28.02.2015, 22:11
Erich schrieb:wie schon mal gesagt: Dokumente sind nicht zwingend - vielfach sogar unüblich.So einfach ist es nicht.
Allerdings kann die Zusicherung durch entsprechende Aussagen der seinerzeit Beteiligten inzwischen durchaus als belegt gelten.
Nach dem Völkerrecht (ua Art. 3 Vienna Convention on Treaties) sind mündliche Vereinbarungen mit rechtsverbindlichen Charakter möglich.
In der Fachliteratur wird gerne ein Streitfall zwischen Dänemark und Norwegen über Souveränitätsrechte in Grönland aus dem Jahr 1933 bemüht.
Ein anderer betraf eine Erklärung Frankreichs zu atmosphärischen Atomtests aus dem Jahr 1975.
Sprich, in der Rechtstheorie existieren solche Konstrukte, in der Praxis sind sie jedoch unüblich und kein gebräuchliches Instrument des internationalen Geschäfts.
Vor allen nicht im Rahmen weltverändernder Prozesse wie sie während der Auflösung der Sowjetunion und der Deutschen Wiedervereinigung stattfanden.
Das ist nur vernünftig so. Die Halbwertszeit von mündlichen Vereinbarungen ist zwangsweise begrenzt.
Politische Akteure wechseln und mit ihnen schwindet Kenntnis und Verständnis etwaiger Vereinbarungen.
Zusätzlich sind sie extrem anfällig für Missverständnisse zwischen den Verhandlungspartnern und mit der Zeit steigt die Gefahr der falschen Interpretation und Erinnerung.
Insofern, die Behauptung es habe im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung und der 2+4 Verträge eine lediglich mündliche Absprache über eine geostrategisch derart bedeutsame Frage gegeben ist extrem abenteuerlich und völlig unrealistisch.
Der Völkerrechtliche Prozess um die Wiedervereinigung Deutschlands war eine Übung in der ganz hohen Kunst der internationalen Diplomatie und kann als mustergültig bezeichnet werden.
Es würde jeder Logik entbehren extreme Detailfragen in Bezug auf Deutschland vertraglich zu regeln (von sowjetischen Soldatenfriedhöfen und Denkmäler) und einen Wesentlichen Punkt unter den Tisch fallen zu lassen.
Viel wahrscheinlicher und logischer ist es, dass die Vertragsparteien damals die Frage einer Osterweiterung der Nato überhaupt nicht auf dem Schirm hatten. Wie auch? Damals bestand noch der Warschauer Pakt und die Rote Armee stand mit mehreren Armeen an der innerdeutschen Grenze.
Niemand war so radikal und dachte daran, dass der Warschauer Pakt zerfallen und viele Mitgliedstaaten in freier und souveräner Entscheidung um eine Aufnahme in die Nato bitten würden.
Es ist dann mehr als fragwürdig irgendwelche Aussagen von damals Verantwortlichen zu bemühen und diese aus dem historischen Kontext zu reißen.
Damals dachte niemand an 1999, es waren eher die Erinnerungen an 1956 mit dem Aufstand in Ungarn sehr real. Der Umstand, dass die dortigen Aufständischen die Hilfe der Nato ersuchten war mitverantwortlich für das sowjetischen Eingreifen. Namentlich Genscher wollte dahingehende Befürchtungen der Russen, die Nato würde politische Unruhen in Osteuropa dementsprechend nutzen zerstreuen.
Der amerikanische Außenminister Baker und auch der britischen Außenminister Hurd schlossen sich dem an.
Es ist höchst zweifelhaft das diese Aussagen weitergehende Relevanz haben wenn sie der Gesamtheit des diplomatischen Prozesses gegenüberstellt der damals stattfand. Sprich, wenn der Sowjetunion diese Aussagen wichtig gewesen wären hätte sie niemand daran gehindert diese in den Vertragsverhandlungsprozess mit aufzunehmen. Dies fand aber nicht statt.
Man kann jetzt nicht aus jedem Argument, dass am Rande des Prozesses mal von irgendwem zur Sprache gebracht eine rechtsverbindliche Zusage stricken.
Zumal wie schon angesprochen es eher zweifelhaft ist, dass die genannten Akteure dazu berechtigt wären Nato Bündnis Politik zu formulieren. Das müsste eigentlich auf Staatschefebene geschehen und ganz gewiss nicht nur mündlich.
In der FAZ konnte man dazu mal einen guten Satz lesen: Man kann in einem Nebensatz nicht die internationale Sicherheitsarchitektur der nächsten Jahrzehnte zu definieren.
Das ist völlig abstrus. Genauso die Erwartung, aus mündlichen Aussagen Genschers/Bakers die im damaligen historischen Kontext getätigt wurden würde sich quasi eine ewige Gültigkeit ergeben.
Das funktioniert einfach nicht, das Rad der Geschichte dreht sich weiter.