Droht ein Polexit?
#28
Helios:

Zitat:bedeutet die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft natürlich auch notwendigerweise einen Zwang zur individuellen Weiterentwicklung im Rahmen der Gesamtentwicklung, weil ansonsten über kurz oder lang die Gemeinschaft keine mehr ist.

Zweifelsohne benötigt man Gemeinsamkeiten und auch eine gewisse gemeinsame Entwicklung. Aber nicht in jedem Bereich und in Bezug auf alles, ganz im Gegenteil. Die Vielfalt in Europa durch eine de facto bundesdeutsche "europäische" Einheitskultur ersetzen zu wollen ist nicht nur gefährlich für den Bestand der EU, gerade der regelrechte Zwang in eine solche Vereinheitlichung hinein zerstört die Gemeinschaft, weil er keinerlei Pluralität mehr zulässt. Entsprechend ist die ganze Debatte gerade hierzulande auch so sehr ideologisiert und lässt keine anderen Auffassungen mehr zu, weil man ja scheinbar weiß, dass man allein im Besitz der einzigen absoluten Wahrheit in Bezug auf alles ist.

Wir benötigen in vielen Bereichen eben keinen Zwang zur individuellen Weiterentwicklung im Rahmen einer Gesamtentwicklung den weder gibt in diesen Bereichen eine solche Gesamtentwicklung, noch fördert dies die Gemeinschaft, noch ist es überhaupt notwendig. Wir zerstören die EU ohne Sinn und ohne Not für Nichtigkeiten und verschwenden unsere begrenzte Zeit damit sie für eben solche Bereiche zu vergeuden, die schlicht und einfach irrelevant sind.

Aus bloßer Ideologie heraus zerstört hier aktiv diese Bundesrepublik die EU und erkennt es noch nicht mal. Und eine solche ideologische Ausschließlichkeit welche unter dem Deckmäntelchen von Menschenrechten daher kommend alles einebnen und Bundesdeutsch machen will (am Deutschen Wesen allein soll erneut die Welt genesen) kann keine funktionierende Gemeinschaft tragen.

Zitat:Wie bereits bei einer anderen Diskussion erwähnt bringt es wenig, wenn wir hier als juristische Laien beispielsweise in das Grundgesetz hineininterpretieren, wie es zu verstehen sei.

Und wie schon früher kann ich nur erwiedern, dass dieses Argument mir zu sehr eine Argumentation mit Autoritäten ist. Völlig unabhängig von juristischer Bildung kann man nämlich durchaus logische Kausalketten bilden und feststellen, dass eine Aufzählung (auch wenn sie nicht abschließend ist) eben zwingend bedeutet, dass Diskriminierung gegen bestimmte Gruppen möglich sein muss, da ansonsten jede Art von Aufzählung sinnlos ist. Das gebietet einfach die Logik. Den sonst wäre der Text anders formuliert und ansonsten bedürfte es auch gar keiner Aufzählung.

Man könnte auch noch anmerken, dass aller Überhöhung des Grundgesetz und der Menschenrechte zum Trotz gerade in auch in dieser Bundesrepublik ständig massiv in die Menschenrechte und scheinbaren Grundrechte eingegriffen wird, einfach aufgrund von Gesetzen und Verordnungen. Ständig verstößt der Staat in allen Bereichen gegen die ach so heiligen Menschenrechte. Es kann auch gar nicht anders sein. Denn anders könnten weder der Staat noch die Gesellschaft überhaupt praktisch real funktionieren. Diese ganze Überhöhung ist also zum einen nur Propaganda, zum anderen auch Ideologie und ideologische Überzeugung, mit der man sich selbst das eigene Handeln legitimiert.

Zitat:ich behaupte nur, dass ein Kulturbegriff nichts wert ist, wenn er zur Rechtfertigung von willkürlichen, individuellen Unfreiheiten dient.

Dann ist unser Kulturbegriff auch nichts wert, denn er dient ganz genau so der Rechtfertigung von willkürlichen individuellen Unfreiheiten. Nehmen wir als Beispiel die Eingriffsrechte von Jugendämtern in dieser Bundesrepublik (war aktuell mal wieder Pro Jugendamt Propaganda in der SZ). Die gibt es so in keinem anderen Staat Europas in dieser Art und Weise und sie verstoßen eindeutig gegen die EMRK. Aber interessiert dass irgend jemanden hierzulande? Sogar im Gegenteil will man hier noch mehr staatliche Übergriffe. Ganz allgemein will man in der etatischen Grundkultur in dieser von der German Angst regierten Bundesrepublik nur immer noch mehr (Nanny)Staat der allumfassend alles regulieren soll, immer natürlich zum besten der Menschen. Mit Freiheit hat das nur noch wenig zu tun.

