Chile
#12
Ich muss sagen: Sicher, Pinochet war ein schlimmer Finger, aber wieso konzentriert man sich immer so auf ihn, wenn es um südamerikanische Militärregime geht?

Wir hatten es neulich bei uns an der Uni darüber und dabei kamen wir auch auf das Regime General Videlas zu sprechen, der sich 1976 in Argentinien an die Macht geputscht hat. Dieses Regime, das den Tod von rund 30.000 Menschen zu verantworten hat - also etwa die zehnfache Zahl an Opfern forderte wie die Pinochet-Junta -, wird sehr stiefmütterlich bei uns behandelt und relativ selten angesprochen (zumindest weniger oft als die Pinochet-Diktatur).

Unser Dozent meinte: Der Putsch in Chile gegen die demokratisch gewählte Regierung Allende eignete sich eben besser zum Ausschlachten für die linke oder linksliberale Presse. Denn: Während in Argentinien die chaotischen Nachwehen der Peron-Zeit weggeputscht wurden - von einem ebenso faschistisch angehauchten Regime -, also eher bürgerlich-konservative Regierungsstrukturen beseitigt wurden, wurde in Chile eine Ikone der Linken, nämlich Allende gestürzt und ermordet (bzw. man streitet darüber, ob er sich selbst getötet hat oder nicht). Und das eignet sich wesentlich besser zum Ausnutzen in eigener Sache.

Kurz: Obwohl beide Regierungen von rechten Militärs gestürzt worden sind, eignete sich Pinochet in den Augen der Linken wesentlich besser als Verkörperung des bösen und von der CIA unterstützten Tyrannen als Videla in Argentinien. Und deshalb wurde er auch zum Übermonster hochstilisiert und die Opfer in Argentinien bis zu einem gewissen Grad "vergessen". Das in Argentinien 10-mal soviele Menschen ermordet und gefoltert wurden spielte da kaum eine Rolle. Schließlich konnte man dieses Regime dort nicht so nett ausschlachten. Bürgerliche Regierungen taugen eben nicht zum Märtyrer-Status. Auf dem Altar der Ideologie opfern eben die Linken ebenso die Menschenleben wie die Rechten.

Kurz: Gut, das er tot ist. Aber: Jeder der Pinochet zum Supermonster und Überdiktator in Südamerika schlechthin hochstilisiert, sollte sich mal fragen, ob er nicht auch andere Faktoren ab und an mal als Vergleich heranziehen und auswerten sollte und ob er nicht gewissen "Strömungen" innerhalb der Berichterstattung aufgesessen ist.

Schneemann.
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