.

Eine Paarung, die durch das gute Einvernehmen zwischen Emmanuel Macron und Olaf Scholz gestärkt wird, der nach seiner Ernennung zum Bundeskanzler sehr schnell den Kontakt zum französischen Präsidenten gesucht hat. "Es gibt nicht nur eine sehr professionelle Zusammenarbeit (zwischen den beiden Männern, Anm. d. Red.), sondern es gibt auch ein persönliches Einvernehmen, das sehr positiv und stark ist", wird in Deutschland versichert.

Raketenabwehrschild: ein "Nicht-Konflikt" mit Frankreich

Der deutsche Raketenabwehrschild (European Skyshield Initiative), dessen Idee Ende August von Bundeskanzler Scholz in Prag vorgestellt wurde, hat in den letzten Wochen die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich gespannt. Es handelt sich um einen "Nicht-Konflikt", meint man im Übrigen in Deutschland.
Warum ist das so? Weil die beiden Länder eine unterschiedliche Geografie haben. Außerdem hat Berlin Moskaus neue Waffen, auch in nuklearen Versionen, die das russische Militär in der militarisierten Enklave Kaliningrad im Nordosten Europas gelagert hat, lange Zeit übersehen. Und verfügt daher derzeit über keine glaubwürdige Boden-Luft-Abwehr, um diesen neuen, gefürchteten Waffen entgegenzuwirken.

"Wir müssen diese spezifische Lücke sehr schnell schließen", um dieser Bedrohung von dieser "spezifischen" Enklave aus zu begegnen, wird in Deutschland bemerkt. Diese brutale Rückkehr zur Realität wurde durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine ausgelöst. Berlin konnte Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Finnland, Norwegen, Litauen, Lettland, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und die Niederlande dazu bringen, ein Projekt zum gemeinsamen Kauf eines bestehenden Systems zu starten.

Das Ergebnis: Sie wollen sich das israelische System Arrow 3 kaufen, das mit Hilfe der USA und Indiens entwickelt und von IAI hergestellt wurde. Washington blockiert jedoch momentan diesen Verkauf und würde das THAAD-System (Terminal High Altitude Area Defense), das zu 100 % "Made in USA" ist, forcieren.

Das seit langem bewährte französisch-italienische Boden-Luft-System SAMP/T, das einzige europäische Verteidigungssystem mit antiballistischen Fähigkeiten, wurde von Deutschland nicht einmal evaluiert. Berlin zog es angeblich vor, die Interoperabilität des Arrow-Systems mit dem Patriot-System, das bereits in einigen Mitgliedsstaaten der European Skyshield Initiative (ESSI) installiert ist, in den Vordergrund zu stellen. Dabei ist das französisch-italienische SAMP/T, das 2015 von der US-Raketenabwehrbehörde mit dem "Technology Pioneer Award" ausgezeichnet wurde, ebenfalls mit allen NATO-Systemen interoperabel.

Ob böswillig oder nicht, Deutschland war der Ansicht, dass es keine "gute Idee" sei, "auf etwas Neues" umzusteigen, das das Patriot-System "überflüssig" machen könnte. "Es gibt keine Absicht, Frankreich zu brüskieren, das eine andere Strategie gegen diese Art von Bedrohungen hat", heißt es in Deutschland.

Waffenverkäufe: eine Angleichung Berlins an Paris

Deutschland möchte in der Europäischen Union eine gemeinsame Politik für Rüstungsexporte "durchsetzen", die gegenüber Ländern außerhalb der EU und der NATO restriktiv ist. Berlin macht sich jedoch keine Illusionen über die kurzfristigen Chancen, Frankreich eine Politik der Harmonisierung der Rüstungsexporte aufzuzwingen, die einen großen Teil seiner Souveränität und Außenpolitik beschneiden würde. In der NSR versichert Frankreich, dass es "weiterhin Projekte zur Beschaffung von Verteidigungs- und Sicherheitsausrüstung" im arabisch-persischen Golf unterstützen müsse. Hier kommen wir wieder auf den Unterschied in der politischen Kultur zwischen Paris und Berlin zurück, wo Waffenexporte in Deutschland im Allgemeinen und insbesondere in der regierenden Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein äußerst sensibles Thema sind.

Mit wenigen Ausnahmen fordern die deutschen Grünen einen Stopp der Waffenverkäufe in den großen Export. Im September hatte sich die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in ihrer Rede zur nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands jedoch klar ausgedrückt:

"Mit unseren moralischen Vorbehalten stehen wir über unseren europäischen Partnern. Aber was bedeuten selbst die europäischen Werte, wenn wir unseren Partnern sagen, dass ihre Moral nicht gut genug ist?". Als Ergebnis wird sich Berlin bei Projekten in Zusammenarbeit mit Frankreich, aber auch mit anderen Partnern flexibler zeigen. Auf längere Sicht wird Deutschland aber wahrscheinlich nicht locker lassen. Denn eine europäische Verordnung über seine Prinzipien zu haben, "wäre ideal", meint man in Deutschland.

Optimismus für den SCAF, aber...

Trotz eines schmerzhaften und komplizierten Prozesses bleibt Berlin optimistisch, was die Fortsetzung des symbolträchtigsten Programms der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland (dem sich auch Spanien angeschlossen hat), das Future Air Combat System (SCAF), betrifft. Es gebe eine "absolute Entschlossenheit" von Paris und Berlin, dieses Programm zum Erfolg zu führen, wird in Deutschland versichert.

Um erfolgreich zu sein, müssen sich zwei weit voneinander entfernte Industriekulturen einander annähern. "Die Unternehmenskulturen von Airbus, einem Unternehmen, das bereits an internationale Kooperationen gewöhnt ist, auf der einen Seite und Dassault, einem nationalen Champion, auf der anderen Seite zu verschmelzen, ist natürlich nicht ohne Schwierigkeiten möglich", heißt es in Deutschland. Dennoch wird der Bundestag, der seinen Industriellen sehr gut zuhört, das letzte Wort haben. Er und nur er allein in Deutschland, gegen alle Widerstände.
Michel Cabirol
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RE: Wie sich Deutschland von Frankreich entfernt - von voyageur - 02.11.2022, 12:45

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