(Land) Regiments- vs. Bataillonsstruktur
#15
Die Struktur muss halt zur Kultur passen. Nun gibt es Kulturen welche auch in ganz unterschiedlichen Strukturen funktionieren, so dass man mit der gleichen kulturellen Grundlage ganz verschiedene Strukturen verwenden könnte, und es gibt Kulturen welche in bestimmten Strukturen nicht funktionieren. Und umgekehrt gibt es Strukturen welche generalistischer sind und daher unter vielen verschiedenen Bedingungen und Voraussetzungen funktionieren und solche die spezialisierter sind und spezifische Umstände erfordern um zu funktionieren.

Eine jeweils passende Struktur aus Wofür, Was und Ziel - wie du nun hier schreibst - ist immer zwingend eine spezialisiertere Struktur, welche eventuell dann nicht mehr passend ist, wenn die Umstände sich ändern und welche dann auch in vielen Fällen gar nicht mehr so leicht geändert werden kann. Dem folgend sollte es eigentlich das Ziel sein Strukturen zu haben mit denen man möglichst viele unterschiedliche Umstände abdecken kann, also Generalisten und welche auch weniger empfindlich für kulturelle Einflüsse sind.

Nur auf der Ebene Regiment / Bataillon ist das aber so gar nicht bewerkstelligbar und dann nur diese Ebene zu betrachten sinnfrei, weil diese nur einen recht kleinen Ausschnitt darstellt und daher der Kontext fehlt. Eine solche Betrachtung der Struktur muss daher immer ganzheitlich sein. Man kann daher genau genommen die ursprüngliche Frage so gar nicht beantworten, denn jede Antwort welche sich bloß auf diese Ebene beschränkte wäre außerhalb eben dieses ganzheitlichen Kontext.

Die rein technischen, logistischen, materiellen, und rein militärischen Anforderungen bilden nun eine Seite, wie du es ja auch schon geschrieben hast, die Kultur hingegen die andere Seite. Die Frage ist nun, welche von diesen beiden Seiten eigentlich welchen Raum einnimmt und wie groß die jeweilige Bedeutung ist. Meiner Meinung nach werden die Einflüsse welche sich aus rein logischen, rationalen, kriegstechnischen Anforderungen ergeben heillos überschätzt und wird die Bedeutung der strategischen Kultur extrem unterschätzt. Man sieht Armeen als logische rational agierende Entinitäten welche aus spezifischen Anforderungen und Problemstellungen heraus evolutionär handeln, also eine Evolution des Krieges betreiben welche sich aus einem Überleben der Tüchtigeren ergibt. Das ist aber meiner Meinung nach eben nicht so, und es gibt erhebliche irrationale, unlogische, kulturelle Einflüsse welche dazu führen dass im Krieg errungene Erkenntnisse einfach ignoriert werden, fehlinterpretiert werden, verloren gehen und sich die ganze Sache eben nicht logisch rational evolutionär entwickelt, sondern völlig davon getrennt mal so und mal anders, und dies aus ganz anderen Gründen heraus.

Es gibt dazu ein recht interessantes Buch über das USMC und seine Erfahrungen mit COIN und welchen Einfluss die strategische Kultur in diesem Bereich hatte, welches die von mir hier beschriebenen Prozesse wissenschaftlich erfasst und darlegt:

https://www.amazon.de/Marines-Counterins...1626165564

Das Primat der Kultur vor den technokratisch-rationalen Anforderungen des Krieges selbst ist meiner Ansicht nach einer der am meisten vernachlässigten Faktoren in der Kriegswissenschaft. Gerade weil Kriege so technisch sind, wird ihre nicht-technische irrationale und ideele Seite so gerne vernachlässigt.

Spezifisch für die Fragestellung dieses Stranges könnte man hier anmerken, dass das USMC beispielsweise die Regimentsstruktur beibehalten hat, während die US Armee sie aufgegeben hat, weshalb die Divisionen des USMC weiterhin Regimenter aufweisen und die Brigaden als Kampfgruppen dann jeweils um ein solches Regiment herum aufgebaut werden. Die Brigade ist also ein drumherum um ein Regiment, welches das primäre Kampfelement dieser Brigade bildet.

Dabei wird die Struktur auch hier einmal mehr Fraktal gehalten: das Regiment wird mit Divisionstruppen verstärkt und bildet ein Regimental Combat Team. Das Regimental Combat Team bildet schließlich den Kern einer Marine Expeditionary Brigade, wobei bei dieser erneut um das RCT herum weitere Einheiten angehängt werden. Je nach den Umständen wird dann nur ein Regiment (welches intern auch über Unterstützungstruppen verfügt), oder ein RCT für sich allein, oder eine ganze MEB eingesetzt.

Die ganze Struktur des USMC führt dann dazu, dass bereits die RCTs so groß sind wie in anderen Armeen es kompakte Brigaden sind und dass die MEB im Gegensatz zu den Brigaden anderer Armeen immer über ein starke Luftkomponente verfügen, also aus einer Bodenstreitmacht und einer Luftstreitmacht bestehen, welche zusammen unter einem vereinten gemeinsamen Kommando agieren. Es ist diese Joint-Command Struktur welche ich für besonders zukunftsweisend halte und welche theoretisch auch in der deutschen Division Schnelle Kräfte mit ihrer Kombination aus Heeresfliegern und Fallschirmjägern bestehen würde. Auch hier hätte man Regimenter, und könnte diese (rein theoretisch) mit Divisionstruppen zu echten Regiments-Kampfgruppen machen, und schließlich (ob man dass dann Division oder Brigade nennt ist irrelevant) jeweils eine solche Regimentskampfgruppe mit einer entsprechenden Heeresflieger-Einheit zusammen als organischen Großkampfverband einsetzen.

Nun haben wir aber innerhalb ein und derselben Armee auch noch ganz andere Strukturen parallel und welche davon ist nun "besser"? Bis dato folgen diese Strukturen eben primär rein technokratischen logisch-rationalen Anforderungen der jeweiligen materiellen Umstände, und nicht der Kultur und ihren Einflüssen. Von daher kann diese Frage eben wie schon ausgeführt eigentlich nicht beantwortet werden.

Unseren westlichen Armeen, insbesondere aber der Bundeswehr, ist für eine wahre Beantwortung dieser Frage überspitzt ausgedrückt die spirituelle Seite der Kriegsführung abhanden gekommen.
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Nachrichten in diesem Thema
Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von 26er - 21.04.2021, 10:27
RE: Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von Quintus Fabius - 25.09.2021, 15:05

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