Entwicklung & Nachfolge des Tornados Jabo
#18
Oje, da sortiere ich zum Verständnis doch gern mal ein bissel, danke aber zunächst für deinen Post. Ich glaub von einigen Grundsätzen sind wir gar nicht weit auseinander, allerdings in einem wesentlich schon, das ist allerdings in keiner Weise tragisch.
Falls der Eindruck entstanden ist, sich von den Amerikanern sicherheitspolitisch zu entfernen ist, kann ich klar eine Absage erteilen. Das Gegenteil ist der Fall. Sich abzugrenzen von den Amerikanern in der Entwicklung, Produktion und Beschaffung hin zu bedarfsorientierten Eigenentwicklungen ohne den Anspruch amerikanische Überlegenheitsbereiche übertrumpfen zu müssen hingegangen ein klares ja (was nicht gleichbedeutend mit einer Wertung der amerikanischen Fighter ist). Natürlich unter Verwendung einheitlicher Nato Standards (was sonst?) ! Denn rein auf ausschließlich amerikanische Plattformen zu setzen ist auch kein Allheilmittel. Es schützt weder davor, höhere Kosten oder Verzögerungen in Kauf nehmen zu müssen, noch das man am Ende das bekommt, was bestellt und versprochen wurde (lediglich das sollte das Beispiel der Israelis aufzeigen). Dennoch, die Frage ist doch hier viel tiefgehender, nämlich… was will Europa insgesamt sein ? Dazu aber später mehr.

Ich gebe dir Recht wenn du sagst, die Entwicklung des EF war seinerzeit ein hohes Risiko. Aber das war die Entwicklung des Tornado dann in gleicher Weise auch. Auch dieser entstand im Kalten Krieg und Unterlag dem Damoklesschwert des Scheiterns. Ich sehe es auch nicht als grundsätzlichen Fehler an das EF Programm seinerzeit gestartet zu haben. Aus heutiger Sicht war es vielleicht allenfalls ein Fehler, die seinerzeit grundsätzliche Auffassung der Franzosen weiter verfolgt zu haben, eher GEMEINSAM ein MultiRol-Jet ala Rafale zu entwickeln. Aber shit happens, so war es nicht. Genau das ist aber auch der springende Punkt und eher meine Auffassung von Arroganz und Ignoranz denen gegenüber, die mit dem Wissen und Erkenntnissen von heute die damaligen Entscheidungen grundsätzlicher Art verurteilen.

War die Annahme seinerzeit wirklich so fehl, einen Jet in der Auslegung als „sogenannten Luftüberlegenheitsjäger“ zu entwickeln ? Hätte man den Verlauf der Ereignisse (die WIR HEUTE Geschichte nennen) so vorhersehen MÜSSEN (nicht nur können), um zu einer grundlegend anderen Bewertung der Situation zu kommen (wohlgemerkt vor dem Hintergrund dass der JaBo Tornado für die Air to Ground Rolle zu diesem Zeitpunkt gerade mal 5 Jahre im Dienst stand) ?

Um dein Bild der Goldrandlösung an dieser Stelle nochmals aufzugreifen, würde dieses für mich eher auf die Raptor zutreffen (wohlgemerkt auch aus heutiger Sicht). Auch hier verneige ich mich demütig vor den Entscheidungen der Amerikaner dieses Projekt durchgezogen zu haben. Hätte der Kalte Krieg ab 1990 weiterhin Bestand gehabt, wäre der Greifvogel nicht so als so „nutzlos“ verschrien wie es heute oftmals der Fall ist. Aber auch hier kann man nur spekulieren, was geschehen wäre wenn, zum Glück. Wenn die Europäer den EF nicht entwickelt hätten, wäre die Option für Europa und insbesondere Deutschland wohl auch nicht als sehr unwahrscheinlich gewesen, sich an dem Raptor Projekt zu beteiligen. Das hatte man zu der Zeit auch als Argument vor 1985 ins Feld geführt, wenn es zwischen den europäischen Nationen zum EF Projekt nicht endlich zu einer Einigung kommen würde. Dann hätten wir heute vielleicht Raptoren in Deutschland zu füttern. Eben dieses Flugzeug der Amerikaner, welches (aus heutiger Sicht) den wenigsten militärischen Wert hatte. Aber das ändert sich vielleicht auch gerade wieder in Bezug auf Russland und China, so dass es durchaus eine Renaissance in welcher Weise auch immer erleben könnte (hoffentlich nicht). Und um hier noch einmal auf die Entwicklung einzugehen… der Raptor hat man (wohlwollend betrachtet) die letzten „Kinderkrankheiten“ erst Mitte 2012 mit der Behebung des Sauerstoffzuführungssystems ausgetrieben. Will damit sagen, auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Auch hier sollte man sich davor hüten, mit dem Finger auf Lockheed zu zeigen. Das ist immer ein Risiko und liegt bei solchen Komplexen Maschinen in der Natur der Sache.