Zitat:Es geht bei der Frage überhaupt nicht um Kultur, kein bisschen, sondern nur um einen aus (primär religiösen) Vorprägungen entstandenen Willen, andere Menschen dafür zu diskriminieren und kriminalisieren, wer sie sind.

Wie ich es schrieb: erhebliche kulturelle Unterschiede. Und nun zum wesentlichen: eine Mehrheit der Menschen in diesen Ländern will es so, weil die Kultur einer Mehrheit genau so ist. Diese Diskriminierung und Kriminalisierung erfolgt aus einer breiten demokratischen Mehrheit heraus und diese ist weder durch Manipulation entstanden noch künstlich, sie spiegelt den realen Willen der Mehrheit der Menschen dort wieder. Genau so wie in der Bundesrepublik bis vor gar nicht so langer Zeit ebenso andere Menschen diskriminiert oder kriminalisiert wurden.

Jetzt aber zum wesentlichen: Es geht uns einfach mal rein gar nichts an. Wenn dort demokratisch legitimiert eine Mehrheit der Menschen andere Werte und Normen vertritt als die Bundesdeutschen, dann ist dem halt so. Ebenso wie umgekehrt die Ungarn und Polen es nichts angeht was hierzulande für erstrebenswert und richtig gehalten wird. Viel wesentlicher und wichtiger ist es, dass wir alle gemeinsam in den entscheidenden Fragen für die Zukunft geschlossen dastehen und dass werden wir nicht, wenn wir uns wegen Dingen entzweien, die allein eine rein nationale Angelegenheit sind und für das Funktionieren der EU in den entscheidenden Zukunftsfragen völlig belanglos sind.

Dann gibt es halt in der EU in bestimmten Bereichen Unterschiede. Dies ist keine Schwäche, es ist eine Stärke ! Das ist nämlich wahre Diversität. Und langfristig ist eine solche Vielfalt ein erheblicher Vorteil, und es war geschichtlich genau diese Vielfalt welche der primäre Vorteil Europas gegenüber anderen Räumen war.

Und diese Unterschiede schwächen nicht die Gemeinschaft, sie stärken sie in Wahrheit. Geschwächt wird sie allein durch die Forderung der Bundesrepublik dass alle so werden sollen wie die Mehrheit hierzulande es scheinbar geworden ist.

Wir gleiten hierzulande in Wahrheit zunehmend in einen moralischen Nihilismus ab, in welchem alles relativiert wird und nichts mehr gelten soll. Dass kann und wird nicht die Grundlage für geeintes Europa sein, da eine solche Geisteshaltung niemals ein idealistisches Konstrukt tragen kann. Entsprechend auch die zunehmende Europamüdigkeit in weiten Teilen Europas.

Zitat:andere Menschen dafür zu diskriminieren und kriminalisieren, wer sie sind.

Wo aber soll dann die Grenze sein? Wenn alle Grenzen schwimmend, fließend und realtiv sind, es keine absoluten Werte gibt, wo soll man dann aufhören? Wenn es aber eine Grenze gibt, dann wird immer irgend jemand diskriminiert werden.

In Wahrheit resultiert dieser Anti-Diskriminierungswahn meiner Ansicht nach aus einem spezifisch deutschen Selbsthass der uns befallen hat. Wir wenden uns jeder nur denkbaren irrelevanten Minderheit zu, und überhöhen diese und wollen das die ganze Gesellschaft sich um deren Ansichten dreht, weil wir unterbewusst in Wahrheit zum einen uns selbst so sehr hassen und zum anderen unterbewusst diese Minderheit gerade eben für minderwertig und unterlegen, für Opfer halten. Denn wären sie das nicht, wären sie ja auch nicht diskriminiert.

Eine Gesellschaft ohne jede Diskriminierung ist nicht nur keine Gesellschaft mehr, sondern eine zutiefst ablehnenswerte Karikatur menschlichen Daseins. Auch wenn es fast jedem kontraintiutiv erscheint: Diskriminierung ist die zwingende Grundvoraussetzung für Zivilisation, für technischen Fortschritt, für das Funktionieren einer Gesellschaft wie auch eines Staates. Jede Diskriminierung aufheben zu wollen ist daher im günstigsten Fall nur eine Phantasterei und in vielen anderen Fällen einfach nur der Weg in die Selbstvernichtung.

Nehmen wir mal nur die Staatsbürgerschaft als Ausschließlichkeitskriterium. Die einen sind Staatsbürger und dürfen wählen, die anderen nicht. Warum? Diskriminierung! Weg damit. Alle Menschis dürfen wählen egal wo auf der Welt sie sind, usw. Genau da führt diese Weg hin, in die Nicht-Funktionalität!
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