militärische Rückwärtsentwicklung in der Spätantike?
#2
Meiner Ansicht nach war der militärische Niedergang des (west-) römischen Militär in der Spätantike primär eine Folge der wirtschaftlichen Probleme des weströmischen Reiches. Man konnte sich das Militär das notwendig gewesen wäre schlicht und einfach nicht mehr leisten und fand aus einem Bündel von Faktoren nicht zu einer anderen Form der Verteidigung,

da diese den Zerfall des Reiches in viele Einzelstaaten bedeutet hätte (was zeitweilig dann trotzdem als zwingende Folge geschah (diverse Sonderreiche) und dann im Endeffekt mit den "Barbaren"reichen auf römischen Boden seine Fortsetzung fand. Zwischen der Krisenzeit in der sich die Sonderrreiche bildeten und dem Untergang lag aber noch mal eine gewisse Phase der Restauration, in der die Zentralmacht die Sonderreiche zurück erobern konnte.

Dies geschah jedoch unter völliger Überforderung der Volkswirtschaft des Reiches, die sich davon nie mehr erholte. Das findet sich beispielsweise auch im archäologischen Bestand wieder, dass genau in dieser Zeit bestimmte Waren aus fernen Teilen des Reiches die lange Zeiträume verfügbar waren plötzlich aus dem Fundgut verschwinden - was bedeutet, dass der Handel im Reich zum Erliegen kam.

Auch Gruppierungen wie die Bagauden, die Circumcellionen u.v.m. zeigen klar den Zerfall der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Gemeinschaft auf, lange bevor das Reich dann staatlich unterging.

Genau genommen war auch der Verlust an Kultur und Zivilisation mit dem Zusammenbruch des Reiches noch nicht gegeben, er entwickelte sich dann erst primär - nachdem das Reich bereits zerfallen war, also nach dem Untergang des weströmischen Reiches. Die frühen "Barbaren"reiche waren demgegenüber noch weitgehend der Tradition und Zivilisation der Antike verbunden und das sogenannte "Dunkle Zeitalter" begann nicht mit dem Ende Westroms, sondern erst einige Zeit später in den Kriegen der Barbarenreiche untereinander, die wesentlich größere Zerstörungen zur Folge hatten, als alles was vorher statt gefunden hatte. Insbesondere werden beispielsweise die Zerstörungen die Chlodwig in Gallien verursachte völlig vernachlässigt, obwohl sie weit über dem lagen was vorher zugrunde ging.

Bereits die Heeresreformen zur Zeit von Diokletian überforderten den Staat erheblich - alles nach ihm zerstörte im Endeffekt auf Dauer die volkswirtschaftliche Substanz des Reiches und damit den Zusammenhalt der in ihm lebenden Menschen, welche die Zentralherrschaft zunehmend als Unerträglich fanden. Daher schlossen sich viele einfache römische Staatsangehörige den "Barbaren" bei ihren Einfällen an, bis hin zu kompletten geschlossenen Militäreinheiten.

Natürlich passten sich die "Barbaren" auch in gewisser Weise an die römische Kriegsführung an, dass war aber nicht der primäre Grund für die immer weiter um sich greifende militärische Schwäche der Römer in der Spätantike. Zudem war die Verwendung "barbarischer" Söldner gegen andere Barbaren ebenfalls nicht unbedingt schlecht, im Gegenteil lag darin sogar im Endeffekt die einzige Chance die das Reich hatte, nämlich die Germanen zu romanisieren. D

ie Romanisierung der Germanen fand anfangs auch noch in erheblichem Umfang statt. Die ins Reich einfallenden germanischen Großstämme waren eine direkte Folge dieser Romanisierung der Germanen wie auch der immensen Innergermanischen Veränderungen in dieser Zeit, über die wir leider so gut wie gar nichts wissen. Gerade die Zeit um 300 herum ist fast ein schwarzes Loch in Bezug auf die Inneren Entwicklungen Germaniens.