Und genau dieses Risiko möchte ich gern nochmal ins Feld führen. Weil es ein Entwicklungsrisiko gibt soll Europa das Feld allein unseren amerikanischer Partnern überlassen ? Widerspricht das nicht dem Anspruch den Europa hat und nicht auch haben sollte im Bereich der Hochtechnologie mitzumischen ? Was gleichzeitig wieder zu der Frage führt… was will Europa sein ? Eben diese Frage muss sich Europa ganz genau beantworten. Eines glaube ich aber was es definitiv nicht sein sollte, ein aufstrebendes Zentrum, welches nicht mehr bereit ist Risiken als Antrieb von Entwicklung einzugehen. Damit geht einher auch in gewisser Weise Fehler zu machen und daraus lernen zu dürfen. Diese Sichtweise geht heutzutage ein wenig unter. Welche Entwicklung (im Allgemeinen), welche Veränderung ist stets lt. Plan umgesetzt worden, ohne Rückschritte, ohne Nachsteuern ? Auch hier bemühe ich gern wieder den Blick durch die Augen der Vergangenheit. Europa steht erst seit Anfang der Neunziger wieder auf eigenen Füssen und trägt erst seither wieder die Verantwortung für sich selbst (oder ist gerade dabei das schmerzhaft zu lernen). Vor diesem Hintergrund sehe ich Airbus eher als Erfolg an, sich in diesem Zweig insbesondere im zivilen Flugzeugbau zumindest als harte Konkurrenz von Boeing etabliert zu haben. Airbus würde es ohne viel Mut einiger damaliger Entscheidungsträger in Industrie und Politik die sich dem Risiko seinerzeit gestellt haben mit seiner durchaus auch beachtlichen erfolgreichen Palette an Produkten gar nicht geben. Was ist es nicht als Arroganz die gemachten Fehler auf diesem Weg heute zu verurteilen ? Nein, ich glaube nicht, dass man den Weg beenden sollte in dem man auch auf dem militärischen Sektor nun mit Blick auf die Zukunft in den sich damit zu überwindenden Herausforderungen aller Art ergibt. Das schließt auch definitiv nicht aus, dass man ordentliche Produkte erwarten kann.

Heißt das, dass man vor Airbus gegenüber als nationale Staaten das Haupt senken muss und vor „falscher Dankbarkeit und Stolz“ alles gewähren sollte ? Definitiv nein ! Und das ist auch die Übernahme der jeweiligen Verantwortungen ! Airbus und auch alle anderen Industriezweige haben die verdammte Pflicht, hochwertige Produkte zu liefern. Die Staaten wiederum dürfen die Verantwortung tragen, diese Umsetzung mit ordentlichen Verträgen einzufordern und eben nicht auf „Kuschelkurs“ zu gehen. Das ist doch (mit) die eigentliche Krux ! Und die Tatsache, dass die europäischen Nationen ihrem Militär wieder einen anderen Stellenwert geben und das gegenüber ihrer Gesellschaft auch so kommunizieren müssen. Alle Staaten wachen im Moment gerade aus ihrem Winterschlaf der letzten 20 Jahre auf. Es war ein geopolitischer Furz ins eigene Gesicht nach dem Ende des kalten Krieges anzunehmen, das Vorleben demokratischer Gesellschaften würde den Rest der Welt von dieser "vernünftigen" Lebensweise überzeugen und so vermeintlich "das Ende der kriegerischen Weltgeschichte" einläuten. Ehrenwert, absolut… aber eben nicht realistisch. Man hatte das Militär die letzten Jahre extrem kastriert. Man musste ja teilweise schon das Gefühl bekommen, dass es grundsätzlich in Frage gestellt würde. Das ist (mit) einer der Hauptgründe, warum die Klarstände und Fähigkeiten der Militärs in Europa so katastrophal sind. Aber auch hier hilft es zurückzublicken. Man hatte sich zu dieser Zeit auf andere Schwerpunkte fokussiert. Nicht nur Europa und insbesondere Deutschland war mit der Setzung völlig anderer Prioritäten im Wandel, sondern die damalig bekannte Weltordnung brach vor aller Augen zusammen. Wohlwollend kann man sagen, dass zumindest an die Gesellschaft gerichtet schwer vermittelbar war, mit dieser sich veränderten Bedrohungslage Anfang der Neunziger eine Aufrechterhaltung der Militärausgaben zu kommunizieren. Aus heutiger Sicht natürlich ein sogenannter Fehler. In Konsequenz wurde eben auch die Finanzierung und Strukturanpassungen der Großprojekte und der Militärs im Allgemeinen bis UNTER Mindestmaß im Rahmen der Haushaltslage kastriert, auch bei den Briten. Und insbesondere dieser Umstand führte zum Ergebnis der militärischen Fähigkeiten Europas heute. Mir fällt es schwer anzunehmen, dass mit amerikanischen Plattformen unter Verzicht auf eigenentwickelte europäische Produkte der heutige Zustand der Militärs in Europa vor eben diesem Hintergrund der Geschichte grundsätzlich anders wäre. Auch bei einem solch angenommen Verlauf der Geschichte hätte man die Finanzierung nicht aufbringen wollen bzw. den Bedarf nicht erkannt. Dann stünden hier eben mehr nicht wirklich einsatzfähigen F- Teens im Block 1-2 herum. Auch da ginge ohne die Amerikaner nicht viel, wie operativ sicher auch in Zukunft nicht.

