Die Normannen
#7
Zitat:jedenfalls als ein Herrscher mit der Mentalität eines Mafia-Paten dargestellt

Da ich mich zur Zeit insbesondere mit der Herrschaft der Normannen in Süditalien beschäftige, ist das ein interessanter Aspekt. Selbst für die Frühmittelalterlichen Maßstäbe waren die Süditalienischen Normannen extremst treulos und verräterisch. Sie wechselten die Seiten so oft und so schnell, dass die Chronisten nicht mehr nachkamen und dass manchmal den Normannen selbst nicht mehr klar war, auf wessen sie Seite gerade kämpften. Gegner wurden ermordet, vergiftet, reingelegt, in Hinterhalte gelockt, in Schlachten durch Pfeilschüsse von hinten erledigt, in jeder nur denkbaren Form verraten.

Dazu kam ein über Jahrzehnte anwährendes ununterbrochenes Plündern, Rauben und Zerstören, dass Süditalien, insbesondere Kalabrien fast völlig entvölkerte. Erst mit der Eroberung Siziliens durch Roger den I begann sich dann die normannische Anarchie- und Terrorherrschaft in Süditalien zu mässigen. Davor hatten die Normannen unter Robert Guiscard aber bereits begonnen, die umliegenden Länder mit Krieg und Chaos zu überziehen. Eine kriegerische, chaotische Einstellung, bösartige Verschlagenheit, Brutalität und eine fröhliche Verantwortungslosigkeit waren die herausraggenden Eigenschaften der normannischen Anführer.

In den ersten 70 Jahren aber herrschte in Süditalien eine selbst für das Frühmittelalter beispiellose Anarchie, in der die Normannen stets die lachenden Dritten waren, die mal der einen, mal der anderen Partei in den Rücken fielen und sich dabei auch noch auf das heftigste untereinander bekriegten. Beispielsweise musste Robert Guiscard de facto fast sein gesamtes Herrschaftsgebiet in Apulien und in den Apruzzen wieder und wieder neu erobern, da normannische und lombardische Adelige wieder und wieder gegen ihn rebellierten. So musste die Invasion von Sizilien mehrfach abgebrochen werden, weil entweder Teile des Angriffsheeres rebellierten, oder weil es in Süditalien an anderer Stelle wieder mal eine bedrohliche Rebellion gab.

Abgesehen von ihrer sprichwörtlichen Treulosigkeit war für ihren immensen Erfolg auch ihre große Resistenz gegen Krankheiten (eine absolute Ausnahme in der damaligen Zeit) und ihre noch größere Verbissenheit im niemals endenden Kleinkrieg um jeden Feldweg und jeden Olivenhain verantwortlich. Im auffälligen Gegensatz zu allen anderen (einschließlich der Einheimischen), die im Süden rasant an Malaria, Typhus, Cholera usw in Heerscharen vor sich hinstarben, wurden die Normannen fast nie krank. Und das heiße Wetter des Südens schien ihnen im Gegensatz zu allen anderen auch wenig ausgemacht zu haben.

Ein eigenartiger Zug in diesem ganzen Bild ist der extreme Legalismus auf den die süditalischen Normannen völlig entgegen ihrem Charakter und Handeln großen Wert legten. Jede noch so üble Verräterei wurde durch irgendwelche juristischen Winkelzüge zumindest scheinlegalisiert. Das unterscheidet sie wieder von einfachen Anarchistischen Räubern. Selbst die Lehensvergabe und Hierarchie in der Lehensordnung wurde immer nach extrem legalistischen Gesichtspunkten durchgeführt, völlig gleich ob der Vorgänger vergiftet oder rückwärts viermal in sein eigenes Jagdmesser gefallen war.

Dabei spielten die Päpste und die Kirche die wesentliche Rolle. Mal für, mal gegen den Papst oder die Päpste (es gab immer wieder mal mehrere davon gleichzeitig), immer verband die Süditalischen Normannen und das Papsttum eine enge politische Verbindung, die sich vor allem aus den Legalisierungsversuchen der Normannen ergab, die diese vor allem über den Papst zu erreichen versuchten.

Das ganze ging so weit, dass soeben exkommunizierte normannische Führer aus bestimmten Umständen heraus dann den Papst militärisch heraus hauten. Obwohl immer wieder päpstliche Truppen gegen die Normannen kämpften und diese durchgehend das Gebiet des Kirchenstaates überfielen und plünderten, entstand mit der Zeit ein immer enger werdendes Bündnis zwischen dem Papsttum und den süditalischen Normannen, die dann offiziell ihr Lehen vom Papst erhielten, und auf diese Weise legalisierten obwohl sie zeitgleich aktiv Krieg gegen den Papst führten.
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