Selbst später noch hatte die römische Kultur ausreichend Anziehungskraft und Pufferstaaten wie das Reich der Westgoten im Gebiet des heutigen Rumänien begannen sich zu romanisieren, zu Christianisieren und bildeten einen Sicherheitsgürtel um das Reichsgebiet herum.

Noch zu diesem Zeitpunkt war das römische Militär relativ stark, zerstörte aber zum Erhalt dieser Stärke und der Zentralwirtschaft die Volkswirtschaft des Reiches in dem der "Wehretat" das Wirtschaftsgefüge des gesamten Mittelmeerraumes in eine Dauerrezesion zog.

Abgesehen von dem vor allem früher überstrapazierten Momentum der Hunnen führten dann aber wieder vor allem Innerrömische Machtkämpfe zum Zusammenbruch dieses Militärs dass dann aus finanziellen Gründen nie mehr in der alten Form aufgerichtet werden konnte. Sobald der Druck durch das Militär wegfiel, zerfiel die Gesellschaft des Reiches und schlossen sich die "Römer" den "Barbaren" in weiten Teilen Westroms völlig freiwillig an.

Noch in Straßburg 357 n Chr konnte das römische Militär die Germanen entscheidend schlagen, die Alemannen fielen damit als Bedrohung aus. Nicht lange danach geschah dann die Niederlage von Adrianopel gegen die Westgoten im Jahre 378 n Chr die meist als vernichtend eingestuft wird. Tatsächlich aber war sie nachrangig. Auch danach bestand das römische Militär noch in erheblicher Stärke.

Der wirkliche Schicksalsschlag war meiner Überzeugung nach die Schlacht am Frigidus 394 n Chr. Dort kämpften die Armeen West- und Ostroms im Bürgerkrieg gegeneinander und dort wurde der römische Kern der weströmischen Armee vernichtet. Bis zu diesem Jahr 394 n Chr sehe ich keine Schwäche des weströmischen Militär, sondern nur eine volkswirtschaftliche Überforderung des Reiches zum Unterhalt desselben. Nach dieser Schlacht fehlten dann aus dem letztgenanten Faktor heraus die Mittel, die Armee wieder zu errichten. Die Verluste waren vernichtend und vor allem anderen damit nachhaltig.

Die Schlacht am Frigidus führte direkt zum Zusammenbruch der Rheinfront, zum dauerhaften Verlust Britanniens, und zur völligen "Barbarisierung" und "Germanisierung" des weströmischen Militär. Vor Frigidus gab es noch eine weströmische Armee und romanisierten sich die ihr angeschlossenen Germanen. Nach Frigidus germanisierten sich die Söldnerhaufen, welche Westrom noch unter Vertrag nehmen konnte und eine weströmische Armee existierte nicht mehr. An ihre Stelle traten im Endeffekt "Warlords" welche mal mehr, mal weniger für den Zentralstaat, aber immer für ihren eigenen Gewinn kämpften. Figuren wie Aetius zeigen klar auf, wie stark die "Barbarisierung" selbst in der römischen Oberschicht nach Frigidus reichte. Aetius war mehr ein Hunne als ein Römer. Vor Frigidus war eine solche Karriere undenkbar gewesen und die Germanisierung der weströmischen Armeen in Wahrheit geringer als man annimmt.

Zitat:Doch der technische-taktische Stand den mittel-west und südeuropäischeTrupppen nach dem Untergang hatten, war kaum noch mit dem des römischen Reiches vergleichbar.

Der wesentliche Punkt ist also, dass der technisch-taktische Stand der Westeuropäischen Truppen bereits vor dem Untergang kaum noch mit dem des römischen Reiches vor Frigidus verglichen werden kann. Bereits VOR dem Untergang war das weströmische Militär im Endeffekt nicht mehr existent!

Und gerade dadurch gelang es den "Barbaren", dass Reichsgebiet unter sich aufzuteilen, unterstützt noch in erheblichem Umfang durch die Untertanen eben dieses Reiches, die sich in weiten Teilen den "Barbaren" anschlossen und diese unterstützten.
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