Rüstungsprojekte Bundeswehr 2010
#29
Man kann aber nicht jeden Krieg führen, weil solch eine Vorstellung eine absolute Abscheidung des Krieges von der Realität bedeuten würde, eine absolute Selbstreferenz, wie sie nur in vereinzelten hostorischen Sondersituationen anzutreffen war und meistens auch nur destruktive Konsequenzen hatte.
Seien es nun hochgradig ritualisierte "Kriege" unter den "einfachen" Stämmen und Kulturen, sei es die hochgradig geregelte Fehde im Mittelalter, sei es nun der moderne Krieg Clausewitzer Prägung im europäischen und europäisierten Staatensystem mit all seinen Friktionen, überall gab und gibt es Limitierungen und Grenzziehungen, die einen totale Entartung verhinderten. Sicher, es gab historische Gegenbeispiele. Fraglich ist nur, ob die folgenreichen Konsequenzen gewünscht sind.

Ich denke schon, dass man zwischen asymmterischen und symmterischen Konflikten und Konfliktführung unterscheiden sollte. Aber natürlich ist dies kein simples, scharf getrenntes Dual, sondern man muss das mehr als Kontinuum ansehen, an dessen jeweiligen Enden als Pole einmal die hochgradig ritualisierte und standardisierte Schlacht der antiken Phalanxen oder auch der frühneuzeitlichen Gewalthaufen und Schlachtlinien steht und an dem anderen Ende der beinah virtuelle Kampf terroristischer nichtstaatlicher Akteure gegen Staaten und Staatenbündnisse. Dazwischen lag und liegt eine breite Palette an Abstufungen und Besonderheiten.

Du hast doch selbst völlig richtig geschrieben, dass es dem "vermeintlich" schwächeren Kontrahenten" darum geht, dem materiell überlegenen Gegner hohe Verluste beizubringen (sowohl materielle wie aber auch immaterielle) und in einem Ermüdungskampf die Kosten des Krieges über die vermeintlich zu erwartenden Gewinne des Sieges zu treiben beim Gegner. Wie Raymond Aron sagte; Der Partisan muss nicht gewinnen, er muss schlicht nicht verlieren um zu gewinnen.
Die Kontrolle des Raums, des Bodens ist dabei nur eine Variable, die doch in meinen Augen eher zum Clausewitzschen Kampf der Gleichen passt, bei dem Armeen als Instrumente, Verkörperungen der sich bekämpfenden Staaten, im Raum aufeinanderprallen, wo sie miteinander ringen, um den Sieger zu ermitteln.

Im Asymmetrischen Konflikt aber gibt es keinen gleichartigen Gegner, gibt es keine Schlacht als von beiden Seiten gleichartig konfiguriertes Setting, wie die bei Clausewitz beschriebene Entscheidungssschlacht.
Die kann und soll es gerade eben nicht geben im Asymmetrischen Krieg, höchstens, der vermeintlich schwächere Gegner ist dermaßen stark geworden über den Konflikt hinüber, dass man sich in einen direkten, gleichartigen Konflikt begibt (wie beispielsweise in der Entwicklung der Chin. Kommunisten unter Mao, die je nach Konfliktlage Partisanenarmee, Guerillatruppe, Flüchtlinge und echte Armee darstellten).
Viel mehr muss man nicht nur in den Raum, sondern in das feindliche Territorium mit allen seinen Aspekten, mit Bevölkerung, Administration, Versorgung hineinwirken. Denn asymmetrischer Widerstand ist nicht mehr klar materiell vorhanden wie ein symmtetrischer Gegner als gegnerische, klar erkennbare Armee, sondern ist diffus, erwächst aus Bevölkerung, Wirtschaft, fehlender Versorgung, Raum und Zeit (d.h. Raum in seiner ganzen Breite, auch zeitlich differenziert - man kann als Okkupationsmacht nie überall zu gleich sein und daher ist Widerstand zeitlich und räumlich diffus, mal hier, mal dort). Widerstand ist hier wieder auf seinen eigentlichen Kern reduziert: Auf Macht als Einfluß auf Menschen, auf Handlungen einer Gruppe von Menschen, auf eine feindliche, gegnerische Geisteshaltung, die diese Menschen ergreift. Eine "symmetrische" Armee ist letztlich nur die Körperhafte, materiell manifeste Darstellung eines politischen Willens und als solche bekämpfbar. Asymmetrischer Widerstand dagegen ist diffus, nicht klar manifest, hat keinen so einfach identifizierbaren Körper.
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