Europäische Streitkräfte// traditionelle Stärken
#25
Sicher sind diese Präferenzen historisch gewachsen, aber sie resultieren meiner Meinung nach nicht aus den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und gerade das von dir genannte Beispiel der gezogenen Artillerie zeigt dies meiner Meinung nach klar auf.

Die Amerikaner haben die gezogene Artillerie im Kalten Krieg deshalb etwas stiefmütterlich behandelt, da die Russische Artillerie numerisch und zum teil qualitativ weit überlegen war und das Primärziel der russischen Artillerie gerade eben die US Artillerie war. Die Primäraufgabe der russischen Artillerie war aber zunächst mal die sogenannte Angriffsvorbereitung.

Im Gegensatz zur Vorgehensweise im Zweiten Weltkrieg war darunter im Kalten Krieg primär zuerst die Bekämpfung der gegnerischen Artillerie gemeint. Die sowjetische Artillerie sollte mehr in der Tiefe wirken und gegnerische Artillerie ausschalten. Genau deshalb setzten die USA ihren Schwerpunkt auf Panzerhaubitzen, um die Überlebensfähigkeit der eigenen Artillerie gegen die sowjetische Artillerie zu erhöhen.

Desweiteren war die Entwicklung der US Artillerie vom möglichen Atomkrieg her beeinflusst. Beide Faktoren: die Strategie der Sowjetischen Artillerie und ein möglicher Atomkrieg machten es notwendig, die Überlebensfähigkeit der eigenen Artillerie durch Panzerschutz und Mobilität zu erhöhen. Deshalb setzten sich in der NATO und insbesondere bei der US Armee viel früher die Panzerhaubitzen und dergleichene Systeme durch.

Das kommt also nicht von der Übernahme der Arbeit der Artillerie durch CAS her, sondern ist eine Folge der enormen numerischen Überlegenheit der sowjetischen Artillerie und deren primären strategischen Auftrag, nämlich der Niederkämpfung der gegnerischen Artillerie.

Gerade auch die Schlacht um die Seelower Höhen zeigt wiederum wie hier falsche Schlußfolgerungen Verbreitung gefunden haben. Am Ende des Zweiten Weltkrieges war primär die Sowjetische Luftwaffe durch massive Luftnahunterstützung Schlachtentscheidend. Obwohl bei dieser Schlacht das gewaltigste Artilleriefeuer aller Zeiten von den Sowjets eingesetzt wurde, hatte dieses Artilleriefeuer selbst einen im Vergleich eher geringen Effekt. Die deutsche Verteidigung blieb trotz des ungeheuren Trommelfeuers in weiten Teilen intakt.

Gerade in dieser Schlacht war die Artillerie nicht schlachtentscheidend. Und gerade aus den Erfahrungen am Ende des Zweiten Weltkrieges heraus begannen die Sowjets ihre Taktiken für den Einsatz der Artillerie zu ändern. Vorher hatte das Artilleriefeuer primär das Ziel den Durchbruch zu ermöglichen indem man die Gefechtsstände, Widerstandsnester und die gegnerische Front mit Trommelfeuer belegte. Im Kalten Krieg sollte das Artilleriefeuer aber gezielter, und deutlich mehr in die Tiefe hinein wirken. Primäres Ziel war dann gegnerische Artillerie, Führungsstände, und die flexible Unterstützung der eigenen Truppen während des Durchbruchs in der Tiefe des Raumes.

Desweiteren wurde der schnelle Stellungswechsel und der rasche Vormarsch der Artillerie bei den Sowjets groß geschrieben und viel geübt. Die Sowjetische Artillerie sollte im Kalten Krieg immer nur kurz in Stellung bleiben und dann die Stellung wieder wechseln.

Allein schon aus diesem Stellungswechseln heraus war es nicht mehr möglich auf die Front ein Trommelfeuer ala Zweiter Weltkrieg zu veranstalten. Das Ziel war es im Gegenteil wesentlich kürzer, deutlich konzentrierter und Tiefer zu schießen und dann so schnell wie möglich die Stellung zu wechseln.

Man erkennt dies auch darin, daß die Sowjetischen Geschütze sehr oft größere Reichweiten haben als entsprechende westliche Systeme. Die meisten Sowjetischen Artilleriesysteme waren zudem schneller beim Verlegen als vergleichbare westliche Systeme.

Heute hat sich das natürlich auch geändert. Die russische Artillerie ist bei weitem nicht mehr das was sie mal war. Während umgekehrt gerade bei den NATO Armeen wieder ultraleichte gezogene Geschütze aufkommen aufgrund der Assymetrischen Kriege in unwegsamen Gelände.
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