Im Übrigen gebe ich dir vollkommen Recht, dass das Mindestmaß an militärischer Handlungsfähigkeit gewährleistet sein muss. Aber dafür bedarf es zu aller erst die auskömmlichen Finanzierungsmittel und die entsprechenden Strukturen (Wartung usw.) auch in „stabilen“ Friedenszeiten, insbesondere um die Klarstände auf einem mindestens vertretbaren Maße zu halten. Das zu verantworten liegt vordergründig eben nicht bei der Industrie. Auch obliegt es nicht der Verantwortung der Industrie, dass die Briten derweil schon die besseren Upgrades fliegen als die Deutschen. Genau das wird jetzt auch die Aufgabe der europäischen Staaten sein, hier mindestens nachzubessern. Ich gehe davon aus, dass mittlerweile viele erkannt haben, dass sich die grundsätzliche Haltung Europas zu seiner Sicherheitsstruktur grundlegend verändern muss. Insoweit ist es kein Widerspruch, den EF unter solchen Prämissen weiterzuentwickeln und ein neues Fighterprojekt orientiert an den Bedarfen zu starten. Das schließt eben mit ein, das nicht die geplanten finanziellen Mittel über die gesamte Laufzeit des Projekts bei bereits gestarteten Großprojekten irgendwann zu stoppen. Danach hätte der EF z.B. schon längst ein AESA Radar haben können. Die Unterschriften unter den Entwicklungsauftrag erst 2014 zu setzen mit dem Anspruch es 2013 bereits geflogen zu haben, geht eben nicht.

Und nein, der EF ist mit Sicherheit kein Produkt ohne Schwächen. Allerdings ist er ein Flugzeug, der seiner Air to Air Rolle entsprechend seiner Entwicklungsabsichten in den meisten Fällen weltweit unbestritten hervorragend ausführen kann. Um es vorsichtig zu formulieren muss der EF keinen Vergleich mit Konkurrenzprodukten dem Grunde nach scheuen. Insoweit kann ich der Argumentation nicht Folgen, dass mit diesem Gerät das Leben und die Gesundheit der Soldaten mehr gefährdet ist, als in anderen Maschinen.

Lassen wir Alber Einstein in Frieden ruhen. Wenn sich die großen Firmen Airbus, Dassault, Saab (und Andere) und insbesondere BAE Systems (Leader ?) für ein gemeinsames Projekt verpflichten lassen, welches konsequent finanziert und mit festen Willen aller beteiligten Nationen ernsthaft und nachhaltig über die gesamte Laufzeit verfolgt wird, dann wäre der Boden für eine lehrreiche Änderung der Projektierung doch schon gegeben. Keine Frage, Zweifel daran sind aus den gemachten Erfahrungen der letzten Jahre für ein solches gelingen mehr als berechtigt. Denen aber das grundsätzliche KnowHow abzusprechen…mhhh naja. Danach gemessen dürften die Russen mit ihren Fighterentwicklungen der letzten Jahre und mit Blick auf die Zukunft und deren Herausforderungen ja auch gleich einpacken. Von daher, nicht den Spatz in der Hand… sondern den Kopf nicht in den Sand 
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