Die Mobilität von Gefechtsständen und Gefechtsstandssystemen.
#2
Die Frage ist darüber hinaus, ob man solche hierarchischen Strukturen nicht an sich überdenken sollte. Wenn Einheiten in vielen Fällen auch so horizontal miteinander vernetzt agieren können ohne dass eine "übergeordnete" Kommandostruktur dies ihnen vorgibt benötigt man für diese Fälle die übergeordnete Kommandostruktur nicht. Was zu der Frage führt was exakt die Aufgabe des Gefechtsstandes sein soll. Solche vernetzte Kampfweise welche mit Querverbindungen auf gleicher Ebene arbeitet ist heute oft effektiver als irgendwo eine Struktur rauf und diese dann wieder runter zu agieren. Man sollte daher so viel wie möglich von der Frage der Führung durch einen Gefechtsstand unabhängig machen bzw. dessen Aufgaben anders und neu definieren.

Ganz allgemein sind heute Stäbe auf Brigade, Divisions- und Korpsebene viel zu groß, und leisten diese zu viel Arbeit. Sie führen zu viel, erzeugen zu viele Informationen, sammeln zu viele Informationen und bearbeiten diese und leiten diese dann weiter usw. Dieses "Zu Viel" von allem ist für die Stäbe auf den oberen Ebenen das größte Problem. Es wird sich dieser Umfang in einem ernsthaften Krieg so oder so auch nicht aufrecht erhalten lassen. Wenn man aber seine Streitkräfte von diesem Umfang, und der daraus folgenden Überkontrolle und Übersteuerung abhängig macht - was gerade eben die heutige Fehlinterpretation von vernetzter Kriegsführung ist, welche die eigentlichen Vorteile vernetzter Kriegsführung gerade eben verschenkt - dann sind diese Streitkräfte erst recht im Nachteil, sobald diese Übersteuerung ausfällt - sind sie doch nicht daran gewöhnt ohne diese zu agieren.

Das größte Problem stellt dabei heute die Vernetzung selbst da, weil die Verwendung bestimmte (unbeabsichtigte!) Folgen hat. Um wieder einmal meinen Lieblingsbegriff aufzugreifen: die vernetzte Kriegsführung erzeugt hier Rebound-Phänomene. Sie macht alles langsamer und führt zur Übersteuerung und dazu dass man von immer weiter oben nach immer weiter unten hinein pfuscht.

Schlußendlich landet man beim taktischen General, wo das eigentliche Ziel der Vernetzung ursprünglich der strategische Unteroffizier gewesen war. Die Technik macht es möglich, also wird es gemacht, also wird es missbraucht und fehlverwendet. Die Vernetzung nicht zu nutzen verbietet sich nun aber ebenso, also kommt alles darauf an das Netz bewusst so zu gestalten und bewusst so zu nutzen, dass es dieses Rebound-Phänomen der Übersteuerung der Einheiten verhindert. Das geht nicht durch die Technik selbst, da diese ja der Grund der Fehlentwicklung ist, das geht nur durch Ausbildung, Doktrin und schlußendlich militärische Kultur.

Also immaterielle Werte. Immaterielle Dinge sind es, welche für die Arbeit von Gefechtsständen die elementarsten und wichtigsten sein werden. Ein Beispiel: Implizite Kommunikation, implizites Lernen und implizites Wissen. Auf den ersten Moment erscheint es völlig kontraintuitiv ausgerechnet diese Formen im miltiärischen Bereich anwenden zu wollen, aber sie ermöglichen gerade in der Führung Möglichkeiten welche man auf den konventionellen Wegen so nicht hat. Es muss dann auch sehr viel weniger an Information weiter gegeben werden und es wird trotzdem viel mehr daraus verstanden und gemacht.

Dafür notwendig ist es, dass die Beteiligten sich sehr viel besser und enger kennen als dies heute auf dieser Ebene üblicherweise der Fall ist und dass die entsprechenden Einheiten wesentlich konstanter und stabiler gehalten werden und organischer wachsen als es heute üblich geworden ist. Wenige die sich sehr gut kennen und schon lange praktisch in vielen Fällen zusammen real gearbeitet haben sind wesentlich besser als ein Übermaß an Karreriersten mit einem Mangel an praktischer realer Erfahrung welche irgendwie in übergroßen anonymen anorganischen Einheiten zusammen gestückelt werden. Man könnte daher als eine mögliche Lösung der Problemstellung für die Zukunft daran denken nicht einzelne Offiiziere weiter zu befördern, sondern Teams weiter zu befördern. Alle steigen dann zusammen miteinander auf und übernehmen ohne dass die Gruppe sich stark in ihrer Zusammensetzung verändert neue andere (höhere) Aufgaben.

In einer Leistungslaufbahn stellt man im weiteren nicht Einzel-Personen, sondern Gruppen gegeneinander und die ganze Gruppe profitiert wenn sie die bessere Leistung erbringt.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Die Mobilität von Gefechtsständen und Gefechtsstandssystemen. - von Quintus Fabius - 31.12.2021, 18:56

Gehe zu: